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Full text of "Ueber das Mysterium magnum des Daseins"

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UeBer baS 

Ire« Safcitt«, 



Ue6er ba§ 



Mij]i:enum IHagniim 



tiB^ Ba|>in0. 



35on 



|[» $v0ljyajammev. 




1891. 



2)a6 ^töft bev Ucbcrfetjung ift borbe^alten. 



^ovvebi^. 



Sem „großen ©el^eimnife be^ ^afein^" tft bie folgenbe 
Hnterfud^ung unb S)arftellung geiribmet. ^Den 3Jli^güttfttgen, \)k 
ettpa f(^on an bem ^ttel ,,Mysterium magnum" 2lnfto§ nehmen 
ober benfelben §u prätentiös finben tüoEen, fei bemerft, bafe eS fid^ 
felbftt)erftättbli($ eben nur um timn S^erfud^ l^anbelt, unb ba§ au§er= 
bem baS IXnternel^men !ein neues, bisi^er unerl^örteS tft, ba, lr>te 
befannt, bie ^l^ilofopl^ie ir>ie bie 9fteligion toon uralterS i^er \iä) 
bamit befd^äftigt ^at ©S l^anbelt fid^ um ein unenblid^eS $ro= 
blem, 'oa§> im ßaufe menf(^Ii($er ©nttüidelung nie gang gu löfen 
ift. Sitte Söiffenfc^aft, inSbefonbere auä) hk ^J^aturmiffeufd^aft, 
gel^t barauf aus, t)a^, toaS nod^ unbe!annt unb gel^eimnifeöott 
ift, p erforfd^en unb §ur Offenbarung gu bringen; 'i^k ^:^iIo= 
fopl^ie öerfud^t hk^» nur in umfaffenber, in allgemeiner SBeife, 
inbem fte Urprincip unb Söefen beS ^afeinS §u ergrünben unb 
eine einl^eitlid^e SBeltauffaffung banad^ gu getrinnen ftrebt. gür 
bie meiften SJlenfd^en, inSbefonbere für 'ok am menigften gebil^ 
beten, beftel^t freilid^ !aum ein (SJel^eimni^, il^nen ift SllleS !lar 
unb tenüiä), it»eil fie hei ©innesmal^rne^mung für bie ft(j^tbare 
SSelt unb bei ben ©laubenSüberlieferungen unb bem Slberglauben 
für bie unfid^tbare ^k^zn bleiben. S)ie auf il^ren attein iral^ren 



VI SBorrebe. 

Glauben ^oc^enben unb t>on @lauBen§!)0(^mut^ ber 2öij'fenf(^aft 
gegenüber ©rfüHten tüoKen ebenfo toenig toon ber 2ßifyenf(^aft, 
t>on ber $]5)iIofo))^ie irgenbi:)el(^en 2luff(^Iu^ erl^alten, beffen fie 
gar niä)t p Bebürfen meinen in il;rem SBal^ne, bie abfolnte 
2Ba:^r:^eit in abfoluter SBeife \6)on in biefem irbifi^en ^afein 
gu befi^en. ^iefe finb felbftt>erftänblid; meinem 3]erfn(^e nn^u^ 
gängli^; inbefe n^irb e§ bo(^ auä) an folc^en ni(^t feilten, benen 
berfelbe ni(^t nnit)iIl!ommen fein mag, ha fie, Don ben geiftigen 
Strömungen ber S^tit manni6)\a6) berührt unb betnegt, nic^t in 
ber Sage finb, einge^^enber fie p :prüfen unb \iä) tlax in il^nen 
p Orientiren. Qfjnen I;offe iä) burd^ meine S3emü^ung einiger^ 
mafeen förberliij^ p fein. 

2)afe ein 2öer! biefer 2lrt, hervorgegangen au§> langjäl^rigem 
geiftigen Solingen unb 5!ämpfen in einer geiftig fo betüegten Seit, 
tr>o fo toiele IXeberlieferungen unb geftfteHungen lf)infällig gen)or= 
ben finb unb neue Stic^tungen t)erf(^iebener 2lrt auftau(^en, ot)ne 
z§> p ^eftimmtl;eit unb ^larljeit ^u bringen, — gemiff ermaßen 
ein geiftigen 6(^mersenMinb fein muffe, ift begreifli(^. ©igene 
unb frembe, lange ge!)egte 2lnfi(^ten unb IXebergeugungen muffen 
geprüft ioerben, um il^re 2öaf)r^eit unb §altbar!eit gu er= 
proben unb attenfall^ im Dramen ber Sßal^rl^eit gurücfgutDeifen, 
tr>a§ bi^l;er für 3ßal)r]^eit gel^alten unb innig mit bem ganzen 
geiftigen Seben toerbunben getoefen. 3nbefe I;ilft e§ nun einmal 
ni(^tic, hk Singen p fd^liefeen, um bie bigl)er feftge^altenen 
3rrtl)ümer ni^t gu feigen unb fid^ felbft unb anbere in ^äufd^ung 
§u erl)alten, bie bod; jeben Slugenblid in (^efal;r ift, f($tüinben 
p muffen, unb nur geiftige IXnrul^e unb $ein verurfad^t, ober 
§u bem abfc^euli($en beginnen fül)rt, mit (^eloalt 'oaS» tlnl;alt= 
bare feft^uljalten ober rt>ieber geltenb gu machen unb aufpbringen. 
2öem in ber ^l)at bie 2öal)rl)eit lieber ift, al^ in felbftifd;er 
SBeife feine eigene fubjectitoe Ueberjeugung , bem !ann ee nur 
ermünfd^t fein, toenn entf (Rieben unb eingel;enb att ba§ l)ert»or= 



S5ombe. VII 

gel^oBen tt»trb, tüa§ fii^ gegen bi^^erige Slnftd^ten geltenb machen 
lä^t unb ipa^ fid^ ai§> urü)alilax ertüeift. ©ie^ nun tft im gol= 
genben guerft gefd^et)en, el^e bie :pofitit)en In^fü^rungen öerjni^t 
iüurben. 

@ro^e Erfolge finb t)on Unterfui^ungen unb SDarfteHungen 
biefer 2lrt in näd^fter 33älbe aUerbingS nid^t gu erit»arten; gu 
grofee, feftgetüurgelte 3J^ä($te, bie ba§ geiftige Seben au(^ ber 
(Eulturt)öl!er no(^ bel;errf(^en, fte!)en bem entgegen unb 'tia§> 
^oli felbft ift t)on altgeiüol^nten, burc^ ©rgie^ung unb beftänbige, 
geiüiff ermaßen ge!)eiligte Untertüeifung Beigebrachten ^Iauben§:= 
Uebergeugungen nid^t fo leidet gu beffern Infid^ten §u bringen, 
fonbern leidster no(^ gu öottftänbiger SSerneinung, §um lln= 
glauben, ^afe bef(^eibene 33ereitn)ittig!eit, ber Sßa^r^eit W 
(S^re SU geben, h)ol^er fie au(^ !omme, beffer fei al§ bünfel^afte 
9}ieinung, bie eigene 2lnfi(^t fei abfolut vodi)x, f($on tüeil man 
fie ^db^, iüirb nic^t eingefe!)en. 2öie gerne laffen fid^ bo(^ auc^ 
ungebilbete 3}lenf(j^en überreben p ber 2lnna^me, 'i)a^ fie nur 
geiDiffe @ä|e p glauben, b. ^. gelten p laffen, gelüiffe 3Sor= 
fd^riften p befolgen !)aben, um über aEe übrigen SJlenfd^en unb 
Golfer ergaben p fein aU fol(^e, benen attein 2Sa^r!)eit unb 
§eil pt^eil getüorben fei t»on @ott! IXnb iüie mu§ e§ ber un= 
gebilbeten 3}laffe fd^meid^eln, in^befonbere ben armen, gott= 
lofen, ungläubigen ©ele^rten gegenüber im fidlem ^efi| ber 
Söa^rl^eit p fein, ol^ne lange forfd^en p muffen, it>ä!^renb biefe 
immer fud^en unb forfd^en unb bo($ hk unbebingte 2Ba^r!()eit 
nid^t finben !önnen ! S)er Gtol^ ber Untüiffenl^eit unb ber ^o^- 
müt^ige ©lauben^bünM finben babei reid^Iid^ i^re Oled^nung 
unb W 6elbftfud^t ift gefd^meid^elt, foba^ man auä) aufgelebte, 
unfrud^tbare unb im 2Bid^tigften toiberlegte ©lauben^f^fteme 
aufredet erl^alten !ann. ©§ fe^lt aud^ nid^t an feiler, hkn^U 
bereiter ^l)ilofop^ie, W fid^ hdbti pr Verfügung fteEt; benn 
nod^ immer ift ja 't)a§> ©efd^Ied^t berer nid^t au^geftorben (im 



VIII SJorrebc 

©egentl^eü), ipelc^e fid^ bie ^l^tlofopl^ie nur im ©ienfte irgenb= 
eine^ ©lauben^f^ftem^ unb irgenbeiner ©etpalt ober Partei 
benfen !önnen unb ni^t einfel^en, ba^ bie^ nid^t mel^r ^]^ilo= 
fopl^ie fei, fonbern nur enttneber ^ogntati! niebern Stange^ ober 
©opl^iftü. Unter biefen Umftänben märe fd^on t)iel gewonnen, 
inenn burd^ S3erfud^e, tüie ber gegentnärtige, lüenigften^ ba^ er= 
x^iä)t lüürbe, ba§ bie 3)Zenjd^en unb 3SöI!er fid^ um il^rer ab-- 
loeid^enben 3)leinungen über fo gro§e unb fd^toere Probleme 
nid^t fo töblid^ l^affen unb t)erfolgen, n)ie in t^ergangenen Seiten, 
unb ba^ iüenigften^ nerl^ütet mürbe, bafe biefer ©Iauben^^a§ 
neu trieber angefad^t tüerbe, tpoju e» gegenwärtig an Se= 
ftrebungen nid^t fel^lt. ^ie^ !önnte bod^ iDo^l erreid^t merben, 
tüenn bie 9)lenfd^en mel^r unb mel^r einfel^en toürben, — burd^ 
!lare Darlegung atter ©d^mierigfeiten in biefer 6a($e — mie 
tüinjig il^re 2lnfid^ten, felbft menn fie ganj toa^x mären, in ber 
%\)at feien unb fein muffen angefid^t^ be§ ungel^euern ^roblem^, 
ba^ SU löfen ift begüglid^ be^ großen 3Jlpfterium^ be^ ^afein^; — 
fo minjig, bafe e0 bod^ in ber X^at nid^t ber SJlül^e lof)nt, ba& 
fie S)emutl^ unb 9)^enfd^enHebe barüber aufgeben unb fid^ in 
giftigem §aber unb müt^enbem §a6 ba^ ßeben verbittern unb 
ba§ Söefen ber ^Religion felbft jerftören. ©^ ift gu biefem ^el^ufe 
toor Willem aud^ notl^menbig, bie gläubigen 3}lenfd^en pr ©infid^t 
zubringen, bafe il^re SSorftellungen öon @ott nid^t ©Ott felbft 
feien, unb bemnad^ aud^ nid^t abfolute^ S^ted^t anbern 3Jlenfd^en 
gegenüber beanfpruc^en !önnen, al^ mären fie ©ott felbft unb al^ 
märe il^re ^Serf^eibigung eine ^Sertljeibigung unb 33erl^errlid^ung 
©otte^ felbft, il^re 33e!ämpfung aber ein SSiberfprud^ unb ^ampf 
gegen @ott felbft. 2)iefe l^eillofe ^Inmafeung ber ©inen 3}Zenfd^en 
gegen bie anbern fottte bod^ enblid^ fd^minben! 

@§ lonnte im 3Serlaufe ber Unterfud^ung unb ^arfteHung nid^t 
anbern gefd^el^en, al^ bafe i^ §u mieberl^oltenmalen mieberum auf 
mein plj^ilofopl^ifd^e^ 6pftem, in^befonbere auf beffen ^rincip, „bie 



»orrcbe. IX 

^l^antafie al^©runbprinci^ be^SBeltproceffe^" ober bte ,,Slöeltpl^an= 
tafie", ju toern)eifen unb au§> bem 6pftem felbft mand^e @runb= 
©ebanfen angufül^ren l^atte. 5Die§ mag tniebetum für SJland^e ärger= 
li^ fein unb fie öon toornl^erein gegen meine Slu^fül^rungen einne]^= 
men; benn bie ^^antafie aU ©runb^rincip l^at gar SSielen, bie fi(^ 
für befonber^ ,,triffenf($aftli(^" Italien, Slnfto^ gegeben — fc^on 
um be^ SßorteS mitten, — ol^ne ba§ man bie 6ad^e felbft ernftU(^ 
prüfen tPoHte. ©^ trarb nid^t einmal bie urfprünglii^e S3ebeutung 
unb Slntüenbung bes Sorten im tüiffenfd^aftUd^en ©inne bead^tet, 
fonbern man l^ielt fid^ einfad^ ober blinbling^ an 'ok toulgäre, tri= 
toial geiporbene ^ebeutung beffelben. ©al^er !am e^, ba^ man 
gtnar aEe möglichen unb unmöglid^en ^rincipien, loenn nid^t gelten 
lie^ unb Xä^t, bod^ ber näljem 93ead^tung loürbigt, nur mit ber 
^^antafie al^ ^rinci^j glauben SSiele toon öornl^erein ol^ne ir»ei= 
tere§ fertig p fein. Wlan belnunberte ober htaä^Utt menigfien^ 
hk logifd^e Sbee mit il^rem bialeltifd^en ^rocefe ober 3)ied^ani^= 
mu§ unb fanb barin feinen ©runb §ur ^gnorirung, ba§ "Damit 
nur eine 3Jlet:^obe, nid^t ein ^rincip au^gefprod^en unb geltenb 
gemad^t fei. Man t>er]^anbelt enblo^ über ©pino^a'^ abfolute 
©ubftans, obtool^l fie eigentlid^ tobt unb unfrud^tbar ift für 6ein 
unb @r!ennen, "t^a e§ im gangen Softem bod^ erft burd^ bie 
Imagination gu einem 2öeltfein mit feinen ^rfd^einungen, unb 
alfo aud^ gu einer ©rlenntni^ !ommt. Man l^atte Qntereffe für 
bie Snbiffereng ober ^bentität be^ Slbfoluten al^ (^runb ber 
Söelterfd^einungen, obtnol^l aud^ bamit lein tl^ätige^ ^rincip, 
fonbern nur ein an fid^ n)ir!ungglofer 3itftcinb au^gebrüclt toirb, 
ol^ne atte ^Inbeutung eine^ realen Qn^alt^, eine^ 2öefen§ mit 
Söirlen^Mften. 3Jlan liefe unb läfet felbft ben blinben, bummen 
Sßitten menigfteng al^ bi^cutirbareg ^rincip gelten ober na^m 
Sntereffe baran, obtüoljl burd^au^ unerfinbbar ift, ioie e§ burd^ 
benfelben al^ loirlenbe^ ^rincip gu irgenbettoag SSernünftigem 
!ommen follte, maö)^ fid^ al^ fold^e^ aud^ nur bie 6d^open^ 



X iBorrebe. 

l^auer'fd^e ^^iIofopI)te felbft geltenb! Hnb ir»ie Ijat man gierig 
md) bem „Unbetnufeten" aU ^eftimmung be^ Slbfoluten ge^ 
griffen, aU h)äre bamit ber Stein ber SBeifen gegeben, nnb e» 
t)ielfa(^ blinbling!§ toerfi^ludt, aU genöffe man babei bie reiffte 
gruc^t öom kannte ber ©rfenntnife ! Unb bo^ !ann and; bamit 
burd^an^ fein ^rincip begeid^net fein, fonbern nnr ein 3^ft^^^ 
(nod^ bagu Uo§> negativ) eine^ ©ein^ ober einer 2^t)ätig!eit t»on 
einer 2öefenl;eit, bie babei ol^ne atte 33eftimmnng bleibt, ol^ne 
atte @igenf($aft ober ^raft, bie i)ielme^r erft l^ingngefügt ober 
nntergelegt tüerben mnfe al§> 6eienbe§ ober 2öir!enbe§, iüeld^em 
IXnbeiünfetfein pfommt. Sleljnlic^ t>erl;ält e§> fi($ no($ mit mand; 
anberm :pf)ilofop^ifd)en Softem nnb ^rincip. Sf^nr eine 2öelt= 
^^antafie barf man \a nid^t al§> ^rinci^? behaupten, nm aniS i^r 
al§> objectitoer nnb fnbjectirier ^l^antafie ben nnbeiDnfeten nnb be= 
tünfeten ^roceg be§ 2)afein§ abgnieiten. 1)a§> inäre ja ganj nn= 
n?iffenfc^aftli(^, ein Uo^e§> ^^antafiren; benn n>iffenf($aftli(^e ober 
gerabegn eyacte ^f)iIofopl^ie ift \a nnr ba!§, ina^ biefe ^l)iIofopI;en 
nnb il^re ©etjattern ober SSorgefe^ten greifen, eine anbere ad^ten fie 
lieber gleid^ gering, fo brand^en fie nxä)t t?iel gn benlen! ®a§ 
n3al)re Sßefen ber ^Ijantafie ift für biefe Sentc, fc^eint e§, noc^ 
mit bem ©d)leier ber Tla\a ober t>ielmel)r ber tonigären 3)lei= 
nnng nnb bem biefer gemäßen 6pra($gebranc^ toerbedt, 't)tn fie nid^t 
jerreifeen fönnen ober mögen, fonbern lieber in biefer 39esiel)nng 
mit 't)em nngebilbeten $öbel gelten, ober iüenigften^ \id) möQ- 
lxä)\t na^e an biefen babei l;alten! ®o l^aben fid^ felbft fold;e, 
meldte bie ^l)ilofDpl;ie vertreten trollen, nid;t entblöbet, über 
bie ^^antafie alc^ ^rincip ^nr @r!lärnng beö Seltproceffe^^ t»om 
©tanbpnnft biefeiS tonigären ©prac^gebrand^g an§> abgnfpred^en 
ober 5n l;öl)nen nnb fid^ babei gu geberben, al§> ptten fie bamit 
'i)a§> gan^e (Ei;ftem abget^an! ?^reilid; barf man fid^ barüber 
nid^t gn fel;r toerttonnbern, ipenn man anf bie (^ef($id;te ber 
geiftigen Gntn)idelnng ber Wltn\ä)^tit blidt nnb beachtet, n^eld^e^ 



3>orrebe. XI 

©d^idfal in ber Siegel neue ©eban!en unb ©rfenntniffe l;atten. 
)Ri^t Uo§> bie ungebübete 3)laffe ^ai \iä) t»on jel^er bagegen ge= 
fträubt, fold^e anguerfennen ober gelten gu laffen, fonbern ftet^ 
^at e§ auä) ©eleljrte gegeben unb auä), it)enn ni^t ^l^ilofopl^en, 
fo bo(^ 3nl;aber :p!^ilDfo^l)ifd^er @elef)rfam!eit, n^eld^e neue @e= 
banfen unb ^el^au^tungen (sententiae novae et inauditae) nid^t 
sollten auf!ommen laffen, tneld^e t}ielmel)r l)artnä(fig baran feft= 
Italien, bag ba^, tna^ früher ober bi^l^er nid^t bel^auptet toorben ift, 
auc^ nun unb in atter 3w^wnft ni^t bel^auptet iperben bürfe, ober 
't)a^, vok ettüag Bi^^er aufgefaßt ober üerftanben n)urbe, fo ba§= 
felbe für immer aufgefaßt ober öerftanben n?erben muffe. 60 ift 
e^ benen, toeld^e bem bi^l^er Ueblid^en gegenüber $Reue^ auf 'ok 
SSal^n gu bringen fud^ten, grö§tent!)eil^ übel ergangen; benn 
trenn fie auä) nid^t immer gerabeju perfönlid^ angefeinbet unb 
tierfolgt iüurben, fo l^atten fie bod^ in ber Spiegel 't)a§> Ifierbe (^e= 
fül)l be^ 3gnorirt= unb 33er!anntn)erben§ burd^^uloften unb erft 
Inerlennung finben fönnen, nad^bem fie fd^on t3om (Sd^aupla^ 
ii)xt§> 2öir!en^ terfd^tüunben iüaren. 3ft e^ bod^ fogar ber ^0= 
pernüanifd^en Seigre toom Sßeltfpftem 'h^i il)rem ©rfd^einen nid^t 
anberg ergangen. 2)ie bi^^^er üblid^e Seljre unb bie üermeint^ 
lid^ fidlere @en?äl)r be§ 2lugenfd^ein^ fd^ien ber flad^en Sßi^elei 
unb bem trägen llnt»erftanb t)oEftänbig genügenb, um o^ne 
näl)ere Prüfung barüber l^inioeggulommen, unb bie befd^rän!te 
@läubig!eit meinte gubem, 't^a§> gan^e ß^riftentl^um muffe gu 
(SJrunbe gelten, it»enn biefe neue Seigre gur 2lner!ennung !omme. 
S)a]^er toerfd^mä^te man felbft hk ^unft be^ §an^n?urfteg nid^t, 
um burd^ SSerl^ölfjnung ba^ neue Sel^rf^ftem in SJli^crebit gu 
bringen unb ben l^erfömmlid^en Srrt^um in feinem S3eftanb gu 
fidlem, gnbe^ toergeblid^. §ert)orragenbe ©eifter, benen e^ um 
2Bal)rl)eit, nid^t um Xrabition gu ti^un Voax, nal^men fid^ ber 
Baä)t an unb trog ber Spötter irie ber n^ütl^enben 3Serfolger 
ber neuen Seigre, mufete berfelben fd^lie^lid^ 2lner!ennung gegottt 



XII «orrebe. 

inerben. 3Benn e» aber einer matl;entatij(^ Begrünbbaren neuen 
Seigre fo erging, fo ift e^ begreiflid^, baß aud^ neuen p^ilo? 
fop]^if(^en S^ftemen in ber Stegel feine Bereitn^illige Slufnal^me 
5Ut()eil n?urbe. (So barf i(^ üietteid^t einige Hoffnung ^egen, 
ba§ au(j^ mein Softem, tro^ langer Sgnorirung öon ber einen 
6eite unb tro^ pmif($er Sc^abenfreube barüber t>on ber anbern 
(ben geinben ber beutfd^en $!)iIofop^ie) , bod^ noc^ emfte S3e= 
a($tung unb allenfaEö aud^ 5(ncr!ennung unb ^ertr>ert^ung für 
ben gortgang ber $I?ilofop^ie finben merbe. 

3Jlün(^en, im 9flot)ember 1890. 

3. 5t. 



|t«irrtU. 



Seite 
orrebe y 



Einleitung 1 

I. 2)ie religiöfc JiJfung be8 3)afein8^roBlcm8 unb bcren n^iffcnfd^aft^ 

lid^e Un^attbarfeit 7 

II. 3)ie ^^ilofo^^ifc^en $?ö[ung8öerfuc^e 56 

III. (Srfenntni^ beö SlBfoIutcn unb aBforutc @rfenntni§. 2)ie göttliche 

^erfönlid^fcit 93 

IV. 3ur 2;^eobicce 140 



(£tttl€tfun0. 



on bem 6t;ftem ber ^l^iIofo:p^ie auf ©runb ber ^^antafie 
aU ©runbprincip be§ Söettproceffe^ tüarb ber SSerfuc^ gema(^t, 
bie ^Übungen unb ^^ätig!eiten beg S)aj'ein§, bie finnli^en 
(!örperli(^en) tüie bie geiftigen au^ (Einern (^runbprincip abgu? 
leiten ober §u erüären, bal tnir al§> SBeltpl^antafie bezeichneten 
unb feiner 33etl^ätigung unb Offenbarung naä) in objectiöe unb 
fubjectiöe ^^antafie unterf (Rieben.* 6oIIte e§> nun aud^ ge= 
lungen fein, biefen ^aä)\oei§> fo §u fül^ren, bafe bemfelben im 
Sßefentlic^en 2lner!ennung niä)t mit 9fle($t toerfagt inerben !ann, 
fo bleibt bo($ noi^ aU le^te^ unb l^öc^fte^ Problem bie§ übrig, 
ob biefe 2öelt:p!)antafie, bie toon un§ gunäc^ft nur aU VozlU 
immanente^, nid^t über= ober au§ertt3elttli($e^ ^rincip geltenb 
öema($t tüurbe, iüirüii^ aud^ ba§ Ie|te, pd^fte ©runbprincip, ba^ 
Slbfolute ober in ber ©prad^e ber Sfleligion, ^oit ober ha^) ®ött= 
lid^e felber fei ober toon biefem no(^ unterfd^ieben inerben muffe 
aU bem eigentlichen, l^öd^ften ßJe^eimnife ober Mysterium mag- 
num be§ SDafein^. 2ßir l^aben bamal^ biefe^ Ie|te, metapl^^fifd^e 
unb f^eologifc^e Problem au^brücfli($ auf fid^ berufen laffen**, 
t)a e§ fid^ bod^ gunäd^ft barum l^anbelte, bie ©rfd^einungen unb 
3ßir!ungen beg SDafein^, finnlid^e tüie geiftige, au^ einem tüelt= 
immanenten, ber ©rfal^rung unb ®r!enntni^ gugänglid^en ^rinci:p 



* @. bc8 SSerfafferö Ser!: „S)ie ^^antafie als (Srunb^rinci)) beö Sett* 
|)roceffe8" {miinä}zn 1877). 
** 2t. a. D, iBorrebe. 
groj^jd^ammer, ajitjfterium $l[Ragnum. 1 



2 (Sinleitung. 

unb einem aUgenteinen (Eaufalgufammenl^ang imb bem baburd^ 
Bebingten 2öeltproce§ abzuleiten; in^befonbere aber barum, alle5 
lebenbige unb geiftige 6ein unb 2öir!en baraua gu erforj(^eu 
unb tvo möglid^ gu begreifen, — ba man bod^ an ba^ le^te 
Problem, bie ©rforfd^ung be^ ]^ö(^ften IXrgrunbeg ober ber legten 
llrfa($e, iüenn fie befielet unb aufeerireltlic^e^ ©afein l^at, nid;t 
mol^I l^erantreten unb einen Söfung§t)erfu($ mad^en !ann, el;e 
man ba^ (Gebiet ber ©rfd^einungen unb ber un§ zugänglichen llr= 
fad;en unb SCßirlungen gu erforfd^en tierfud^t unb fie er!annt \)at 
Wlan !ann nic^t bie IXrf ad^e, in^befonbere nic^t ben legten tlr= 
grunb be^ ©afeing er!ennen, trenn man nid^t bod^ guerft bie 
2Belt alg 2öir!ung, bie man ^um ©rfenntnifeprincip (principium 
cognoscendi) für il^re IXrf ad^e mad^en tüill, erforf d^t ^at, unb 
!ann jene nur in bem 9}Za6e erfennen (im beften gatte), aU bie 
@r!enntni6 t)on biefer gelungen ift. ©a§ man aber bie SBir!- 
fam!eit unb bie 2Bir!ungen be§ allgemeinen ©eftaltung^principS 
ober ber n? eltimmanenten ^l^antafie gu erfennen vermöge, ot)ne 
erft ben legten, tiefften ober göttlid^en Söeltgrunb ober fogar bie 
©ottl^eit an fid^ erfannt gu ijaben, ift bem ^l^ilofop^en voo^ mög? 
lic^, fo gut aU e^ bem ^^pfüer möglid^ ift, aug ber allgemeinen 
mec^anifd^en ^raft ober 33en)egung aEe§ pb^f^^^^W^ ©efd^el^en 
abzuleiten, ol)ne ba§ er t)orl^er gu erforfd^en unb gu erfennen 
brandet, njeld^eg bie le^te ober @runburfad;e be^ ©afeing felber fei, 
b. l;. ob über ober !)inter biefer med^anifd^en ©runbfraft ober 33e- 
tüegung nod^ ein anbere^ le|teS ^rincip anzunehmen fei, tt»ie etn^a 
5lriftoteleg ©Ott (ben voO?) al^ le^te, felbft überragte Hrfad^e 
aller ^eiregung ober al^ erfte0 Säetnegenbe^ im SßeltaE annahm, 
©ie bamal0 (im erften 5^1^eile meinet :pl)ilofopl)ifd^en ©^ftem§) 
nod^ abgelel^nte Unterfuc^ung über biefeS l^öd^fte Problem ober 
3Jl^fterium triE nun im golgenben gemagt Serben, ©abei ift 
inbefe gleid^ z^ bemerlen, ba^, iüie aud^ 'Da^ 9lefultat berfelben 
aulfatten mi3ge, ha§> pl^ilofop^ifd^e 6t)ftem auf ©runb ber 2Belt= 
pl^antafie bat>on unberührt bleibt in feiner (gntn)idelung unb 
feinem Stefultat; benn aud^ im gaUe bie 2ßeltpl^antafie al^ lefete^ 
Urprincip nid^t genügt, fonbern nod^ ein anbere^, ein gottlid^eg. 



@in(citung. 3 

abfolute^ Urprincip anjunel^men ift, !ann biefe^ bo(^ nur in 
ber gorm ber Sßeltpl^antafie aU fd^affenbe^, Bilbenbe^, ermatten- 
be^ ^rinctp im 2ßeIt:proce^ tpMfam gebadet iüerben — irofern 
nur bte (grüärung be^ äßeltproceffeg au§ biefer SSelt^l^antafie 
üUxf)au)ßt aU xiä)tiq §u Utxa^Un ift. ®a§ Problem ift bann 
eben nic^t mel^r, ba§ in ber S^latur unb ©efc^id^te h)ir!fame aU- 
gemeine Sßeltprincip p finben unb 'Den 2öelt:proceg haxan^ §u 
erüären, fonbern Befielt öielme'^r barin, tüo mögli($ ju ent= 
f (Reiben, tva§> biefe^ iDeltimmanente ^runbprincip felbft fei, 
tool^er e^ ftamme, ob e§ an fid^ etüig unb abfolut fei ober üom 
2lbfoIuten aB relatiö trir!enbe§ ^rinci^ ausging, — fo tüie 
man etiua ben lr)eltf(^Dpferif($en göttlid^en Sogog aU in ber 
Söelt fortit)ir!enbe§ ^rincip \i^ badete. @ott al§ Urprincip ber 
Sßelt ift in biefem gatte eben in ber Söelt unb für bie 2öelt 
bie fd^affenbe, bilbenbe, in Statur unb ©efd^id^te h)ir!fame 2öelt= 
pl^antafie, trag er aud^ fonft nod^, an fid^ aU abfolute^ Söefen, 
2e.Un unb (^eift fein mag. Unb iebenfatt^ mu^ aud^ W 
SBeltp^antafie aU toeltimmanente^ ^rincip be§ ©nth)icfelung^= 
^roceffe^ in realer SBegie^^ung, im ©afein in bie @lx)ig!eit münben, 
in htn abfoluten IXrgrunb, ipeld^e^ aud^ fonft il^r SSer^ältni§ §u 
biefem fein mag, fotüie biefelbe im l^öd;ften ^robucte be^ Sd^affen^ 
unb ^ilben^, im perfönli($en, vernünftigen äRenfd^engeifte fid^ 
ben!enb (in formaler Sßeife) §u bemfelben im vernünftigen 
SBetüu^tfein §u erl^eben vermag. Slber tin fid^ere^ SBiffen 
ge^t au0 biefem le^tern Umftanbe be§ügli(^ be^ abfoluten Ur- 
grunbeg bod^ nid^t o^^ne ioeitereg l)ervor, aU eine^ betüu^ten, 
:perfönlid^en Söefen^, ha fd^on im relativen Seben^proceffe tvir 
S3eh)u6tfein beftänbig au§> bem Unbetvu^ten entspringen feigen, — 
ein §tvingenber 33eivei^ fid^ alfo niä)t barau^ mit Strenge fül^ren 
Iä§t, tvie mir fpäter eingelfienb gu erörtern l^aben. 2(ud^ fonft 
nel^men toir \a iva^r, bafe aEgemeine ^rincipien gerabe in (^nU 
gegengefe^tem fid^ !unb geben, fid^ realifiren unb offenbaren. 
60 ift ber 0laum an fid^ unfic^tbar unb bod^ ©runbbebingung 
unb TOttel aEer 6i(^tbar!eit, an \iä) o^ne S3eir»egung unb bod^ 
SBebingung atter SSetvegung, an \iä) immateriett unb bod^ @yiften§= 

1* 



4 ©intettung. 

Bebingung aEe^ 3JZatertelIen, an fi(^ oT^ne Stid^tung, nnb bo(^ 
SSebingung ber ©yiftenj aller 9lid;tungen u. f. tu. ©o au6) lann 
man tii(^t oI)ne iDeitere^ bie Slnnal^me al§ unftattl^aft abireifen, 
bafe bie Söeltpl^antafie, obiüo!)! felbft ol^ne concrete gorm, bod^ 
^princi^ aEer gormen, nnb obiüol^I felbft nic^t inbitoibnett, boc^ 
^rincip ber Qnbitibnation fei, nnb ferner, ba^ fie, obn)o]^I felbft 
ol^ne ©ntpfinbnng, o^ne SBetnn^tfein, o!^ne ©efü^l nnb betünfete 
®infi(^t n. f. ip., bod^ ÜneHe nnb ^rincip toon aE biefem fei; — 
lüenn and^ fonft ber grofee lXnterfd)ieb §h)ifd^en Plannt (nnb Q^ii) 
einerfeitg nnb ber fc^öpferifd^en Sßeltpl^antafie anbererfeit^ nid^t 
gn überfeinen ift. 

SBelanntlid^ tt»irb biefe^ größte, l^öd^fte Problem, i)on bem 
l^ier 'Die SHebe ift nnb t»on bem bie l^öl^ere ^ebentnng be§ menfd^- 
lid^en ^afein^ bebingt tüirb, feit nnbenüid^en Q^ittn anf gtueierlei 
SBeife §n löfen nnb fo 't)a§> Mysterium magnum be^ ©afein^ gn 
beftimmen gefnd^t: bnrd^ ©lanben in ber Dleligion nnb bnrd^ 
SSerftanbegforfc^nng in ber ^^iIofopl)ie (nnb Sßiffenfd^aft über- 
l^anpt). 33eibe Söfnng^i^erfnd^e t>erliefen toon iel;er mä)t in ^ax- 
monifd^er SSeife, fonbern ftanben ftet^ ntel^r ober tneniger in 
(gegenfa^ nnb Sßiberftreit gneinanber; nnb iräljrenb bie religiöfe 
£öfnng im ©lanben mel^r ha^» ^emiiti) bnr(^ 'oa^ SSorfteEnng^^ 
vermögen befriebigt, aber ber SSerftanbe^forfd^nng, fobalb fie nur 
einmal eriüad^t nnb gn einiger ©nttüidfeinng ge!ommen ift, nic^t 
6tanb plt, fo getr>ä!)ren nmgefe^rt bie p-^ilofop^ifd^en Söfung^= 
tjerfud^e gmar bem SSerftanbe einige S3efriebignng, obiüol^l fie 
pmeift einfeitig nnb oft inl^altlic^ bürftig finb, aber für 'i)a§> @e= 
müt!^, für ©efül^I^^ nnb SSorftettnng^betljätignng erfd^einen fie 
ganj nngenügenb. Unfere Unterfnd^nngen yierüber iperben bie^ 
näl^er jeigen nnb begrünben. (^Un biefe Unterfnd^nngen tx>erben 
gnr Genüge h^n S3en)eig liefern, njie öiel ©rnnb gnr Sefd^eiben^ 
l^eit beibe, fotüol^l Sfteligion al^ (p^ilDfo))l)ifdne) SBiffenfd^aft, 
l^aben begüglid^ i^rer ^eftimmnngen über biefen l)öd;ften @egen= 
ftanb für ttn menfd^lid^en Greift; ebenfo, tüie trenig @rnnb fie 
beibe \)aUn, abfolut gelten tüoEenbe ober abfolnt fertige Se^ 
l^auptungen aufjnfteEen. 5Den ^l^ilofop^en pflegt toon ben religiös 



Sinteitung. 5 

©laubigen ber Sßottnurf be§ Qo^mut^§> ^tma^t gu h?etben, "i^a 
baS SBiffen aufbldl^e; attein btefe ©laubigen finb fidler nid^t 
ipeniger l^od^mütl^ig, im ©egentl^eil, iPä^renb fie bo(^ atte Ux- 
\a6)t ^aben, auä) U)xex\eit§> bef($eiben gu \zin begüglic^ il^rer 
©lauben^fä^e, 'i)a biefelben, irenn fie au(^ nod^ fo fe^r für ah 
folut ri($tig unb gültig auggegeben tnerben, bo(^ regelmäßig, 
ipie bie @ef($i($te ber ^Religionen geigt, bie ftrenge Prüfung 
fd^ließlid^ ni($t beftel^en !önnen unb i^re ^raft unb ©eltung für 
bag menf(^li(^e 33en?uBtfein verlieren. greili($ pflegt in bem 
3Jla§e, aU bieg eintritt, ber ©laubengbün!el berer, bie ni^t 
beulen unb forfd^en, um fo größer gu tnerben unb bie gorberung 
gu entfielen, bag, tnag bem prüfenben ©eifte nid^t me^r Staub 
l^ält, burd^ ©emalt unb ^errorigmug alg bie alleinige Söal^r^eit 
aufreiht gu erhalten. (Bin ebenfo ungered^teg alg fd^ließlid^ nu|= 
lofeg unb ber 2öal^rl)eit unb SSernünftigMt tt)iberfpre(^enbeg 
SSerfal)ren! 2lud^ h)enn beibe £öfunggarten, 'oie burd^ religiöfen 
©lauben unb bie burd^ iriffenfd^aftlid^e S;i)ätig!eit fid^ bereinigen, 
iüie eg in hen großen, f^ftematifi^en D^teligiongbilbungen gefd^iel^t, 
ift bag enblic^e <Bä)id\al hin anbereg, tüenn aud^ burd^ biefe 
35erbinbung aEerbingg eine längere ®auer verbürgt ift; benn 
bie tüirllid^e, lebenbige Sßiffenfc^aft muß tüeiter forfd^en, um 
neue, beffere ©rfenntniffe gu getninnen unb hie bigl^er geiDonnenen 
gu berid^tigen ober gu eriüeitern. ©aburd^ muß fid^ ber ^unb 
glpif d^en ©lauben unb Söiffen löfen unb bie t>on ber ©laubenö= 
lel)re nod^ feftgel^altenen iüiffenfd^aftlid^en gormein verlieren 
i^re §altbar!eit un'^ tüerben gu bloßer Sd^eintoiffenfd^aft. 

2Bir trerben nun im golgenben guerft bie religiöfe Söfung beg 
in grage ftel^enben ^roblemg ober öielme^r hie religiöfe Sluffaffung 
beg Mysterium magnum begS)afeing in33etrad^t giel^en; tim Unter= 
fud^ung, treidle gufammenfäEt mit ber über hzn (Glauben ober 
bie S3e^auptung ber ^erfönlid^feit ©otte§, unb bal^er bie grage 
gu beanttüorten '^at, ob biefe religiös geglaubte ^erf önlid^feit 
©otteg unb beffen angenommene^ SSer^ältniß gur Sßelt fic^ nod^ 
aU annelf)mbar ertreife ober nid^t. (B§ tüerben hie ©rünbe gegen 
hie ^e:^auptung biefer $erfönlic^!eit eingel^enb gur 33etrac^tung 



ß (Sinteitung. 

fomnten muffen. 5Dann ipirb bie Söfung^meife ber ^^ilofopl^ie 
bem großen 2)afein§probIem gegenüber gu erörtern unb gu nnter= 
fu$en fein, \m§> baran fidler nnb ^Itbar fei, toa^ nic^t. §ieranf 
ift auf ©runb ber pl^ilofopl)ifc^en unb n)iffenf(^aftlid^en er!ennt= 
nif[e ber mobernen 3^^^ gu iprüfen, voa§> fid^ allenfaE^ nod^ für 
bie ^erfönlid^!eit beS Slbfoluten beibringen lä^t trofe atter an= 
gefül^rten 6($tüierig!eiten, unb n)ie enblid^ biefe fo gut aU 
ntöglid^ gu befeitigen unb üteligion unb ^^^ilofopl^ie foinie 2öiffen= 
fd^aft überl^aupt fic^ in Harmonie bringen laffen bepglid^ be^ 
größten ©e^eimniffe^ be^ SDafein^. 



L 

Die relt0i(jfe füfung it$ ^aftmpxoblmB nnb 
htxtn mfftnfä)afUxä}t Knl)aUbarkeit 

2){e religiöfe ©rüärung ober Söfxing be§ ^roblemg be§ 
©afeing, bie in ber 2lnna!)me üBermenf(^lt{^er, obtüol^I menf(^en= 
äl^nlti^er 3Jlä($te ober im ©lauben an Dotter ober an einen 
perfönli(^en, menfd^enäl^nli($ toirfenben (Sott befielet, nnb bie ber 
ältefte, aEgemeinfte unb populärfte SSerfud^ ta^u ift, tnirb gerabe 
in ber mobernen geit öon 6(^tüierig!eiten gebrüdt, voie !anm 
jemals pöor; 6c^n)ierig!eiten, bie ni($t etma öon öerberBtem 
^iUen ober öerfinftertem gnteHecte ftammen, fonbern im @egen= 
tl^eil, fotDol^l t)on l^ö^erer etl)if(^er (ibealer) S3ilbung be§ @e= 
mütl^e^ unb SBiUen^, tüie öon fortf($reitenber ©nttüidelnng be^ 
Qntettect^ nnb Befferer ©rfenntnife in aUtn (BebuUn be^ ^afeing, 
in ber 9^atnr tr>ie in ber ©efc^id^te. 3a nic^t blo0 an§ befferer 
^rfenntni^ ber SRatur unb ber menfd^Iic^en ©efd^id^te ftammen 
hu^e ©c^mierigMten, fonbern fogar unb ^auptfä($Ii(^ au^ ber 
i)öl)ern ©ntnjidelung ber ©otte^ibee felbft unb überhaupt ber 
ibealen Slnlage ber 3Jlenf(^ennatur entftel^en biefelben. 3e mel^r 
nämlid^ hk ^aiux unb bie (S^efd^id^te er!annt ir»erben unb p? 
glei($ bie (SJotteMbee im menf^lic^en Söelou^tfein l^öl^er unb 
reiner fic^ entiüidelte, befto mel^r erfd^ienen nid^t blo0 \>k ©otte^- 
torfteEungen frü!)erer SSöüer unb ©ulturftufen aU unpaffenb 
unb unl^altbar, fonbern n?urbe aud^ bie ©yiften^ ober ütealität 
eine^ ©otte^, ber biefem abfoluten 3beal ber SSernunft entfprid^t, 
gtoeifel^aft ober gerabegu unannehmbar — angefid^t^ ber IXu^ 



8 I. 2)te reUgiBfc !Oö[ung bc8 2)a[em«^ro6tcmö 

tooHfommenl^eiten be§ unS tpa^rnel^mbaren ^Dafeing unb ©e? 
fd^el^enö; ober bie Sftealttät ber ©ott:^eit fd^eint gh)ar nod^ fidler 
5U fein, tnirb aber ein uner!annte^, \a unerforfc^Iid^e^ @ef)eim= 
ni§ für bcn 3}ienf(^engeift. 60 gtüar, bafe ba^jenige, lpa§ man 
§ur ©rüärung beS 3}lpfterium§ be^ 2)afein^ annal;m, bie Söelt 
al^ 6d^öpfung eines perfönlid;en (SJotteS, felbft mieberum gum 
unerlennbaren 9Jlt)fterinm lt>irb; ein ^ßorgang, ber atterbingS 
niä)t fo ganj toertpunberfam ift, iüie eS fd^eint, ba felbft in ber 
D^aturforfd^ung baS, n^oburc^ man bi^l^er nnerllärbare @rf(^ei= 
nungen ober 3öir!ungen §u erüären vermag, felbft ipieber als 
nnerüärt ober unerüärlic^ erfd^eint. ßin toenn auä) nur !urger, 
flüd^tiger Slict auf ben SSerlauf ber allgemeinen 9fleIigionS= 
gefd^id^te !ann uns bas ^emer!te ^inreid^enb bezeugen. 

2luf ben IXrfprung ber ^Religion tooHen tüir l^ier ni$t auS- 
fü'^rlid^ eingel;en. ©emä^ ber ISntiüicfelungSbebürftigfeit unb 
©ntmidelungSioeife ber menfd^Iic^en D^atur unb ber 3Jienfd^I;eit 
ift anäune!)men, bafe fie nii^t burd^ t^eoretif^e Sflefleyion unb 
als 5L;^eorie entftanben fei, fonbern als (EuItuS unb burd^ ^^an= 
tafietl^ätigleit unb in :pra!tifd^er 2lbfid)t, b. ^. gur 2öa{)rung unb 
görberung beS irbif($en SDafeinS im Kampfe mit ben ^ebürf= 
niffen unb (SJefal^ren beS ßebenS. 33ei ber nod^ mangeinben 
^enntnife ber natürlid;en Gräfte unb (SJefege, aus hcmn baS 
D^aturgefd^e^en l^ert»orgel)t, erflärte man allenthalben antl)ropü= 
morp^ifd;, b. ^. fingirte ober imaginirte fid^ tüirfenbe, gum 
^^eil unfid^tbare SJläd^te, ioelc^e analog ber menf($lic^en 2:^ätig= 
!eit in ber 3^atur tnirlten, — nur aber t»ori^errf(^enb in ge^ 
l^eimni^üoller gauberifd^er 2Beife. ^ie 3^aturgegenftänbe iourben 
mit biefen Gräften auSgeftattet, perfonificirt unb baburd; gu 
©egenftänben primitiver religiöfer ^erel^rung unb beS Kultus 
gemacht. 2llS SSorftufe eigentlid)er SSergöttlid^ung möd^ten loir 
aber bod^ annel)men, bafe ber (SJlaube an gortbauer ber menfd;= 
lid^en Seelen nad^ bem leiblid^en 5Cobe bem ©lauben an eigent^ 
lid^ göttlid^e ober n^enigftenS gaubermäd^tige SBefen voranging. 
S)iepf^d^ifd^e (Snttr>idelungS= unb33etl)ätigungsn}eife ber 2Jienfd^en:= 
natur fd^eint uns bies gu forbern unb ber faft in aUen 9fleligionen 



unb beren lütffenfc^afttic^c Un^attbarfeit. 9 

fortlet)enbe Sll^nenbtenft fd^etnt 3^^9^^fe ^«füt gu geben!* 5Die 
tüitfenbe öeifttge ^raft ober bte ©eele be§ ^SerftorBenen, in^befon- 
bere einer be^errf($enben, antorttatitien ^erfönlid^feit, fd^ten beni 
^rimittt)en 3}Ienf(^en nod^ fortbanern nnb irgenbtoie anf 'Da^^ ßeben 
nnb <Bä)id\al ber §interlaffenen einmirlen §u muffen, allenfatts au^ 
in ben Körper prüdfel^ren gn fönnen ober iDenigften^ nod^ !örper- 
li($er lüie feelif($er ©enüffe fä^ig gn fein. S)al^er tünrbe il)nen and} 
nad^ bem 5Cobe noc^ SSerel^rnng gepHt, tDnrbe gnrd^t öor i^nen 
gel^egt nnb tonrben il^nen nm att biefer 9M(ffi(^ten loitten ^aUn 
bargeBrad^t, felbft bintige Dpfer (3Jienfd^eno:pfer too^I auä) ein= 
gefd^Ioffen), nm fte gn e^ren, gn getoinnen ober gn befänftigen. 
Man ftränbt fic^ toielfad^ gegen 't)k Slnnal^me be^ ^obten= nnb 
Sll^nencnltn^ aU Slnfang ober ioenigften^ ^orftnfe ber 3fteligion, 
'i)k ja, tDie fd^on bemerft, nid^t al§> S:;beorie ober Seigre, fonbern 
aU ßnltn^ begann. 2lllein e^ fd[)eint nn§ fein genngenber ©rnnb 
üorl^anben, biefe §^pot^efe ab3nn)eifen. (S§ f^rid^t toielme!)r fo^ 
too\)l bie gefd^ic^tlid;e Sfleligion^entiüidelnng aU auä) "Dk ^f^d^o= 
logifc^e ©rtoägnng bafnr, ba allenthalben 't)k pf^d^if(^en Gräfte 
ober Einlagen i^re befonbere, au§> anderer ober innerer ©rfa!)rnng 
ftammenbe 2lnregnng bebnrfen gnr ^et!)ätignng nnb ©nttüidelnng. 
^iefe Slnregnng fommt nid^t ansfd^Iiefelid^ öon ganj (S^leid^ artigem 
fommen nnb hk erften (Sntmidelnng^ftabien geigen nid^t immer 
f(^on 'tiaSi künftige ^robnct in feiner gangen Eigenart, fonbern 
laffen im ©egent^eil oft fd^toer errat^en, tpeld^e^ 3^^^ enblid; 
erreid^t trerben fott. S)ie embryonale ©nttoicfelnng gibt ja 
batoon l^inreid^enb gengni^. ©elbft 'i)a§> ^egentl^eil öon bem, 
toa^ f($lie^li(^ errei(^t toerben fott, geigen oft bie erften ^e= 
tl^ätignngen :pf^(^if($er Einlagen, lr>ie hk erfte ^etl^ätignng be^ 
äftl^etifd^en Sriebe^ Ui bem 3Jienf d^en beinnbet, bie e"^er gnr 
©ntfteEnng aU gnr ^Serfc^önernng be^ menfd^lic^en ^örper^ fnl^rt 
bei n)ilben SSölferfc^aften. äßenn nnn einmal gngegeben n>irb. 



* ®. mein 2Ber! „®enejt6 ber SD^enfd^^ett unb bercn getjltge (Snttt)t(fe* 
lung in ^Religion, ©ittli^feit unb (Sprache" pünd^en 1883), <S. 68—98. 



10 I. S)ic rctigibie ^öfung beg 2)afeinS^vobktn§ 

bafe bie 5lnfänge ber Sfteligion bur(^ ^erfonificatton unb 25er= 
^öttlic^ung öon Sf^aturbingen ober ©rfc^etnungen mittele ber 
^l^antafie entflunben, inbem bei fel^Ienber (Srfenntni^ be^ natür= 
Uc^en ß^aufalpfammenl^ang^ unb bei bem SJiangel ber 3Serftanbeö= 
(Sntiridelung burcf) bie ^et^ätigung ber ^^antafie ant^ropomor^ 
pl^ifd^ ba^ ßaufalbebürfni^ befriebigt rpurbe, — fo ift lein ent= 
fd^eibenber @runb bafür 'oa, bie ßntftefjung ber ^Religion ober 
toenigften^ bie Slnregung gnm ^otte^beiüu^tfein au^ bem (Glauben 
an bie gortbauer ber 6eelen ber SSerftorbenen abzuleiten. 5Da^ 
geiftige Söefen !ann bod^ immerl^in fogufagen für ein befjere» 
^laterial gelten, um barau^ göttlid^e ober gunäc^ft jaubermä(j^= 
tige äßefen pl;antafiemä6ig gu bilben ai§> bie äufeerlid^en un= 
geiftigen S^laturbinge, feien fie lebenbig ober unlebenbig. ^uxä) 
ben allerbing^ noc^ fel^r untoottfommenen IXnfterblic^leit^glauben 
tpurben bie 3)2enf($en befähigt unb toeranla^t, auä) anbere geiftige 
SJläd^te, Gräfte ober SBefen angunel^men, bie mä)t toon t)er= 
ftorbenen 3Jienfd^en ftammten, fonbern felbftänbig ejiftirten unb 
tt)ir!ten, a\i§> benen bann burc^ gortbilbung im (Steifte ber 3}lenfd^= 
l^eit bie eigentlid^en ©ötter ipurben. S^re Gräfte unb Sßir!^ 
famfeiten fonnten babei immerl^in an äußere ©egenftänbe ge= 
!nüpft tnerben, bie babur(^ felbft :perfonificirt unb öergöttlid^t 
lourben. 3)ie fubjectiöe menfd^Ud^e ^l^antafie !ann tüo^ äußere 
(Segenftänbe perfonificiren unb fid^ al^ perfönlic^ ir»ir!enb t?or= 
fteEen, toie fic^ bieg bei ben £inbern geigt; aber baraug geiftige 
unb göttlid^e Wlää)tt gu bilben, inar ipol^l nur möglii^ babur($, 
'tiai man bie ^l^antafietjorftellung toon Söefen fid^ gebilbet l^atte, 
bie ben äugern Körper toerlaffen 'f)atUn, aber unfid^tbar unb 
gauberifd^, n?unberbar, b. ^. nid^t auf geloö'^nlid^e äugerlid^ natiir- 
lid^e Sßeife bod^ nod; fortiüirften. 3^9^^^ ^^6^ f^^ ^^^ 'ok'jzx 
5luffaffung beä Slnfang^ ber Steligion ober be^ religiöfen (Sultug 
leidster erflären, tüie bie 3Jlenf d^en bagu !amen, ben ©öttern 
Dpfer, in^befonbere blutige Dpfer toon ^l^ieren unb felbft öon 
3Jienfd^en bargubringen unb fo lange halizi pi üerl^arren. 2)en 
©eiftern ber SSerftorbenen, bie man fid^ tuieber antl^ropomorpl^ifd^ 
tjorftettte, mit menfd^lid^en Sebürfniffen, S9eftrebungen unb ©e= 



unb beren h)i[fenf(^aftltc6e Un^attbar!cit. 11 

nüffen, hxa6)U man an tl^ren (Sräbem irie an Elitären ba§ bar, 
\va§> man für geeignet l^ielt, fie §n erfreuen, gu toerfö^nen, in= 
fofern fie (^enufe batoon |)atten unb SBol^tgefallen baran fanben. 
©^ trar bie§ in^Befonbere bei gamilienl^äuptern unb fonft 1^0(^= 
angefelijenen 3Jlännern ber gatt. Sjfjan glaubte, ba^ 'i^a^, tüaS 
il^nen im £eben ©enu§ unb (^^re Brachte unb Qkl i^^reg ©tretend 
Jpar, il^nen aud^ na^ beut ^obe angenel^m fein toürbe. ©al^er 
©^eife unb ^ran!, 'iS^ein unb befonber^ aud^ Slut, all bie 
eigentlid^e Sebeniquette an i^xen ©räbern unb fonft bargebrad^t 
iüurben, bamit fie batjon n)enigften0 etma bie toergeiftigte ©ffen^ 
genießen lönnten, inbem fie unfid^tbar ba§u l^eranfamen ober in 
einem S^tifeitl haS» Gebotene in Empfang nal^men. tiefer 
©laube unb biefer ©ultulbrau^ mod^te bann bei ir>eiterer ©nt= 
n^idfelung aud^ auf bie ^eifter ober (Sultugn?efen, bie nid^t ab- 
gef(^iebene 6eelen toaren, übertragen toerben unb enblid^ aud^ 
auf bie ^öl^er gebadeten göttlid^en Söefen, ja auf "ok aU einzig 
gebadete ©ottl^eit, refp. i^ren ©ultul übergel^en; h^nn tüie 'ük 
3Jlenfd^en ba§u l^ätten !ommen !önnen, 't)tn blol burd^ bie ^^an= 
tafie perfonificirten unb t>erg öttlid^ten SRaturbingen Dpfer, in§= 
befonbere blutige D^fer unb fogar 2Jienfd^enopfer bargubringen, 
ift nid^t tool^I ein^ufe^en, mäl^renb biefe $Darbringung aU ©]^ren= 
gäbe ober 3^al^rung für bie ©eifter üerftorbener, tierel^rter ober 
gefürd^teter 3Jlenfd^en tpol^l erHärlid^ ift. S)enn toenn aud^ 5. S3. 
bie ^inber toermöge i^rer lebl^aften ^l^antafie il^ren perfonificir- 
ten ober iüenigftenl aU lebenbig fingirten ©ipielgeugen (Saben 
barbringen, fo ift bod^ nid^t angunel^men, ba^ bie iprimititoen 
3}lenfd^en ganj fo ünbifd^ inaren unb in^befonbere nid^t, "oa^ 
\iä) biefer religiöfe Dpferbienft aud^ bei iüeiterer ©ntmid^elung 
be^ menfd^lid^en ©eiftelleben^ fo lange ^iU erl^alten lönnen! 
^od; toie bem fei, für bie n?eitere ©nttüidfelung ber Sieligion 
ift biefer primitit)e (Eultul fernerl^in nur infofern toon S3ebeu= 
tung, aU ber S^obten^ unb Sll^nencultul attent^^alben, toenn 
auä) in "Otn §intergrunb gebrängt, mel)r ober minber eine Stolle 
fpielt unb befonberl ipojDulär geblieben ift. S)ie Steligion felbft 
nal^m aber bei ben SSöllern, bie in einiger ©ultur gelangten. 



12 I- 2)tc religtöfe !?öfung beS 2)a[ein«^rottem8 

mit bem gortf($rttt ber geiftigen ©ntmtMung !)ö^ete ober 
n?cnigfien0 größere gormen an. Mit ber @nttüi(felung ber geiftigen 
Gräfte, mit ber @rii?eiterung be0 natürlid^en ©efic^t^!reife§ 
trurben au^ bie ©egenftänbe ber SSerel^rung größer unb er'^abener 
gebadet, obtpol)! fie nod^ immer ber äußern Statur angel^örten 
unb erft bur^ menfd^li($e Imagination toergeiftigt unb perfoni- 
ficirt njurben. S)ie größten ©egenftänbe, ©rfd; einungen unb 2ßir= 
!ungen in ber Df^atur erful^ren ant^ropomorp^ifc^e 33eftimmungen; 
fie rüurben perfönlic^ gebadet, mit perfönlid^en ©igenfd^aften aug= 
geftattet unb aud^ i^r 2Bir!en auf einanber h?arb aU perfönli($e§ 
2öit!en aufgefaßt, aU Setl^ätigung :pft)d^ifc^er unb felbft aud^ 
p!^t)fifd^er ©igenfd^aften unb Gräfte, befonberg aud^ ber gefc^Ied^t= 
lid^en, ba allentt)alben ©ötter unb Göttinnen unb baio ©rgeugniß 
toon beiben angenommen trurben. ®aß hierbei ba^ ©öttUd^e 
ober 2lbfolute, ioie toir e^ gu beulen lf)aben, nur fel^r unt?oE= 
fommen gum religiöfen SSen^ußtfein gebrad^t n^erben !onnte, ift 
unfd^tt)er ein^ufel^en. 6oh)oI;l bie (^eiftigfeit aU bie 2lIIgemein= 
l^eit unb ©ingigfeit be^ ©öttUd^en mußte babei unerfannt bleiben 
unb überl^aupt hk SSottfommen^eit unb ^bealität beffelben, 'Du 
ßrf)aben^eit über ba^ S^bifd^e unb Wlen\ä)liä)e, ^aä) ber 33e= 
fc^affenljeit be^ ßanbe^ ioarb 'oa^» (^öttlid^e §ur beftimmten con= 
creten ©ott^eit ober gur ©ötterfd^ar gebilbet unb bie ^Rationen 
nal;men biefe il^re ^Übungen ioie ein ©igent^um in Slnfpruc^, 
bilbeten S^lationalgötter barauS, — n)obei in ber ^rabition ux^ 
göttlid)te 3taturbinge unb große l^iftorifd^e ^erfönlid^!eiten man= 
nic^fad^ in (^in§> toermud^fen. ®ie S^ealität, bie 33oII!ommenl;eit, 
in^befonbere aud^ bie etl^ifd^e, fe!)lte biefen Göttern faft burd^meg; 
fie toaren perfonificirter Slu^brud^ ber blo0 mirüi^en, t^atfäd^= 
lid^en ®inge unb S^erljältniffe unb famen barüber felbft 'Da ni($t 
eigenttid^ l)inaug, ioo fie, n)ie bei 'Den alten Hellenen, eine l^ol)e 
äft^etifd^e gortbilbung erfu!)ren. 2ln Seftrebungen, barüber 
l^inauääufommen, unb bem ©öttlid^en insbefonbere intettectueüe 
unb et\)i\ä)e 3Sott!ommenl^eit gu§ut{)eilen, fehlte e^ atterbingg ni^t 
ganj, njie befonber^ bie perfifd^e Dfteligion bezeugt ; allein infolge 
biefeä (Strebeng, ben ©otte^begriff gu er^ö^en, gu üerebeln. 



unb beren h?i[fen[(^aftUd^c Unl^altbar!cit. 13 

!am man gut fd^roff bualiftifd^en Sluffaffung, Umli^ ber ^ö^ern 
3Jiä(^te, sunt SDuali^mu^ eine0 guten unb bofen $rincip§ int 
S)afein unb 2Btr!en ber Söelt. 3n ben übrigen 9teligionen tnurbe 
näntlic^ ben ©Ottern fotDo!;! bag ©ute aU ba0 6d^Iimme, mal 
immer fi($ in ber Statur ereignet unb voa§> 'oen 3Jlenf($en tüiber^ 
fä^rt, pgef (^rieben ; benn inenn au6) bie gunctionen unter bie 
üerfd^iebenen ©ötter unb (Göttinnen toert^eilt tüaren, fo tüurbe 
i^nen boc^ ant!)ropomDrp^if(^eg 2öir!en nad^ Slbfid^ten unb 
Slffecten in @unft unb 3Jlifegunft gugefc^rieben, 'oa§> ben 3Jlenf(^en 
foiüo^^I ©utel al§> ©(^limmel brad^te, je nad^ IXmftänben unb 
(^efinnungen ; — tüie \a aud^ bie großen 3^aturmäc^te, §. 33. bie 
©onne, bal geuer, Söaffer u. f. tp. fotüo^l ©egen aU SSerberben 
bringen lönnen. ^iefe Sluffaffung aber erfd^ien bem 3^ad^ben!en 
über bag göttlid^e äöefen unb SSotten nid^t ganj genügenb unb 
rid^tig gu fein. S)er toa\)x^ ©ottelbegriff fd^ien gu forbern, ba^ 
t)on bem l;öd^ften (^otte nur ©utel, §eilfame§, ^eglüd^enbeg 
fommen bürfe, nid^t aber aud^ ©d^limmel, SSerberblid^el. S)a 
aber bod^ aud^ hW^f in ber D^atur unb 3}lenfd^enir>elt fo reid^lid^ 
toor^anben ift, fo nd^m man aU ^rincip bat»on ^in giDeitel, 
getüiffermafeen aud^ göttlid^el ober tr»enigften§ übernatürlid^el, per= 
fönlid^el 2Befen an, ba§ in beftänbigem Kampfe mit bem guten 
Urprincip unb feinen 2Ber!en unb 33eftrebungen liegt. ®em ^\)uxa 
SJtasbao (Drmugb) fteEte man all böf el $rincip Slngramainiu (Sl^ri* 
man) entgegen. S)amit l^atte man gtnar einerfeiti einen gereinigt 
teren (SJottelbegriff errei^t, aber 'i^u Sfiealität beffelben burd^ eine 
giüeite, gemifferma^en ebenfaEl göttlid^e SJiad^t befd5)rän!en muffen, 
foba^ bie Slbfolut^eit ©ottel bod^ iüieber nid^t erreid^t ober 
erlannt ift. ®al Hebel im S)afein, bal p^^fifd^e faft nod^ mel)r 
all bal moralifd5)e, ift toon je^^er haS» gro^e ^inbernife ber ©nt- 
toidelung einel reinen ©ottelbegrip getoefen, benn el ]f)inberte 
bie Sluffaffung ober 3(ner!ennung (SJottel all h^§> abfolut öoE= 
!ommenen SBefenl an fid^ unb feinel göttlid^en Sßirlenl in ber 
Sßelt; ober toenn aud^ biefer reine S3egriff erreid^t n>arb, bod^ 
bie 2lner!ennung ober ben Glauben, '^a^ biefem Segriffe aud^ 
3tealität ober toirflic^e (Sjifteng entfpred&e. 



14 I. 2)ie reltgibfe ^öfuiig beS 3)afeinö^robIcme. 

®a^ Subent^um litt menigfteng gum ^l^eil nod; an äl^ti^ 
li(^en ajJängeln. 3^^^^ ^ßtt naturaliftif($en (SJrunb(^ara!ter ber 
übrigen Sfieligionen, in^befonbere au6) ber femitifd^en f)at e^ 
fd^on früi;er übertüunben, ben Ttonot^ei^mu^ im (Glauben 
erfaßt unb, tnenn au^ mit fielen ©d^tüanfungen unb 9lüctfäIIen 
in ben naturaliftifd^en, )Dül^t^eiftif($en (Eultu^, feftgel£)alten, fo 
unrein unb unt>oll!ommen er auä) nod^ fein mo($te. ©ie^ ge= 
fd^al^ ^auptfäd)Ii(^ baburd^, 'oai "oaS» ©efd^le($tlid;e gang au^ ber 
^eftimmung be^ ©öttlid^en au^gefd^ieben iparb; — tüie e§ f($eint 
infolge 'oon energifd)er etl)if(^er Sfleaction gegen ben gefc^led^tlid^ 
au^fd^toeifenben ßultu» bei ben übrigen femitifd^en 3Söl!ern.* 2ln= 
t^ropomorp^ifd^ unb infofern naturaliftifd^ blieb aber trogbem 
bie SSorfteEung t)on ©Ott unb feinem SÖBir!en, befonber^ in ber 
frül)eften Qtit, trenn auä) in ber nac^ = ejilif($en hierin eine 
3JJilberung eintrat, obtpol^l ber blutige Dpferbienft nod^ immer 
fortbauerte, tüie er M ben naturaliftifd^en S^leligionen üblid^ 
inar. 2lber aud^ ber ^uali^mul l^atte ©ingang gefunben unb 
iüarb forterl)alten, um bie Hebel be^ ^afein^ aug einer un= 
göttlid^en, b. l;. au^ einer toon bem eigentlichen 3^ationalgott toer= 
fd^iebenen ben 3)ienfd^en iniberftrebenben l^öl^ern 3Jlad^t er!lären 
unb baburd^ einen reinem monotljeiftifd^en ©otte^begriff be- 
l^aupten gu lönnen; tpenn aud^ immerl^in biefe l^ö^ere Wlaä)t, 
ber ©atan aU böfe^ Sßefen, eine gtüeite, untergeorbnete Stellung 
einnimmt. 2lud^ entfprid^t e^ bem reinen Segriff ©otte^ aB 
abfoluten 2öefen§ !eine^n)egg, 'iia^ (ber ifraelitifd^e) @ott nur 
vok ein befd6rän!ter 3f^ationalgott betrachtet unb t^ätig gebadet 
mirb, tüie bie „falfd^en" Götter ber l^eibnifd^en Völler, '^oä) 
ioeniger aber entfprid^t eg bem t»erüott!ommneten Segriff t>on 
©Ott, ba§ i^m eine lüillfürlid^e Slu^ertüäljlung ßine§ 3Jlanne^ 
unb feiner 5Rac^!ommenfd^aft gugefd^rieben tüirb aU be§ eigent= 
lid^en (augertr>äl;lten) Sollet ©otte^, tüäl^renb atte übrigen 
SSölfer ton il^m unbefd^üfet gebadet tüerben unb l^öd^ften^ al^ 



* SSgl. mein SBerf : „UcBer btc ©encfiö ber 2)?cn[(^^ctt iinb bereit getfltge 
(änttoidelung in 9?eligion, ®ittli(^fcit unb <^pxa6}t" (2«ünc^en 1883), @. 160 ff. 



unb bereu iriffenfd^aftUd^e Unl^altbarfett. 15 

(felbft öetiüerfli($e) Drgane, eyecutit>e SBerfgeuge göttlii^en gorne^ 
unb ©trafeng SSertüenbung finben foEen. (Sine foli^e Stuffaffung 
ber ®en!= unb 3:f)ättg!eit§tr>etfe Lottes entfprid^t iebenfaH^ bem 
©Dtte^begriffe burd^aug nid^t, tr»ie er im reinen, einfa^en 
e^riftentt)um ^xi\ii gelehrt ift, aU aUgütiger SSater atter 
3}Zenf(^en, W atte feine ^inber feien unb bemnad^ aEe feiner 
Siebe unb 3SDrfef)ung t]^eill;aftig tperben foHen. konnte (^ott 
©inen ober einige 3Jienf($en augerinä^len, belel^ren unb fc^üjen, 
fo !onnte huS» au^ für anbere unb für bie gange Wltn\ä)^eit 
ebenfo gut unb ebenfo frü^ gefd^el^en, it»enn aud^ o!)ne i^r 35er= 
bienft, — h)ie biefer @eban!e im (i;f)riftent!)um pr Geltung ge= 
bra$t iüerben foEte. ©in ebler Tlen\^ tüürbe bieg \a get^n 
l^aben toenn er !onne, gef($treige, ba^ ein aUgütiger ©Ott bieg 
l^ätte tr>iE!ürIi(5 unterlaffen foEen. — unb analogifd^, in antt)ro= 
pomorip^ifd^er 3Seife, Jpirb bod^ fonft aEentI;aIben aud^ über 
@öttlid)eg geurt!)eilt! ©inige ber erften (^riftli(^en ^ir($en^ 
lel^rer fd^einen WS» in ber ^^at aud^ gefül^lt gu ^aben, ba^er 
fie geneigt toaren, an§une!)men, bie göttlid^e ^orfel)ung '^dbe 
fid^ auf aEe 3Jienf d^en erftredt, toenigfteng ber göttlid^e Sogog 
^dbz aEe 3Jlenf(^en me]f)r ober n)eniger erleud^tet, bie in biefe 
2öelt !ommen. Slnbere freilid) unb bie c^riftlid^e £ird^e im 
5lEgemeinen ma<^Un toenig ©ebraud) t»on biefem ©eban!en, 
fonbern Utxai^ieUn bie au^erjübifc^en 9teid^e unb SSöüer alg 
bag Gebiet ber Sßelt, ber falfd^en Götter unb Dämonen ober 
gerabegu ht§> 5^eufelg — tro^ i^reg ©laubeng ober i^rer t^eo- 
retifd^en S3e^auptung, "i^a^ ©Ott ber liebeüoEe SSater aEer 
3Jienfd^en unb ^öl!er fei. Privilegien ber SCugeriüäljIung , ber 
^räbeftination u. bgl. finb bamit bod^ lüo^I nid^t vereinbar! 

©0 !onnte burd^ aE biefe ^Religionen, bur($ biefe verf d^ie= 
benen SSorfteEungen von ber ©ott^eit, von ©Ott unb ©öttern 
unb bereu SSer^ältnife gur 2öelt bag Sftät^fel 'iiz§> S)afeing nid^t 
gelöft, bag Mysterium magnum nid^t entpEt erfd^einen. Qu 
ber ^^at irurbe bieg aud^ am Stuggang beg 2lltert^umg, um 't>xe 
Seit ber ©ntftel^ung beg ©!)riftentl^umg faft aEgemein von ben 
©ebilbeten eingefel^en ober tnenigfteng gefüllt unb fie ^abtn. 



16 I. 2)ie reltgtöfe !i?öfung beS 2)afem«^robIcm8 

entmeber gerabegu auf alle Söfung be^ SSeltproBIetn^ burd^ 
teligiöfen ©lauben i)eräid;tet unb fid; bem Sltl^ei^ntti^ ergeben, 
ober man i)eräid;tete auf eine Söfung beffelben tDenigften^ infos 
fern, aU man ha^, tüa§> bi^ljer al§> Söfung be^ 3}Ipfteriunt§ 
geltenb gemacht n)urbe, 'i)a^ 5Dafein unb 2ßir!en einer ©ott= 
l;eit felbft für ein 2J^i;fterium erflärte, für ein Unerforfd^Iid^e^, 
an fic^ llnerfennbare^, öon bem feine :pofitit)en, fonbern 
attenfaH^ nur negative SSeftimmungen mögli(^ feien. 2öie 
befannt, !amen gu biefer 2Innaf)me fomo^I bie l^ellenifi^e, 
al^ au(^ bie jübifd^^aleyanbrinifd^e ^^ilofopl^ie. Qene in bem 
DZeupIatoni^muS öom gtneiten Qaljrl^unbert nai^ ©l^riftu^ an, 
biefe f(^on gur Sf^ii (Sl^rifti felbft, l)auptfä$li($ burd^ 't^tn iübifd&= 
aleyanbrinifd^en ^^ilofop^en ^^ilo, ber nid^t me^r ©ott felbft, 
fonbern nur 't)^n öon ©Ott ftammenben Sogog nebft untergeorb= 
neten 3Sermittlung§tr>efen in ber 2Belt roirffam fein lä^t, na(^= 
bem fd^on früher in ber eriDai^enben jübifd^en ©peculation bie 
„2öei§^eit" ©otte^, 'iia§> „2öort" @otte0 ober ber Slbglanj ©otteg 
t>on ©Ott felbft unterfc^ieben lüorben tüar. 3n biefer gangen 
3eit ber ©ntftel)ung unb (Snttoidelung be§ (fird^Ui^en) ß^^riften- 
t^umS geigt fid^ in $Cl)eologie unb ^^ilofop^ie ta§> Streben, 
an bie 6teEe be^ an fid^ uner!lärbaren, ber SBelt fernfteljenben 
©otteg bie 2!l^ätig!eit toon 3Jiitteln)efen gu fegen unb im d^ultu^ 
geltenb gu mad^en; mit ber ©ott^eit an fi(^ aber attenfaHio nur 
in m^ftifd^er SSerfenlung ober burd^ ^rei^gabe be§ «Selbft in 
innige 33egielf)ung gu treten, ^ie tüeitere ©nttoidelung füljrte aber 
bal^in, bafe fd^liefelid^ ba^ l;öd^fte biefer 3Jlitteln?efen, ber Sogog 
felbft lieber gur l)öd^ften ©ott^^eit ipotengirt tüurbe, al^ gtoeite 
göttlid^e ^erfon unb bamit n)ieber ©ott felbft mit ber Sßelt unb 
ber 3Jlenfd^]^eit in unmittelbare SBegiel^ung unb äöirlfamleit gefegt 
n>arb. 

3}lan !ann bal^er lüol^l geneigt fein, gu behaupten, bafe 
gtoar alle übrigen 9leligionen, nid^t aber ha§> ei)riftentl)um toer= 
geblid; baä Sflät^fel beg SBeltbafeinö ober be§ S)afein§ überl)aupt 
befriebigenb gu löfen toerfud^t l^aben. $Daä (S^riftentl^um fteUe 
einen ©otte^begriff auf, ber SSerftanb unb ©emütl^, irie aud^ 



unb beren triffcnfc^oftlid^e Un^alfbarfcit. 17 

ben SSillen in gleicher SSeife befriebige. ©Ott fei aufgefaßt aU 
ber allgütige ©c^öpfer unb SSater aEer 3Jlenf(^en, beffen gür- 
forge fid^ auf Sitten, felbft auf bie ternunftlofen unb unbebeuten= 
ten @ef($öpfe erftrede unb ber ni($t bIo§ burd^ feine Offenbarung 
"Dk 3}^enf(^en über fid^ unb i^re Slufgabe belehrt, fonbern fie 
aud^ felbft burd^ fd^mere^ Seiben, \a huxä) benD^jfertob in ©eftalt 
eim§> 3Jlenfd^en erlöft 'i)abe, |)öl)ere§ !önne bod^ in ber X^at niä)t 
rm^x gebadet unb erwartet iüerben unb ta§> 3Ji^fterium be§ ganzen 
2)afein§ fei 'oamit l^inreid^enb Üargelegt unb Mm IXngetüifel^eit 
unb ^unMI^eit über bie 3Jienfd^ennatur, i^ren Urfprung, il^re 
^afein^s^lufgabe unb i^r ©nbgiel möglid^. 2)aniit ^rmonire 
biefer 33egriff ©otte^ ganj tPof)l mit bem pl^ilofop^ifd^en Segriff 
©otte^ alg beg 2lbfoluten, be^ allüottfommenen unb aUgemeinen 
tpal^ren Söefen^, t>on bem alle§ S)afein unb aUe SSoHlommenlf^eit 
au^gel^e, in bem 2lHe§ begrünbet fei unb feine ©ri^altung finbe. 
3n ber ^^at !ann man tüoi)I gugeben, ba^ ber c^riftlid^e ©otte^s 
begriff ber i)öd^fte, öoHfommenfte fei, ber bi^ bal^in in ber 
©efi^id^te ber 9teIigionen aufgeftettt tüorben, unb ba^ er an fid^, 
abftract betrad^tet, iroT^I geeignet fei, bem menfd^Iid^en 5ßerftanbe 
§u entfpred^en, 't)a^ ©emüt!) §u befeligen unb ben Sßillen gu 
leiten unb §u toerebeln. IXnb irenn aud^ allerbing^ in ber @nt= 
iüidelung ber d^riftlid^en ^ir(^e in Seigre unb 9legiment ein ge- 
tüiffer Slbfatt öon biefer l;o^en Sluffaffung ©otte^, tnie fie toon 
ßl^riftu^ ftammt, ftattgefunben l)at, unb aug bem allgemeinen, 
gütigen SSater ber 3Jienf4)en nad^ 2lrt ber frül^ern D^ational= 
©Otter ein ^ird^en= unb ßonfeffiong=©ott getüorben ift, ber nur 
für bie 33e!enner biefer beftimmten Sfleligion unb für bie lXnter= 
tporfenen biefer beftimmten Slutorität ein §er§ l^at, ©üte unb 
Erbarmen übt, — fo ift bod^ tnenigfteng tl^eoretifc^ ber eblere, 
tüal^re, d^riftlid^e ©otte^begriff ftet§ aud^ bel^auptet inorben, tüenn 
er aud^ in ber ^rayi^ iDenig S3ead^tung unb ©eltung fanb. — 
©leic^njol^l aber !ann ha^» 3Jl^fterium be^ ®afein§, bag gange 
fftäf^fel biefer Sf^atur unb ©efd^id^te, irie fd^on W @rbe eS 
bietet, feine ©rüärung mel)r finben unb leine befriebigenbe 
Ä^öfung, — unb §h)ar um fo tceniger, je tooll!ommener bie ©otte^- 



18 I. 3)ie religte[e ?ö)ung be8 2)ofeine^robIemö 

3bee erfaßt unb geltenb gemad^t iinrb. Unb bieg be^l^alb, ix»ci( 
bie 35efd^affen]^eit ber S^Iatur, iüie ber 33erlauf ber ^JJenfd^eiu 
gefc^t($te um fo tneniger mit bem ©afein unb bem SSirfen eineö 
fo t)oE!ommenen ©otte^ aU ©(^öpferS unb Senferg berfelben in 
Harmonie \iti)en, — lüäl^renb bie frül;ern untoottlommener ge= 
backten ©ötter mel)r mit il^nen übereinftimmten, b. 1^. ben= 
felben in ber menf($Iid^en SSorftellung angepaßt tnaren. ^in 
lurjer S3li(f auf bie gefi^id^tlid^e ©ntiüicfelung unb bie 6d^i(!= 
fale ber 3Jlenf($^eit, fomie auf 't^k Statur unb ba§ ©efd^el^en 
in berfelben !ann uns baüon I)inrei(^enb überzeugen. 

6(^on bie gefd^ic^tlid^e ©nttüidelung ber 3}lenfd^]^eit fc^eint 
in i^rem IXrfprung unb il^rem ireitern S3erlauf burd;aug un= 
vereinbar §u fein mit einem abfolut t)ott!ommenen, perfönli($en 
©Ott, ber öott ^aä)t, Sßeigl^eit unb ©üte bag 3[Renfd^engefc^le($t 
ing ^afein gerufen unb fid^ ix»ie ein ^ater ba^u üerl^alten foU 
in gürforge unb ©nbabfid^t. 2öie ber eingelne Mm\d) in tooKer 
§ülfIofig!eit unb Unfenntniß feiner felbft, ber 9^atur unb ©otteg 
in^ ^afein tritt unb erft mü!)fam pm 33etüußtfein lommen, 
feine geiftigen n?ie förperlid^en Gräfte unb Organe §ur ©nttr»icfe= 
lung bringen unb gebraud^en !ann, fo aud^ bag 2Jienf($en= 
gef(^Ied)t felbft. Unb toie ber einzelne 3rtenfd^ erft allmä^li(^ 
pi einiger Äenntniß ber ^laturbinge unb feiner felbft, fotoie beg 
©öttlid^en gebracht toirb, — babei bem Qu\aü feiner ©eburt 
unb Umgebung in ber 2lrt unb SSoHfommenl^eit berfelben preig= 
gegeben alg feinem ©(^idfale, — fo auc^ bie 3}Zenfd^^eit. Tiad) 
ben 9flefultaten ber mobernen gorfc^ung in ^atnv unb (^efd)id)te, 
fönnen toir nur annehmen, ha^ fie auc^ aug bem 9kturproceß 
][)erüorging unb nur attmäl^lid^ bur(^ toiele, fel^r unt»olI!ommene 
Stufen ber ©nttoidelung l)inburc^ gur enblid^en eigentlid^en 
3JJenf(^tüerbung !am unb ben gefd^id^tlid^en ^roceß beginnen 
fonnte. Unb aud^ biefer mußte loieber in fel)r unüoEfommenem 
3uftanb beginnen unb l^atte unter ©efal)ren unb SJiül^falen aller 
2lrt \id) bag $Dafein, bie gorter^altung nebft einigen !örper^ 
lid^en unb geiftigen gortfd^ritten gu erfämpfen, — fo §tt)ar, baß 
au§> Unfenntniß ber 3^atur unb infolge beffen aug $ülflofig!eit 



unb beren n.>i[fenfc^aftltc^e Unl>altbar!ett. 19 

ii)xzn Tlää)Un gegenüber OJltEionen gu ^runbe ge^^eu mußten. Qu 
©runbe gelten burd^ 6d^u|loftg!ett ber Sßittexung gegenüber, buri^ 
üerberBlid^e S^a^rung, burd^ gefä^rlid^e ^^iere n. f. m., e!^e man 
nur gu einiger rid^tiger ©rfenntnife nnb einigen 6($u|mitteln ba= 
gegen !ommen !onnte. ^ollenb^ in ^ejng auf ©rfenntnife @otte^ 
unb auf ©nttniiielung religiöfen S3etüufetfeing, toaren bie :primi= 
tiüen 3Jlenfc^en im 3iift^^^^ ^^^ tiefften llnt>ott!ommenl^eit be= 
pgli(^ be^ 6ein§ unb 2öir!en^ eine^ (^öttlid^en, b. ^. einer 
übernatürlichen Tlaä)t ober ]^i3!)erer Gräfte. Unb nod^ me^r: 
21B hu ©ntinidelung in biefer Se^iel^ung begann, !onnte hie^, 
ber menfd^lic^en Statur unb ben 3Ser!)ältniffen gemäfe, gar nid^t 
anber^ gef($ei)en al§> burd^ 3rrt!)ümer, äöal^ngebilbe unb lüilbe 
©ebräud^e öerfd^iebener 2lrt. 2)ie geiftige ^^ätig!eit unb infolge 
bat)on bie geiftige ©nttüid^elung lonnte, tr»ie in ber ä^^aturbetrad^^ 
tung, fo in 33egug auf ba^ @öttli(^e, bei ber gän^lid^en @nt= 
inic^elungMoftgfeit ber übrigen geiftigen Gräfte, nur burd^ 33e= 
tl^ätigung ber fubjectiöen ^^antafie beginnen; baburc^ tnarb 
ber fubjectitoen Sluffaffung unb ©id^tung unb bamit S^^tt^ümern 
aller 2lrt freie 33al)n gegeben. S)ie gange Sfteligion^gefd^id^te 
geigt bal^er einen forttüäljrenben l^ampf ber 3Serftanbe^forfd^ung 
mit 'oen in frühem QeiUn gebilbeten unb in hit religiöfe Xxa^ 
bition unb @läubig!eit aufgenommenen $l)antafiebeftimmungen. 
<So toarb 'i)a§> religiöfe SSetoufetfein ber Wt^n^ä)^^it burd^ ^l^an= 
tafietl^ätigfeit öerfd^ieben geftaltet unb mit äßal^ngebilben aller 
3lrt nad^ Drt, 3^^^ ^^^ Sl^erl^ältniffen angefüllt unb fd^on ba^ 
burd^ get^eilt nad^ Säubern unb 3Söl!ern. ®abei aber uod^ in 
fi(^ gefpalten unb für ba§ geiftige 2cben ^emmenb infolge ber 
beginnenben 3Serftanbe^t^ätig!eit unb iüiffenfd^aftlid^en ©rfennt* 
nife, bie burcl; nichts mel^r gehemmt toarb al0 burd^ bie ^er= 
götterung ber 3fJatur mittele ber ^l)antafiet^ätig!eit unb burd^ 
bie t)erf(^iebenen Sßal^ngebilbe, bie barau^ l)ert)orgingen. S)a= 
burd^ fd^on tourbe bie 9teligion, ber ^otte^gebanfe, öielfad^ gum 
Unheil für bie 3}^enf d^en unb 3Sül!er, unb ebenfo baburd^, ba^ 
infolge ber notl^toenbig im Saufe ber natürlid^en (Snttnidelung 
entftanbenen SSerfd^ieben^eiten hit Völler unb 3}lenfd^en mit §a^ 

2* 



20 I- ®^c retigiiJfe ?öfung bcS 2)ofetn8^jrobIcni3 

unb geinbf(^aft gegeneinanber erfüllt tüurben. ©o gtoar, ba^ 
fie nid^t blo§ al§ grembe unb im Kampfe um^ ©afein, fonbern 
um ber t)erfd;iebenen S^leligion njiHen einanber irie 5ßerbre(^er 
unb ©otte^feinbe verfolgten unb in Unl^eil unb ßlenb brachten, 
foöiel e§ nur mögli($ mar, — tüä^nenb, ba^ bieg auä) ber ©ott= 
'tieit ober 't^en ©öttern lPDf)lgefäEig fei. Man mufe bod^ beulen, 
'oai ein attgütiger @ott unb SSater aller 3Renf d^en, ber aEtoott= 
!ommen unb alfo au^ aHmäd^tig ift, toie eg ber begriff eineg 
abfoluten, perfönlid^en Sßefeng forbert, — biefe 3Jlenfc^en, feine 
^inber, nic^t l^ätte fd^affen unb fie bann in tjoEer Unioiffen^ 
l^eit unb Dl^nmad^t allen 2)rangfalen eine^ l^arten, gefäl^rlic^en 
Sflaturlebeng preisgeben lüoHen, menn er iüirüid^ eyiftirte unb 
fo für baS 3Jlenfd^engef(^Ied^t gefinnt föäre. Qn^befonbere l^ätte 
er unmöglid^ fi^ felbft fo fel^r toor ben gefdfiaffenen 3Jienfd^en 
üerl^üllen, biefelben fo fel^r in Untriffenljeit über fic^ laffen 
unb a\itn 3n:tpmern über fid^ hzi il^rem beftänbigen ©ud^en 
nad^ il^m preisgeben !önnen. SBenn eS bie l^öd^fte ^flid^t beS 
3Jlenfd^en ift, um ©ott gu gefallen unb als fein eirigeS 3^^^ bie 
©eligfeit gu erreid^en, — an (Bott \iä) gläubig l)in§ugeben unb 
feinen SBillen §u vollbringen, irar eS 'Da möglid^, bafe er fogar 
über ©otteS ©afein unb ©igenfd^aften in votter tlngetri§l)eit 
gelaffen irurbe unb er bal^er aud^ über beffen SSillen gar nid^ts 
SeftimmteS iüiffen ober erfal^ren !onnte, alfo bie (^runbbebingung 
jur @rreid^ung feines emigen gieles von ©ott unerfüllt ge= 
laffen njurbe? ©er 3)lenfd^ l^atte bo(^ tool^l fd^on genug §u 
leiften, trenn er unter ben gegebenen 2Serl)ältniffcn feine ^flid^t 
vott unb treu §u erfütten ^atU, o^m erft mül)fam unb unter 
vielen unvermeiblid^en Qrrtljümern nad^ bem forfc^en gu muffen, 
h)aS er notl^toenbig babei tviffen mu^te — eben biefen göttlid^en 
SBiüen, nad^ bem fi($ feine ^flid^t unb 't)ie ©rreid^ung beS @nb= 
gieleS feines gangen ©afeinS rid^tet! ©iefe Ungemifelfjeit über 
©Ott, fein ©afein unb feine (Sigenfd^aften, erfd^mert ilf^m aber 
nid^t bloS feine ^flid^terfüllung unb fittlidf)e SServoUfommnung, 
fie ift fogar 3Seranlaffung, bafe er fie vielfad^ misfennt unb miS= 
ad^tet. ©a nämlid^ bie SJienfi^en unb SSölfer gerabe burd^ bie 



unb beren tt)i[fen[d^aftüc^e Unl^dtBarfett. 21 

llngetüife^jett in SSe^ug auf bte ©ott^eit t>eranla§t tüerben, t»er= 
fd^iebene 2lnfic^ten, ©lauben^meinungen unb (Sultugbräu(^e fid^ 
gu btlben, fo gerat^en fie baburi^ in ßtüift unb geinbfd^aft, 
»erfolgen fi(^ gegenfeitig in fanatifd)er 2öutl) unb üergeffen 
babei ni$t bto§ öottftänbig beffen, trag fie fonft aU ^fli($t ber 
S^läd^ftenliebe, ber ©erei^tigfeit unb Humanität behaupten unb 
üon anbern erfüllt feigen tüotten, fie treten aU biefe Sftüdfid^ten 
unb ^flid^ten mit güfeen unb glauben baburd^ @ott nod^ einen 
befonbern S)ienft ^n ertneifen! Unb ^n^ar gefd^ie^t bieg atteg 
um fo ntel^r, ie ftär!er ber ©laube an ©Ott, refp. an bie 3Sor= 
fteEung ift, bie fie fid^ toom göttlid^en 2ßefen alg il^rem ©Ott 
gebilbet l^aben, unb je eifriger fie biefem i^rem ©otte bienen 
tüotten. 60 ift ber ©otteggebanfe, ber ba§ ^öd^fte (BIM ber 
3Jienfd^^eit unb bag fid^erfte 3Jlittel i^rer ©r^ebung unb 2Sereb= 
lung fein fottte, baburd^, ba§ bie 3)lenf d^en öon jel^er in fo 
großer Unlenntni^ besüglid^ beg göttlichen SSefeng fid^ befunben 
l^aben unb auf unfid^ereg haften, ^l^antafiren unb fd^iüierigeg 
gorfd^en angetüiefen tr>aren, — ^eranlaffung ju großem IXnl^eil 
geiDorben, §ur S3efeinbung nämlid^ unb SSerfolgung unter ben 
3Jlenfd^en unb 3Söl!ern, unb l^at ©lenb unb Unglüd in oft un= 
erl^örtem 3Jla§e über biefelben gebrad^t, fotüie me^r gur 3Ser= 
iüilberung unb Xlnmenfd^lid^!eit beigetragen, alg §ur SSereblung, 
S3ilbung unb ^untanifirung. 3ft eg irol^l glaublid^ unb an= 
nel^mbar, bafe ein gütiger ©Ott unb aEmäd^tiger ©d^öpfer ber 
3Jlenf(^en, biefe in einen fold^en 3^^^^ l^ineinüerfe^t unb 
barin gelaffen 'fjdb^n fottte, trenn er ejiftirt unb i)on il^m, feinem 
SBillen unb feiner ^l^ätig!eit Sllleg ausging unb bie S3efeligung 
ber 3}^enfd^^eit feine @nbabfi(^t babei tr>ar? — S)ie 9leligion 
mit il^rer gangen gefc()id^tlid^en ©nttricfelung in ber 3Jlenf(^l^eit, 
bie ein ^auptgeugnife für bag ^afein unb bie SSoHlommenl^eit 
©otteg fein fottte, fd^eint bemnad^ gerabe am meiften "oa^^ ©egen- 
tl^eil batoon ju bezeugen, fd^eint bargutl^un, ha^ eine ©ott^eit, 
bte bem i^öc^ften Segriff beg Slbfoluten entfprid^t, nid^t eyiftire 
ober tpenigfteng nid^t auf bie 3)^enf(^en unb i^re ©efd^id^te unb 
6d^idtfale eintüirfe, fonbern biefelbe burd^aug il^rem l^erben 



22 I- 2)te rcUgiöfc göfung bc8 2)a[ein«proMcm8 

6d^tc!fale überlaffe; t^rer llnit)iffenf)eit unb il^ren Qrrtl^üTnem 
nid^t bIo§ in SBejug auf bte Söelt unb tljre eigene Statur, fon= 
bern auä) gerabe in ^egug auf ba^ 2ßi(^tigfte, unb biefelbe allen 
Seiben :preiggebe, hk batoon bie not!)n)enbige golge finb. 

Sßenben n^ir ung nun §ur ^Betrachtung ber S'latur, fo be= 
gegncn tnir f)ier feinem beffern ©d;aufpieL ®ie D^atur tüirb 
toielf ad^ al§> ba§ ^tneite ^u(^ ber Offenbarung, aU bie natürlid^e 
tonbgebung @otte§, im Unterfd^iebe t)on ber33ibel aB ber über= 
natürlichen, betrad)tet, unb auf fie, refp. il^re ©rlenntni^, ipitt 
man einen fidlem ^zmi§> grünben für "oa^ 2)afein unb für hk 
©Ute, ^ti^'i)eit unb Slllmad^t ©otte^, foiüie für feine er^altenbe 
unb fürforgenbe 5t;^ätig!eit in ber Sd^öpfung. Slllein tok bie 
fog. übernatürliche Offenbarung, iDeld^e bie 33ibel entl^alten foH, 
!eine unerfd^ütterlic^e ©eiüi^l^eit für t)k ©rfenntni^ ©otte^ unb 
feinet 2öir!en§ in ber Söelt beipirl't l;at unb n)ir!t, unb ebenfo 
toenig bie SSiell^eit unb ä5erfd^iebenl)eit ber 2lnfid^ten über ba^ 
©öttlid^e befeitigen !onnte feit fo fielen Qa^rljunberten, im 
@egentl)eil bie ^^arteiungen, ©treitigleiten unb fanatifd^en Sln^ 
feinbungen unb SSerfoIgungen nur t>ermel^rte unb fteigerte, unb 
^iatt 2lner!ennung ber ©otte^ünbfd^aft atter 3Jlenfc£)en öielfad^ 
SSerflud^ungen, SSerfolgungen unb unmenfd^lid^e (S^raufam!eiten 
toeranlafete, — fo aud^ gel^t e^ mit biefer natürlid^en @ottegoffen= 
barung, tpeld^e bie 9ktur entl^alten unb bie au^ i^r gelefen 
lücrben foll. 3n)ar fo fel^r fanatifd^e unb gen)iff ermaßen giftige 
©egenfä^e unb unmenfd^Ud^e Verfolgungen ipegen toerfc^iebener 
2luffaffung be^ ©öttlic^en, t^a^ iiä) in i^r offenbaren foll, ent= 
ftunben unb entfielen babei nid^t, trie au§> ber öerfd^iebenen 
Sluffaffung unb SluMegung ber 9teligion§=Ur!unben, §. S. ber 
Sibel mit i^rer übernatürlid^en, birect göttlid^en Offenbarung; 
aber Srrtl^ümer, 2öal)ngebilbe aller 2lrt in Se^ug auf ha^ ©ött= 
lid^e unb baburd^ gugleid^ SSerjd^iebenljeiten in unenblid^er 3Jlenge 
begüglid^ be^ religiöfen ©lauben^ unb (Eultu^ gingen immerl^in 
aud^ baraug l)ert)or, — bie man ja unter t^ie gemeinfame 53e= 
geid^nung be^ ^eibentl^um^ Sufammen^ufaffen pflegt unb öon 
©eite ber SSertreter ber übernatürlid^en Offenbarung gerne ber 



unb bercn triffcnfd^aftüd^e Un^ItBarfctt. 23 

^rtti! ber Söiffenfd^aft preisgibt; ber 2öiffenf(^aft, bte man bagegen 
ber übernatürlid^en Offenbarung ^u untertüerfen unb nur aU bte= 
nenbe ©tü|e gu t^ertrenben fu($t. Snbefe bie 3flatur mit i^ren ©r= 
fd^einungen, mit i^rem ganzen ^rocefe nnb i!)rer (Einrichtung im 
(^rofeen unb kleinen gibt !eine§tDeg§ 3^wgnife öon einem gütigen, 
lieBetoolIen IXrl^eber unb t»orfe!)enben Sen!er beffen, tDa§> in i^r 
gefd^iel;t, fonbern fd^eint im (SJegent{)eiI auf ba^ ©tärifte ein 
geugnig bagegen abzulegen. S)ie S^^atur ift gmar ein ^eWi 
be§ Äebeng, beg ©enuffe^, ber greube, aber ebenfo auc^ be§ 
5^obeg, be§ £eiben^, be^ Sammer^ unb (Elenbja; unb glüar in ber 
äöeife, 'oa^ Seben, ©lud unb greube ber ©inen Söefen auf ben 
5Cob, 't)a§> Unglüd, ben 6(^mer§ ber anbern gegrünbet ift. ^a^ 
Seben ber ©inen @ef($öpfe forbert ben Xoh ber anbern, ber 
©enufe unb bie ©rl;altung ber ©inen ben Sd^merj unb Untergang 
ber anbern; atfo ift ba^ Seben auf ^tn ^ob, 't)k greube auf 
ben 6(^merj gegrünbet. 3e l^errlid^er, entgücfenber bie 3flatur 
blül^t unb gebeibt, unb je lauter ber Subel in ibr ift, um fo 
me^r ir>ütf)et ba§ ^erberben, ber 5Cob, ber 6(^merj in il;r, unb 
um fo tiefer, fd)merälid;er tönen bie 3Be!)!lagen ber Söefen im 
tiefern ©runbe, auf bereu Soften bag Seben unb fein ©ebeii^en 
unb bag Subeln ftattfinbet. — 3)kn toeifet ^in auf hie ^tüedmäfeige, 
n)eife ©inri(^tung, befonber^ ber organifd^en unb lebenbigen 
SBefen in il^rer eigenen Drganifation unb gegenüber ber äußern 
3flatur §u t^rer ©rbaltung unb görberung. 'Man grünbet auf 
biefe teleologifc^e ©inrid;tung ber Söefen, tr>ie befannt, ben fog. 
teleologifi^en 33en)ei^ für 't^a^ ®afein ©otteg, ba aüent^alben 
!Iare Qtdedt in ben Organismen realifirt erf (feinen, unb in§- 
befonbere bie lebenbigen Söefen 't)a§> i^nen görberlic^e fud^en 
unb erfennen unb ha^^ (S(^äbli($e toermeiben unb flie!)en, ol^ne 
bafe fie eigentlicher SSerftanbeSt^ätigfeit fä^ig finb, — ir»a§ tin 
3ei(^en fei, 'Da^ ein anberer, böserer SSerftanb, ber göttliche 33er= 
ftanb be§ felbftbeiDU^ten, iperfönlid^en ©d^öpferS nämlii^, fie bilbe 
unb fül)re. Mein abgefe^en baöon, ha^ bo(^ au^ öieleS aU 
un§h)edmä^ig un§ erfc^eint unb unfere ©rlenntnife überl^aupt 
au gering ift, um über ba§ ©ange gu urt]5)eilen, ift biefe 3^^^= 



24 i- ^tc religiöfc ^öfung beS 2)a[emö^robIem8 

mä^igfeit in ber Drganifation, in^befonbere bet lebenbigen Söefen, 
eine än}eibeutige ober streif eitige @abe, — gngleic^ nämlic^ gut 
nnb fd^Ied^t; benn bie §tüec!mäfeige ©inrid^tung bei ben ©inen 
h)itb infolge be^ attgemeinen ^ampfeg unt§ 2)afein gefä^rlid^ unb 
toerberbli(^ für bie anbern, infofern fie bie ©inen fä^ig maä)t 
gur SSerfoIgung unb ^erni(^tung ber anbern, um fi(^ babur(j^ 
felbft §u erl^alten unb ©enufe unb görberung gu fd^affen. 2ßenn 
alfo bie teleoIogif($e€tnri($tung au^ irirfUd^ auf einen benlenben, 
planmäßig ipirlenben Url^eber l^ingumeifen fd^eint, fo ift bodE) 
bamit nod^ nid^t beftimmt, bafe biefer IXrl^eber gegen alle feine 
(^efd^öpfe aud^ üottfommene ©üte geige unb toottlommene 2Beiö= 
l^eit unb ©ered^tigfeit be!unbe, — toenn er bod^ ba0 ©lüct, ben 
©enu§ unb 'Dk ©r^ltung ber ©inen auf ba§ Unglüdf, Seib unb 
SSerberben ber anbern grünbet, immer bie ©inen beglückt auf 
Soften, mit bem Unglüii ber anbern. Sßenn fid^ ein t>ernünf= 
tiger, benfenber Url^eber l^ierin geigt, alfo nid^t blo§ ein allgemein 
njaltenber, objectiner SSerftanb (allgemeine ©efe^^ unb ^tded- 
mäfeigfeit), fonbern fubjectiöe, perfönlic^e 3^erftanbegt^ätig!eit 
im Urfprung, bie bann aU allgemeiner, objectitoer, ber 9fiatur 
immanenter SSerftanb (tmmerl)in unperfönlid^) fortmirft, fo ift 
biefe tjerftänbige $erfönlid^!eit jebenfall^ nid^t gan§ gütig ober 
nid^t fo mädf)tig, um feiner (Süte unb gürforge für atte ©efd^öpfe 
gemä§ iüirlen gu lönnen, — ift alfo nid^t ein abfolute^, fon= 
bem nur ein relatiüe^ 2Befen. 2lngefid^t§ ber unenblid^en Seiben 
nnb ©d^mergen in ber S^latur unb beö unaufl)örlid^en Silben 
^ampfe^ um^ ^afein, möä)tz fogar ber @eban!e entfielen, ob 
nid^t Itte^ öon einem gttjar tierftänbigen, aber nid^t gütigen unb 
für aEe fürforgenben 2ßefen ftamme, ober ob nic^t, trie ber 
2)uali^mu^ annimmt, gnjei Sßefen hei ber Söeltfd^öpfung unb 
im Dfiaturprocefe äugleic^ iüir!en, ein gute^, t)on bem aUe gute, 
förberlid^e ©inrid^tung ber Sßefen ftammt unb ein böfe^, feinb= 
felige^, 'i^a^» bie fd^limmen triebe, Gräfte unb 6trebungen für 
Äampf unb SSernidf^tung hinzugefügt l}at unb forterl;ält. 3nbe6 
ift biefe Slnnal^me fc^on barum nid^t l;altbar, toeil biefelben 
©inrid^tungen unb Gräfte für bie eingelnen 3Befen unb für ba^ 



unb bcrcn njtffcnfc^aftüd^e Un^altBarfeit 25 

©ange jugletc^ gut unb förberltd^ unb fd^Untm unb tjerberblic^ 
\iä) ertneifen.* ^te S^latur alfo, irie fie ift, mit i^rem unenbli($en 
^ampf nm§> tafeln unb aEem IXnglüd unb ©(^merg, bie barau§ 
f)^x'üoxq^f)^n, geigen !etnegtüeg§ !lar unb entfd^ieben einen att= 
gütigen unb in aller ^egiel^ung t>ott!ümmenen 6($öpfer, f($eint 
öielmel^r mit bem reinen, öottfommenen ©otte^begriff fo tüenig 
vereinbar, tüie bie ©ef($i(^te ber 3Jlenfc^^eit, in^befonbere bie 
gefd^i($tli($e @nth)i(lelung be§ religiöfen ^etüufetfein^. 

^u tüittft alfo, mö($te man, iüie im 8u(^e §iob, entgegnen, 
bu tüittft alfo mit ©Ott redeten unb über feine 6(|Dpfung unb 
beren ©inrid^tung mit bem f(^n}ad^en menfc^lid^en SSerftanb ab- 
urt^eilen? ©egiemt e§ nid^t toielmel^r bem 3}lenf(^en, fid^ §u 
befd^eiben unb fid^ mit inniger ©rgebenl^eit in ben ^Serlauf ber 
Singe unb SSerl^ältniffe gu fügen, tüeld^en bie göttlid^e ^orfel^ung 
anorbnet ober guläfet, ber fidler §um heften aller berer ge= 
reid^en toirb, bie gottüertrauenb unb \ittliä) ftrebenb il^r eioige^ 
3iel SU erreid^en ftreben? Sarauf ift gu bemer!en, ha^ bie^ 
SlHeg ganj rid^tig fei unb bafe man tiertrauen^tioll fo henUn 
unb l^anbeln !ann, tpenn einmal unumftöfelid^ gett)ig ift, ha^ ein 
©Ott t)on fold^er 2lrt unb 3SoII!ommenl^eit toirüid^ eyiftirt unb 
bie 6d^öpfung n^a^rnimmt unb gum heften leitet. Wein ^^v 
^anMt e§> \iä) niä)t barum, toon biefem feften, gtoeifellofcn 
©lauben au^gugeljen unb 'oanaä) 5(tte^ in D^atur unb 2Jlenfd;en^ 
gefc^id^te §u beurtifjeilen, p er!lären ober unerllärt gu laffen, 
ol^ne be^l^alb gu gtoeifeln unb n)an!enb gu toerben im ©lauben, 
ben man auf irgenbeine Sßeife erlangt ^at ©^ fragt fid^ öiel= 



* 2)al6ci ijl nod^ ju Beachten, ba^ bie teleologifc^e (Smric^tung ber 
Organismen auä) bie @m^)finbung§fä^ig!eit fcegrünbet, alfo tok grcube unb 
®IM, fo auc^ ©d^merj unb (Stenb ber lebenben 3ßefen ermöglicht unb ijer* 
ttjirfüc^t. SBenn besüglic^ beö aJJenf^en bemerü toirb, ba§ bag JBeiben ju 
feiner fittlid^en S3en)ä^rung unb SJerboIIfommnung bienen foH, fo ift bagegen 
i)or(äuftg ju fcebenfen, ba^ bieg jebenfattg für bie 2:^iere nic^t getten fann, 
unb baß au|3erbem bie i^eiben eBenfo fe^r jur fittli($en 35er!ümmerung unb 
33ertDiIberung unb jur ^erfuc^ung bienen fönnen, tt>k jur SSeiüä^rung, ab== 
gefe{)en baöon, Da§ biefetBen fo ungleich öert^eift finb unb fo oft benen am 
ti^enigften jut^eit tt)erben, bie berfelBen am meiften ju Bebürfen f^einen. 



26 I- 2)i« reügiöfc i^öfung beg 2)afein8^roBtcmS 

tnel^r barum, ob D^atur unb ^Jlenfd^engefc^ic^te 3^^9^^6 9^^^^ 
für 't)a§> '^a\dn unb 2ötr!en ©otte^, aU he§> absoluten, t3oII!om= 
menen unb perfönltd^en Söefen^, ober ob fie hzi bem gorfi^en 
l^terüber toiel mel^r bagegen al^ bafür 3^W9^^6 ä^ Ö^^^ß^^ wnb 
^eireife gu begrünben fd^einen. ©^ l^anbelt fic^ alfo nt($t um 
eine ©ebuction, bie t)on einem fi^on geftftel^enben, 6i(^ern au§= 
gel^t unb barau0 bie Iogif($en Folgerungen ableitetunb ha§> ©in= 
gelne bamit in ©inüang ^u bringen ftrebt, fonbern e§ l^anbelt \iä) 
umeininbuctiöe§3Serfal^ren, ba§ t)om ©ingelnen unb(^rfa^r= 
baren au§gel)t, um barau^ auf ein entfpred^enbeg SlUgemeineS 
unb ber ßrfalfjrung nid^t unmittelbar gugänglid^e^ §u fi^lie^en, 
— lr>ie bie 2öiffenf($aft bie^ forbert. §ier alfo foll erforfc^t 
n)erben, ob ba§, n>a§ tüir !ennen in S^^atur unb @ef($ic^te, t»on 
ber 2lrt fei, bafe tr»ir mit t)otter ©id^erl^eit auf ba§ ^afein eine^ 
iperfönlid^en gottUd^en SöefenS fc^lie^en !önnen, tion ber 2lrt, 
iüie 'i)a§> ßl^riftent^um e^ annimmt unb toie 'oa§> ip'^ilofopl^ifd^e 
abfolute Qbeal ber 3Sernunft e§> forbert. IXnb bie^ eben fc^eint 
auf ©runblage ber D^atur unb @ef(^i(^te, foipeit ipir fie !ennen, 
nid^t möglich gu fein. 

®o(^ mir fommen nun gum §auptpun!t ber IXnterfud^ung. 
2111 bie genannten 2:^atfa$en in 9^atur unb ©efd^id^te finb, mag 
man fagen, allgemein hetannt, — iüenigften^ jebem, ber nur 
einigermaßen bie SBelt ben!enb beobachtet; unb fie feien aud^ 
bereite m6)i blo^ Ijinreic^enb geinürbigt irorben, fonbern alle 
baraug entftel^enben 6d^it>ierig!eiten in Se§ug auf ba^ ®afein, 
bie (Sigenfd^aften unb 2öir!fam!eit (S)otte^ für 9Zatur unb 
3J?enf(^l)eit feien auc^ bereite erlebigt. 6o erlebigt, "Da^ fie 
n}enigften^ für 't)^n d^riftlid^ Gläubigen !eine ^ebeutung me^r 
l^aben, fein ©runb be^ Unglauben^ mel^r fein fönnen. 3n ber 
X^at l)ai aud^, iüenn nid^t ha§> urfprünglid^e, einfadf)e ^xi^ien- 
tl^um , f bod^ bie ürd^lid^ = d^riftlid^e Se^rentinidfelung biefe 
6d^tr>ierig!eiten, foipeit fie be!annt toaren, §u überirinben unb 
bie toorliegenben großen Probleme gu löfen gefuc^t. '^ox aUen 
l)dben ber Slpoftel ^aulug unb Sluguftinu^ mit biefen buuMn 
Sflät^feln fd^lüer gerungen, l^aben fie burd^ 6peculation auf 



unb bcrcn toiffenfc^aftnd^c Un^attBarfett. 27 

<^runb bibltfi^er 33ert(^te nnb 5lu§fprüd^e §u löfen gefud^t unb 
"oie Ürd^lid^en Sel^rbeftimmungen l^dben fid^ gro^ent^eil^ mel^r 
ober minber genau baran angefd^loffen. ®te Söfung foUte ge= 
geben \zin in ber Seigre öon ber 6(^öpfung unb bem ^arabtefe 
aU urfprüngli(^en Suftanb ber SSoHfontmenbett ber Söelt unb 
3Renf(^l^eit, bann in ber Seigre t)om ©ünbenfall ber erften 9}lenfd^en, 
bem 3SerIufte ber 3Sott!ommen^eit be§ ursprünglichen 3^ft^«^ß^ 
unb toon ber aU ©träfe über bie^ gange 3}Zenf($engef(^le(^t t)erl^äng= 
ten ©rbfünbe unb ©rbfd^ulb mit atten Hebeln, bie in golge batoon 
aug 9ktur unb ©efd^id^te über bie äRenfi^en !amen; ferner bur(^ 
hie Seigre tion 2lu^ern)äl)lung eine^ befonbern SSol!e§ ©otte^ 
al§ SSorbereitung ober Einleitung ber enblic^en ©rlöfung, unb 
enblid^ huxä) hk (^riftlid^e gunbamentalle^re toon ber göttli($en fe 
löfung burd^ bie 9}lenfd^tr>erbung ©otte^ unb burd^ ben blutigen 
Dpfertob beg ©ottmenf d^en ß^riftu^, be§ göttlid^en Sogo^, am 
^reuge. S)amit alfo follen aEe bie erl^obenen ©c^iüierigleiten, 
tr>eld)e bie IXntooHfommen^eit ber Sßelt bereitet, befeitigt unb 
jebeg §inberni6 ber unbebingten 2lner!ennung eine^ abfolut öoll= 
!ommenen ©d^öpfer^ unb perfönlic^en ©otte§ aU gütigen, all= 
erbarmenben SSater^ aller 3}lenf d^en übertüunben fein, foba§ 
für Jeben 3}lenfd^en, bem biefe ^^atfad^en unb Seigren t)er!ünbet 
h?erben, 'tik ^flid^t be§ Glaubens beftelje unb ^ic^tannal^me 
unentfd^ulbbar fei. 2öir l^aben bie <Baä)e nun näl^er gu prüfen. 
Sm Slllgemeinen ift gunäd^ft gu bemer!en, ta^ ^^x t>on 
^l)atfad^en unb ü^el^ren W Stebe ift, bie burd^ !eine (Srfal^rung 
irgenbirie gu controliren ober gu beftätigen finb, benn fie be^ 
giel^en fid^ enttoeber auf eine ungugängli^e SSorgeit ober ge= 
rabegu auf ba§ Qenfeit^, in 'i^aS» niemanb einzubringen toermag, 
fobafe fie nur bem Gebiete be^ ©laubenS unb ber fubjectitoen 
$^antafiet)orfteEung ange:^ören. gür SSerftanbe^tl^ätigfeit, für 
toiffenfd^aftlid^e ©rlenntnife ift babei !ein fefter 5ln^altgpun!t 
gegeben, benn aud^ erfa'^rbare 2öir!ungen ober golgen ber gel= 
tenb gemad^ten uncontrolirbaren X^at^aä)tn unb SSer^ältniffe 
finb nid^t mit 6i(^erl^eit gegeben, t»on benen au^ fidlere logifd^e 
©d^lüffe auf bie 2öir!lid^!eit ber ^^atfad^en unb bie Sßa^r^eit 



28 I- 2)te reltgiöfe Söfung be8 3)afeing^roBIem8 

ber Seigren gegogen tüerben fönnten. ®te UntoUfornmenl^eit ber 
9^atur, bie kämpfe unb Seiben ber ©ingeltrefen in i^x finb ge- 
tüife unb be!annt genug ; barau^ aber ift nid^t ber ftdf)ere 6c^lu6 
§u sielten, ba^ fie burd^ irgenbeine ^ataftropl^e il^re urfprüng^ 
lid^e £eibenlofig!eit unb SSoIIfommen^eit toerloren l)aben muffen. 
Um fo ju fd^ liefen, müfete man eben fd^on ipiffen, bafe fie t>on 
einem t)oIl!ommenen Schöpfer au(^ in3Sott!ommenl)eitunbäumgIüd= 
tilgen SDafein^genu^ gefc^affen tüorben feien. Hm aber fo fd^Iie^en 
gu !önnen, mü^te man fd^on bie ©etri^l^eit l^aben, ba^ ein 
gütiger, geredeter unb aEmäd^tiger 6d^öpfer fei, tüogegen aber 
gerabe i^re S3efd^affenl^eit S^^g^^^fe 5^ g^^^^ fd^eint. 2lu^ il^rer 
33efd^affen]^eit felbft Iä§t fid^ nid^t belüeifen, ba§ fie nid^t fd^on 
urfprünglid^ in biefem S^f^^^^ ^^^ IXnüottfommenl^eit fid^ U^ 
funben l^aben nad^ bem Saufe ber D^atur felbft, ^aä) ben 3fle= 
fultaten ber mobernen 9fiaturn)iffenfd^aft mu§ bieg öielmel^r 
burd^aug angenommen werben, ha ©mpfinbunggfä^ig!eit unb 
Seiben §ur Sebenbigleit unb ©rl^altungsfäl^igfeit ber befeelten 
SOBefen gel^ören unb nid^t minber ber ^ob aU integrirenbe^ SJlo- 
ment in "ozn S^aturproce^ eingefügt erfd^eint. — S)ie behauptete 
©rlöfung geigt fid^ im S)ieffeitg feinegtnegg al§ %^at\a^t, ha 
atte Uebel, tüetd^e aU golgen be^ 6ünbenfattg gelten, nod^ tl^at= 
fäd^lid^ üorl^anben finb, fo fel^r fie aud^ ben Glauben auf eine 
fd^tüere ^robe ftetten. S)ie geiftige ©rlöfung unb ©lüdfeligleit 
aber toirb in0 Qenfeitg verlegt, !ann alfo nur im ©lauben an= 
genommen tüerben unb für bie SBiffenfd^aft feine ©runblage ju 
©d^lüffen bilben. 2)enn aud^ fel)r beftimmte unb unbegmeifelbar 
moralifd^e ©rfolge, refp. ^efferungen, bie burd^ hk Dffenbarung 
unb ©rlöfung, tpeld^e bie d^riftlid^en ^ird^en »ermitteln, foHen 
erhielt tporben fein unb nodf) ergielt toerben, finb leine^ioegg ge= 
geben, tnenigften^ nic^t in ber SBeife, bafe gut^erläffige ©d^lüffe 
auf birecte göttlid^e ©inipirfung moglid^ mären. 2ßie bie Hebel 
unb Seiben ber 3Jlenfd^]^eit, bie bod^ al^ ©träfe für ben 6ünben= 
faH ber erften 3Jienfd^en toon ©Ott über bie gange 3^atur über= 
^aupt unb ha^ 3Jlenfc^engefd^led)t in^befonbere foUen toerl^ängt 
iDorben fein troj ber ©rlöfung, n)eld^e bie (Sdjiulb aufgehoben 



unb bercn h?iffenfc^aftlt(^c Un^alttorfcit. 29 

l^abe, geblieben finb (aU ©träfe alfo ol^ne 6(^ulb), fo ift auä) 
offenbar bie moralif^e SSerberbt'^ett ber 3J^enf($en (concupis- 
centia), bie ebenfalls t>on jenem ©ünbenfaE ftammen fott, ge- 
blieben — au^ in ben ©etauften, benen alfo "t^k ©rlöfnng 
fc^on §ugeiüenbet irorben ift. 2)ie ^efd^id^te ber d^riftlid^en 
SSölfer im Drient unb Dccibent gibt l)inlänglid^ 3^^9^^6 baöon! 
Seibenfc^aften unb Safter^aftigfett aEer 2(rt l^errfd^en 'ok 3a]^r= 
l^unberte ^inburd^, §a^ unb SSerfolgung, unerl^örte ^raufam= 
!eit (in ^onftantinopel trie im Slbenblanb), finnlid^e £üfte nebft 
SBal^ntorfteHungen unb abergläubifd^en 33räU(^en aller Slrt, §u 
man($en 3^^^^^^ '^^'^ ^^^ mand)^n 3Söl!ern fo arg, ir>o nid^t 
ärger, aU je im ^eibentljum — iriie felbft bie (^riftlid^en $re= 
biger ungäl^ligemale laut rufen unb tabeln. 2Bie fott t)on fold^en 
©rfd^einungen unb ^l^atfad^en auf eine göttlid^e IXrfad^e, auf 
birecte göttlid^e ©iniüirlung unb t)on ba auf ba^ ^afein unb 
bie 58oE!ommenl^eit @otte§ ein fidlerer ©d^lug gemad^t n^erben 
!önnen? Söir l^aben 'ou^ alle§ nod^ näl^er im ©ingeinen §u be= 
trad^ten. 

2öie e^ ber 33egriff ©otte^ al^ tooElommenen, allgütigen 
Sßefen^ forbert unb bie ®lüd^felig!eit ber ©efd^öpfe aU ßnbs 
^md ber ©c^opfung öorau^fe^t, foE bie ©d^öpfung gut ober 
n>enigften0 relatiö üollfommen in^ 5Dafein gerufen tborben fein 
burd^ ben göttlid^en 6d^öpfer; in^befonbere auä) ber 3}lenfd^, 
t)on bem in ber 3Jiofaifd^en @enefi§ au^brücflid^ gefagt ift, ha^ 
er nad^ ©otte^ 33ilb unb ©leid^ni^ gefd^affen fei; — inie benn 
aud^ öon ber gangen 6($öpfung bemer!t toirb, bafe fie al^ gut 
befunben tnarb. S)amit iüirb tüol^l gemeint fein, ba^ fie am 
beginn ol)ne aU bie IXebel unb Seiben mar, bie fpäter über alle 
©rbeniüefen unb hzn äJlenfd^en in^befonbere !amen. ©^ l^armo* 
nirt freilid^ nid^t gang bamit, 'oa^ gugletd^ )izxiä)tet toirb, (Sott 
l^abe zimn befonbern harten, 't)a§> '>!^axa'i)k^ gebilbet unb ben 
Menfd^en l^ineintoerfe^; benn ioenn Silier gut mar, in^befonbere 
aud^ ber 3Jlenf($, fo foHte man meinen, ba§ e^ beffen nid^t be= 
burft l^abe! S)iefer parabiefifd^e 3uftanb fott fid^ nid^t blo^ auf 
ba§ förperlid^e ©afein unb 2öol)lbefinben begogen l^aben, fon- 



30 I- 2)ie religiöfe Söfung be« 3)afcin8^robIcmS 

bem, tüie bie Stl^eologen eittge^^enb au^geflügelt, !^auptfä(^lid^ 
auf bie geiftige SSoEfommen^eit. 3^ ^^^ Seiten natürlid^en 2ln= 
lagen foE no(^ eine libernatürli($e ©rlend^tung unb (Snabe bie 
Seele erhoben l?aben über ben natürlid^en S^tftönb, fobafe il^re 
©rfenntnife unb i^x SöiEe übetnatürlid^ — alfo nod^ über bie 
3f?atur erl)ö^t fein mu^te. S)ie erften SRenfd^en mußten bem- 
gemäfe i^re Sage, il^re Slufgabe, ii)x SSerl^ältnife gum göttlid^en 
6(^Dpfer, mußten beffen ^üte, Ttaä)t unb ©ered^tigleit, trenn 
ni($t natürli(^, fo "Oüä) übernatürlid^ !Iar erlennen unb fonnten 
fi($ banad^ rid^ten. Unb bennod^, tpa^ gefc^iel^t? ©^ gelingt 
bem gotttpibrigen äßefen, bem 6atan al§> SSerfud^er, biefe erften 
3}lenfd;en burd^ SSorf^iegelung, burd) Släufd^ung unb Slnrei^ung 
jum llngel)orfam gegen ©Ott gu herleiten tro^ aEer natürlidf)en 
@üte, in tpeld^er fie gefd^affen unb tro^ aller übernatürlichen 
©aben ber ©rfenntnife unb be^ Sßitten^, bie üom ©d^öpfer nod^ 
l)ingugefügt iüorben iüaren! ^iefe erften 3Jlenfd^en erfd^einen 
fonad^ gleid^fam aU ber ^ampfpla^ gn^eier SJläd^te, ber gött= 
lid^en unb tr>ibergöttlic^en, fatanifd^en, unb hie legtere bleibt 
6ieger. ^a ift bod^ unbegreiflid^, tüie ber göttlid^e 6c^öpfer in 
f old^er Sßeif e ba§ ©ef(^affene !onnte tierberben laffen, — trenn er eg 
ju l)inbern t)ermod[;te — nid^t, inbem er bie grei^eit ber 3Jlenfd^en 
befd^rän!te ober aufl)Db, fonbern inbem er hk Tla^t unh ha^ 
2öir!en be^ böfen ^rincipg bef(^rän!te, gu t)erberben, tDa^ er „gut" 
gefd^affen unb nod^ übernatürli(^ au^geftattet l^atte. Surfte er "Da^» 
ni6)t, bann erfd^eint bie böfe '^a^t aU gleid^berei^tigt, ober für 
ben göttlid^en 2Beltplan gerabeju al^ notl^n?enbig! Unb ebenfo 
unbegreiflid^ ift, mie biefe mit fo übernatürlichen ©naben an @r= 
!enntni§ unb 2öitten^!raft auggeftatteten 3)?enfd^en fid^ fo leidet 
betl)ören unb gum Ungel^orfam t)erleiten liefen, 'i)a bod^ fd^on 
il^re natürlid^e 33egabung, toenn fie bod^ t>on ber 6d^öpfung an 
gut njar, fie batjor benja^ren foEle! ©nttpeber fel^lte il^nen bie 
!lare, fidlere (Srfenntnife ©otte^, i^reg ©d^öpfer^, bann l;atten 
fie nid^t einmal eine rid^tige, natürlid^e Sluöftattung erljalten, 
ober fie befa^en biefe ^rfenntnig ^ottesc, feiner Gebote unb ber 
golgen be§ Ungel^orfam^, bann mußten fie trog i^rer fog. über 



unb bereu tüi[fenid)aftU(^e Un^altbar!ett. 31 

natürli(^en Erleuchtung unb SSegnabigung ma^Io^ t^xiä)t ober 
fogar fd^on f($led)t fein, ir>enn fie bod^ ber 3Serfü^rung be§ 
<Batan§> erlagen, bereu gofgen i^nen ni($t tierborgen fein fonnten. 
®enn e§ gilt ha jebeufatt^ ber @o!ratif(^e @runbfa|, bafe nie= 
manb freitoiEig fd^Ied^t fei, b. I;. fid^ felber fc^abe, n)enn er bie 
ri($tige Einfielt 'i)at; bal^er infofern rid^tigeg fid^ere^ Söiffeu unb 
^ugenb getoifferma^en @in^ ober ibentifcf; feien. 2Ber bal^er 
aud^ nur einigermafeen über biefe S)arftellung be^ 2lnfangg= 
guftanbe^ ber 3}lenfc^l)eit, ber Sßerfü^rung unb beg jgalle^ 
ber erften SReufd^en gu 't)tntzn öermag, ioirb biefe 2lrt, 'oa^ 
Sftät^el be^ ^afein^ gu löfen ober iüeuigften^ 'i)zn fd^limmen 
guftanb ber 5latur unb ber 3Jienfd^l)eit gu erüären, für ganj 
ungenügenb l)alten, nur geeignet für Äinber unb ganj ungebil= 
bete 3Jlenf(^en, W nid^t n?eiter §u benfen vermögen unb fi(^ mit 
Silbern ober S^orftellungen begnügen, toeld^e bie ^l^antafie unb 
t)a§> (Bemüti) anfpred^en unb einigermaßen befriebigen. — SSoti 
äl)nlid^er IXn^altbarleit ift t)a^, tra^ toeiter über bie golgen be^ 
fo l)erbeigefü!)rten 6ünbenfaE^ ber erften 3Jienfd^en berid^tet 
ioirb. 3ur 6trafe bafür fott nämlid^ uid^t blo^ bie 6d^lange 
(ber <Batan), fonberu auc^ bie ©rbe (ber 2ld^er) üerflud^t toorben 
fein, 'oa^ fie Unfraut trage, unb fotten bie fc^ulbigen 3Jlenfd^en 
au^ bem ^arabiefe vertrieben unb ben 3Jlül)en, ©efa^ren unb 
^zMn be^ ©rbenlebeng preisgegeben toorben fein. IXnb nod^ 
mel^r: S^re 6ünbe unb 64>ulb foE auf atte il^re 3ftad^!ommen 
als ©rbfünbe unb ©rbfd^ulb übertragen n>orben fein, foba| atte^ 
obtool^I ©efd^öipfe unb Mnber ©otteS (bereu 6eelen fogar aEe 
als birect oon (Bott gefd^affen betrad^tet ioerben), unbarml^ergi^ 
barunter §u leiben l^aben. ^lußerbem aber fott nic^t bloS il^r 
leiblid^es Seben ben Seiben unb bem ^obe üerfaEen, fonbern 
aud^ ber ^eift tl^eiltneife corrumpirt, mit 33egierlid^!eit, böfen 
(belüften, 3f^eigung gum ^öfen inficirt loorben fein; — unb gtoar 
infolge göttlid;en Strafgerichts, fobaß bie menfd^lid^e 9Ieigung 
gum Unred^ten, bie 6elbftfud^t, bie Sieblofigfeit gegen 3Kit= 
menfd^en unb ber lXnge:f)orfam gegen göttlid^e (S5ebote, fotoie 
3Jlangel an religiöfer ©efinnung als 6trafe ©otteS erfd^eintl 



32 I- 2)ie religiöfe Jöfung beö 2)a[em8^rob(em§ 

Slugerbem irurbe bem 6atan, obti3o!)l bte t>ertü!)renbe (5($Iange 
toerftud^t tparb, bod^ gelrifferma^en bie §errfd^aft über bie Sßelt 
übergeben unb i^m für feinen 33etrug ein getüiffe^ 'öieä)t über 
bie 3}Zenf(^en gugeftanben, ba^ i^m erft iüieber abgefanft ober 
abgerungen tüerben mu^te. ^ie ^^iere mußten an btefcm ©traf= 
guftanb t^eilnel^men unb finb, tvk e§> fd^eint, biefer ^^eorie §u= 
folge ebenfatt^ bnrd^ ben 6ünbenfaE ber 3Jienf(^en ben Seiben 
unb bem ^obe toerfaEen. 

2ßa^ nun gleii^ biefeg le^tere betrifft, fo ift ber mobernen 
9^aturforfd^ung gemä^ !aum no(^ irgenbein S^^^f^^ möglid^, 
bafe tüie Gmpfinbunggfäl^igfeit unb Suft, fo anä) Seiben, ^ran!= 
l^eit, ©d^merj unb ^ob in ber Statur bei ben lebenbigen Sßefen 
ge^errfd^t l^aben, el^e nod^ ba^ 2Jienfd^engefd^led^t auf biefer @rbe 
entflel^en unb leben lonnte. S)emna(^ !ann Seiben unb ^ob tt)enig= 
ften^ ber X^mvoelt (aud^ trenn fie mit ben erften 3Jlenfd^enim fog. 
^arabiefe mar) nic^t erft burd^ bie ©ünbe biefer erften 3Jlenfd^en 
al^ Strafe ©otte^ entftanben fein, — gumal biefelben ol^nel^in 
leinerlei 6d^ulb an bem genannten ©ünbenfaE tragen fonnten, ba 
bie 6d^lange bodf) aU blo^e^ 2öer!§eug be^ 6atan^ eingefül^rt ift. 
S)emnad^ l^at ber Slpoftel $aulu§ Unred^t, wenn er (9flömer= 
brief V, 12) fagt, ba^ burc^ bie erften 3Jlenfd^en bie ©ünbe in bie 
2öelt ge!ommen fei unb burd^ bie ©ünbe ber ^ob. ©elbft für bie 
3Jlenfd^en !ann bie§ ni(^t gelten, ba bei il^nen bie anatomifd^en 
unb p^^fiologifd^en ^erl^ältniffe ber !örperlid^en Drganifation 
biefelben finb it>ie bei ben ^^ieren unb nic^t abäufel)en ift, toie 
fie öor bem fog. ©ünbenfalle h^i bem 3}lenfd^en gang anber^ 
functionirt l^aben fottten, aU hti ben ^^ieren unb hti bem 
3Jlenfd^en nad^ bem gaUe, unb alfo bie ©rfd^öpfung ober Äran!- 
l)eit unb ^ob l^ätten tjermieben toerben fönnen, auger ettr»a über- 
natürli(^ burd^ ein fog. Sßunber, ha^ ettüa burd^ t)cn ©ünben? 
fatt beenbigt morben n)äre. ®ie ^^aturföiffenfd^aft mufe alfo 
aud^ in biefer SSegieljung infolge i'^rer ©ntiricfelung burd^ genauere 
©rforfd^ung ber ^Raturtoer^^ältniffe bem in ber fog. göttlid^en 
Offenbarung behaupteten entgegentreten. Q:hen barin aber 
geigt fid^, bafe biefe geglaubte Offenbarung nid^t toon einem 



unb beren tinf[en[d^aftltc^e Unl^altbarfeit. 33 

:perföTiIi(^en, mit ©iite unb @inft(^t h)ie ^orau^fiij^t tüirfenben 
(SJotte ftammen !ann, ha fonft berglei^en unspaltbare ^Infic^ten 
mä)t an 'i)en tpefentltd^en ©tauBeuMnl^alt ge!nüpft, fonbern toer= 
mieben tr»otben tüären, in ber 3Sorau§fid;t, ha^ \6)lu^li^ bo(^ 
\}on ben SKenfd^en beren IXnric^tigfeit er!annt i^erben unb ber 
(Glaube eine grofee ©rfc^ütterung, too nic^t 35erni(^tung erfal^ren 
mü^te. 6ottte ber göttlid^e ©eift berglei($en infpirirt Ijaben, 
'i^a er boc^ bie fpäter für ben ©lauben an @ott felbft eintretenbe 
©efa^r öorau^fe^en mufete? gn ber %^at ^db^n toix z§> an biefer 
Stelle be^ SlpofteB unb bei ä!^nli(^en 6tetten ber 6(^rift mit 
^robucten menfc^li($er ©peculation gu tl^un, bie für i(;re gßit 
too^ ^ebeutung l^aben lonnten, aber Mnen 2lnfpru($ auf un- 
bebingte Geltung l^aben. 

2öa§ ben SSerfuc^er ber erften 9Jtenf($en, ben Satan betrifft, 
ber eine fo t»erl^ängni6t)0lle SftoUe am ^Beginn ber 3Jlenf(|l^eit ge= 
fpielt ^aben fott, fo ift f(^on oben barauf l^ingetoiefen toorben, 
ha^ bamit eine gleite übernatürliche SJ^ad^t eingefül)rt tüorben 
ift, bie au§ ber bualiftif(^en Sluffaffung ber SBelt ftammt, unb 
aEenfaH^ au^ ber :parfif($en ^Religion in ben j;übif(^en Segenben- 
!rei§ ^ereinge!ommen ift. 2öenn au^ l^ier biefe iüibergöttlid^e 
3Rac^t f(^on al§ untergeorbnet erfd^eint, fo gel)t bod^ ber 6atan 
bepglid) ber 3}Jenfc^^eit aU Sieger ^er\}or unb erf($eint toon 
ba an getüifferma^en al§> ber gürft biefer SBelt unb al^ §err 
unb gleid^fam ©igentl)ümer ber 3}ienfd^if)eit, bie il^m erft t)on 
©Ott felbft iüieber abgerungen ober abgefauft werben mu§ um 
ben treuem ^rei§ be§ blutigen Dpfertobe^ beg menfd^getoor^ 
benen ^otte^fo^ne^ — h)ie bies toon manchen ^ird^enle^rern 
iüeiter au^gefü^rt tnorben ift, inbem fie 't^en Speculationen be§ 
Sl^oftelg ^aulu§ babei folgten, ©elbft innerl)alb be§ ei^riften= 
tl)um^, alfo nac^bem bie ©rlöfung be§ 3Jlenf(^engef(^led^t§ 
burd^ ©Ott felbft fd^on aU öoEbrad^t angenommen ift, tr>irb 
ber Satan nod^ aU grofee 3Jlad^t, \a aU übermächtiger §err ber 
Sßelt angefe^en unb in fpätern Saljr^unberten U^ in bie neuere 
Seit ^atU eg ben 2lnfd^ein, aU ob ber Si^eufel nid^t blo^ über 
alle nic^td^riftlid^en 3Söl!er unbebingt l^errfd^e, fonbern aud^ in 



34 I- 2)ie rcligtöfe Söfung bc« 2)afein8^ro6Iem8 

ber c^riftli^en Äird^e bei ineitem bie etfte unb mäd^ttgfte 9ioIIe 
fpielte, — tDogegen man meniger mit geiftigen Söaffen, aU 
mit geuer unb @($mert, ten ^efeern unö §eyen gegenüber, 
äu !ämpfen fud^te. 5lud^ fonft ift e^ immerhin eine eigent]^üm= 
lid^e SftoEe, bie man ben 6atan aud^ innerl^alb be^ (5^riften= 
t^um§ f^ielen lä^t. (Sinerfeitg erfc^eint er al§ mibergijttlic^e 
3Jlad^t, bie, tuenn aui^ principieH untergeorbnet, boc^ factifd^, 
tl^eolo gif d^en 6pecuIationen gufolge, aU minbeftenS gleich mäd[)tig 
mit ©Ott erfd^eint unb beffen 5tbfid^ten allentl;alben gu burd^= 
freugen fud^t — unb giüar mit vielem ©rfolg. Slnbererfeit^ aber 
tüirb er lt»ieber aU eyecutit)e^ Drgan ber göttlid^en ©trafgered^tig^^ 
feit betrad^tet unb infofern aU Wiener ©otte^, ber notf)ir)enbig 
in bie göttlid^e Delonomie be^ Söeltaüic gel)ört! 3Jlan tr»irt) in 
all bem !aum eine befonber^ !Iare unb befriebigenbe Söfung beg 
SBelträt^felg, b. 1^. @r!lärung ber SBefd^affeni^eit unb be^ @nb= 
giredfeg biefe^ S)afein^ erblidfen fönnen ! 

Söenben toir un^ bann §um 6trafgerid^t ©otteg, ba§ über 
bie erften 3}ienfd[;en um il^re^ Unge^orfam^ tüitten, fotrie über 
i^r gangem @efd)led^t erging, fo !önnen tt)ir barin ebenfo njenig 
bie Söfung be^ in grage fte^enben Söeltproblemö ober 3Jit)fterium^ 
be0 2)afeing erbli(fen. ©^ toirb gunäd^ft ein geiriffer glud) nid^t 
blo^ auf bie ßrbe, fonbern aud^ auf bie menfd^Ud^e Slrbeit 
gelegt, aU lüäre biefe erft burd^ bie <Bünbe notl^trenbig geworben 
unb eine 6trafe für ben SD^enfd^en! 2)ie^ ftimmt inbefe fd^on 
mit einer anbern ©teile !urg gutoor nid^t überein, toonad^ ber 
3Jlenfd^ gefd^affen unb felbft in t)a§> (^hen gefegt trorben, bamit 
er bie ©rbe bebaue unb bilbe. ©leid^n)o^I fonnte biefe ©tette 
üielfad^ ter^ängnifeöoll toerben, ba nad^ i^r ber 3Jtü§iggang al^ 
baS ©blere, ^ornel^mere, 3Jlenfd^entüürbigere erfd^einen mufete 
al^ hk 2lrbeit, bie nur für bie 3^iebern unb ©flauen gut genug 
erfd^ien, tüäl^renb fie bod^ aU fd^affenbe SSertrenbung ber leib= 
li(^en unb geiftigen Gräfte aU bie eigentUd^e ©l^re unb Sßürbe 
be^ 3Jlenfd^en gu bejeid^nen ift, unb il^m attein SSertl^ unb 
33ebeutung gibt in ber ©d^öpfung. ^06) bemerfenstDertl^er aber 
ift bie auf ©runb biefer unb anberer ©teilen ber 33ibel au^^^ 



unb bereu toiffenid^aftlid^e Unl^attBarfeit. 35 

gebilbete ürd^Ud^^d^riftlid^e Seigre, ba^, iüie f($on oben eriüä^nt, 
hk über bie erften 3Jlenf d^en t)erl^ängte göttltd^e Strafe naä) aUen 
Regierungen auf aße 3}lenf($en au^gebel^nt tüirb, foba^ fte, (au^ 
f($ün o^ne 2)afein), an ber ©ünbe unb 6d^ulb ber erften Menfd^en 
tl^eüne^men foEten, obiüol^l bie ©eelen biefer folgenben OJienfd^en 
fogar birect öon göttli($er ©d^öpfert^ätigMt gefc^affen tüerben, 
nid^t aber t)on t)en Gleitern burd^ bie geugung ftammen foEen, ber 
öielme^r nur bie ©ntftel^ung be^ 2eibe^ jugeftanben toirb. S^^un 
ift 6ünbe eine SSeleibigung ©otte^ l^auptfäd^lid^ burd^ Unge^^or- 
fam, iüorau^ bie ©d^ulb refultirt. 5Da ift bod^ tüol^I nid)t angu= 
nehmen, bafe (Sott bie 3Jlenfd^en ftraft mit einer 6ünbe unb 
beren ©c^ulb, nad}bem er bie 6eelen rein erfd^affen 1)at\ Unb 
lt»o§u fott, gleid^fam burd^ eine Sßunbert^ätigMt ©otte^, ^k 
6ünbe unb 6d^ulb ber erften 3}ienfd^en auf bie folgenben ©e^^ 
fd^led^ter übertragen toorben fein, menn biefelben fogar in gar 
feinem geiftigen 3ufammenl)ang mit jenen ftel^en f ollen? 2öo§u, 
tüenn bod^ !ein gtpang, !eine Sflot^toenbigfeit bagu 't)a fein !onnte, 
fonbern biefe^ SSerfa^ren au^ göttlid^er SSitten^frei^eit folgen 
foEte? 9^od^ bebenflid^er ift, 'Da^ fogar bie Regierlid^feit, bie 
9f^eigung gur 6ünbe aU ©träfe über aEe äJ^enfd^en öon (^ott öer- 
]^ängt tDorben fei, alfo bem 3}lenfd^en öon ©Ott felbft bie Sf^eigung 
gleid^fam ftraftt}eife foE eingepftangt tüorben fein, i^n (©Ott) 
felbft 5U beleibigen burd^ ©elbftfud^t, ©innenluft unb überhaupt 
burd^ Uebertretung feiner ©ebote unb SSerbote! ^a^ ift fidler 
nid^t blog bie feltfamfte, fonbern bod^ aud^ bie am Joenigften 
rationale 2lrt, für eine Seleibigung §u ftrafen, toenn man hei 
bem 35eleibiger bie Steigung gur forttpäl^renben 33eleibigung 
fteigert unb bie X!^atfäd^lid^!eit berfelben in^ Unenblid^e t>er= 
mel)rt unb üergröfeert! Unb ein feltfame^ SSerpltnife ©otteg 
gum ©atan tierrät!^ fic^ barin, n^enn ©Ott feinem 2Biberfad^er 
bie gange 3)lenf d^l^eit, vorläufig lüenigfteng, überlädt, ja i^m 
biefelbe nod^ bagu bur(^ ein ftrafenbe^ SBunber DoEftänbig au^^ 
liefert, o^ne bagu gegmungen gu fein, unb ol^ne burc^ feine ©d^ö^fer= 
unb SSatergüte fi(^ beftimmen gu laffen, fie, bie bod^ ein Dpfer 
beg SSetrugg üon ©eite be^ geinbe^ ©otte^ unb ber SJlenfd^en 



36 I- 2)ic reltgiöfe Söfung be« 2)afem8|)robIcttiS 

mürben, t>or i^m §u retten unb bemfelBen biefe^ ungerecht er= 
langte Dpfer, trie eg feiner ©üte unb ©ere(^tig!eit gemäfe tüar, 
iDteber gu entreißen. 3Jlan l^at njol^l f^on bel^auptet, ^ott ))db^ 
bte§ nid^t toermoi^t, tl^eil^ tnetl bie 6ünbe fi(^ in ber 3JJenf(^= 
l^eit aufleben mn^te bt§ §ur Erfüllung ber 3^^^^^/ t!)etl^ ineil 
bie ©ere($tig!eit e^ forberte, auä) bem Teufel gegenüber, bafe 
il^m ni($t entgegen merbe, tüa§> er ftd^ eriDorben, o^ne ba^ il^m 
ein entfprec^enbe^ Söfegelb bafür gegeben marb; trir tnoHen 
biefe le^tere 5lnft($t nad^^er näl^er betrachten. 2öa§ aber bie 
Sln^Iebung nnb @nttt>i(felung ber 6ünb'^aftig!eit betrifft, fo ^ai 
fie i)or (El^riftng unb feiner ©rlöfung ^Wax reid^lid^ ftattgefunben, 
erfd^öpft aber tDurbe fie nid^t, benn fie tüirfte nad; ©l^riftu^ 
nod^ ebenfo tüud^ernb fort Ui ben 3SöI!ern unb SJ^enfd^en unb 
jnjar nid^t etlr>a nur bei ben ni($td^riftlid)en, fonbern auä) 'bei 
ben c^riftlic^en !aum Weniger, fon)ie \a auä) ber @atan feine 
'tSla^t unb §errfc^aft nod^ fortträl^renb tro| ber ©rlöfung be= 
Raupten fott! ^ie t)ermeintli($e 3luglebung ober Slu^^geftaltung 
l^at §ubem !aum einen vernünftigen ©inn, ha ni(^t abgufel^en ift, 
\Da§> baburd^ erreid^t werben foH für (^ott unb für bie 3}Zenfd^= 
l^eit; benn pd^ften^ für ben 6atan !onnte irgenbein Sftefuttat 
babei l^erau^lommen, für ©ott aber nur ein immer tooHereg Ma^ 
toon SBeleibigung, irofür bod^ fein ©efe^ ba fein fann, für bie 
3}lenfc^]^eit nur ärgere SSerftod^tl^eit unb ©trafbarleit. ^lufeerbem 
tüirb \a berid^tet unb angenommen, 't)ai ©ott fd^on toielfad^ t>on 
Slnfang an in ba^ @efd^i(f ber SJlenfd^^eit eingegriffen l^abe, 
n)enn auc^ nur in einzelnen gätten, hti befonber^ pritoilegirten 
^erfönlid^feiten. 2öar aber bie^ tro^ beg ©efege^ ber natür= 
lid^en ober übernatürlid^en (öermeintlid^ notl^iuenbigen ober ge= 
fepd^en) (Sntn)idfelung ber ©ünbe in ber 3Jienfd^l)eit möglid^, 
bann mufete e^ aud^ für hk gange 3Äenfd^]^eit unb alle Golfer 
möglid^ fein, fo gut tüie für einzelne ^erfonen unb für ein 
eingige^ augertr>äl^lte§ 3SoI!. ®ie tl^eologifd^e ©rllärung unb 
^egrünbung biefer SSerl^ältniffe, refp. biefer 33el)auptungen, 
ift ba^er nac^ aEen leiten l;in o^ne @etr>id[)t unb $alt; ha§> 
S^lätl^fel ber Sßelt unb ber göttlid^en 2ßir!fam!eit in berfelben 



unb bcren tütffenfd^aftUd^e Un^altbarfeit. 37 

unb tn^befonbere in ber SJlenfd^^eit finbet niä)t 'i)k minbefte 
Söfung. 

^0(j^ ^etxaä)ten tüix nun bie öon ber ürd^Iid^-d^riftlid^en 
£e!)rentn)icf elung auggebilbete X^eoxk ber (^riftlii^en Offenbarung 
unb (Sriöfung burd^ "bk HJlenfc^to erbung ©otte^ unb ben blutigen 
Dpfertob be§ 3}lenf(^=getr>orbenen Sogo§. S)ur(^ biefen Dpfcrtob 
unb 'iia^» S3Iut (s;i;rifti fott gleid^fam ba^ Söfegelb für bie aEge= 
meine 6ünbe unb 6(^ulb ber 3Jlenf($l^eit ©ott entrid^tet Serben 
— ober eigentlid^ bem 6atan, ba biefer ein getoiffe^ ©igen= 
tl^um^red^t auf bie SJ^enfd^^eit burd^ jene ©ünbe erlangt '^dbzn 
foE. S)iefe eigentlid^ fpeculatit)e @r!lärung beg ^rlöfung^tobeS- 
lüarb fd^on t»on bem Sl^oftel ^aulu^ eingeleitet, ber nic^t blo§ 
t)on gried^ifd^er ^^ilofop^ie 2lnregung erfahren l)atte, fonbern 
aud^ bie mit ber geiftigen ©ntinicfelung fid^ bilbenbe jübifd^e 
©peculation über 't)a§> Opfer lannte. S)er urfprünglid^e Glaube 
begüglic^ ber Dpfergaben für "i^k ©ötter ober bie ©ott^eit, bafe 
biefe nämlid^ ein Sßol^lgef allen bar an l)aben um be^ ©enuffe^ 
toitten, ben il^nen ba§ 33lut unb t)k verbrannten ^^eile be§ 
Opfert bereiteten (f. 1. 3Jiof. 8, 21), — biefer gröblid^e SBal^n n)arb 
attmäl)lid^ toenigfteng in ^^n gebilbeten Greifen überiounben unb 
eine l^öl^ere, toergeiftigte Sluffaffung an 't)k 6teEe gefegt, foba§ 
'tia§, S3lut nic^t mel^r al^ ^enufemittel, fonbern al^ ^lu^brudf ber 
Dpfergefinnung geltenb gemad^t iourbe. 2)iefe 2luffaffung l)aupt= 
fäc^lid^ toarb auf 'o^n S;ob unb ba^ öergoffene S3lut (S^rifti gur 2ln= 
Jrenbung gebrad^t. 2)emna($ tnaren e^ alfo ^lut unb Sob ©l^rifti, 
iüorin man bie ©rlöfung^t^at beffelben für bie 3}lenfd^I;eit er= 
blid^te, nid^t fein ^Seifpiel gottinniger, l^ingebenber ©efinnung 
gegen ben l^immlifd^en SSater, tootoon bie Eingabe in ben Xo'i) 
nur ba§ äußere 3^^^^}^^ iü<^^; it^^ ^i<^t hk Söal^rl^eiten, bie er 
öerlünbete unb bie Seigren unb Gebote, bie er gab, um 'i^k 
©eelen ber 3}ienfd^en burd^ religiöfe^ unb fittlid^eS 2^Un gu 
toerüoElommnen unb §ur freien ©otte^ünbfd^aft an§> bem Sod^e 
beg ©efege^ mit feinen Sleufeerlid^ leiten §u führen, toa§> er bod^ 
fo beftimmt al^ feine eigentlid^e Slufgabe erllärte. Q§> Voax bie 
Uebertragung be^ im S^bentl^um toie im §eibentl)um üblid^en 



"38 I- 2)ie religiöfe ?ö[ung beS 25afein«^robIem8 

D^fercultu^ unb fetner 33ebeutxing auf ben ^ob Qefu in ber 
Sebeutung, bie er fpäter im 3ubentt)um erl^alten ^atte mit bem 
3Jiomente ber 3öuberma($t, d[§> tr»el(^e man bag @öttli<$e unb 
feine 2ßir!fam!eit allentl^alben auffaßte, geleitet babei burd^ 
^rabition au^ ben primitiven Qeitcn ber Religion, tlnb eine 
fel^r groblid^e (Srlöfung^le^re iüarb in ben erften Qtiten ber 
(3^riftli(^en ^ird^e t>on manchem £el{)rer au^gebilbet; benn felbft 
ßift unb 33etrug gegen ben Teufel, um il^m fein ©igentl^um, bie 
3Jlenf(^l)eit, su entreißen, fd^eute man fi$ nic^t, ©ott ^u^ufd^reiben. 
^iä)t einfad^ aU Söfegelb, al^ S^W^^Ö (für betrügerifd^ er= 
njorbeneg ©igent^um!) follte ba^ ^lut, ber Dpfertob (S^rifti :^in= 
gegeben, fonbern t)or bem 6atan fott e^ gel^eim gel^alten tnorben 
fein, 'i^a^ unter ber menfd^lid^en ^erfon 3efu ber ©ottegfol;n 
verborgen fei, um i^n baburc^ su veranlaffen, bie SSerurtl^ eilung 
unb ben S^ob 3efu gu betreiben, i^n lüenigften^ toon biefem 
Streben nid^t burd^ @ntl)üttung ber SBal^rl^eit abgu^lten. S)em= 
gemäfe l)at er felbft ba§u mitgemirlt, bafe bie SJlenfd^l^eit burd^ 
biefen ^ob au^ feiner Tlad)t befreit ivurbe, ol)ne bafe er e§ 
al^nte! S)iefe rol^e, uniüürbige 3luffaffung ber ©rlöfung toarb 
atterbing^ in ber golgegeit, — fd;on burd^ Tregor von 9'^t)ffa 
im 4. Qal^rl^unbert unb fpäter im 11. Sal^rl^unbert burd^ Slnfelm 
von ©anterbur^ befeitigt unb eine eblere, geiftigere an bereu 
©teile gefegt: bie fog. (5ati^faction^tl)eorie. ^ie ^enugtl^uung 
unb Sü^nung für hk unenblid^e ^eleibigung ©otteg (burd^ ben 
lXngel)ürfam, bie 6ünbe ber erften 3}tenfd^en) !onnte nur burd^ 
ein unenblid^eso SBefen, alfo nur burd^ (^ott felbft gef d^e^en 
unb mu^te bod^ gugleid^ von einem 3}lenfd^en au^ge^en, n)eil 
eine ßeiftung be^ fc^ulbigen 3)tenfd^engefc^led^te§ fein. 5llfo 
!onnte nur tin 2Befen, ba^ ©ott unb 3}knfd^ jugleid^ mar, 
ber ©ottmenfd^ bie @enugtl)uung für bie unenblid^e ^elei= 
bigung (Sottet unb hk unenblic^e ©d^ulb leiften. ©Ott felbft 
lonnte auf anbere Söeife, burd^ feine Slümad^t unb einen 
2(ct ber Söittfür bie ©d^ulb von ber 3Jienfd^^eit nid^t tveg- 
nehmen unb bem 6atan feine ©rrungenfd^aft (9fled^t?) nid^t 
entgiel^en, benn bie ©ered^tigfeit tonnte bas nid^t gulaffen. 



unb bereit totffenfc^aftltd^e Unl^altfcarfcit. 39. 

fonbern forberte biefe ^enugtl^uung. @egen biefe feinere f^ecu= 
Mm ®enugt^uungg= unb ©rlöfungglef)re lä^t \iä) fogleid^ bie^^ 
eintpenben, 'Da^ bod^ tüol^I eine unenblid^e ^eleibigung ^otte^ 
burd^ ein enblid^e^ Söefen, tnie ber Wltn^^ ift, nid^t ftatt= 
finben !ann, alfo auä) eine unenbli($e @enugt!)unng nid^t nötl^tg 
ift. äßenn '^k Unenblid^feit ^tüar nid^t toom 3)knfd^en, n)ol;l 
aber t>on ©Ott babei au^ge^t, aU bem Dbject ber ^^eleibigung, 
fo !ann er aud^ bie ntenfd^lid^e ©enugt^uung al§> giel berfelben 
t)on Seite be§ SRenfd^en gu einer unenblid^en mad^en. 3ft bie 
©enugt^uung, burd) (SJott felbft gegeben, lr»ie Ut ^eteibigung 
unenblid^, alfo nur in ©Ott felbft, fo ift "t^k lu^gleid^ung ein 
Vorgang, ber au^er allem enblid^en unb menfd^lid^en ©ebiete 
ftattfinbet unb !ann trog 3}?enfd^ Werbung ©otteg nid^t au^ bem 
äJlenfd^engefd^led^te felbft ]^ert)orgel)en. Sßenn e§> ferner 'i)k ©e= 
rec^tigfeit ift, treli^e biefe gottmenfd^lid^e 2lrt toon ©enugt^uung 
forbert t>on ©ott felbft, fo ift 't)amit ©Ott unter 'ok ©ered^tig= 
Mi aU eine unperfonlid^e reale '^aä)i ßbee) gefteHt unb biefe 
ift bann ba§ eigentlich Slbfolute, nid^t ber perfönlid^e, lebenbige 
©Ott mit feinem Söiffen unb Söollen — ä^nlid^ tüie bie alten 
©Otter unter ber ©enjalt be§ gatuneö fte^enb gebadet trurben. 
(Snblid^ ift eg ein geipiffermagen grote^fer ©eban!e, bafe bie un- 
enblid^e 33eleibigung ©otte^ unb bie barau^ l^erüorgel^enbe 
©d^ulb burd^ ben größten gret>el, ber ben!bar ift, burd^ ben 
©otte^morb foll gefü^nt n)erben !önnen, ba bod^, fottte man 
glauben, bie ©d^ulb ber 3Jlenfc^l^eit unb "oie gereifte Strafe 
©otteg babur(^ nur um fo größer njerben mufete. ©ine S3elei= 
bigung ©otte^ unb gugleid^ eine SSerlegung ber ©ered^tigleit felbft, 
bie gefül^nt tnerben follte, mujgte bod^ biefe ^öbtung toor allem fein, 
tpie follte alfo eine 6ü^nung babur(^ ftattfinben !önnen, unb 
eine S3efriebiguug ober 9tealifirung ber 3bee ber abfoluten ©e= 
rec^tigMt? 2)ie§ gilt um fo me^r, "oa biefer gotte^mörberifd^e 
gretoel ni4>t etma t»on ber blinben fanatifd^en unb gebanfenlofen 
2}laffe ausging, fonbern ton ber legitimen, toon ©Ott felbft ge= 
fegten 2lutorität, ber jübifd^en ^l^eofratie, toon ben ^ol^enprieftern, 
treidle bod; bie Präger unb Sßäd^ter ber göttlid^en Offenbarung 



40 I- 2)ie religiöfe Söfung beö 2)a[ein«^vobIem8 

U§> tcdjin iüaren! ^iefe ®atiöfactiDngtt)eorte, bie \a D^nel)in 
nur ein ^robuct tl^eologifd^er 6pecnIation ift, ertüeift \id) bem- 
nad; nad^ atten SSegiel^ungen al0 nn!)altbar. 

2)a^ ei)riftent!)um trirb alg birecte Offenbarung (BotU§> öer= 
fünbet unb geltenb gemacht; uub gtüar al§ Offenbarung burd^ 
DJlenfc^merbung ©otte^ felbft unb burd; bie @rlöfung§tt)at mittele 
beS ^reugeötobe^ — alfo aU eine ^unbgebung unb Set^ätigung 
©otteö, bie !aum noä) größer gebadet iperben !ann. gn ber 
^^at, iüenn mit ttoller ^larfjeit unb ©id^erlfjeit er!annt unb be= 
Jüiefen Serben !ann, bafe biefe;o Ungel^euere inirlUdE) gefd^el^en 
fei, bann ift für ben, ber glaubt unb er!ennt, fidler H§> 3R^fte= 
rium bea S)afein^ gelöft, — iüenigften^ fo mit, aU e^ für bie 
enblid^e ©eifte^fraft be^ 3}lenfd^en überhaupt möglid^ ift. ^a§ 
S)afein ©otte^ ift bann felbftüerftänblic^ über aEen S^^^f^^t ^^' 
l^aben unb bie göttlid^e ©efinnung toie bie 2lbfid;t ©otteg begüg? 
lid^ ber Sd)öpfung über!)aupt unb be^ 3}lenf(^en in^befonbere ift 
üoEfommen !unbgegeben unb betüä^rt, — für jeben iDenigftenö, ber 
baran aU einer fiebern ^^atfad^e einfai^ gläubig feftl^ält unb 
fid^ bie 6ad^e nid^t ettna burd^ enblofe tl^eologifc^e 6peculationen 
unb 6pintifirereien öertüirren unb toerbun!eln läfet. 3ft nun 
aber bie ^l^atfad^e ber 3)Zenfd^tDerbung unb Offenbarung @otte^, 
wk bag eijriftentl^um (bie ^ird^e) fie üerlünbet unb §u glauben 
üorfd^reibt, iüirflid^ aud) gan§ fidler unb burd^ 33etüeife über 
aüen QtDei^cl ergaben feftgefteHt, iDie e^ bei einer fo unenb= 
lid^ jpid^tigen, ja entfd^eibenben 6a(^e notl^roenbig ift, trenn 
man nid^t leid^tgläubig fic^ öerl^alten tritt? 33ei näherer SBe^ 
trad^tung feine^tneg^ — tnenn man iüir!Ii($e ^etr>eife »erlangt 
unb ni(^t ettpa bie l)er!ömmlid^en, gang unb gäben fog. 33etDei^= 
fü^rungen felbft nur gläubig l)innimmt, iüeil fie al^ 33etreife 
nun einmal geltenb gemacht unb getüiffermafeen autoritatit) t)or= 
gefd^rieben finb. 2)ie äöunber 3efu, bie Sßeiffagungen im Sllten 
^eftamente, bie SSerbreitung be§ ei)riftentl^umg o^ne SSaffen^ 
getralt, bie lange 3)auer ber d^riftlid^en Sfteligion unb ^ird^e 
fotten biefe ^Setreife fein, bie "oa^) llngel;euerfte fidler begeugen 



unb beven hjiffenfd^aftlid^e Uni^attbarfcit, 41 

follen, iDag ie ftattgefunben '^aUn !önnte! S^befe att biefe Se^ 
Jüeife finb gan§ ungenügenb, finb t)Dn ber 2lrt, ba§ fie ntc^t 
einmal einen natürli(j^en, gefi^ineige benn einen nbernatnrlid^en 
©lanben begrünben lönnen. @ie finb fold^er 2lrt, ipie auä) 
anbere 9fleIigionen, bie im ©l^riftent^nm für nngöttlic^ gelten, 
fie für \iä) anführen Unmn nnb finb fo, ba§ man fie !anm 
in getüöt)nli(^en, unwichtigem fingen für genügenb l^alten 
!önnte ober gelten liefee. Söunber glaubt man aud^ in an'i)^xn 
9teligionen unb felbft in ber !atl^oUfc^en Itird^e nimmt man an, 
ba^ aud^ ber ^Teufel 2Bunber tüirlen !i3nne. ^emgemä^ mü^te 
erft entf(^ieben iperben, ob ^§> göttli(^e ober ungöttlii^e 3ßunber 
feien. S)ie ©aij^e, für bie fie getoirft toerben, fott babei in SSe- 
trad^t !ommen unb "oit religiöfe 5luctorität fott babei entfd^eiben. 
S5ei ben Söunbern (E^rifti entfc^ieb bie religiöfe 2luctorität im 
Qubentl^um gegen il^re (S^öttUd^leit unb Wofür Qefu^ fie getoirlt 
l;aben foE, wirb felbft aU ungöttli($, gott= unb auctorität^wibrig 
er!lärt. SDie Söeiffagungen im Sitten ^eftament finb fe^r un? 
beftimmt, be§iel)en fi(^ auf einen 9tetter ober (Srlöfer be^ 3Sol!e§ 
Sfrael, auf einen lommenben SJieffia^ unb werben toon benen, 
für weld^e t)ie $ropl5)eten gefproi^en, t>on 'tizn jübifd^en 6d^rift= 
lu^legern unb t^eo!ratif(^en Sluctoritäten nid^t auf Qefug be= 
sogen, weil fie in il)m nid^t ben erwarteten 3)?effia§ erblidten. 
S)ie legitime SluMegung alfo erflärte fi(^ gegen bie im ^^riften^ 
t^um §ur (Geltung gefommene 2lnnal)me, unb biefe fanb erft 
bann ftatt, also man in 3efu^ fd^on 't)en öer^ei^enen 3}leffia§ 
unb göttlid^en Sogo^ erbliifte, alfo ha§> fd^on al^ fidler annal^m, 
toa^ man burd^ biefe Sßeiffagungen begrünben ober erfennen 
wollte. — Slud^ bie lange S)auer be^ ßljriftent^umg pflegt man 
aU 33ewei^ für bie ©öttlid^leit an§ufül)ren. Slber anbere 9fleli= 
gionen )^aUn eine nod^ öiel längere ^auer Wie: S^bent^um, 
S5ubb^i^mu§, 33ral)mani§mu§, ^inefifd^e Sfteligion beg ©onfuciug, 
^arfi^mug (be§ goroafter), — ol^ne bafe man barauio einen ^eWei^ 
für il;re ©öttlid^leit fc^öpft ober gelten läfet, — am wenigften 
toon 6eite ber d^riftlid^en ^Ijeologen, bie für ha^ (S^riftent^um 



42 I- 2)te retigtöfe Söfung be« 2)afem«proBtem8 

biefen SSelretö gut Geltung gu bringen pflegen.* 3)iei'e öer= 
meintlic^en ^^etoeife ^ben alfo !ein befonbere^ @etr)i(^t nnb 
n)ürbe felbft in geiröl^nlid^en fingen ein fo fd^irad^e^ ^etr>ei§= 
SSerfal^ren feine @ültig!eit in ^Infprui^ nel^men fönnen, ge{d)it>eige 
benn in einer fo an6erorbentIi($en, \a in ber 'i)ö^\kn, mic^tigften 
5lngelegen^eit be^ gangen ^afein^. 

dagegen ift anf offenbare, befannte ^i^atfad^en ^ingnn)eifen, 
tütiä)t niä)t blo^ bie bel^anptete (^öttlid^!eit, b. )). bie 3)lenf(^trer= 
bnng nnb Offenbarung ®otte§ im ©l^riftentl^um nii^t bezeugen, 
Jonbern im ©egentl^eil nad^ menf(^Ii(^em IXrtl^eil nnb ber Qbee 
©otte^ nnb feiner S3et^ätigung gemä§ al^ bnrd^an^ bagegen 
fpred^enb betraij^tet njerben muffen. 2)a iDirb g. 33. toon ^^oma^ 
t»on 2lquino bie tonnberbare SSerbreitnng be^ ßf)riftent{)um^ ol;ne 
3öaffengeit»alt aU SSelpeiö für bie birect göttlid^e ^rünbnng 
beffelben angefnl^rt, — h)ä|)renb, iüie er fagt, ber 3Jlu]^ammebani§= 
mu§ fid^ verbreitet f)aU bnrd^ 3JlitteI, treidle S^läuber nnb ^^= 
rannen antnenben, burd^ Söaffengeiüalt nämlid^ (Cont. Gent. 1, 6). 
Slber bie toer'^ältnifemäfeig immerl^in langfame SSerbreitnng be^ 
ß^riftentl^nm^ in ben erften brei 3a|)rl^unberten im Stomifd^en 
^tiä)e läfet fid^ gan^ tool^l natürlid^ erflären au^ ber geiftigen 
SSorbereitnng, meldte burd^ bie gried^if(^e ^^iIofopI)ie, befonber^ 
bnrd^ ben ^latoni^mn^, 6toici^mu^ nnb 6!eiptici^mng gegeben 
toax, foiüie burd^ ben SSerfall ber alten S^ieligion. gerner burd^ 'oa^» 
©lenb ber Qtiten in pl^pfifc^er nnb moralifd^er 53e§iel^ung, n)0= 
burd^ ebenfalls eim t»on ber SBelt nnb il^rem eitlen treiben fid^ 
abtoenbenbe ©efinnnng Ijerüorg ebrad^t iparb, ix»eld^er "oa^ uv- 
fprünglid^e (E^riftenti^um fpmpatlfjif^ fein mu^te. 6päter aber 
n)arb (SJeiralt nnb S^ang, ©treit nnb SSerfolgung xtiä)li<^ and^ 
gu ©nnften beg ür^lid^en (El^riftentl^um^ angetrenbet nnb bie 
@nmme ber @eit>altt]^aten nnb SSerfolgungen gu (iJunften ber 
^ird^e njürbe !aum geringer fein di§> bie ju (fünften be^ 
3J?u]^ammebani^mng, nnb jtebenfaH^ fielet in biefer Segiel^ung 



* yiä^txtS fjterüber in meinem SBerfe: „2)ie ^^ilofo^^ie beö Xi)oma9 
i?on ^quino fritifc^ gelrürbigt" (^eipjig 1889, @. 30 ff.). 



unb beren ttjtffenfd^aftUd^e Un^aItBar!ctt. 43 

allen öeric^ten ^ufolge ber 33ubbbi§mu§ l^ö^er al§ bie griecj^ifd^e 
unb römtf(^e Rix^en^txx'\ä)a^i unb !önnte alfo naä) ber in ^^rage 
ftel^enben Setüei^fü^rung mel^r auf @öttlid^!eit ^Infprud^ mad^en. 
®ann aber entfielt bo($ aud^ bie grage: 3ft ^^nn ber ©rfolg 
ber (^riftli($en 9teligion, toa§> äußere Slu^breitung unb innere 
©nttüidfelung in fittli($er 33ilbung unb religiöfer SSereblung be= 
trifft, dn fo au^erorbentlid^er, ba§ er nur aU tüunberbare 
Sßirfung @otte^, ja nur burd^ SJlenfd^tüerbung unb birecte @rfd^ei= 
nung unb Offenbarung (^otte^ felbft erklärt merben !önnte? 
^oc^ tüol^t feineötneg^. S)ie ^Verbreitung unb geiftige 2ßir!= 
fam!eit ift im SSergleid^ pr langen ®auer tim immerl^in nur 
befd^ränfte ^u nennen, fo ha^ g. 33. ber 33ubb]^i^mu§, htm man 
Mnen cjöttlid^en Urfprung gufd^reibt, toeit me^r S3e!enner jäl^lt 
aU ba§ ß^riftentl^um unb aud^ gur SSerfittigung groger 3Söl!er= 
maffen öiel beigetragen ^at 2lu§ ber ^Verbreitung be§ d^rift= 
lid^en ©lauben^ !ann alfo Uin ^etüei^ für eine fo ungel^euere 
%^at\aä)t gefd^öpft loerben, ipie bie älfleufd^iüerbung @otte^ iüäre, 
im ©egent^eil, ber ©rfolg ftel^t gu einer fold^en ^Ijatfad^e in 
gar feinem SSer-^ältnig, unb gibt el^er 3^W9^^6 bagegen al^ 
bafür. — 33etrad^ten iüir bann bie Slrt biefer SSerbreitung. (Sie 
gefd^ie^t nid^t ettt)a iDunberbar unb birect göttlich, fonbern er= 
n?eift fid^ allenthalben auf menfd^lid^e 3Jiittel angetüiefen. Unb 
nid^t bloö öon ber 5lugbreitung be^ @lauben§ über hen (Srb= 
!reig burd^ fümmerlid^e einzelne 33e!e]^rungen ertr)ir!enbe 3Jlif= 
fionare gilt hie^, fonbern auä) t)on ber Slneignung ber d^riftlid^en 
©üter burd^ hk (SJläubigen felbft inneri^alb ber Äird^e, t>on ber 
%\)txlndi)xm an ber göttlid^en SSal^r^eit unb (^nabe, bie ber 
(Sottmenfd^ nad^ ber Seigre ber ^ird^e gebrad^t l^at, gilt hk^. 
Ittentl^alben ift e^ nid^t ®ott felbft, üon bem ber 3Jlenfd^ bie= 
felben erhält, fonbern eine menfd^lid^e ^IRittel^perfon fielet ba= 
gtüifd^en unb t>on beren Sßitten unb 2Bir!en ift e^ abl^ängig, ob 
ber gläubige (s;^rift hk i^m toon ©Ott gegebene Söal^rl^eit unb 
(Snabe erl^alten foK ober nid^t; er mu§ fid^ nid^t blo§ ©Ott 
unteriüerfen unb §u il^m feine 3iiffw<^t nel^men, fonbern toor 
allem öor 3Jienfd^en mu§ er fid^ beugen unb fid^ i^nen geiftig 



44 I- S^ie rcligiöfe Söfung beS 2)afeingproBIcnT8 

unteriüerfen unb auf eigene ©infid;t tüie auf eigenen SöiHen t>er= 
gid^ten! 5)a entftet)t hoä) biegrage: Sof)nte e^ tr»o!)I ber 33Zü^e, 
bafe ©Ott felbft HJienfd^ tpurbe unb burd^ birecte Offenbarung 
feine 2öa]^rf)eit unb ^ülfe ben 3Jlenfd^en burd^ Seigre, ^eifpiel 
unb Dpfertob brachte, tt»enn er bod^ l^ierauf ben 3Jlenfd^en lüieber 
üoEftänbig ferne gerückt n?urbe, \a iüenn bie 3Kenfc^en fogar 
i)on i!)m, üon bem birecten 55er!el^r mit il^m glei($fam abgefperrt 
ID erben fottten burd^ 3Jlittel§perfonen, bie aud^ nur 3Jlenf d^en 
finb, unb fo oft fel^r fd^tDac^e, uniriffenbe, felbftfüd^tige, \a felbft 
lafter^afte 3Jienfd^en? ©Ott ift alfo felbft gu ben 3Jlenfd^en ge= 
fonimen, um i^nen gu l^elfen, unb nun bürfen fie fid^ gar nid^t 
l^erausnel^men, birect mit il^m t)er!el)ren gu tootten! S)ie 3Ser= 
mittler l)aben gleic^fam ©ott felbft mit feiner Sßa^rl^eit unb 
©nabe mit S3efd^lag belegt ober annectirt unb geben bat)on nur 
unter h^n ü/mn beliebten 33ebingungen an Ue unter tüürfigen, 
allentl^alben gefügf amen 3Jlenf d^en ab\ 3ft e^ ba glaublid^, bafe 
njirllid^ eine fold;e 3}Ienfd)n)erbung unb Offenbarung ®otte§ 
ftattgefunben Ijabe unb t^a^ ©Ott gugeben toürbe, ba^ man 
fo mit feinem 2öer!e öerfal)ren unb in biefer Sßeife baffelbe toieber 
toottftänbig üermenfd^lic^en bürfte? ^aum beffer geftaltet fid^ bie 
^a^e, totnn an bie Stette beg menfd^getporbenen (3otU§> ein 
tiielbeutige^ ^ud^ gefegt Jüirb für alle 3u!unft, benn irie hjenig 
flar unb beftimmt ift biefem 33ud^ jufolge gerabe ba^ gelehrt 
ober geoffenbart tnorben toon Qefug felbft, njaö nad^ biefer 2luf= 
faffung bey 6l;riftent]^um^ 'S)a§> SltterlDid^tigfte, (Sntfd^eibenbe ift, 
nämlid^, ta^ er ©ott unb OJlenfd^ fei unb burd^ fein S3lut öon 
ber ©rbfünbe unb =6d^ulb erlöfen tooUte. Segenbenl^aft finb 
n)ol)l S5erid)te barüber ^tn ©toangelien beigefügt, aber nid^t ge- 
fagt, öon n)em fie ftammen unb njer bafür S^^^G^^fe 9^^^/ ^^"^ 
Sefu^ felbft fagt barüber nic^t^. 3ft ein fold^eS ^Serfa^ren mög= 
lid^, tt}enn auf ben ©lauben baran Me^ ankommt? ©elbft bie 
bunfeln 2lnbeutungen, bie fid^ im ©öangelium So^anne^ finben 
(bie anbern (Süangelien fd^n?eigen barüber oljneljin ganj, al^ ob 
bie0 al^ ttwa§> Unnjid^tigeS o^ne 8eben!en tr»eggelaffen n^erben 
fbnnte!), finb fo un!lar unb melbeutig, bafe ja^r^unbertelang 



unb bereit ttjtffenfd^aftttd^e Unl^altBarfeit. 45 

barüber geftritten iüurbe in ber (^riftltd;en ^irc^e, hi§> eine be= 
ftimmte geftfteHung gunäd^ft gu S^icäa (325) §u 6tanbe !am, 
bie au^erbem iüeit entfernt irar, üon allen 33e!ennern ßl^rifti 
angenommen gu tperben, benn bie Slrianer t^aUn bie§ nid^t, 
fonbetn blieben bei ben gormein ber jübifi^^aleyanbrinifd^en 
^]^iIofopI)ie begüglid^ ber £ogo^lef)re. ^ann "i^a^ für eine birectc 
göttlid^e Dffenbarnng gelten, über beren 6inn erft fo lange 
geftritten incrben !ann? ©obafe burc^ biefe Dffenbarnng ber 
6treit nnb S^tiiefpalt in religiöfen fingen nnr toerme^rt tünrbe, 
anstatt ha^ griebe nnb @inig!eit, fotcie ^iä)t nnb Älar^eit über 
ba§ Söelträtl^fel 'D^n 3Jienf$en gnt^eil tünrbe? Slnfeerbem: Söenn 
ha§> Snbent^nm bie göttlid^e SSorbereitnng für 'i)a§> ßl^riftentljnm 
fein foHte, fo !onnte e§ gerabe be§ügli(^ biefeg 5Dogma§ öom 
Sogo§ nnb ber ^rinität feine tüeniger :paffenbe, ineniger gtpe(f= 
entfpre($enbe SSorbereitnng geben aU ben ftrengen, abftracten 
3J^onot^ei^mn^ be^ Snbentl^nmg, n^ie berfelbe fid^ in ber na(^= 
eyilif($en geit in Qernfalem an^gebilbet I)atte. S)a]^er fanb bie 
(^riftologifc^e Se^renttDi(felnng gerabe hei ben 3nben, ref:p. 
Snbend^riften, am menigften 2ln!lang nnb tooEe ^eiftimmnng, 
wogegen bie §eiben(^riften toiel mel^r ©^mpatl^ic entgegen^ 
brachten; benn il^nen trar bie ^reil^eit göttlicher ^erfonen 
iüeniger anftöfeig infolge be^ ^ol^tlfjei^mn^, ben fie i)erlie6en. 
'^dbei toax i^mn 'Dk SSorfteEnng gelänfig, bafe bie (iJott^eit, 
H^ ein @ott ober Götter in 3Renf(^engeftaIt anf (Srben er= 
erfd^einen, nm irgenbn)eld^e 3^^^^/ für einzelne 3)lenf($en ober für 
SSöüer gu erreid^en. ^iefe ^Dogmaentn^idfelnng nnb i^r ^ä)iäi 
fal nahmen alfo einen 3Serlanf, tr»ie er gan§ in ben natürlichen, 
l^iftorifd^en SSerl^ältniffen begrünbet loar, nnb 'oexxäti) bnrd^an^ 
feine übernatürliche ober aufeerorbentlid^e birecte ©iniüirfnng 
ober gü^rnng be^ göttlid^en ©eifte^, — ber inilbe, leibenfd^aft= 
lid^e Streit möd^te ^^^x für ba§ (^egent^eil 8^^9^^6 geben! 

Sßie mit ber 3[>orbereitnng nnb ber SSerfünbnng ber Dffen= 
barnng nnb ©rlöfnng, 't}k im ß^riftentl^nm a[§> birecte 2öir!nng 
beg menfd^getüorbenen (Bdik§> geltenb gemacht irirb, fo toer^ält 
e§> fid^ anc^ mit ber ^eranftaltnng nnb ben 3Jlitteln für bie 



46 I. 2)ie religiBje ?ö|ung bes 2)afein6probIem« 

gotterl^altung unb 5lugbreitung ber Bel;aiipteten göttlichen Stif^ 
tung über bie ganje SJtenfd^l^eit, burc^ alle Seiten (jinburd^. 
^uä) in biefer ^Be^ie^^ung finben toix ni^tö, tDa§> einem fo un= 
gel^enern 2ßer!e, n)ie bie 3Renf(^ir> erbung ©otte^ unb bie ba= 
bur($ vermittelten Dffenbarung unb ©rlöfung irgenb angemeffen 
erfd^iene. 2Bie bie äußere Slu^breitung , fo auä), tüie fd)on be- 
mer!t, bie innere @nttüi(felung, ift rein menfd^lii^en Gräften über= 
laffen, auf 2lntüenbung ber natürlichen menfd^lid^en ^^ätigleit 
gefteEt, bereu Qu^aU unb ber 2Bitt!ür überlaffen unb bem ©treite 
ber Parteien preisgegeben, fobafe, anftatt griebe unb ©intraij^t, 
vielmehr QtDktxaä)t unb 3a^rl)unberte bauernbe 6treitig!eiten 
mit §a^ unb gegenfeitiger SSerfolgutig ber 3}ienfd^en, aud; lüenn 
fie (Sl)riften tüaren, barauS !)ertoorgingen. |)ätte nic^t eine birectc 
göttlid^e Dffenbarung beS menfd)getr)Drbenen ©otteS, trenn tr>ir!= 
liä) nid^t 'oie eble, einfädle religiöS^ittlid^e Se!^re 3efu, lüie bie 
©tiangelien fie entl^alten, bie §auptfad^e trar, fonbern bie d^rifto= 
logifd^en unb ant^ropologif(^en S)ogmen ha§> ©ntfd^eibenbe inaren, 
l)äiU nid^t in biefem gälte gerabe biefeS Gebiet ber ©egenftanb 
ber üarften, beftimmteften .Offenbarung unb Selel^rung fein 
muffen, um allen 6treit auSgufd^lie^en unb bie ©efal^r möglid^ft 
äu befeitigen, bag 3rrtl)ümer, 3JliSt)erftänbniffe unb Uneinigfeiten 
entftanben? Iber nichts öon allebem gef d^al^; bie erften brei 
©öangelien entl^ielten !aum unbeutlid^e Spuren öon bem, maS 
fpäter für ha^ Söefentlidfie beS ß^riftent^umS er!lärt mürbe, als 
tDäre bieS biefen (Evangelien, obtpo^l fie für vom göttlichen ©eifte 
tnfpirirt gelten, eine ganj gleid^gültige 6ad^e getvefen! äöäre ha^ 
möglich unb benfbar bei einer birect von @ott gegebenen Dffen- 
barung? 5DaS vierte Evangelium enthält gtvar, tok bemerft, 
me^^r vom (E^riftologifd^en, aber fo, 'Da^ man allentl^alben an bie 
iübifd^=aleyanbrinifd^e Seigre von ^^ilo erinnert tvirb unb ber 
©ebanfe bei naiverer Äenntnife ber ©efd^i^te ganj unvermeiblid^ 
ift, bafe biefe d^riftologifd^e Se^re eine 3J^obification biefer bur(^ 
natürlid^e p^^ilofopl^ifd^ = tl^eologifc^e 6peculation errungenen 
®otteS= unb SogoSlel^re fei, nid^t eine gang übernatürlid;e gött= 
lid^e Dffenbarung. konnte ©ott bie 3Jienfd^en fo irreleiten burd^ 



unb beren toiffenfd^aftlid^e Un^altbarfeit. 47 

Unflarl^eit ber Dffenbarung unb fo in 3Serfn$nng fül^ren, fie gu 
ntife!ennen? Söogu n^ären fie 't)enn gegeben tüorben, toenn bod^ 
mieber !eine Ilarl^eit unh 6i($erl^eit über i^^ren Urfprung unb 
über i^x ri(^tige§ SSerftänbnife iüäre gegeben iüorben? ©ine un- 
flare, öielbeutige, bem S^^^f^t unb bem Streite jugänglid^e gött= 
li($e Offenbarung ift eigentli($ !eine unb bie 3Jleinung, eine 
foI($e §u TE)aben, ^at no($ bie fd^limme golge, bafe ber 3tt)ift 
unb ber ganati^mu^ ber Parteien um fo fd^ärfer irirb, tüeil 
jebe birect W <BaiS)e @otte§ felbft gu t?ertreten n)ä^nt unb fi(^ 
göttlid^e ©tellt?ertretung unb göttlid^eg Sfled^t gufd^reibt. 

2öie bepglid^ ber Sel^renttüidelung feine ^orforge getroffen 
ift, ba6 fie auf !lare, un^ttieibeutige 2lu§f))rü(|e ^n fid^ ol^ne 
äRiöterftänbniffe unb ©treitigleiten Verläufen !onnte, tr>ie e^ 
bod^ ertnartet n}erben mu^, trenn ©Ott felbft eine Offenbarung 
gibt, bantit bie Tlen\ä)en fidler SSal^rl^eit unb $eil erlangen, 
— fo ift aud^ begüglid^ ber SSerfaffung, ber (Einrichtung unb 
^ertoaltung ber Mrd^e al^ beS 9teid^e§ ©otte§ auf @rben nid^t^ 
33eftimmteg geleiert unb angeorbnet toon (Sl^riftu^ felbft, ber ho6) 
aU 6tifter be^ (E^riftent^um^ gilt. ©^ ift aud^ in biefer ^e:= 
giel^ung aUe§> unbeftimmt gelaffen, unb finben \iä) am ^Beginne 
!aum 2lnbeutungen l^ierüber, fonbern bie 6a($e ift H fo ge= 
artet, bafe erft 'i)k 3Serl^ältniffe bie natürlichen l)iftorifd^en Um= 
ftänbe unb fd^einbaren ober mirflid^en 33ebürfniffe über bie ©in- 
rid^tung unb Drganifation entfd^eiben. Sn^befonbere gilt bie^ 
gerabe öon beut, tva^ fpäter unb nod^ jegt a[§> ba^ äBid^tigfte, 
©ntfd^eibenbe beljauptet unb geltenb gemad^t iüurbe unb tpirb: 
üom Dber^^aupte unb 3Jiittelpun!t ber fat^^olifd^en ^irc^e, üom 
römifi^en $apfttl)um. 3Son einem abfoluten päpftlid^en ^err- 
fd^er, t>om ^apft, üon D^tom unb öon einem tpeltlid^en 9leic^ für 
feine Äird^e, üon einem ^ird^enftaat fagt S^fu^ felbft nid^t eine 
6ilbe. 2öie l^ätte er al^ Stifter be§ allgemeinen ©otte^reid^e^ 
auf ©rben gerabe l^ierüon fd^n^eigen fotten, h?enn er baffelbe für 
nof^menbig ^ielt unb grünbete, unb iüenn biefe ©rünbung ein 
birecte^ 2ßer! ©otte^ fein fottte, um beffenttüillen ©Ott (fo i}er= 
ftanben, tnie "i^a^» (Eljriftentl^um unb 'ok Mxä)t felbft il^n auf^ 



48 I« 2)is reUgiöfc JOöfung beS 3)afeing^robIcm8 

fa^t) felBft 3Jlenfd^ geworben? Hnb tpie l^ätten bie ^ßerfaffer 
ber ©öangelien, bie boc^ toom göttUd^en ©eift felbft tnfpirirt 
fein fottten, baöon fd^tüeigen fotten, tüenn e^ bie inid^tigfte 2ln= 
orbnung ir>ar unb tf)atfä($lic^ ftattgefunben l^ätte, — tpäJjrenb 
fie fo Diele iintr»i($tige S)inge berichten? ^un ift ipeber tion 
^etru^, alg abfoluten 33ef)errf(^er ber ^ir($e unb Dber^au^t ober 
gürften ber Slpoftel je bie 9iebe im gangen Sfleuen Sieftamente, 
no(^ ba§ er je naä) 9lom gefomnten nnb SBif^of bafelbft ge= 
tiefen fei, fonbern tpo immer bie Stiebe ift toon il)m, ba ift er 
nic^t in ^om nnb nid^t bafelbft 33if($of, nnb ebenfo menig er= 
fd^eint er je al§> ©ebieter ber übrigen Slpoftel ober tüirb t>on 
biefen al^ fold^er anerfannt; im ®egentf)eil, er tüirb mit 3o= 
^nne§ toon ber ß^riftengemeinbe in ^ernfalem nad) Intiod^ia 
gefanbt, erl;ielt alfo Slnfträge öon ber ©emeinbe, anftatt aU 
^errfd^er t>or biefer gn erfd^einen, nnb ber Slpoftel ^anlng be= 
rid^tet gerabegn, ba^ er bem ^etrng in^ Ingefid^t tpiberftanben 
'i)dbe.'^ S)a6 ber römifd^e Sifd^of bag Dberljanpt ber gangen znU 
fte^enben ^ird^e fein mnffe, ift ebenfo toenig irgenbtno toon ©^ri= 
ftn§ angebentet nnb berfelbe n)nrbe bieg nnr babnrd^, ba^ er 
in 9^om, ber beljerrfd^enben §anptftabt ber Sßelt, 33ifd^of iüar 
nnb balb eine l^erüorragenbe ©teHnng bafelbft errang, nac^bem 
ber ^aifer feine S^efibenj nad^ ^onftantinopel toerlegt !?attc. 
SBenn H^ (Sl^riftentl^nm eine birect göttlid^e ©tiftnng tüäre nnb 
ha^ römifc^e ^a^ftt'^nm öon ©Ott felbft birect getüoüt nnb ge= 
ftiftet fein foE, nnb jtpar fo, "t^ai jebermann, ber fid^ bem 
^apfte ni d^t toottftänbig nntertpirft, feinen ^Intl^eil an (E^rifti 
2ßer! nnb an ber göttlid^en §nlfe nnb ©nabe l^aben foEte, toie 
lr»äre e§> ba möglid) ober ben!bar, bafe gerabe bat>on 6!)riftn§ 
felbft feine 6ilbe fagt, nid^t einmal eine Slnbentnng gibt, ge= 
fd^tüeige benn !lar nnb beftimmt fi(^ bariiber an^fprad;. ^ag= 
felbe gilt ebenfo t)om ^ird^enftaat, ben and^ ber $apft für nn-- 



* hierüber meine (Schriften: „2)er ^elS ^etrt in 9?om" (Schaff Raufen 
1875, 5. Stufl.), unb: „2)er ^rimot ^etri unb beö ^a^ftcö'' (Qlbcrfelb 

1875). 



unb bereit toiffenfd^aftlic^e Unl^attBarfeit, 49 

bebingt notl^irenbtg al^ ©runbtage ber Rix^e unb feiner ^err- 
fd^aft er!lärt Qefu^ l^at nie öon bergleid^en gefprod^en nnb 
fogar 2lu§f:prü(3^e getl^an, bie ba§ ©egent^eil aufjagen, ipie: 
„3}lein S'leid^ ift nid^t öon biefer SBelt" u. a. Sag in feinem 
^lane, bafe ein ^ird^enftaat aU notl^irenbige^ gunbament ber 
^ird^e entftel^en follte, fo trar e§ nid^t Blo§ l^öd^ft forglo0, ba- 
üon nid^t^ gu fagen, fonbern fogar "^öd^ft gtüecftüibrig fo §u 
fpred^en, 'i)a er bod^ (al§ @ott unb fogar aU bloßer 3}lenfd^) öor= 
ausfegen mu^te, ba^ baraug ftet^ unb befonber^ in fpäterer 3ßit 
öiele ©d^iüierigMten für bie ©rünbung eines folc^en Staates 
ermad^fen mußten, unb ba^ öiele barauf l^in pm 3^^^fß^ ^^ 
ber @öttlid^!eit ber ^ird^e fommen mußten — in biefer S3e- 
jief)ung unb in allen anbern, tüorüber er \i6) nid^t !lar au^- 
gefprod^en ^at unb 'Da^ bod^ fpäter in feiner ^ird^e für bie 
§auptfad^e, für bie gunbamentalbebingung beS §eils erflärt 
tüarb. @S ^ätt^ ein unbegreiftid^ unstüed^mäfeigeS SSerfal^ren M 
biefer ©rünbung ftattgefunben, ein foId^eS, H^ notl^inenbig §um 
Streif el unb Unglauben fül^ren mufete, toenn ^k S)inge näl^er 
erforfc^t unb insbefonbere bie ^tpeibeutigen, ia fd^limmen SJiittel 
ber gälfd^ung unb ^eiraltanmenbung naiver erfannt tüurben, 
burd^ tüeld^e man ber mangelhaften ©rünbung nad^gul^elfen 
fud^te! ^in OJlenfc^, ir»enn er ein großes 2öer! grünben iDoEte, 
^iU fidler ftd^ Mm^ fo ungeeigneten, jtnedtDibrigen SSerfal^renS 
fd^ulbig gemad^t, gcfd^tneige ein ©Ott, ber Tkn\ä) geirorben unb 
eine §eil§anftalt für bie gange 2Jlenfd^l^eit gu grünben Uabiiä)-- 
tigte. S)en gangen römifd^en Primat ^ätte er fidler nid^t mül^^ 
fam auf ein paar Heine, bunlle unb jtoeibeutige 6tetten fid^ 
grünben laffen für bie gorfd^ung ber fpätern Q^it l^ierüber — 
tüie ba§ je^t ber gall ift. — 3^un möä)U man tpol^l fagen, 
ba0 finb menfd^lic^e llrtl^eile über ein göttliches 2öer! unb über 
göttlid^e Slnorbnungen unb gügungen, 'i^it tnir nid^t gang gu 
erlennen, gu burc^fd^auen vermögen, benen tpir uns alfo in 
S^teftguation gu fügen l^aben. Söol^l! t)a§> könnte man geltenb 
mad^en, tnenn bie ©öttlic^feit beS äßerleS f(^on anbermeitig ge= 
fid^ert unb über allen 3i^ßif^l erl^aben toäre, nid^t aber 'oa, iüo 



50 I' 2)ie religtöfe Söfung be« 2)a[ein8))rol6rcm8 

man, mie in unferm gaEe, inbuctiü au^ ^tl^atfad^en unb 58er= 
nunftgrünben biefe ^öttUc^fett erft §u erfennen nnb p begrün= 
ben ^at ^Infeerbem aber ift §u bemer!en, bafe tütr cUn feinen 
anbern äRa^tab für biefe ^öeurtl^eilnng l^aben, aU einen ntenfd^= 
liefen, unb lt>enn fonft W ^^eologie unb bie fid^ biefer an= 
fd^lie^enbe ^^ilofop]f)ie in Sejug auf ba^ Söefen @otte§ an \iä) 
aUentl^alben antI)ropomorpI)if$er S3etrad^tung^iüeife l^ulbigt unb 
für S3eftimmung üon Söefen, ©igenfd^aften unb 2Bir!ungen (^otteö 
eine analogifcS^e ©rfenntnife — bem 3}^enfd^engeifte entnommen — 
geltenb mad^t, bann mu§ e^ um fo mel^r geftattet fein, bie be= 
]j)auptete SJienfd^ tu erbung ©otte^ unb fein 3Ber! am 3}la6ftabe 
menf(^lid^er SSernunft unb menfd^lid^er ©ef($i($t§t>er^ältniffe §u 
prüfen, bemnac^ ant!)ro:pomorp!)if(|e ^etrad^tung unb analogifd^e 
©rfenntnifetpeife an^uiüenben. — 2luc^ ha§> S^riftentl^um alfo, 
obit)o!)l t§> immerhin aU bie l)öc^fte gorm ber 9leIigion §u be= 
trad^ten ift, löft 'oaS» Stätl^fel be^ S)afein0 nid^t in Ijaltbarer 
Söeife, entl^üHt ba^ gro^e 3Jit)fterium, ba§ über bemfelben fd^mebt, 
Mne^tüegg, benn ^§> erlpeift fidf) in feinen l^öd^ften Se^au^)tungen 
nic^t aU begrünbet. 33e]^auptungen ober Slufftettungen, bie aEer= 
bingg, tt»enn fie begrünbet it>ären, eine fold^e Söfung, fo tüeit 9Jlen= 
fd^en fie f äffen !önnen, bieten iüürben. Iber fie ift ehen un= 
l^altbar — tPenigftenS für 'ok genauere miffenfd^aftlid^e, für 
rationale unb l^iftorifi^e Prüfung, it>enn au6) ber ©laube baran 
'iitn Ungebilbeten nod^ 33efriebigung getnä^rt, hu fid^ ein\a^ an 
bie ^rabition unb ben !)er!ömmlic^en ©lauben^in^alt unb ß^ul^ 
tu0 l^alten, ol^ne felbft tt»eiter barüber gu ben!en ober einer Prü- 
fung aud& nur fällig gu fein. 

60 fott alfo ber S^eligion, felbft ber d^riftlid^en, leine 
Sftealität g^lommen, b. 1^. bem Glauben ber 3Jlenf d^en lein 
inirllid^eg ^afein unh 2öirlen @otte§ §u ©runbe liegen unb 
entfprec^en? SDemgemäfe biefer religiöfe ©laube eine SHufion 
fein, auf Schein unb ^rug berul^en? Unb fott all ha^f ©rofee, 
^eglüiienbe, ba§ au§> ber 9leligion für bie 3]^enfd^l)eit l^eröor^^ 
ging, foEen att bie w^röftungen unb Hoffnungen au^ berfelben 
auf ^äufd^ung beruljen unb bie 33öl!er unb 3Jlenfd^en in 3^= 



unb bercn tüiffenf^aftlid^e Un^attbar!eit. 51 

fünft ol)ne biefe leben muffen in ber ^ümmerltc^lett unb Debe 
be§ ®afein§? IXnmöglid^, bafe ba^ ^öc^fte ©lud, bie ^öi^fte S3e= 
feeligung ber SJienfc^en unb alle§ Sefte im Seben auf fo ntd^= 
tigen ©runb geftettt fein fott! darauf tft junäc^ft ju bemer!en, 
ba§ ^lüd unb SSefeeligung be§ 3}^enf($en no(^ !etn Säemei^ für 
bie ^Realität beffen finb, iüorau§ fie entfpringen; bie meiften 
^eglüdungen ber 3Jienf(^en entfielen öielme^r au§> ^Hufionen, 
^f)antafiebilbern üon ©enufe unb (^\M, bie au§> geipiffen 3Ser= 
l^ältniffen unb (Sreigniffen für fie ^ert>orge]^en. Sebeg Sllter be= 
glüdt fi(^ an foli^en ^{)antafiebilbern: bie ^inbl^eit o^ne^in, 
bann in^befonbere ba^ Süngling^alter unb felbft bie fpätere 
ßeben^geit, unb in^befonbere Siebe, ©l^re, 9fleid)t^um u. f. to. 
bilben ben Sn'^alt foI($er SEufionen mit il^ren glü(Jt)er]^eigenben 
^l^antafiebilbern. 2Benn alfo ber religiöfe Glaube (mie öer= 
fi^ieben ei' aud^ fei) unb bie barau^ !)ertoorge^enbe Hoffnung 
beglü(it, fo ift 't)i^^ noä) hin SSetüei^, "i^a^ i^m tüirüic^ dtzalität 
entfpre(^e in S3e5ug auf feinen Sti^^It. 3^^^^ ^ft au^ ber 9te= 
ligion in i^ren t»erf(^iebenen gormen auä) öiel IXnl^eil für 'i)ie 
3Jlenf($en ödu je^er !)eri) orgegangen, t)iel Streit, geinbfd^aft, 
§a6, Sieblofigleiten aEer 2lrt, anftatt ha^ ha§> (SJegentl^eil bar= 
au^ I)ätte :^ert»orge!)en foEen: griebe, Sf^äd^ftenliebe, gegenfeitige 
2ld)tung unb görberung. Tlan tann fogar o^ne Unrecht be= 
l^auipten, ba§ h)ol;l ber größte ^lf)eil be§ (Slenb^, ba§ bie 3Jien= 
fi^en unb SSöüer felbft, abgefel^en öon 9^aturgen)alten, fid^ gegen= 
feitig pgefügt l)aben, an§> ber SSerf($ieben]^eit ber 9teIigionen 
unb ben barau^ ^ertoorge^enben §a§, ©treit unb SSerfolgungen 
entftanben fei, — unb 'i^ai gerabe bie giftigften unb erbarmungg^ 
lofeften ^elämpfungen unb SSerfolgungen bie um be§ religiöfen 
©lauben^ h^iEen entftanbenen gemefen feien. S)te^ barum, n^eil 
bie !äm:pfenben Parteien ni($t il)re, b. 1^. eine menfc^li(^e Sad^e, 
fonbern bie 2lngelegenl)eit (3otU§> felbft gegen beffen 2ßiberfad;er 
§u vertreten ioä^nten unb in biefer göttlichen, übernatürlid^en 
2lngelegenl)eit !eine menf$li(^e Sftüdfid^t, toie fie fid^ einbilbeten, 
Jr> alten laffen burften. 

Snbefe l)anbelt e§> fid^ l^ier gar nic^t barum, bie S^leligion 



52 I- 2)ie reügiöfe üöfung bes 3)afcin«proBIcm6 

für btofee Qttufion, ber gar feine Stealität, b. 1^. lein tr>ir!lic^e§ 
Dbject religiöfer ^Serel^rnng entfpred^e, gu er!lären unb alfo ben 
2(t^ei!omu§ al^ bie allein bered^tigte Söeltauffaffung ^n bel^aupten. 
3nr 33el)anptnng beg 5lt!)eigmu^ finb tnir bei unferer ©eifte»^ 
fraft nnb unferer bisher errungenen ^enntnife ber 3Ratur unb 
be§ geiftigen Söefen» nx6)i im (Sntfernteften bereij^tigt; benn tüir 
müßten §u biefem Sel^ufe ha^ gange Söeltall ober toielmel^r bie 
ganje ^iefe be^ S)afein^ burd^fd^auen, müßten in^befonbere ba§ 
äöefen ber 3Jlaterie iüie be§ ©eifte^ fennen bi^ auf ben ©runb. 
33on all bem finb lüir aber nod; fo tr>eit entfernt, ha^ e^ faft 
ünbifc^ erf($eint, über ba^ ©ange ein ©nburtljeil abzugeben, fo 
nämlid;, n>ie bie ^inber nad) bem befd^ränlten ^orijont ber 
äußern 2öal)rnel^mung ein Urt^eil über bie SBelt abgeben gu 
fönnen meinen. 2öir lennen felbft unfere ©rbe mit aüem, ma^ 
fie entl^ält, nur toerl^ältnißmäßig inenig unb nur ba§ Sleußerlic^e, 
©rfd^einenbe unb t>ermögen "i^a^» 2Befen unferer ©eifte^, unferer 
6elbftbemußtfein^ nid;t gang ju ergrünben. 2öir fd^treben fo 
auf unferm ©lobu^ im unermeßlid;en 2111 tüie über einen Slbgrunb 
bal)in! 2öie fotten n}ir "oa über 'i)a^ ^öc^fle, tieffte aller Probleme 
f^on eine ©ntfd^eibung geben unb "otn 2ltl)ei^mu^ al^ legte, enb= 
gültige Söfung beffelben bel;aupten fönnen?* 

S)er Steligion fann bal^er, fo untooEfommen fie auc^ ift unb 
fo tüenig einer ber gormen berfelben abfolut (Geltung guerfannt 
toerben fann, ^tealität unb 2öal;r^eit feine^ipegg abgefprod^en 
ujerben. 3ftealität im 6inne eine§ unenblid^en 6trebenö, mit 
bem eiüigen ©runbe be§ ^afein^ in ^e§iel)ung ju treten, um 
in p^pfifd^er lr>ie geiftiger ^ejie^ung barau» ©rgängung, @r= 



* S§ \üax öon 2). i^, Strauß ebenfo oberfläd^üd; alQ abge[d;macft, ju 
Ibc^au^tcn („bev alte unb neue ©laube"), baö 3)afcin ©otteö [ci fc^on tregen 
„SSo^mmgönotl)" beffelben nic^t mögtid; unb nic^t onjune^men. 2ßenn infolge 
ber mobernen (gnoeiterung unb 3Jcrtiefung ber SBeÜerfenntui^ bie bisherigen 
formen ber 9?eIigion ber SBernunft unb bem 2ßa^>r^eit8finn nid;t me^r ge- 
nügen (ttjie bieg in ber geiftigen (Sntn^idetung ber 3)?enfc^^eit naturgemäji fc^on 
öfter fo gefd^a^), fo folgt barauö nic^t 2lt^ei«inue, fonbern nur bie DJot^lüen^ 
bigleit ber ^^ortbilbung unb S3ertiefung aud; beö religiöfen 33ettju^tfein«. 



unb bereu tt)iffen[(^aftUci^e Un:^aU6arfeit. 53 

l^ö^ung, S3egIü(Jung gu fd^öpfen; 2öa!^r!^ett, im Sinne beg un= 
au^Iöfc^ltc^en SSerlangen^ mit bem maleren, bem \)öä)\kn Söefen 
be^ S)afein§ in SSerfe^r gu treten unb "oa^ eigene Söefen ju öott^ 
enben. ^ie 9fleligionen ftnb gormen unb 6tabten biefel Strebend 
unb glauben bie tDirllic^e 2öefenf)eit unb f)öd^fte Sßal)rl;eit ge= 
funben unb in ben ^^antafiegeftaltungen formulirt unb feft= 
gel^alten gu :^aben. ©rtreifen fi(^ biefe an^ aU unrid^tig, fo 
finb eg bod^ nid;t leere ^ttufionen, fonbern finb ber bebeutfame 
5lu§bru(f eben be^ ernftl^aften Strebend nad^ bem §ö($ften unb 
©ntfd^eibenben be§ ^afeing. 3ft e^ bod^ bei ber Söiffenfc^aft 
unb 6ittlid^!eit nid^t anber^. S)ie frü^^eften 5(ufftettungen ber 
menfd^Itd^en gorfd^ung, be^ tpiffenfd^aftlid^en Strebend ern)iej'en 
]id) ber fpätern Q^it faft grögtent^eila aU 3rrtl)ümer; bennod^ 
!ann man m6)t beljaupten, 'i)a^ bie Sßiffenfd^aft früherer Qdt 
barum leere gUufion unb ein ©efüge toon 5t^äufd^ungen geitiefen 
fei, benn fie l;atte 2Bal;rl;eit fi^on in \iä) a[§> ernfteg Streben 
nad^ 2öal)rl)eit, fie tdax infofern lebenbige Söa^rl^eit al^ 2öal^r== 
l;eit^ftreben, unb erhielt attmä^lid^ aud^ objectiüe Söal^rl^eit gu 
il^rem Snljalt, b. l). n^urbe getreue 9^a(^bilbung beffen, n)a§ tt»ir!= 
lid^ ift ober fein fott in realer unb ibealer S3e5ie]^ung. ©benfo 
ir»ar hiz Sittlid^feit in frül;er Qzit unb burd^ alle Sa^rl^unberte 
l^inburc^ Ui ben 3Söl!ern fel^r untooHfommen, fobag 3)land^eg 
für red^t unb fittlic^ gut gel^alten marb, it>ag fpäter fid^ ber 
beffern ©infid^t aU unfittlid^ ertrie^. 2)ennod^ tüirb man nid^t 
mit ^tä)t bel^aupten !önnen, ha^ ü)v nic^t§ 2ßal;re§ gu ©runbe 
lag, ineil fie bem Sbeal ber Sittlid^feit niä)t entfprai^. ^ag 
ernfte fittlidC;e Streben, it>ie fe^r t§> auä) irregehen mod^te, toax 
ftet§ bod^ iüenigften^ fubjectito fittlid^, ir»enn aud^ ni^t objectii) 
unb ber Qbee gemä^. ®a§ ©elriffen, tütnn t§> auä) irrt, ift 
ftetg eine n^a^rl^aft fittlid^e Ma6)t unb begrünbet fubjectito rt»ir!= 
lid^e Sittlid^!eit. So ift e^ nun aud^ mit ber ^Religion tro| 
aEer llnt)oE!ommen^eit berfelben, trog aller äöal^ngebilbe, 
5^äufd^ungen unb Sttufionen, öon benen fie erfüttt ift. S)iefe 
Sllufionen, $l;antafiegebilbe finb §um ^^eil untoermeiblid^, toetl 
bie menfd^lid^e 9f^atur fo geartet ift, U^ in i^r 'i)k ^^antafie 



54 I- 2)ic religtbfe ?öfung beS 2)afein8:|)ro'6Icm8 

aU bie l^errfc^enbe 3Jlad^t tr»ir!t, folange bie ©eifte^fräfte nid^t 
enttüidelt finb unb bie @ntn)i(!elung berfelben felbft nur bur(^ fie 
beginnen !ann. ^al^er bie 5ßerftanbe^tl;ätig!eit, bie SBiffenfd^aft 
gnjar bie S^eligion nid^t erfe^en Unn, aber bod^ au(^ auf fie ein= 
gutoirfen ^at, um biefelbe ju reinigen öon 2lu^n)ü(^fen unb öer- 
berblid^en 2ÖU(j^erungen, tok ettoa ber ©ärtner bie Säume unb 
^flanjen gtüar ni($t fünftlid^ l^erto orbringen, bo(^ aber bilben, 
reinigen, öerebeln !ann. ^ie 9fleIigion unb inSbefonbere ber 
Tlxtieh unb £eben^pun!t berfelben, ba^ ^otte^betüu^tfein, refip. 
ber ©otte^begriff, iüurben in bem bi^!)erigen 35erlaufe ber geiftigen 
(Sntmictelung ber 3}lenfc^l^eit immer meljr üerebelt, in^befonbere 
t)on ben naturaliftifc^en unb rol) antl^ropopatl5)if($en Seftimmungen 
gereinigt, ^er tüeitere SSerlauf biefer ©ntmicfelung tt>irb tpol^l 
auä) für bie B^^^^^ft bie golge Ijaben, "oa^ biefe S^leinigung be§ 
religiöfen S3etüu^tfeing in Segug auf hen ©otte^begriff unb 
©ultug no(^ toeiter fortfd^reitet unb infolge ber immer reinem 
©rIenntniB be^ gbealen in allen ©ebieten be^ ©afein^ aud^ ®ott 
al^ 'i)a§> abfolute Sbeal ber SSernunft immer mel^r er!annt unb 
üon allen befc^ränlten ant^ropomorpl^ifij^en 33eftimmungen befreit 
ioerbe. 2Bir werben barauf §uriic!äu!ommen Ijaben, muffen aber 
guerft in ^ür§e unterfud^en, toa^ bie $l)ilofopl)ie für bie Söfung 
beg in grage ftel)enben ^roblem^, für bie ©rfenntnife be^ Myste- 
rium magnum be^ ©afein^ geleiftet l^abe unb ir>ag fid^ über= 
^awpi tüiffenfd^aftlii^ l^ierüber mit ©id^erl^eit bi^jejt feftftetten 
laffe. gum 6d^luffe nur noc^ bie 33emer!ung: bie ©laubigen 
ber toerfd^iebenen 9leligionen unb 33e!enntniffe unb in^befonbere 
bereu Sluctoritäten unb SSertreter tootten ber 2Biffenfd^aft ^a^ 
9led^t nid^t gugeftel^en, bereu S^^alt, ©runblage unb ©runbfä^e 
ernftlid^ gu prüfen, b. l). fo, bafe nic^t gleid^ t)on ber unbebingten, 
unantaftbaren SBal^r^eit berfelben ausgegangen tüirb, fonbern 
biefelben eben nur aU Problem betrad^tet tüerben. 6ie pflegen 
entrüftet ju fein, eS tüol^l gar als ein ungläubiges ober gottlofes 
Unternel^men gu betrad^ten, iüenn bie Sßiffenfc^aft bennod^ t»on 
i^rem unteräu^erlid^en Üled^te ©ebraud^ mad^t. §ö^er nod^ 
fteigt natürlich bie ©ntrüftung unb Empörung, ipenn bie SBiffen- 



unb bercn iriffcnfci^aftU(!^c Unl^altbarfeit. 55 

fd^aft finbet, ha^ bie behauptete ®öttlt(^!eit unb SBa^rl^eit nid^t 
begrünbet jet; bieg tnirb burd^au^ aU ein Qei^en toon Ungläubig^ 
Uit unb ©ottlofig!eit betrad^tet unb öerfd^rien. Unb bod^ öer- 
^ält fid^ bie SBiffenfd^aft bei fold^' ernfter, objectiöer Prüfung 
bzi tpeitem nid)t fo rücffid^t^lo^ unb feinbfelig gegen bie Steli- 
gion, tüie bie 33e!enner ber toerfc^iebenen 9leligionen unb ^on= 
fefftonen eg gegeneinanber öon jel^er getl^an ^db^xi unb nod^ 
tl^un t)om 6tanbpun!t i^re^ (fubjectiüen) ©tauben^ au^. 6ie 
bejeid^nen fid^ gegenfeitig al§> in 3i^t:tl^um, 2öal^n unb 5trug be^ 
fangen unb fe^en fid^ alfo gegenfeitig al^ S^renbe, Sßa^nbet^örte, 
too nid^t gerabeju aU SSerbred^er an, bie §u verfolgen unb gu 
beftrafen feien al§> gottlofe 3Jienfd^en ober aU 3Serbred^er, @m= 
pörer gegen @ott. ©ing bod^ Qa^r^unberte l^inburd^ ber §afe 
ber ^efenner ber tnid^tigften, einflufereid^ften 9ieIigionen fo tr>eit, 
ha^ fie fic^ gar nid^t einmal mel^r al§> eigentUd^e OJienfd^en, 
fonbern etrioa aU ^unbe begeid^neten unb fid^ aud^ aU fold^e, 
iro eg moglid^ toar, be^anbelten. ©o !)at fid^ bie Söiffenfd^aft, 
insbefonbere bie ^l)i(ofopl^ie, gegen bie Sieligionen unb tl^re Se* 
lenner nid^t t)erl)alten, fie ift billiger, geredeter unb t)ernünf= 
tiger in i^rer ^eurtl^eilung unb il^rem SSerl)alten gegen atte 
Dfteligionen unb i^re Se!enner. Tlu^ fie aud^ M il)rem fritifd^en 
3Serfal^ren, hä geredeter, unbefangener Prüfung bie äßa^rl;eit 
berfelben beftreiten unb i^re Un^altbar!eit enthüllen, fo fprii^t 
fie barum bod^ benfelben nid^t allen SBertl^ ah, lägt fie al^ (EnU 
tüid^elunggftabien unb befonbere gormen ein unb beffelben @runb^ 
ftrebeng ber 3}ienfd^:^eit gelten, ha^^ ein ©runbbebürfnife berfelben 
gu befriebigen fuc^t unb geftel^t il^nen allenthalben me^r ober 
minber Sßal^r^eit unb Sered^tigung ^u, ba eine Einlage, ein ^rang 
unb 33ebürfni6 ber 3)lenfd^ennatur baburd^ befriebigt werben fott, 
menn aud^, toie hei aEem S^bifd^en eö ber gatt ift, bieg nur in 
untooüfommener Sßeife je nad^ natürlid^en unb gefd^id^tlid^en SSer^ 
^ältniffen gefc^iel^t unb gefd^e^en !ann. 



56 n. 35te ^)^itofo^^if(^cn S!3fung«j)erfu(^e. 

n. 

Die pl)tbfopl)i|'d)en föfungBtierfudie. 

^ie Söfung be§ ©runbproBIeml be^ ®afein§, treidle bie 9teU= 
gtonen geben bur(^ Slnnal^me t>on petfönlid^en, menf(^enäl^nlt($en 
unb na^ 3}^enfd^enart mMenben ©ötteru ober aud^ ©ineö perfön= 
lid^en, antl^ropomorpl^ifd^ gebadeten ©otte^, — ^at §it>ar für 35or= 
fteEung^5 unb ©emütl^Sleben ber 3}^enf(^en unb au(^ für i^v pra!= 
tif(^eg S5erl)alten gro^e ^ebeutung (im guten unb freiließ aud^ 
im fd^limmen 6inne), fonnte aber ber miffenfd^aftlid^en gorfd^ung 
bei ^ö^erer ©nttüictelung be^ ©eifte^lebenS nid^t genügen, trenn 
aud^ nod^ fo fe^r bie menfd^Iid^ errungenen inteHectuetten SHefuItate, 
fotrie bie (5Jemüt^g= unb SöiEen^üereblungen auf bie anfänglid^ 
nur rol^ gebadete ©ott^eit übertragen iDurben. ^iefe trurbe 
baburd^ menfd^Iid^ ebler, geiftiger, fittlid^er, äft^etifd^ öoEfom^ 
mener, aber bod^ nid^t eigentlid^ göttlid^er unb nid^t naä) i^rem 
eigentlid^en ©runbmefen be!annter. ©^ blieb ba§ Mysterium 
magnum, tüie t)u§> bie le^te $f)afe ber gried^ifd^en ^^ilofopl^ie, 
meldte fi(^ am meiften ber Sfleligion näl^erte, ber 3^eu^Iatoni^mu§ 
geigt, ©er tüiffenfd^aftlid^en gorfd^ung, refp. ber ^]^ilofop]f)ie, 
gaben jiüar bie religiöfen SSorfteHungen toiele ^Inregungen, 3Rotit>e 
unb 3iß^pitti!te, aber fidlere, I;altbare ©rfenntniffe ober ^a^x- 
l^eiten boten fie nid^t bar; bagegen aber öiele §inberniffe für bie 
iüiffenfd^aftlid^e gorfd^ung unb @r!enntni§, f^eil^ burd^ bie Sßor= 
urtl^eile, bie fie überlieferten, t^eil^ burd^ bie ©efal^ren unb 
^Verfolgungen, iDeld^e burd^ fie ben gorfd^ern öfter bereitet 
lüurben. S)urd^ bie religiöfe, b. 1^. bie m^f^ologifd^e SBelt= 
©rflärung, burd^ bie fubjectiüe ^^antafietl^ätigfeit ber SSölfer, bie 
Slbleitung be^ 2öelt=2)afeing unb =@efd^e]^en§ au§ ber ^raft unb 
2Bir!fam!eit göttlid^er, n?enn aud^ menfd^enäl^nlid^er 3Jiad^t, tparb 
getüiffermagen eine protoiforifd^e @r!lärung ber SBelt unb be^ 
©efd^el^en^ in i^r gegeben. Sine ®r!lärung, ineld^er bann in ber 
golgejeit mit ^Beginn ber p^ilofopl^ifd^en ^^ätigfeit bie natura 



II. 2)te ))^ttofo^^tf(^ en SöfungSöerfuc^e. 57 

lxä)^ tr>iffenf(^aftli(^e ©rüärung erft aHmäl^lic^ unb unter fi^tüeren 
kämpfen mit 'ozn Vertretern ber religtöfen Heb erlief erung ah- 
gerungen tt>erben mu^te. ©in ^ampf, ber \a au^ in unferer 
Seit no(^ fortbauert unb t>orau§fic^tIi(^ noc^ lange bauern toirb, 
ja !aum ein ©nbe nel^men !ann ber menf($li(^en Statur unb 
i^ren ©nttridelung^gefejen unb S3ebürfniffen gemäg, icenn auc^ 
bie gegentDärtige Schärfe be^ ^antpfe^ burc^ ein jn»ecfentfprec^en= 
beg (Sompromife iüieber gemilbert n?erben bürfte. 

S)ie abenblänbifd^e, refp. griec^if^ie ^^iIoj'op:^ie, begann bie 
Söfung il^reg ^roblem^, nämlid^ 't^k ©rüärung ber dlatux unb 
il^rer ©ebilbe au§ ©inem ©runbprincip, in tüeld^em aber ha^ 
eigentlid^e (^el^eimni^ be^ Sßeltgefd&e^en^ verborgen fein foHte, 
mit giemlii^ bürftigen SSerfud^en unb mit äufeerlii^er 58etra($= 
tung^i^eife, inie e^ eben für ben Slnfang !aum anber^ gu ertcarten 
n^ar. ^ie j[onif(^e Sf^aturp^ilofo^lfjie toon %^alt§> an glaubte in 
irgenbeinem materieEen ©toffe ber D^atur ba^ le^te ^rincip 
erfennen p fotten, au§> bem aEe ©eftaltungen be§ irbifd^en 
^Dafeing l^erüorge^en, aud^ hit lebenbigen mit i^ren ?^unctionen 
unb felbft auä) H§> geiftige Men ber 3JJenfc^l^eit. ©» n?ar bieg 
atterbingg eine fe^r naturaliftifd^e, ja guerft fogar materialiftifd^e 
^uffaffung, U^» naö) unb nai^ man 'oa^ ^rincip felbft me^r 
t>ergeiftigte HHx^, bafe man geiftige ^otengen ober Gräfte in tfa^^ 
felbe t)erlegte, iüie bieg 5Diogeneg öon StpoHonia mit ber £uft 
(bei Slnayimeneg) al§> ©runbprincip t'^at, um fie au6) für 'Die @r- 
üärung beg geiftigen Sebeng braud^barer gu ma($en. 3n ä]^n= 
lid^er Sßeife ettt>a, tdie in ber mobernen S^aturiDiffenfd^aft hie 
Sttome nun toielfac^ mit verborgenen geiftigen ^otengen neben 
i^ren p^^füalifc^en unb (^emif($en ©igenfd^aften ober Gräften 
auggeftattet n?erben, um auä) 'oit geiftigen Functionen baraug 
erklären gu !önnen; eine 2lnnal)me, tooburd^ aud^ 'oiz Sltome 
§u 3}lonaben erhoben, b. 1^. aU le|te (Sinl^eiten gebadet Serben, 
'i)iz ein an \iä) toerborgeneg Sunereg f)aben ai§> eigentlid^eg SSefen. 
SSottftänbig naturaliftifc^ unb äu|erlid^=med^anifd^ faxten bie 
alten Sltomiften 'oa^ ©runbprincip auf, aug bem fie bie S3il= 
bungen unb 2ßir!ungen in ber D^latur gu erllären tiermeinten. 



58 n. 2)ie :>>^iIofo^^ifd^en ?ö[ungSi>cr[ud^c. 

inbem fie biefelben au^ ber 33eir)egung unb Lagerung fleinfter, 
untl^eilbarer Stofftl^eild^en, ber Sltome ableiteten, bie bem Söefen 
nad^ 9lei($, nur ber ©röfee, gcrm unb Sd^tüere nad^ öerfc^ieben 
gebadet ipurben nnb burd^ bie bat}on bebingte med^anifd^e 33e= 
tüegnng t»erf(^iebene 33ilbungen, finnlid^e ir>ie geiftige, l;ert)or= 
bringen foHten. ®a^ 2öir!enbe ift l^ier nur bie nted^anifd^e ^e= 
tüegung ol^ne atte 3^^#^^big!eit, — bie aber bann bod^ tüieber, 
im 3}lenfd;en ipenigften^, §um 35orfd^ein !ommt, gunäd^ft freilii^ 
nur aU 2öir!ung, aber aU eine fold^e 2Bir!ung, bie nun felbft 
al§> Urfad^e nad^ Qwedtn ober 3^^^^" ^^^^^ ^^^ infofern ge- 
tüifferntafeen eine pieToßaci? el^ aXXo ^evo^ barftellt. ©aburd) 
aber erfd^eint bie gange ©rllärung^tüeife al^ ungureid^enb unb 
bie f(^einbare Älarl^eit nnrb tr>ieber unerflärlic^, \a räti^fell^aft 
gemad^t unb gtpingt anjunel^men, ba§ in ber mei^anif d^en Se= 
ioegung felbft boc^ im tiefften (S^runbe unb al^ giel JDieberum 
3n)edftrebig!eit verborgen fei. 2)a§ tiefe Sßelträtl^fel ift burd^ 
bie ^Itomifti! nur nod^ bunfler gemalt, al^ e§ ol^nel)in bie^ fd^on 
ift. — §era!lit, einigermaßen öertranbt mit ber jonifd^en 9^atur= 
p^ilofo:pl)ie, infofern er "oaS) geuer aU ©runbprincip annimmt, 
baö in unaufl)örlid^em glufe be^ Sßerben^ bur(^ Umtüanblung, 
burd^ ©egenfag gur Einigung begriffen ift, — Ijat biefer 33e= 
t^ätigung be§ 6tofflid^en außer ber 33eti)egung bod^ aud^ noc^ 
eine 3Rotl^nienbig!eit, ein ©efeg l^ingugefügt, tPobur(^ 2lEe§ einiger- 
maßen al^ Sluöbrud^ ber SSernunft (Sogo^) erfd^eint, unb ^at 
hiermit bem gloar finnlid)en, ftofflid^en Söeltprincip bod^ aud^ 
ein geiftigeg 3Jioment al^ immanent angenommen. S)er Äo^mo^ 
mit feinen ©ebilben erfc^eint bemnad^ fd^on al0 Slugbruc^ einer 
§u ©runbe Uegenben (SJefe^mäßigfeit ober Vernunft. Smmer^in 
fc^on ein toeiterer ©d^ritt in bem pl)ilofopl)ifd^en 6treben, ba^ 
3Jl^fterium be^ Söeltgefd^e^en^ ju begreifen. — ©mpeboflei^ 
ging fpäter in biefer 9^id^ tung infofern iüeiter, al^ er an ber 
Stelle ber nod^ unperfönlid^en (^efeglid^feit ober vernünftigen 
3^otl^n)enbig!eit ba^ geiftige ^rincip, ba^ er in ben Elementen 
annahm, fd^on antl^ropomorpi^ifd^ auffaßte, freilid^ nur al^ 2lffect= 
betl^ätigung (3tDang)in Siebe unb §aß, nod^ nid^t aU S^lationalität, 



IL 3)ie ^^itofo^^ifc^en SöfungSöeriuc^e. 59 

tüenigfteng nid^t aU Belpufete. S)em tlrprincip be§ 5Dafeiti^ 
mußten bemnad; felbft bie niä)t me^r blo^ finnlid^en ober me(^a= 
nifd;en ^raft^etl;ättgungen t>on Siebe unb ^afe al^ immanent 
gebadet iüerben. — ^^tl^agora^ fa^te bie ber ^aiuv imma-^ 
nente 3Sernnnftig!eit aU Qa{)lUt^äti%unii auf, b. 1^. nal^m eine 
bem ©afein immanente äflationalität an, 'ok fi($ in gefe^mäfeigen 
33ilbungen unb SSer^ältniffen offenbart, bie man burd^ gal^len 
au^brüden !ann, foba^ au^ bem IXrprincip OTe^ nad^ Tla^, 
3al^l unb ^elpid^t geftaltet l^ertoorgel^t. — 3e mel)r aber ratio- 
nale^ (^efd^el^en in ber ^'latur erfannt unb anerlannt n^urbe, 
um .fo me^r brängte fid^ ba^ S3ebürfm§ auf, für ba^ 3^id^t= 
Diationale, für 'i)a§> Unvernünftige unb 6(^Ied^te im 3)afein nad^ 
einer befonbern Quelle fid^ um^ufe^en. 6d^on §era!lit, ber tro^ 
ber er!annten ^efegmäfeigfeit ober SSernunft (Sogo^) im ©afein, 
bod^ ben Streit a[§> SSater aller ©inge begeid^nete, l^ulbigte einer 
peffimiftifd^en 2Beltauffaffung unb äußerte mit aller 6d^ärfe feine 
©eringfd^ä^ung unb Ungufrieben^eit SJienfd^en unb ©ingen gegen= 
über. ^pt!)agora^ nun, ber l^auptfäd^lid^ bie ©efe^mäfeigleit, 
bie ^lormalität be§ natürlid^en toie fittlid^en Seben^ betonte unb 
feiner ^l^ilofop^ie einen religiöfen unb etl^ifd^en ^axatUx gab, 
!am fd^on ba!)in, neben bem religiöfen unb fittlid^en S^eal dn 
Stoeite^ ^rincip anäune^)men, um barau^ ba§ p^^fifd^e unb 
moralifd^e Hebel §u erflären. ©r fd^ieb fd^on ftrenge 6eele unb 
ßeib unb fafete biefen le^tern aU Werfer ober gerabegu aU 
©rab ber 6eele auf, — mit biefem fd^roffen ©ualiMu^ ^k 
Se^re t)on ber 6eelenn)anberung öerbinbenb. ©^ ift !Iar, 
'iia^ bamit 'Da^ S^lät^fel ber Söelt unb il^rer ©rfc^einungen 
nid^t er!lärt, fonbern ebenfalls nur bunfler gemacht toirb bei 
fd^einbarer @infad^!)eit unb ^lar^eit; ja im ^runbe genom= 
men öerboppelt n)irb, ba nid^t blo^ ba^ ©ute, fonbern 
aud^ 'i)a§> 6d^limme ein Urmt)fterium öorausfe^t. S3ei t^en 
©leaten tritt biefer ©uali^mu^ atterbingg toieber mel^r prücf, 
))a fie überl^aupt nic^t eigentlid^ nad^ bem Urprincip, fonbern 
nad^ bem Urn^efen be^ ©afein^, nad^ bem nja^r'^aft Seienben, 
bem ^el^arrenben, llnt>eränberU($en unb ©inen forfd^ten, biefem 



60 II- 2)te ^^t(ofo^t>i)cl^cn Süfungsterfud^e. 

burc^ Slbftraction üon aUem ;(Srfd^einenben, 33eränberlid^en gu ge= 
tüinnen glaubten unb bartn aEein ba§ iDa^re Dbject be!o @r= 
lennen^, ba^ it)ir!li($ @r!ennbare unb Söal^re erblicften. ©ine 
Sluffaffung, bie in ber na($folgenben griei^ifd^en ^^ilofopl^ie be= 
fonber^ bei ^laton unb 5lriftoteIe^ bie l^errfd^enbe ipurbe unb 
au6) in ben fpätern Sö^^^wnberten noä) ben ©runb(^ara!ter 
be^ :pl^iIofopl;if(^en 2Biffen^ bilbete. ®en auftaud^enben 5Duali^= 
mu^ übertüanben fie, trenn au6) nur fd^einbar, infofern fie bie 
2öir!li(^!eit ber ©rfd^einung^trelt, be§ SSielen unb S^eränber= 
IidC)en, foiüie über^uipt ber S3etr>egung unb 35eränberung in 
Slbrebe [teilten, b. f). für blofeen, unrealen ^6)ein erüärten. 
©ine Söfung, bie freilidfi um nxä)t§> beffer ift aU ber ^uali^muö 
felbft, ba bod^ aud^ ber 6d^ein ober bie finnlid^e ^^^atur, bie 
lüal^rne^menbe unb bie tüal^rgenommene eine ©rllärung ^ocx- 
langen; eine ©r!lärung, bie überl^aupt bei ben ©leaten gar ni(^t 
toerfud^t trurbe, ba fie mit Sgnorirung ber ©aufalterljältniffe nur 
burd^ Slbftraction il^re Söeltauffaffung gu bilben bemül^t tüaren 
unb burd^ S3egripbiale!ti! biefelbe gu [tilgen unb gu t>ertl)eibigen 
füllten. S3ei 2lnayagora§ fte^t aUerbing^ bie urfäc^lid^e ©r= 
!lärung§tr»eife tüieber im SSorbergrunbe, unb jmar bie @r!lärung 
au§ 3^^cEurfad^en, bie teleologifd^e 33etrad^tung§= unb ©r!lärung^= 
n)eife, fo §tt>ar, ba§ er baburc^ §ur Slnnal^me eine^ benfenben 
2ßeltprincip§, be^ vo\>c, !am unb er auf pl^ilofopl^ifd^em ©ebiet 
ber ®rfte ift, ber bag Urprincip ber Sßelt unb il^rer Silbungen 
aU eigentlid^ geiftige^ SBefen auffaßte, o^ne bie religiöfe, mt)= 
tl)ifd^e ®otte0t>orfteEung babei in bie ^^^ilofopl^ie einsufü^ren. 
Söieberum aber ift burd^ biefe^ ^rincip ber ^Duali^mu» nid;t 
übertrunben, im ©egentl^eil, ganj beftimmt baburd^ eingefül^rt 
ober beibel^alten, ba^ ber voOc aU getrennt öom 6toff, aU in 
fi(^ felbft feienb aufgefaßt iDirb, unb ba§ ftoffUd^e 6ein al^^ ein 
jtDeiter Söefen^t^eil be^ ®afein§ erfd^eint, unb glrar fel;r ent= 
fd^ieben n?ir!fam neben bem voOc, ba bie eigentlid^e 9iaturer!lä= 
rung bei Slnayagora^, lüie aud^ Slriftotele^ l)ert)orl;ebt, toor^err= 
fd^enb naturaliftifd^ ift — b. l). au§> ben flofflid^en 2öir!ungen 
abgeleitet tüirb. 3ft bemnad^ burc^ 2lnayagora^ allerbing^ in 



II. 2)ie ^^Uofo^^tfd^cn $?öfung«ijer[ud^e. 61 

ber (^r!lärunc3 be^ Söeltproblemö tüieber ein ©(^ritt weiter ge= 
fd^el;en im (Gebiete ber ^l^ilofopI;ie, fo toav boc^ eine Söfnng 
nod^ bei iüeitem nt($t erreicht, benn ber (SJeiüinn ber @etftig!eit 
unt ^Sernünftigfeit be^ Urprincip^ tnnrbe irieber fojufagen er= 
fauft um ben 3SerIuft ber ©inl^eit ber Söeltauffaffung burd^ 
@infül)rung ober ^Seibel^altung eine^ rät^fel^aften ^uali^mu^ 
üon SSernnnft unb Unvernunft ober @eiftig!eit unb ©tofflid^feit. 
^ei all biefen 3Serfu(^en, ba^ ©runbprincip beg S)afeing §u 
beftimmen, inarb ber ^IRenfd^engeift mit feinem Sßefen un'i) ©e* 
fc^icf !aum irgenbtoie näl^er berütffid^tigt, um banad^ hk Seftim= 
mung beö ©runbprincip^ §u geftalten, — tnie ber SJienfc^engeift 
überl^aupt a\§> Dbject ber gorf($ung in ber t>orfo!ratifd;en ^^' 
lofopl^ie tierljältnifemäfeig nur n?enig ©egenftanb pljilofopl^ifd^er 
^etrad^tung toar unb erft bur(^ 'Den 6ubiectit»i^mu§ unb 6fep- 
tici^mu^ ber ©opl^iften attmäl^lic^ in 'i^en SSorbergrunb ber Unter- 
fui^ung trat. 2lud^ bie Sieligion, 't)k religiöfe Söfung be^ 
©runbproblem^ be^ ^afein0 n^arb nod^ tt>enig beachtet, bie 
pl}ilofop^if(^en Söfung^toerfud^e gingen nod^ neben jener l^er, 
n)enn eg aud^ ni($t gang an (Eonflicten fel^lte, mie hei 3ceno = 
pl^aneg, bem ©rünber ber @leatif($en^l^ilofop]^ie=6($ule unb aud^ 
bei Slnayagora^, — toie bie^ bei bem naturaliftifd^en ^^axatUx ber 
3fteligionunb bem ebenf o naturaliftifd^en ber ^^ilof op^ie !aum anber^ 
fein lonnte. ^eftimmtere Slnnäl^erung unb getniffermafeen Mitia^ 
lität §tr)if(^en Sieligion unb ^^ilofop^ie aber trat nad^ unb nad^ 
ein, je mel)r "ok ^l^ilofop^ie felbft nid^t mel^r 6ad^e einzelner 
2)en!er blieb, fonbern in größere Greife, iüenigften^ ber gebil- 
heten klaffen einbrang. ^iefe ^Innäl^erung ift felbft barin §um 
Slu^bruct gebrad^t, ^a^ §. 33. ber 6op^ift ^rotagora^ e^ db^ 
lehnte über 'ok ©ötter gu forfd;en, um @r!enntniffe gu getüinnen, 
^a, \vk er meinte, bie (Baä)e gu fc^toierig unb 'oa^ menfd^lic^e 
^eben bafür p !ur§ fei, — unb bafe gleid^mol^l unb ^tüar eben 
um biefer ^Ible'^nung toiEen ^k SSerbannung au0 Sitten über 
i^n tierl^ängt tourbe« ®a^ 6d}ic!fal be^ 6o!rateg geigte bieg 
nod^ mel^r. 3Jlit il^m unb burc^ i^n be!am bie ^^ilofopl^ie, unb 
itoax perft öor^errfd^enb, ja einfeitig unb auöfd^liefelid^ bie gei- 



62 II- 2)tc )3^itofo^^ifd^en SöfungSöerfuc^c. 

fiige S^latur beg 3Jlenf(^en gum ©egenftanb ber ©rforfd^ung. IXnb 
jttjar junäd^ft bie fittlid^e 9^atur be§ 3Jlenf($en, ba ba§ tt)a!)re fitt= 
li(^e @efe^ unb SeBen beftimmt iüerben foUte, bag ja mit bem reli- 
giöf en ftctS in naiver 33e5iet)ung ftel^t. 6ittlid;!eit unb Sßiff en lüaren 
für ©o!rate§ bie Quk beg Strebend unb gmar in fo nal;er S5erbin= 
bung miteinanber, bafe fie i^m gerabegu ibentifd^ ju fein f(^ienen. 
3ur redeten Sittlid^leit geprt ja not!)n)enbig n)at)re @r!enntnife 
beffen, iDa§ für benäJienfd^en, für beffen 35DÜ!ommeni)eit unb ^IM- 
feligfeit förberlid^ nnb not^tüenbig ift. Sßer nun bie^ einmal 
er!annt ^at, ir>erbe au6) unfel^Ibar banad^ ftreben, ba boi^ 
iebermann fein eigene^ 33efte§ tüoUe unb niemanb ba§ verlange, 
voa§> i^m fc^äbli(^ fei. 3)a§ ©runbproblem be§ 2ßeltbafein0 trat 
bamit aEerbingg für bie ^l)ilofop!)ie äunäijft in ben §inter= 
grunb, aber e§ ipar ba^ 6o!ratifci)e ^{)ilofo:plf)iren bie tüid^tigfte 
SSorbereitung für eine erneute :p^ilofop!)if(^e gorf(^ung in 33esug 
auf baffelbe; benn o^ne naivere ©r!enntni§ ber 3}lenf(^ennatur 
ift \a iebenfaEg ber Hrgrunb unb baS ©nbjiel biefeB un§ em= 
^irifi^ be!annten S)afein^ in feiner Sßeife §u beftimmen. ^laton 
nun irenbete fid^ iüieber ber meta^)^^fif(^en gorfd^ung gu, fud^te 
tt)ieber bag IXrprincip be§ ^afein^, toon bem alle 2öir!ungen 
unb ©eftaltungen be^ ^oSmo^ au^gel^en, gu erfennen, iüie bie§ 
•om Slnfang an Dbject unb giel p!^iIofop:^ifd^er ^^ätig!eit mar. 
<Sr öerbanb aber bamit gugleid^ bie gorfd^ung nad^ bem tva^^x-- 
l^aft 6eienben, llnt)eränberli($en im gluffe be§ 2ßerben§ unb 
im Söed^fel ber 3Siell^eit unb 3Serfd()iebenl^eit ber öergänglid^en 
©inge — alfo nad^ bem, iüa^, ben Sinnen mä)i gugängli(^, ben 
loal^ren Snl^alt be^ 3)en!en§ unb ber p^ilofopl^ifd^en ©rienntnife 
bilbet. @r trug babei ber 2luffaffung^ir>eife ber ©leatifd^en 
^^ilofop^ie infotpeit S^led^nung, aU er ^hen nid^t bie er= 
fd^einenbe Söelt, nid^t ba^ SSeränberlid^e unb 3SergängIid^e al§> 
ben tüa^ren ©egenftanb ber ^l^ilofopl^ie unb aU bag tt»ir!lid^ 
gu ©rfennenbe, aU 3n!)alt beg maleren Sßiffeng geltenb mad^te, 
fonbern (in t)erI)ängni6t)olIer ^efd^ränfung für bie n)iffenfd^aft= 
Ii(^e gorfd^ung) ba§ nur im 2)en!en §u erfaffenbe 2lEgemeine, 
ba§ 3ftefultat ber 5lbftraction t»on attem ßrfd[)einenben unb SSer- 



IL 25ic ^^tfofo^^ifd^ett ?iJ[ungSöerfud^c. 63 

änbetlid^en; nur trat SSielljeit ber Sßefenl^eiten an bte Stelle 
beg ©inen ©leatifd}en Sßefeng ober ipal^rl^aften ©eirnS. (Sl 
iüaren bie 3been Patent, bie IXrbüber aller (^eftaltungen be§ 
6ein^ nnb be§ SSott!ommenfein§, bie über ber erf($einenben 
2öelt ber SDinge unb il^rer SSer^ältniffe fo^ufagen fc^tüeben unb 
t)uxä) ^^eilna^me an ir»et(^en biefe felbft beftel^en unb Sßefen- 
l^afte^ in \iä), l^aben tro^ ber ^Siell^eit unb ber SSeränberlic^!eit 
im ©ntfte^en unb SSerge^en. ®e§ äöeltproblem^ Söfung, hk 
QueEe alles tüal^ren ©eins unb atter tüal^r^aften S3ebeutung ber 
S)inge unb X'^ätigfeiten mirb in ein SenfeitS \}erlegt, baS freili^ 
felbft tüieber unjugänglid^ ift unb für ben 3)lenf(^engeift im 
©runbe hie D^tät^fel beS ^afeinS nur öermel^rt. 2)aS S5er^ält= 
ni^ biefer gbeen gu ben fingen im ©ieffeits ift fc^on un!lar 
unb niä)t ab§ufel)en, ipie fte iDirfen, 'ta fie als ©ebilbe ber 
Slbftraction s^ar OTgemetn^eit unb allenfatts auc^ Slealität 
ausbrüden, aber als Slbftracta feine MenbigMt unb feine 
Sßirfensfraft befi^en, \oie eS tnoljl angenommen tcerben fönnte, 
trenn fie toon t>ornl;erein burd^ Sd^lufefolgerung am gaben 
fogufagen beS ßaufalgefe^eS toon Söirfung auf Urfad^e getüonnen 
it»ären. SBenn, tüie tüo^ angenommen gu tüerben pflegt, bie 
3bee beS (SJuten bem ^laton W ]^ö($fte ift unb eigentlid^ als 
feine ©ottl^eit angefel^en tnerben mufe, fo ift il^m 'oie ©ottl^eit 
eigentli($ unperfönlid^ , fd^on toeil eben au(^ biefe 3bee ein 
©ebilbe ber 2lbftraction ift, nid^t am ßaufalgefe^ als lebenbige 
^raft unb @eift erfd^loffen; bann tüeil ehen bie Sbee beS (Stuten 
tüo^l als @efe| ober D^orm beS 6ittlid^en gelten !ann, nid^t 
aber als 'Renten unb mit 33etr>u6tfein auSgeftattet geba(^t mirb 
il)rem ^Begriffe gemä^. Slufeerbem als 3bee aud^ nid^t fd^on ben fitt= 
lid^en SBillen als not|)menbige 2öir!ung ober als ©runblage ober 
Urfad^e öorausfe^t, — tnie au6) hie Sbee beS Sd^önen als unöer^ 
änberlid^ unb unh)al)rnel)mbar (toie in einem ^enfeits) Qehaä)t, 
gtoar als @efe^ unb gorm beS 6d^önen im ^afein gelten fann, 
aber barum noc^ nic^t als Un^n^te, fd^öpferifd^e ^raft beS 
©d^önen ober als ibealer ^ünftler in ber 3^atur. ^at ^laton 
bennod^ in 2Bir!lid^!eit einen :perfönlic^en (Bott angenommen. 



64 II. 2)ie )3l^iIofo^l^ifd^en ^löfungöberfud^e. 

ber abfolute, lebenbige ©üte ober gerabegu Inbegriff ober Drt 
ber Sbeen fein foH, fo ^at er biefen Segriff mol^l au§> bem 
religiöfen ©ebiete l^erübergenomtnen, nid^t au§> feinem pl^ilo^ 
fopl^ifc^en Jorfd^en getüonnen. Uebrigen^ ift immerl^in au^ an- 
juerfennen, bafe i^m ba^ 3fteid^ ber Sbeen bod^ nid^t gnfammens 
fättt ettüa mit bem bloßen 6^ftem abftracter 33egriffe, h)ie bie 
Sogi! e^ barftettt; bafe er alfo ba^ Sßeltproblem nic^t bnrd^ blo^ 
logifd^e ober rein bialeltifd^e Operation gelöft p If^aben glaubte. 
2)ie§ gel^t fd^on barau^ l^ert)or, ba^ il^m nid^t bk Qbee be§ ab- 
ftracten 6ein^ bie l^öd^fte ift, tpie e^ rein logifd^ genommen ber 
%aU fein mn^te, fonbern bafe eben bie Sbee be)o (Stuten aB 
l^öd^fte 3bee bei iljm erfd^eint, — toomit bie rein logifd^e regele 
mäßige ^laffifüation ber Segriffe in il^rer lieber^ unb Unter- 
orbnung für bie 3beenle!^re toerlaffen ober nid^t confequent geltenb 
gemad^t ift. — 2lr ift o tele g lieg im ©runbe genommen nur 
©ine 3bee aU jenfeitige Sßefenl^eit ber ©rfd^einung^loelt gegen- 
über beftel^en, unb gtpar al^ eine lebenbige unb perfönlii^ ge= 
'tiaä)U äßefenl^eit unb ^raft, ben vou^ nämlid^; atte übrigen 
Patonifd^en Sbeen »erlegte er al^ toirlenbe gormprincipien in bie 
2)inge ber 2Belt felbft. 211^ Snbegriff atter SSoEfommenl^eit fann 
er aud^ al^ Cluette unb Snbegriff ober Drt ber Qbeen begeid^net 
toerben, obiool^l biefer @eban!e nid^t §ur Geltung !ommt; bagegen 
al^ 3^^^ öü^^ 6treben!o unb eben baburd^ al^ erfter Setüeger 
toirffam, foE in biefem vou; (jugleid^ elboq ol^ne uXt], reine gorm 
ol^ne allen 6toff) bie l^öd;fte Söfung beö äßeltproblemä gefunben 
fein. ©^ lägt fid; nid^t leugnen, "oa^ in biefer 33e§iel^ung ba^ 
^öd^fte geleiftet toarb, wa§ hi^ ba^in in ber ^^ilofop^ie §u 
6tanbe gebrad^t iDorben, unb bag l^ierburd^ fotoie burd^ ^laton'^ 
Sbee be^ ©uten al^ l;öd^fte^ Urbilb be^ ©uten unb Sorbilb 
alle^ fittlid^en Strebend bie am meiften rid^tige unb üieEeid^t 
für 'iiie äJtenfd^^eit aüein moglid^e Söfung be^ ©runbproblem^ 
be^ ^afein^ angebeutet unb angebal^nt tourbe — toie fpäter 
nod^ nä^er erörtert tr»erben foü. Wzin t^ahei mürbe bod^ toon 
Paton unb felbft üon 5lriftotele^ ber ftörenbe terl^ängnifetjolle 
^uali^mu^ in ber Sluffaffung ber SBelt unb be^ ©runbprincipio 



IL 2)ie ^^iIofo))l^tf(^en ?b[ung6öer[ud^e. 65 

be^ ^afeinö ni6)t übertüunben. 2)ie Ttatexk nämlid^, bie am 
beginn ber ^^ilofopl^ie OTeö irar, lüurbe gtoar aHmäl^ltd^ burd^ 
ba§ geiftige ^rincip an bie gtüette ©teile gebrängt ober (burd^ 
W ©leatifc^e ^^ilofopl^ie) gerabegu aU mefenlofer ©d^ein er= 
!lärt, aber man !onnte i^rer bod^ nid^t lo^ derben, unb nad^bem 
man ben (^eift aU iral^re Söefen^eit be^ 2)afeing gefunben unb 
bemfelben atte^ (SJute unh SSernünftige gugefd^rieben l^atte, 
!onnte man bod^ bie 3J^aterie, bie 6innlid^!eit nid^t auä) 
barau^ ableiten, fonbern erblicfte in biefer H^ ©eift=geinb= 
lid^e, bag §inberni§ ber 3Sott!ommen!^eit im 5Dafein^gebiete, 
\a 'ok Quelle be§ S3öfen. S3ei ^laton txitt W^ fd^arf ^evoox, 
ba er in biefer 33esiel^ung ber ^^tl^agoreif(^en 2luffaffung 
fid^ zuneigte, 't^en £eib aB blofee SBo^nung ber 6eele Utxa(i)kiz 
unb al^ ^inbernife ber SSoUfommen^eit berfelben anjal^. 2lber 
aud^ bem 2lriftotele^ mar 'ok Wakxk nod^ ein niä)t iüa^rl^aft 
6eienbe§ unb bod^ aud^ inieberum ein bem toal^rl^aft 6eienben 
aEentl^alben Sßiberftanb Seiftenbe^, ba^ baburd) bie 3Sott!ommen= 
l^eit ^inberte. 2)aburd^ mürbe au^ bei il^m ba^ 6tofflid^e bod^ 
lieber gu einem real tt)ir!enben, geipifferma^en tüibergöttlid^en 
^rincip unb eigentlid^ aud^ tnieberum ^ur üueEe ber p^pfifd^en 
unb moralifd^en Xlnt>oE!ommenl^eit, be^ Hebeln unb be^ Säöfen. 
S)er ©egenfag unb Söiberftreit §h3ifd^en ©eift unb ©innlid^feit, 
ben man in ber (grfd^einunggtnelt tral^rna^m, lonnte nid^t anber^ 
erllärt tnerben al^ baburd^, bafe man benfelben in ba^ IXrprincip 
felbft l^ineinöerlegte, b. 1^. im ©runbe fd^on ^tüei ^rincipien 
annahm, bereu 5Dafein unb 2ßir!en aber l^auptfäd^lid^ t)a^ 
Slätl^fel beg ©afein^ fo bun!el mad^t. 

3Jle^r fd^ien ben ©toüern bie Söfung be0 ^roblem^ §u 
gelingen, ©ie nal^men befanntlid^ in il^rer 3Jleta))]^^fi! (jugleid^ 
^^'g\it) bie ^ßel^re be^ §era!lit öom geuer unb feinen SSertnanb^ 
lungen aU Urprincip tüieber auf unb fegten infofern ba^ 
©tofflid^e öollftänbig in feine frühem 3ftec^te unb Söürben 
lieber ein — al§ ioa^rl^afte^ Söefen, gegenüber ber @r!lärung 
beffelben al^ blofeeg ©d^eintoefen unb eigentlid^ für fid^ 3^id^t= 
feienbe». 3a bie 3Jiaterie ober 't)a§> (^runbtoefen berfelben, 'i)a^ 

3frof)fc^ammev, SÖitjfledum 9!J?agnum. 5 



66 II. 2)te ^^ilofo^^ifc^cn ?i5[ung«öerfuc^e. 

geuer, trurbe fogar au6) für "oaS^ ©runbmefen beio ©eifte^ ge= 
l^alten, beibe^ bem Sßefen nac^ ibentificirt. ^enn ©eift ift ben 
©toüern trarmer Suft^aud^, feurige ©tromung, tnoburd^ nid^t 
ettüa nur !örperlid^e Sebett^functtonen üollgogen iüerben, fonbern 
auä) geiftige 5l^ätig!eiten ; ja 't)a§> Sßort 7cv£i)jj.a, bag urfprüng^ 
Ii(^ $aud^ unb £uft bebeutete, erhielt aümä^Iid^ in ber p^ilc-- 
fop^ifd^en unb religiöfen 6prad^e gerabeju bie entgegengefe^te 33e= 
beutung, brücfte ©eift im ©egenfa^ 5U 6toff ober SJlaterie aug. 
S)ie ftoifd^e ^l^ilofop^ie ift bemnad^ tool^l al§> Tloni§\nu§> §u be= 
gei(^nen, infofern fie nur (Sin @runbit»efen anna'^men für ba§ 
6innlic^e unb ©eiftige unb biefe^ ©ine ftoff(ic^= geiftige @runb= 
JDefen gugleic^ aB bie @ott{)eit betrad^teten, ber fie gleid^lüol)! 
aud^ tüieberum perfönlic^e ©igenfd^aften gufd^rieben in ber Söeife, 
tüie bie t^eiftifd^e bualiftifd;e SBeltanfd^auung eö gu i^un pflegt. 
3n biefem ©inen göttIid^=!ogmifd^en 2)afein l}errf d^t allgemeine 
©efe^mäfeigfeit iuie göttlid^er Söille unb SSorfel^ung, unb bie 2luf= 
gäbe be^ 3)lenfc^en befielt barin, fid^ in biefe Drbnung mit 
SBetüufetfein unb SBiEen §u fügen, ber ^f^atur gemäjs ober toer^ 
nunftgemä^ §u leben, b. ^, ben ©efegen be^ göttlid^en ^Dafeinö^ 
Sfleic^eg gu folgen, ^fiaturgefegmä^igfeit unb göttlid^e gül^rung 
ift ©in unb baffelbe, unb bie Söelt ift bal^er t>oE!ommen trog 
il^rer 3JlängeI unb IXebel, benn gerabe biefe geigen il^re 3SolI= 
!ommenl)eit um fo mel^r, infofern fie bie göttlid^e gül^rung ni^t 
^inbern !önnen, ha^ bod^ ipieber We§> fid^ gum beften n>enbet. 
3nfofern ift ber ©toici^mu^ entfd^iebener Dptimi^mu^. — SSer^ielte 
fid^ nun SlUeö gan§ fo, bann iräre bie ftoifd^e ^^iIofopf)ie n?ol)l 
eine befriebigenbe Söfung be^ grofeen ^roblem^ be^ 2)afeing; 
allein treber ^l^eorie no(^ ^rayi^ ber 6toi!er bilben ein l^ar= 
monifd^eö ©ange^, ba^ ber Prüfung Staub l^alten fönnte. 3Jlit 
il^rer optimiftifd^en ©runb^ unb ©in]^eitglel;re fielet fd^on 't)ie§> 
nic^t in ©inüang, bafe bennod^ ein grofeer 3^ißfr<^^^ "^^^^ ^^^ 
S)afein gel^t, 'Da^ ein fo großer Äampf nötl)ig ift, um natur= 
gemä§ gu leben (naturae convenienter vivere), unb bag nid^t= 
naturgemäße 2eben fogar ha§> ©etool^nlic^e ift, "t^a^» naturgemäße 
aber erft mü^fam errungen tr» erben muß. 2Bie !ann au^ 'i^em 



IL 2)ie ^^ilofc^^tfci^en SöfungSberfuc^c. 67 

Vitien iüefentlid; ein]^eitlt($en Urprtncip, bem göttli^en f($öpfe= 
rifd^en geuer, biefer gtüiefpalt l^ertoorge^en? S)iefe 5Ri(^tnatur= 
gemä^eit, bte fo grofe ift, bag bie grofee 3}laffe ber 3Jienf($en 
il^r toerfaEen erf(^eint unb eigentlid^ nur tDenige ^u^ertüä^lte, bie 
ftoifi^en SBeifen fo leben, lüie e§ naturgemäß ift unb infofern 
aU SSeife, ©lücfUd^e, ©öttergleic^e gelten !önnen, tüäl^renb alle 
anbern 3Jlenf$en gur klaffe ber ^l^oren gehören? ®a§ 9^atur= 
gemäße, foEte man beulen, macj^e fid^ t)on felbft, forbere iebenfall^ 
nichts ^lußerorbentlid^e^, tüenigften^nid^t^Sold^eg, voa^ im ©runbe 
aEer 2Belt aU unnatürlid^, al^ eine @onberbar!eit erfd^eint, iüie 
bie^ bod^ bei ber ftoif(^en @eringf($ä|ung beg 3leußerlid^en, 
6iunlid^en ber gaE ift. ^a§ ©inulid^e, ba^ bod^ aud^ al0 natur= 
gemäß unb gemiff ermaßen ©lud begrünbenb betrad^tet toerben 
muß, ba z§> iDie 'oa§> beifüge au($ in bem ©inen göttlid^en lXr= 
tüefen begrünbet ift. Seiben unb ©lenb für nid^t§ §u a^Un, 
ift ebenfaE^ nic^t naturgemäß unb nid^t l^uman, — fd^on be^= 
l^alb nid^t, treil e^ aud^ für ßeiben unb ©lenb ber SJ^itmenfc^en 
gleichgültig ma^en muß unb fittlid^e ^flid^ten üernac^läffigen 
läßt, ^er Dptimi^mug ber ftoifd^en Se^re ift nur für 't)i^ 
6toi!er felbft toor^anben, für biefe 2lu^ermäl^lten ober Söeifen, 
njeld^e burd^ bie Tla6)t i^rer ©infid^t unb i^re0 SßiEenS bie 
Sßelt befiegen, immer größer fein tooEen, gu fein ftreben, al^ 
i^r <Bä)iä\d[. 60 ift ber ©toici^mu^ ein 35erfud^, ber in 
mand^er 33e§iel^ung eim getoiffe ßrl^aben^eit §eigt, ben Dpti= 
miSmug gleid^fam mit ©etoalt burd^ bie ^raft be^ ^eifte^ ju 
be^au:pten, infofern bie Hebel be^ ©afein^ bem ^^eroifd^^etl^ifd^en 
SöiEen gegenüber toie ni(^tfeienb erfd)einen foEten. Slber bem 
6treben entfprac^ bod^ felbft bei ttn 6toi!ern ber (Erfolg nid^t 
unb fie mußten anerlennen, baß ba^ angeftrebte Qbeal be^ 
Sßeifen ni($t gu erreid^en fei. 6ie ermäßigten aud^ bie anfäng= 
lic^e Strenge il^rer Se^re unb $raji^ jum 6treben nad^ biefem 
unerreid^baren 3^^^^- Spätere 6toi!er ergel^en fid^ too^l aud^ 
in klagen über "oit IXebel be^ ©afeing unb xiä)Un i^ren S9lid^ 
fogar auf ein beffere^ Qenfeit^, 'iia^ eine Befreiung öon biefen 
Hebeln bringen foE. 2lud^ auf biefem Sßege mar alfo 'oa^ 



68 n. 2)ic ^I^Uofo^l^ifd^cn 2öfung«bciiiid;c. 

SBeltproblem p^iIofopl^tf(j^ nid^t gu löfen, föar 't)a^ rätl^fel^afte 
^un!el be^ 2)afein§ nid^t gu übertüinben. Qm (Sl;nftentl^um 
fud^te man butd^ ©tauben unb göttlid^e §iilfe ba^ 3^^^ h^ ^^' 
reid^en, ba§ bie «Stoüer burd; ©rfenntnife unb eigene 2BiEeng= 
traft anftrebten.) lieber ben ©püurei^mug fönnen ir»ir furj 
]^inn3eggel;en. 33e!anntltc^ erneuert er in ipl^^fifd^er unb nieta= 
pl^^fifd^er ^^egie^ung bie atomiftif($e Seigre be^ 2)emo!rit, 3n 
biefer ^egiel^ung gilt bemnad^ toon il^m, \üa§> fd^on oben über 
bie Sltomifti! bemerlt n^urbe. ßr wiU ba^ Sßelträt^fel gar nic^t 
eigentlid^ löfen, jonbern nur eine ©rüärung für ba^ ©ebiet ber 
©rfd^einungen fud^en unb 't)a§> barüber §inau^liegenbe, in^be= 
fonbere ba§ gange ©ebiet be^ ©öttlidjen üottftänbig ablehnen 
unb öon biefer erfd^einenben SBelt fernhalten, "tia baffelbe gur 
3ft)ederreic^ung be^ menfd^lid^en ©afein^ nid^t^ beitrage, im 
©egentl)eil burc^ gurc^t unb Seforgnife ben ©enufe be^ 2)afein^ 
nur ftöre. 2öie tpenig aber ber t>Dm ©pünrei^mu^ geltenb 
gemad;te Seben^gtped, ^k irbif($e ©lüdfeligfeit luirflid^ gu er= 
reid^en fei unb n^ie menig biefe Seigre unb ba^ berfelben gemäße 
Streben n?a^rl^afte ^efriebigung gemäl^re, l^at fc^on bie l^ebü= 
niftifd^e Sd^ule be» 2lriftipp gegeigt. 2lu§ biefer (^d^ule, ni^t 
ettüa au^ ber bebürfnifelofen, tpeltüerad^tenben cpnifd^en ging 
im Slltertl^um alöbalb ber ^effimismu^ l^ertoor, tk Ungufrieben= 
l^eit mit bem menfd^lid)en (SJefd^id unb bie SergiDeiflung an ber 
©rrei(^ung be^ eigentlid^en Seben^gmede^, ber irbifd^en ß)lüd^ 
feligfeit. ©ie» iuar aud) natürlich, benn tüer ben ©enu6, bie 
Suft bes Sebenö aU eigentlid;en gioed be^ menfd;lid;en ©afein^ 
betrad^tet, mufe balb erfal^ren, 'i)a^ biefer 3^^^ ^^^^^ h^ erreid;en 
fei, ba§ bie. SSerl^ältniffe ber äßelt, bie ^efd;affenl^eit be^ menf4)= 
lid^en Drganiemu^ unb ber focialen Segiel;ungen unüberh?inb= 
lid;e ^inberniffe babei barbieten — abgefe^en t>on ber nad^ 
§öl)erem üerlangenben 9^atur be^ menfd^lid^en ©eifte^ felbft. 

2öir tüenben un^ gur legten ©eftaltung ber gried^ifd^en 
^^ilofop^ie, gum 9teuplatoniömu^, ber eigentlid^ mebr tim 
33ergn)eiflung an ber t^eoretifd^en unb prattifd^en Söfung be^ 
SBeltproblem^ barftellt, aU einen Söfung^toerfud^ burd^ bie natür- 



IL 2)te \)^ioiop{)i\^tn Sbfungöberfud^c. 69 

tid^e ^raft beg menf(^lid;en (Seiftet, unb ein Streben be!nnbet 
naä) übermenfd^Iid^er, übernatürltd;er$ülfe babei, — mit attenfall= 
figer ^rei^gebung ber natürlichen 3Jienf(^enüernunft in e!ftatif($en 
Snflänben. ß^ ift \ä)on bemerft, bafe üor unb naä) ber ©ntftel^ung 
beg (El^riftentfjumS auf :p]^ilofo^l^ifc^em unb n^iffenfi^aftlid^ t!^eo= 
logifi^em ©ebiet bie 2lnfi(^t immer me^r gur Geltung !am, bie 
^ottl^eit an \iä), bag göttlii^e SBefen fei für ben 3J^enf(^engeift 
unerreichbar, fei unerforf($lic^, fei ba§ SSerborgene (Aman); 
unb 't)ai man bafür immer me^r ein 3tei(j^ tion untergeorbneten 
geiftigen Söefen di§> S)iener unb 2öer!§euge beg ^öc^ften, t>erbor= 
genen @otte§ unb in^befonbere aU 3JlittIer gn^ifd^en biefem unb 
ber 2©elt, imbefonbern ber SJlenfc^l^eit, annahm unb biefe ße^re au^= 
pbilben fud^te. %U t)ö($fte§ biefer 3)^itteliüefen trat fd^on in ber 
fpätern jübifc^en Speculation bie göttliche SSei^^eit ober "oa^^ 
{jbttlid^e 2Bort l)ert>Dr, unb bei ber SSerbinbung biefer iübif(^en 
©peculation mit ber gried^ifd^en ^f)ilofo:p]^ie, bie ^auptfäi^lid^ 
in 3lleyanbria in 2legppten ftattfanb, trat W Seigre toom £ogol, 
befonber^ burd; ^l^ilo, al§> l^öc^fte^ geiftige^ Sßefen, aber bod^ 
al§> 6(^öpfung ©otte^, aU eingeborner (SJotte^fo^n unb 3JlittIer 
§n)ifd^en @ott unb ben 3JJenf(^en l^erüor. 3m ©Ifjriftentl^um ent= 
brannten über biefe SogoöleI;re be!anntlid^ gro§e Streitigkeiten 
unb 3al;r{)unberte anbauernbe Mmpfe, bie fd^Iie^Iid^ bamit 
enbeten, bafe ber ßogo^, ber mit ber ^erfon Sefu di§> SJleffia^ 
((SJottgefanbter unb ©rlöfer) üerbunben n}urbe, ^ur ®Ieid^n}efentli(^= 
!eit unb (^leid^emigfeit mit @ott an fid^ erf^oben marb unb 'oana^ 
bie £e!)re öon ber gottimmanenten, emigen 3^W9Wttg be^ Sogo^ 
burd^ 'Den SSater unb toon ber gottlid^en ^rinität gur SluSbilbung 
gelangte. 5Der S^euplatoni^mug nun l^ulbigte au^ ber 9ln= 
fid}t t)on ber tlner!ennbar!eit unb SSerborgen^eit be^ göttlid^en 
3öefen^ an fi(^, unb nal^m aU ^ö(^ften an§> biefen verborgenen 
göttlid^en Urtoefen l^ert)orgel)enben ©eift bie SSernunft (voOc) an, 
i)on ber aEe^ ©efd^öpflid^e in abfteigenber Stufenfolge ün§> fi^ 
l)ert)orgebrad^t tüurbe, ba fie felbft 'Dzn Inbegriff ber Sbeen in fid^ 
enthält aU Ibbilb beg urfprünglic^ gefd^auten göttlid^en lXr= 
toefeng aliS Urbilb. 2lu§ 't)en Sbeen ftammen bie Seelen unb 



70 II- 2)ic ^]^tIofo^)l^tf(^en ^öfungSbcrfud^e. 

bic btlbenben gormprtncipien, bie in bem BJ^aterieHen \iä) @e= 
flaltung gaben. 211^ 5lufgabe be^ 3}ienf(^en mirb Sefretnng toon 
ber ©innli(j^!eit, t>om 3JJaterieIIen betrad^tet unb baburd& ^M- 
!ef)r in baö beifüge uitb @öttli(^e. ^ie^ ift gtrar burd^ 58er= 
nunfterfenntnife unb 2l§cefe angnftreben, eigentlid^ gu erreichen 
aber nur burc^ nt^ftifc^e ©fftafe, burd^ tooHe^ 5ßerfen!en be§ 
@eifte^ in 't)a§> ©öttlid^e unb Slufgel^en beffelben in biefem, foba^ 
(gr!ennenbe0 unb ßr!annteg ein§ ir»erben, nid^t mel^r ba^ ©riannte 
aU Dbject bem @r!ennenben gegenüberftelf^t, tüie e0 felbft nod) 
bei ber l^öl^eren SSernunfterfenntnife ber gaU ift, — mä^renb 
'i>a§> finnlid^e Söal^rnel^men unb ^SorfteHen üottenbs nur ein 6d^ein= 
unb 5t^raumleben gu nennen ift. SBieberum alfo l^aben tüir e0 
^ier mit einem ^uali^mu^ ju tf)un, bem beifügen, au^ bem 
göttlid^en Urirefen ©tammenben unb bem HJlaterieHen, ba§ gtoar 
aud^ nur tou ein ^Rid^tfeienbe^ (piT] ov) betrad^tet tcirb, ba^ aber 
boc^ fo tiiel ^raft unb 2lctit>ität befigt, ba^ au§ bem ©öttlid^en 
ftammenbe ©eiftige (Sbeen, 6eelen unb gormprincipien) il^rer 
SSoHlommenl^eit gu berauben unb gu immer niebrigerer ^afein^- 
meife §u bringen, Je tr»eiter bie Entfernung t>om göttlid^en Ux- 
inefen tüirb unb bie 3)lad^t be§ SJlaterietten baburd^ gunimmt. 
^ie Sflätl^fell^aftigleit be^ ^afeing ift bamit nic^t gel^oben. ©^ 
bleibt unerllärt, marum ber vouc au^ bem eiüigen göttlid^en 
Urlüefen ausgetreten fei, tüarum er in ber 3Jiaterie fic^ immer 
mel^r toerenblid^te unb um fo unt>oII!ommener tpurbe, menn 
bod^ feine Slufgabe im ©ingeinen unb im 5lttgemeinen tüieberum 
leine anbere toar, aU biefen S^ft«^^ '^^^ 6innlid^!eit burd^ 
@r!enntni§ nid^t nur, fonbern toor Slllem burd^ Sl^cefe unb 2BeIt= 
findet iüieber §u toerlaffen unb tromöglid^ im efftatifd^en 3^= 
ftanb ber 6d^auung beS (^öttlid^en fid^ felbft aufzugeben, um mit 
bem ©öttlid^en unmittelbar eins gu iüerben. Slbgefel^en alfo 
t)on einer n)ir!lid^en S3egrünbung biefer 2öeltauffaffung , t)on 
einem SSemeiö für baS angenommene (SJrunbf actum, bem 2luS= 
tritt beS voO? aug bem göttlid^en Urtnefen ober bem ewigen, 
abfoluten ©ins, — ber gar nid^t gu erbringen ift, — !ann bie 
gange neuplatonifc^e 5tl^eorie aud^ für bie ©rllärung beS meitern 



IL 2)tc v^ttofofc^ifd^en ^^öfungSöcrfuc^e. 71 

SBeltbafetng unb ber 3Scr^ältntffe unb ©reigniffe in i^r nid^tg 
reiften. 3n ä^nlid^er 3Beife, nur nod^ in iDeit mel)r pl^antaftifcJ^er 
©eftaltung, ^at auc^ ber jog. ©noftici^mug in ben erften 
Sal^r^unberten be^ (E^riftent^umö ba§ Söeltproblem ju löfen, 
in^befonbere bie grage ^u beantworten gefu(^t, n^o^^er ba^ Söfe 
(TTo^ev To xaxcv) fomme. ©in fd^roffer ^uali^mu§ stpifd^en 
@eift unb 3J^aterie ixitt auä) bei ir)m me^r ober toeniger ^ertoor, 
tüobei au^erbem noc^ in ba§ göttliche Urn^efen ober in bie gött- 
lid^e 5t;iefe felbft ber Ursprung be§ Smiefpalt^ unb be§ SlbfaUg 
üerlegt inurbe unb bie äßelt baburd^ entftanben fein foll, ba§ 
infolge baüon göttlid^e Gräfte in bie '^a^i ber finftern 2JJaterie 
geriet^en, bereu Befreiung eben '^ie eigentli(^e Slufgabe be§ 
2Beltt)erlaufe^ Ul^en fott. Sunt Sitten ^eftamente, refp. gu bem 
altteftamentli($en ^ott, fegten fic^ biefe ^noftüer grögtent^eiB 
in ein feinblid^e^ SSerl^ältnife unb beuteten bie ^rabitionen, au^ 
t^enen 't)a§> D^eue ^eftament l^eröorgegangen, in i^rem ©inne 
um gu einer eigent^ümtid^en (Srlöfung^lel^re, ber gufolge bie 
(grlofung eigentlid^ iüeniger bem SJlenfd^en, aU tjielmel^r bem 
©öttlid^en felber gilt, ^ieg tritt befonber^ ^eröor hd ben 
2)lanid^äern, nad^ bereu £e^re ^^eile be^ £i(^treid^e^ ober be§ 
@öttli(^en öon ber finftern 3}Jaterie, aU bem tüefen^aft 53öfen 
felber ergriffen unb in i^x gefangen fein fotten, — toag fie al§ 
t^tn Jesus patibilis begeii^neten, um beffen S3efreiung eg fi($ im 
3öeltbafein l^anbelt. ^er Söeltprocefe roäre bemgemä^ ein @r= 
löfunggprocefe @otte§ felber, unb ^toax einer ©rlöfung be§ (Sött= 
lid^en burc^ bie 3}?enfd^en, bie fic^ gu biefem Q\üzd einer gen^iffen 
Seben§n)eife unb getoiffen Seiftungen gu unterbieten ^aben. 3öir 
brau($en hierauf Iritifd^ nid^t loeiter ein§uge!^en; e§ gilt l^ierüon 
ha§> ^leic^e unb nur nod^ in t)erftär!tem ©rabe, toa^ oben fd^on 
begüglid^ ber neuplatonifd^en ©runblel^re bemerlt toorben ift. 

3m (^^l^riftentl^um unb in ber ürd^lid^^d^riftlic^en Se^rent= 
njidelung tr>urbe 'i)i^ ^aä^^ t)iel einfad^er geftaltet unb bie 
gnoftif(^::p^antaftif(^en, au^ orientalif d^en SSilbern unb occiben= 
talifd^en Gegriffen gemifd^ten Slnfd^auungen grö^tentl^eil^ ab- 
gelehnt, ®er urfprünglid^ d^riftlid^e ©otte^begriff toar, h)ie 



72 n. 2)te ^J^ilofo^^ifc^en $?bfung§öerfu^e. 

Mannt, l^öd^ft einfach, benn ©ott tüarb aU aUgütiger ^ater 
bcr 3Jlenfd^en aufgefaßt, ber ba§ SSefte 5lIIer tüill unb bag 33er= 
bergen feinet einzigen, ber feinen SBillen, fein ©efefe befolgt, 
il^m \iä) toertrauenb Eingibt, feine SRitmenfd^en liebt nnb i^nen 
^iilfe leiftet; ber aber and^ geredet ift unb bag S3öfe beftraft, 
tpie bag ©ute belol^nt, %üx ©entütl^ unb 2ßillen tnar biefe ein= 
fac^e ©otte^Iel;re fidler fel^r mol^ltl^uenb unb förberlid^, aber bem 
fc^ärfern ^en!en unb ber näl^ern 2Beltbetra($tung boten fi(^ babei 
bod^ balb 6d^h)ierig!eiten angefid^t^ ber 35er^ältniffe unb ^ä)iä' 
fale ber 3Jlenf(^en unb ber 5Raturbef(^affen!)eit. @(^on bei beut 
5lpofteI ^aulu^ finbet man biefe einfalle ^orftettung toon ©Ott 
unb feinem 2ßir!en, tr>ie Qefu^ felbft fie bem ©toangelium gufolge 
t)er!ünbet l^atte, nid^t mel)r, it)ie j. 33. ber Srief an bie 9lömer fo 
beutUd^ geigt. ®a finben fid^ fd^on lünftlid^e ©))ecuIationen über 
©Ott unb fein SSerpItnife gu ben 3Jlenfd^en, über bie ©ünbe 
unb 6ünb^aftig!eit berfelben unb über 'i^a^ SSerberbnife, ba§ 
in bie SBelt gefommen hnxä) bie 6ünbe ber erften 3J^enfd^en» 
©Ott erfd^eint aU ftrenger ©ebieter, ber unbebingt über bie 
3Jlenfd^en toerfügt unb toerfügen !ann, toie eg i^m gefättt, fobafe 
er nid^t felbfttoerftänblid^e ©üte unb 2kl>t geigt bem 3Jlenfd^en 
gegenüber, fonbern nur toillfürlid^e ©nabe. S)iefe ©peculationen 
n)ir!ten in ber folgenben 3^^^ allenthalben nad^ unb l^aben be- 
fonbern burd^ Sluguftinu^ größere 2lu§bilbung erfaljren unb 
mäd^tigen ©inftufe auf bie folgenben Qa^r^unberte in ber d^rift- 
lid^en Sel^renttoidEelung erlangt, — nid^t eUn §um SSortl^eil ber 
d^riftlid^en gumanität^tenbeng. Qnbefe immerl^in l^ielt man im 
SlUgemeinen, in^befonbere in ber populären ^arftellung, aud^ an 
ber ur($riftlid^en, t)om ©tifter be^ ©Ijriftent^um^ geltenb ge= 
mad^ten gemütt)üotten unb ]itüi6) förberlid^en ©otte^toorftellung 
feft, inbem man bie ©d^toierigfeiten, bie fid^ leidet au0 ber 
93efd^affen]^eit ber 9^atur überl)aupt unb ber mcnfc^lid^en D^atur 
mit ber menfd^lid^en ©efd^id)te in^befonbere bagegen erl^oben, 
burd^ bie Seigre t)om ©ünbenfatte ber erften SJienfd^en infolge 
ber 33erfud^ung burc^ ben «Satan unb burd^ ben SJ^isbraud^ be^ 
freien 3ßiEcn^, fotoie ber barau§ l^ert?orgel)enben ©rbfünbe unb 



IL 2)ie ^^tlofo^^tfc^eti JBfungSberfud^e. 73 

fünb^ften Steigung in ber menfc^lid^en 5Ratur erüärte. S)ur^ 
btefe ©rflärung l^ielt man bag f(^tr>ierige unb gefäl^rlii^e Problem 
für genügenb gelöft in ber ^ird^e auf Qa^r^nberte l)inau^. 
®ie ^l^eologte bilbete bie Seigre au§> unb öerfal^ fie mit atterlei 
(Srüärungen unb ^egrünbungen unb au(^ bie ^l^ilofopl^ie, hk 
ja o]^nei)in gu ^^eologie unb !ir(^li(j^=($riftli(5er 2e^r=2luctorität 
in bienenbem ^^erl^ältni^ ftunb unb bie aufgefteEten £e^ren 
eigentlid^ nur rechtfertigen, nid^t öon (^runb an§> prüfen burfte, — 
hi^\z $]^iIofop^ie mufete fic^ anä) mit ber Söfung jufrieben geben. 
5Dem l^errfc^enben S^^^^G^ gegenüber !onnte feine freie, tnirflid^ 
n)iffenfd^aftli($e ober rationale Prüfung ftattfinben, unb tPoHte 
fid^ eine fold^e §ur ©eltung bringen, fo konnte fie ber gen)alt= 
famen UnterbrüdEung gegenüber ni<^t auffommen. (So galt alfo 
Sa'^rl^unberte l^inburd^ tl^eologifc^erfeit^ t^aS» grofee Sflätfjfel be§ 
®afein0 für öoEftänbig gelöft unb auc^ bie unteriDürfige ^^ilD= 
fopl^ie mufete baffelbe für gelöft l^alten. @rft am Slu^gang be§ 
äRittelalter^ tüarb biefe§ gange Se^rgebäube einigermaßen erf($üt= 
tert. ^ie§> gefd^al^ juerft burc^ ben au^ ber ©d^olafti! felbft 
bert)orh)ad^fenben 6!e:ptici^mu^ unb tuxä) hie aufftrebenbe 
S^aturlDiffenfd^aft, fotoie burd^ ten !ü^ner unb freier auf= 
ftrebenben gorfd^unglgeift, ber burd^ 'oie lixä)li6)e Sfteformation ge= 
tüedt n)urbe. S)urd^ att bieg !am aud^ bie ^l^ilofop^ie toieber baju, 
fid^ t)on ber ^ird^engetoalt unb ber 5l^eologie §u emancipiren 
unb in felbftänbiger Söeife über @ott unt 2öelt, Statur unb 
IXebernatur gu forfd^en, um fo öiel al^ mögli(^ ta^ Söeltproblem 
bur(^ bie ^raft ber menfd^lid^en SSernunft §u löfen. Unter "i^en 
S^iaturtoiffenf d^aften tnar e^ guerft hie Slftronomie, meldte gur 
Befreiung be§ forfd^enben (^eifte^ unb gur ©rfd^ütterung be§ feft= 
gefd^loffenen ürd^lid^en Se^rf^ftem^ mä(^tig ioirfte.* 5Diefeg tüar 
ja hem 2lriftotelifdf)en unh ^tolemäifc^en Söeltf^ftem, 't)a§> mit 
ber 33ibel ganj im @in!lang ftanb ober gu fielen fd^ien, üott= 



* <B. mein 3öcr!: „2)a8 S^rij^cnt^um unb bie ntobcrne Sf^aturteiffcn* 
fc^aft" (Sien-8ei|)äig 1868), @. 21—53. 



74 n. 2)ie p1)ilo^cp})i\^m 2öfungötoerfu(!^e. 

ftänbig attge)?a6t. 2)ie (Srbe al§ feftftel;enber Wlittelpnntt ber 
ganjeu 6d^öpfiing unb atte anbern ^immel^förper fid^ um fie 
betDegenb unb tl^r, rejp. bem 3Jienfd;eugef(^led^t, bienenb, Sllleö 
gufantmen ein in fid^ gefd^Ioffeneö (^an^t§> bilbenb, innerl^alb 
ruelc^em, toon ber gijfternfpt)äre aU Sleufeerftem umfd^loffen, ber 
^aum \iä) hilhet, iräl^renb t)xau^en, aufeerl^alb ber legten Um^ 
fd^liefeung, fid^ bie IXnräumlid^feit finbet, au§> tüeld^er man in ber 
d^riftlid^en Se!)re ben §immel, ben 2ßo!)nort ber Seligen gemad^t 
^aiU, in tüelc^em aud^ &oti felbft, tro^ feiner Slttgegenmart, 
mel^r gegenwärtig fein f ottte a\§> in ber SBelt al0 feiner ©d^öpfung, 
®ie beginnenbe moberne Slftronomie fprengte gleid^fam biefe^ 
gefd^loffene ©ange beg ÄoC^moö, entfette bie @rbe x^xex bet>or= 
jugten Stellung aU 3}^ittelpun!t beffelben, geigte fie öielmef^r aB 
fleinen §immel§!örper neben unenblid^ fielen anbern, ja al§ 
tjerfd^tüinbenb üeinen X^til be§ IXnitoerfum^, angefid^tg unenblid^ 
öieler unb unermefelid^ großer §immel§!örper. 6d^on baburd^ 
mufete bie bi^l^er bei mangell^after Äenntnife ber 2öelt ürd^lid^ 
feftgel^altene unb aud^ ber SBiffenfd^aft aufgebrungene Söfung 
be» 3ßeItproblemg eine mäd&tige (Srfd^ütterung erfal^ren, bie nod^ 
baburd^ öerftärlt tnurbe, 'oa^ 'i)k ürd^Iid^e Sluctorität ber neuen 
aftronomifd^en @r!enntnife, "oem Äopernüanifc^en 6t)ftem, al5 
einer mit ber d^riftlid^en Sel)re unb ber 33ibel unvereinbaren, 
fegerifd^en Slnnal^me, l^eftigen Söiberftanb leiftete unb fie öer^ 
folgte; bann aber fic^ aU befiegt, al^ im 3i^^tl;um befinblid^, 
menn nid^t mit au^brüdlid^en Söorten, bod^ tl)atfäd^lid^ be!ennen 
mufete, inbem fie ba^ SSerbot ber ^opernüanifd^en ^ßel^re aufhob. 
2lud^ fonft erful)r ba§ ürc^lic^e Se^rfpftem (unb bie baran ge= 
bunbene tl^eologifd^e SSiffenfc^aft) al^ enbgültige £öfung be§ 
2öelträt^felg mand^e (^efäl)rbung unb ©rfdjütterung hi^ in bie 
neuefte geit l^inein, unb ertreift fid^ immer me^r al^ in mefent= 
lid^en fünften uul;altbar, — h)ie mir fd^on früljer gefeiten l^aben. 
S)ie ^l^ilofopl^ie ftrebte unter biefen Umftänben mäd^tig 
empor unb fud^te felbftänbig, unabl^ängig toon bem ürd^lid^en 
Se^rfpftem unb feiner ©lauben^auctorität, bie Söfung beö fo 
bunfeln ©runbproblemö beö 2)afeing, um bag bie übrigen SSiffen^ 



IL 2)ic ^^Uofo^t|t[c^en ^öfungööerfud^e. 75 

fd^aften in ber Siegel \iä) tüenig !ümntern, aU h)el($e e§ mit 
t»en einzelnen Problemen ber ©rfd^einung^tüelt §u ti)un ^dbeUr 
unb jeneö le^te tieffte Problem abple^nen pflegen, oft auä) gar 
hin SSerftänbnife ntel^r bafür geigen, Jr>ie toon i(;rem ©tanbpun!te 
ber @in§elit)iffenf($aften au§> aud^ eine ^Bearbeitung gar nid^t 
möglid^ ift. S)ie ^^ilofop^ie aber ^at fid^ biefe 3lufgabe t)on 
jel^er gefteUt, tüenn fte aud^ öon Qtit gn Seit gleid^fam in 6elbft= 
befinnung immer toieber auf fid^ felbft, refp. ben menfd^lid^en 
@eift (mit feiner @r!enntnipraft), fid^ rid^tete, um gu prüfen, ob 
fie benn eine fold^e 2lufgabe fid^ fteHen bürfe, ob fie aud^ bie ^raft 
bagu l^abe unb bie 33ebingungen ba§u gegeben finb. ^ie ^RefuI- 
täte il^rer (frül^eren) gorfd^ung finb bann in bie ^lauben^f^fteme 
felbft übergegangen, finb §u 3)ogmen befinirt hjorben, n^enn aud^ 
mannid}fad^ mobificirt, nad^bem fie in ben religiöfen Seben^frei^ 
be^ @lauben§ eingetreten n^aren; tüoEten bann aber be^l^alb 
H)ie göttlid^e geftftettungen ober Offenbarungen felbft in abfo- 
luter 2öeife gelten unb llnt>eränberlid^!eit, refp. Untjerbefferlid^s 
!eit, beanfprud^en. ^ie^ mögen bie üerfd^iebenen pofitiüen S^^eo:: 
logien il^rerfeit» annel^men unb geltenb mad^en, bie ^l^ilofopl^ie 
!ann unb barf bie^ nid^t, ba fie immer neu §u prüfen unb immer 
njeiter in ber (Sr!enntni§ gu ftreben ^at, bal^er immer aud^ tia§> 
mieber neu prüfen mufe, toa§ al^ göttlid^e Offenbarung in ben 9te= 
ligionen t»er!ünbet unb geltenb gema(^t h)irb, ob e§ h3ir!lid^ t>on 
ber 2lrt fei, bafe e§> für göttlid^e Offenbarung gel^alten toerben 
bürfe, unb ob eg fo befd^affen fei, bafe e^ nur t>on @ott felbft 
ftammen !önne, nid^t öon ber menfd^lic^en 3Sernunft erforfd^t su 
ioerben toermod^te. — 3J^it SSeginn ber neuern geit ^at nun bie ^l^i^ 
lofopl^ie fid^ in freier unb mannid^faltiger äßeife an bem fraglichen 
©runbproblem öerfud^t unb ©rofeeg geleiftet, loenn aud^ bie £ö= 
fungen tierf(^ieben auffielen je nad^ ber eigentl)ümlid^en 9flid^tung 
unb ^enlart ber gorfd^er, nad^ ben eigentpmlid^en SSerl^ältniffen, 
in benen fie n)ir!ten unb ben 3^^^^^^/ ^^^ f^^ ^^ ^^9^ l^atten. 
3lu6erbem ift ia 'i)a^ Problem ein unenblic^eg, toom 3Jlenfd^en= 
©eifte im Saufe ber ©efd^id^te nie §u erfdfiöpfenbe^ unb ber SBe- 
trad^tung t>on gar öerfd^iebenen ©eiten fällig. 



76 II- 2)ie )5^Uofo^f)if^en Jötungeberfuc^e. 

@§ !ann fi(^ l)ier nid^t barum ^anbeln, aUe neuen ^ljilo= 
fop!()ifc^en SSerfud^e in nnferer furgen IXeberfti^t gu berüdfid^ttgen, 
nur einigen ber mid^tigften foü eine !urge 33etrad^tung unb Äriti! 
cjetüibmet werben. S)ie neue ^Iftronontie !)atte junäd^ft auf 
einen genialen unb entM^aftifd^en ©eift in Italien, ©iarbano 
SBruno (f 1600), fo anregenb gen)ir!t, bafe er eine erweiterte, 
großartige SBeltauffaffung ber bi^l^erigen ürd^lid^en gegenüber 
toerfud^te. S)a bie bi^ljerige 2luffaffung beg Äo^mo^, aU eine§ 
in fid^ gefc^loffenen, abgerunbeten ©angen burd^brod^en unb ber 
SBIid in^ IXnenblid^e erweitert Warb, in ein unermeßlid^eg SöeltaH, 
fo jd^ien il^m aud^ bie bi^l^erige antl^ropomorp^ifd^e Sluffaffung 
@otte§ aB gu eng unb ungenügenb; bafür aber würbe freilid^ 
aud^ bie 33eftimmtl^eit unb Mar^eit ber ublid^en tl^eiftifd^en 2luf= 
faffung verloren unb bie concreten religiöfen SSebürfniffe, wie 
fie ber (Eultug gu befriebigen fud^t, inbem er fid^ an einen 
menfd^enä^nlid^en, ^erjönlid^en (Sott wenbet, fd^ienen !etne 33e; 
friebigung mel^r finben gu fönnen. 33runo'^ Se^re erl)ielt einen 
ipantl^eiftifd^en ©^aralter, rotnn er aud^ toon ber bi^l^erigen 
©ottegauffaffung unb toon ber d^riftlid^en Seigre ntoglid^ft t>iel 
beigubefialten jud^te. ^a^ eigentlid^ große unb fd^wierige Problem, 
wie fid) ©Ott aU öollfommenfteg SBefen unb biefe 2Belt mit il^rer 
Xlnöoll!ommen!)eit unb il^ren gal^Ilofen Hebeln pl^^fifd^er unb 
moralifd^er 2lrt gueinanber toerl^alten, ift nid^t in ernfte unb 
ftrenge Unterfud^ung gebogen; ber ©ntl^ufia^muö l^alf barüber 
l^inweg ober ließ 't)k große unb fd^were S3ebeutung bat)on über= 
fe^en. Um fo ernfter unb tief einbringenber befd^äftigte fic^ mit 
biefem Problem ber beutfd^e ^l^ilofopl^ ober öielmel^r ^^eofopl^ 
unb 3Kpfti!er 3a!ob ^ö^me (f 1624). tiefer war offenbar gu 
feinen gorfd^ungen angeregt unb babei geleitet t)on bem quälen= 
ben Sflät^fel, t)a§> fd^on bie alten ©noftüer fo fel^r in 2lnfprud^ 
genommen l^atte, warum in biefer 2öelt fo Diele Uebel unb fo 
toiel S3öfeö eyiftire unb in ber 3Jlenfd^enwelt fo fel^r bel)errfd^enb 
wir!e, wo^er e^ benn eigentlid^ ftamme, wenn bod^ ®ott al^ 
©d^öpfer unb Senfer ber 2öelt abfolut gut fei ber d^riftlid^en 
©otte^toorfteUung §ufoIge. 3)a mit biefem d^riftlid^en ©otte^^ 



II. 2)tc ^^Uofo^fjif^cn $?ö)ungSüerfu(^c. 77 

begriff e^ nid;t lüol^l öereinBar erf d^eint, bafe biefe IXebel burd^ 
@otte§ freien Sßitten unb tüiEfürlid^, ol^ne 5Rot^tr»enbig!eit unb 
Untiermeiblid^Mt in bie 2öelt gebra($t tüorben feien, ba bie^ 
feine ©iite Ijätte öermeiben muffen nnb feine Tlaä)t l^ätte toer- 
l^inbern lönnen, fo glaubte er bie 2öur§el unb 't^^n Urfprung 
batoon in hu göttlid^e 91atur, in ba^ göttlid;e SBefen felbft »er- 
fe^en §u muffen, foba^ bie SBelt fo geartet fei infolge gött- 
li(^er 9fioti^trenbig!eit, bie in ber 3^atur @otte^ felbft begrünbet 
fei. 3n unenbli($er, tiefgrünbenber ©eifte^anftrengung fud^t 
^ül^me bieg gu begrnnben ober öielmel^r barguftellen. S)er ^ua= 
li^mu^ gtüifd^en ©ott unb bem lln= ober gerabegu SBibergött:: 
lid^en tüarb fo in bie göttlid^e D^atur felbft, in bie göttlid^e 
Smmanens verlegt. 3n ©ott felbft foH ber ©egenfa^ öon 3a 
unb 9^ein fid^ finben, e^ foll in i^m felbft etir>a^ fein, toa^, ob- 
iroif^l in @ott bod^ nic^t ©Ott ift, ein lXr= ober Ungrunb in 
©Ott, au» bem fid^ ber perfonlid^e ©ott felbft erft erl^ebt unb 
gewinnt, au^ bem aber auc^ ba§ Hebel in ber Söelt, in ber 
6(^öpfung feinen Urfprung genommen. @otte^= unb 2Belt= 
©nttüidelung finb bemnad^ berfelben üuette entftammt, unb finb 
öielf ad^ ineinanber üerflod^ten. 60 tief finnig W Sluffaffung be^ 
^roblem^ ift unb gum ^^eil aud^ bie Slu^fül^rung, fo !ann man 
bod^ fagen, ba§ bamit mel)r bie unenblid^e 6d^tüierig!eit be^? 
felben gegeigt, al§> eine fiöfung gegeben ift. 3ö^it 3fted^t too^l 
toirb in ba^ göttlid^e äöefen aud^ 'iiie Söursel ober Einlage be^ 
3JlaterieIIen tierlegt gegenüber ber Se^re öon ber „reinen @eiftig= 
feit'', 'iiie fc^on üon Inayagora^, befonbers aber "üon Slriftotele^ 
ftammt, ber ©Ott al§ reinen 2lct, aU s^So;, reine gorm o^ne 
alle SJiaterie (^otentialität) auffaßt unb nur al^ voO; in ber 
©elbftbetrad^tung tl;ätig fein liefe. Slber biefe 3f^atur in ©Ott, 
a\§> IXrgrunb ober Ungrunb auc^ be^ 3JiaterieEen, hxauä)U barum 
nod^ nid^t aU 2ßur§el ober üueEe be§ pl^^fifd^en Uebels unb be§ 
moralifd^ S3öfen betrad;tet gu werben. Sßenn dn ©egenfa^ noti^- 
inenbig ift ju bem ©nttoicfelung^procefe fotool^l ©otte^ aU ber 
2ßelt, fo brandet ber ©ine ©egenfa^ nid^t aU t^a^ ^öfe, bem anbern 
geinblid^e aufgefaßt gu tnerben. ^ie^ jeigt in ber 3^atur fd^on 



78 n. 2)te ^^ilofo^^ifd^en i!öfungööcr|uc^e. 

jener ©egenfa^, üon bem bie ©r^altung, SSerjüngung unb gort= 
bilbung gerabe be^ Sebenbtgen unb be^ SSoIüommenften bebingt 
ift: ber ©efd^Ied^t^gegenfa^, ber nid^t ein feinbltd^er, fonbern im 
(Segent^eil ein fold^er ift, bei it>el(^em bie ©egenfä^e fid^ an= 
gießen, ergangen unb eben baburd^ bie gortenttoicEelung unb 3Ser= 
üottfommnung bebingen. Sßenn alfo ©ott felbft in feiner 3flatur 
unb feiner ©nttüicfelung tüirüid) nad^ bem Sflaturproceg con* 
ftruirt toerben foE, unb n)enn biefer felbft in ba§ göttliche 2Befen 
mit feinem @nttpi(feIung^procefe l^ineinöerlegt tuirb, brandet man 
nod^ nid^t ba§ SBöfe (SBibergöttlid^e) felbft aU emigen Factor 
biefer ^roceffe^ auf^ufaffen, ipeber in @ott noc^ in ber SRatur. 
Srgenbeine befriebigenbe Söfung be^ ^roblem^ ober eine ^xtlä- 
rung beö Sßeltbafein^ ift bamit fo n?enig gegeben, bag biefeö öiel^ 
mel^r nur nod^ bunüer unb unlösbarer erf($eint unb bas ©efd^id 
©otteS, ber 9Iatur unb bes ^enfd^en als ein unentrinnbares, 
unbefieglid^eS betrachtet njerben mufe. 33öl^me )^at fid^, tüie fpäter 
©(Delling, bei bem SSerfud^e, bas Unmöglid^e gu leiften in @nt= 
l^üEung beS Mysterium magnum beS ^afeinS, in l^altlofe $^an= 
tafti! t>erIoren hei bem hineintragen ber SRaturöer'^ältniffe in 
hit göttliche ^atux, bie auf n}iffenfd^aftlid^e Geltung feinen 2ln= 
fiprud^ mad^en !ann. 

®ang anberer, ja entgegengefe^ter 2lrt ift ber 3Serfud^, baS 2öelt= 
:probIem p^iIofo:pl)ifd^ gu löfen, ben ©pinoga (f 1677) gemad^t. 
©r ift öon bem ©ebanfen ber (Sinl^eit unb beS ftrengen 2Red^aniS= 
muS beljerrfd^t unb ift befeelt öon optimiftifd^er 2luffaffung beS 
D^ne gmedmäfeigfeit t>or fic^ gel^enben ©efd^e^enS als eines 2luS= 
brucfeS göttlid^er 3Rot^n)enbig!eit, @efe|mä^ig!eit unb 3^ernunft. 
3Son ßartefiuS '^aitt er ben Dualismus t>on jmei Subfiangen, 
nämlid^ ^tnttn (@eift) unb SluSbel^nung (Tlakxie) überfommen, 
bie bei bemfelben als relatitoe aufgefaßt iüaren, ba er über 
beiben nod^ eine abfolute ©ubftans, bie ©ottl^eit annal^m. 
6pinoga bereinigte in feinem 6treben nad^ ©inl^eit atte brei 
6ubftangen beS ßartefiuS in eine einzige abfolute Subftanj, bie 
^ottl^eit, bie er als baS begeid^nete, toaS auS unb in fi($ felbft 
ift unb burd^ fid^ felbft begriffen toirb, bie alfo Urfad^e i^rer 



IL 2)te ^^Uofo^^tfc^en JöfungSöerfu^e. 79 

felbft (causa sui) im <Bzin unb @r!ennen fei unb eine^ anbern 
md)t bebürfe. ®en!en unb 2lu^be^nitng , 'ok §toei relatitjen 
6ubftanäen be^ ©artefiu^, fa§te er aB bie strei 5lttribute ber 
abfoluten 6ubftan§ auf, bie un^ attein be!annt finb (öon ben 
unenblid^en 2lttributen be^ (^öttliä)en) unb hu fic^ in ben ©r- 
f(^einungg= ober Offenbarung^formen (modi) barfteEen; unb 
girar fo, bafe bie Drbnung unh ber 3^f^^i^^n^<ing ber 3been 
(©en!en) biefelben finb, n^ie 'Dk Drbnung unb pfammen^ängenbe 
SSerbinbung ber ^inge (^lu^bel^nung) (ordo et connexio idearum 
idem est ac ordo et connexio rerum). ®iefe Söeifen be^ ®en= 
hn§> unb ber 2lugbe!)nung fte!)en giüar mit ber abfoluten ©ub= 
ftan§ in irefentlid^er 33egie]^ung, gelten au§> i^r l^erüor, tüie bie 
geometrif($en (gigenfd^aften ber giguren au§> biefen folgen, aber 
fie ftel^en bo(^ gugleic^ unter fid^ fo in caufalem 3^f^wmenl^ang, 
ha^ nur W modi be§ ®en!en^ auf modi be^ ®en!en^ mir!en 
unb 'i)i^ modi ber lu§be!)nung auf bie ber Slu^be^nung. ^on 
einem SSerl^alten ber abfoluten ©ubftang ober @otte^ gu ben 
3}^enf($en unb feinen B^id\aUn ift babei gar !eine Stiebe, iüenn 
üuä) üon einem 3Ser!)aIten be§ 3}lenf($en pm Slbfoluten, — toa^ 
barin feinen lu^brud finbet, ba§ nad^ @^ino§a gtpar ber SJJenfd^ 
©Ott lieben fott, aber mä)t verlangen barf, ba§ @ott i^n toieber 
liebe. ®a§ eigentliche, fogufagen lebenbige (SJrunb:problem ber 
äöelt ift t>a im ©runbe §u einem matl^ematifd^en tobten, me(j^a= 
nifc^en gemad^t, H^ man geometrifd^ conftruiren Unn. ^iefe 
donftruction ift aber immerl^in auf menfd^lid^e^ 2)en!en unb 
äßirfen nur in befd^ränftem Tla^^ antoenbbar. SSiele^ fügt fid^ 
nid^t unb iüiberfprid^t bemfelben fogar. 21E W^» nun: lüie freiet 
äöoEen, 3^^<^^äfe^9^^^t ober teleologifd^eg 2Bir!en u. bgl. toirb 
t>on Spinoza al^ 6(^ein unb ^äuf(^ung, al^ 2ßer! ber Si^agi^ 
nation betra(^tet unb bel)anbelt. 3^ (^runbe alfo ift bie gange 
©rf($einung§tüelt ber modi tin (SJebilbe ber menfd^lid^en Qmagi^ 
nation o^m vod^xt ^zalität ober 2öir!lid^!eit. SBol^er unb tpa^ 
biefe Imagination felbft fei, ift freilid^ nid^t tpeiter unterfud^t. 
SBenn bie menfd^lid^e SSorfteUung^toelt nur tin ©ebilbe ber 
Imagination fein foE o^ne tüa^re Sftealität, bann mü^te njol^l 



80 n. 2)te ^^Uofo^^ifc^cn ^löfunggücrfuc^e. 

ber einzelne Mtn\^ unb ber toorftellenbe ober imaginirenbe 
3Jlenf(^engeift felbft tüieber eine blofee 35orftelIung fein, ein ©e= 
bilbe ber Smagination, unb e^ inäre bann bie ©pinogiftifd^e 
^f)ilofopI;ie, anftatt ein ftrenger bogmatifd^er ^leali^mu^ gu 'i^in, 
üielme^r nid^t blo^ erfenntnifet^eoretifd^er, fonbern au^ meta= 
pl^pfifd^er Sbeali^mn^ ober öielme^r Smaginationi^mug ; unb 
ta bie menfd^lid^e Imagination felbft hjieber aU (SJebilbe ber 
Imagination gu betrad^ten märe, Sttufionigmu^ xn§> IXnenblid^e.* 
2)ie;§ ftimmt aber feine^meg^ mit ber @runblef)re ©pinoga'^ 
überein, ber§ufolge bod^ hk äßelt auf etüige unb notl^iüenbige 
äöeife au^ ber abfoluten ©ubftan§, au^ bem 2Befen ®otte^ l^er- 
üorgel^t, tt)ie hk ©igenfd^aften einer geometrifd^en gigur au^ 
il^rem Sßefen folgen; ober eigentlid^ nid^t baöon bertoorgebrad^t 
tnerben, fonbern bamit gegeben finb. S)a6 mit att bem ha^ 
gro^e Problem ber 2öelt ober be^ 5Dafeing überl^aupt nid^t ge^ 
löft ift, leud^tet ein. ®er SKenfd^ mit feinem gangen 2ßefen, 
feinen Gräften, 6trebungen, Seiben u. f. vo, tüirb eUn auä) nur 
geometrifd^, nid^t menfd^Iid^ betrad^tet unb fd^eint fein Seben, 
33eh)u§tfein unb ©rfennen nur bagu gu l^aben, um fid^ mit ^e- 
iou^tfein unb S^lefignation aU blofee geometrifd^e (gigenfd;aft gu 
betrad^ten unb in ha§> ©ange gu fügen ober fid^ in ftoifd^er 
l^atl^ie lüie $un!t, 2ink ober gläd^e in med^anifd^er Sßeife ju 
üerl^alten, — toie benn ©pinoga felbft 'tii^ ©efül)le tDie fold^e gu 
betrad;ten unb gu erörtern er!lärt. ©^ ift biefe ^Ijilofopl^ie 
bemnad^ bod^ nur bumpfe 9ftefignation unb ^erjid^t auf alle 
Söfung be§ ^lätl^fel^ be^ ©afein^, tüie fie ber gangen 9}lenfd^en= 
•J^atur, nid^t bloö feiner geometrifd^en 2lnfd^auung§!raft tnU 
fpred^en foll. 

Slnber^ n)ieber ßeibnig. 2lud^ er ift öon bem geometrif d^en 
ober matl)ematifc^en ©eift be^ 17. Qal^rl^unbert^ tjielfad^ geleitet 
unb üon ber fd^roff bualiftifd^en Slnfid^t, tr>ie fie toon ßartefiu^ 



♦ ®. meine ©c^rift : „Ueber bie ©cbeutung ber @inBiIbung8fiaft in ber 
^^ilofo^>^ie Äanfö unb ^pino^a'^" (ü«ünd^cn 1879). 



II. 2)ic ^^itofo^^ifd^en 2öjung8))crfud^e. 81 

ausgegangen mar, berül^rt, aber aud^, tok ©^inoga, beftrebt, 
biefen Dualismus SU befeittgen unb t3oEe fuBftantiette ^in^tit 
{)er§uftetten. 2lber er t^at bieS in gan^ anberer Sßeife aU ©pi= 
noga, — nid^t montftifd^ nämlid^, fonbern pluraliftifd^, tnbem er 
mä)t eine einzige einl^eitlid^e ©ubfiang annal^m, ber gegenüber 
alle SSiell^eit unb ^erfd^iebenljeit eigentlid^ nur aU trefenlojer 
6(^ein gelten lonnte, fonbern toielmel^r eine unenblid^e ^iell^eit 
mefentlii^ gleid^er 6ubftansen finnli(^=geiftiger 5lrt: hk Mo-^ 
naben. S)aS Söefen berfelben ift i^m nid^t blo^eS ©ein, baS in 
fid^ felbft befielet, tok bem Spinoza, fonbern ift i^m ^raft unb 
^^ätigMt, unb §mar 3}orftettungS!raft unb 'Xf)&tiQUit, meldte 
mel^r ober weniger in fid^ entinidelt finb. IXntereinanber [teilen 
fie in feiner 2Bed^feItr>ir!ung, fonbern jebe ift ^in ©anjeS für 
\iä) unb entlPic^elt fid^ auö fid^ C^^k 3Jlonaben ^abzn feine 
genfter). S)amit ift 'i)k unfrud^tbare ©inl^eit ber 6ubftans 6pi= 
noga'S burd^ ben Pluralismus unenblid^ t>ieler, inefentlid^ gleid^er 
(Subftangen, 'i)k nid^t ineiter frud^tbar §u fein braud^en, befeitigt, 
unb gugleid^ ber ßartefifd^e fd^roffe 2)ualiSmuS toom @eift 
(Genien) unb Tlakxk (SluSbel^nung) öermieben, benn in jeber 
3}lonabe ift beibeS ber 3}^öglid^!eit ober gä^igfeit nad^ grunb= 
gelegt. Slber "t^k @inl)eitlid^leit beS S)afeinS unb bie Harmonie 
beS SSeltproceffeS fd^eint bamit untoereinbar §u fein, bafe unenb= 
lid^ öiele felbftänbige äöefenl^eiten eyiftiren, bie in gar feinem 
felbfttl^ätigen 3Ser!e^r miteinanber ftel^en, bal^er aud^ burd^ hin 
3ufammentDirlen ettoaS S3eftimmteS If^ertoorbringen fönnen. tiefer 
6(^toierig!eit gegenüber nimmt nun Seibnig ^in ©intüirfen Lottes 
an, eine präftabilirte Harmonie, bie fid^ befonberS in bem ^er= 
pltnife ^toifd^en 2eih unb 6eele funbgibt, inbem angenommen 
tüirb, ha^ ^a§> l^armonifd^e Sßirfen toon beiben babur($ -gerbet- 
gefül^rt toerbe, ta^ hit 6eelenmonabe mit ber 3Jionabengefammt= 
))tit, bie ben ^tih bilbet, öon IXrbeginn an fo georbnet fei, ha^ 
W öetoegungen ober 5ll^ätig!eiten beiber fid^ immer gegenfeitig 
entfpred^en. (^ott ober feine üraft unb 2Bir!fam!eit erfd^eint fo 
ptfäd^ft nur als baS gufammenl^altenbe unb leitenbe ^anb ber 
3}lonaben; bod^ tpirb (^ott aud^ als Sd^öpfer berfelben aufge= 

5rof)fd)ammer, SUJtjfterium 9J?aguum. fi 



82 11- 2)ie ^^Uofo^^ifc^en JöfungSbcrfuc^c. 

fa^t, aU lXr!)eber ber Söelt, ber biefe frei unb mit Ucberlegung 
unb 2ßa]f)l inö ^afein gerufen l^abe. Unb l)ier nun ift bie 
6teIIe, tdo Seibnij' 5>erfu(^ fic^ finbet, ba^ 2öeItproblem in be= 
friebigenber äöeife ju löfen, tüie er fic5^ biefe 2lufgabe ja aud^ 
in einem befonbern Sßerfe ber „^l)eobicee'' geftettt ^at ^aä) i^m 
l)at ©Ott bei feiner freien äßa{)l bie befte 2BeIt getoollt unb ge= 
fd^affen, fo gut aU fie fein !onnte o^^ne abfolut gut, b. ^, ©ott 
felbft ober ©Ott gleich p fein. 211^ 6d^öpfung !onnte bie 2ßelt 
nid^t ©Ott gleid^ fein, ba fie fonft nid^t 6d^öpfung ober 2Belt n^äre ; 
fie mu^te alfo enblid;, relativ, nid;t abfolut fein. SDarin befte^t 
il^re metapl)^fifc^e llnt)oIIfommenf)eit, au§> tpeld^er bann hu p^t)- 
fif(^e wie t)k moraIif($e Unt)oE!ommenl^eit öon felbft folgt mit 
aE ben :p]()^fifc^en Hebeln, bie in ber Söelt l^errfd^en, un't) mit bem 
fittli($ 99öfen, ba^ in ber 3Jtenfd^enmelt t)or]^anben ift unb au^ 
bem enblic^en Sßillen unb feinen ^efd^lüffen unb %^attn l^er= 
»orgelet. 3^ad^ Seibnij ift alfo bie äßelt fo gut al^ fie fein 
fonnte, njenn fie einmal gef($affen loerben fottte. ©leid^mol^l ift 
fie \a immerl)in fd^limm genug unb !eine^tt)eg§ 2ll[e§ in il^r gut 
unb öortrefflid^. ®a^ biefe SSelt bie befte fei, voiU alfo nid^t 
fagen, ba§ in il)r Sitten gut unb nic^t^ t>om Hebel ober fd^led^t 
fei, fonbern nur, ba^ fie fo gut fei, al^ fie fein lann. 5£)ie 
Hebel irerben burd^ bie ^eljauptung öon ber beften Söelt niä)t 
geleugnet unb ebenfo tüenig n)irb in bumpfer S^tefignation barüber 
]^inh)eggefel)en, tpie man eth?a hzi ©pinoga'^ Dptimi^mu^ tl^un 
möd^te. Slud^ finb fie nid^t burd^ bie Äraft ber (Sinfid^t unb 
be^ ftarfen SBitten^ gleid^fam gu nid^te §u mad^en, tvit etn?a ber 
©toici^mu^ toerfud^en mod^te. Slttein eine üoEe Söfung be^ ^ro= 
blem§ ift bamit eben bo($ nid^t erreicht, benn e^ entfielt nun 
tit iüeitere grage: Sßenn bie SBelt nic^t anber^ fein fonnte liegen 
il^rer nof^tnenbigen ©nblid^leit, al^ fo, ba^ pl)pfifd^e toit mora^ 
lifd^e Uebel aHer 2(rt barin entftunben, tüarum ift fie bann iiber= 
l^aupt gefd^affen unb marum foll 'iiie ©nblid^leit notl^tüenbig fitt= 
lid^ ^öfeg bebingen (menigfteng ber 3)^öglid^!eit nad^j, ober menn 
man batoon abfeilen Witt, marum fott ©nblid^Mt notl^njenbig 
©d^merj unb (Slenb atter 2lrt im ©efolge l^aben, ba bod^ aud^ 



IL 2)te ^^tlofo^^ifd^en £öfung«ber|u(^e. 83 

^nbli$e^ befiel)!, otjne tjon biefem gequält gu inerben, obtpo^l eS 
nid^t aufl)ört, enblic^ gu fein? ^om moralif(^en Hebel ober bent 
^öfen !ann ba§ P^pftf($e Hebel aud^ nid^t fommen, 'oa 'i)k gange 
5Ratur, bie gange lebenbige 2Belt barunter leibet, ohtüo^ fie nid^t 
bewußte SSernunft befi|t unb nx^t felbftänbiger 2Billen^entf(j^ei= 
bungen fäljig ift. 60 bleiben noc^ S^tätl^fel genug ungelöft beftel^en. 
2lu(^ fonft bietet \a Seibnig' ^l^ilofoipl^ie toiel ^un!le§ unb grag= 
tüürbige^.* S)ie 3}lonaben felbft finb in il^rer ©yifteng ober 
5ri)atfäc^li(^!eit nid^t beriefen (toa^^rfd^einlid^ auf 2lnregung burd^ 
^. 33runo al^ ip^potl^efe angenommen). S^re felbftänbige, in 
fid^ gefd^loffene 9f^atur, tooburd^ fie für fic^ fein unb mit an'titxm 
in gar Mner Söed^felmirlung ftel^en unb nid^t§ öon au^en foEen 
empfangen ober na^ au^en fotten mittl^eilen !önnen, ftel^t mit 
allen toaljrnel^mbaren %^at\a^tn be§ ^'^aturleben^ unb ber Tlen- 
fd^en=^efd^id^te unb =:®efellfd^aft in ^i^l^armonie, bie erft irieber 
üinftlid^ burc^ eine njeitere §ppotl)efe toon ber präftabilirten $ar= 
monie übertounben toerben foH. ^ie D^iatur geigt t»ielme!^r im 
©ro^en tüie im kleinen einen burd^gängigen S^^f^^wenl^ang, 
eine unenblic^e 2öed^felh)ir!ung, fotüett toir fie in il^r betriebe in 
ber ©rfd^einung^njelt verfolgen !önnen. SBir Ijaben barum mel^r 
(SJrunb angune^men, bafe fie auc^ ba, ioo ioir i^r 2Bir!en nid^t 
mel)r tjerfolgen !önnen, in äl^nlid^er Söeife irir!e, al^ ba§ fie fid^ 
nun entgegengefe^t toerl^alte. ^ie ©rgeugung neuer Organismen 
ober lebenbiger Sßefen geigt g. 33. fel^r beftimmt eine fold^e 2öe(^fel= 
toirlung unb maä)t bie 2lnnal)me burd^auS felbftänbiger, immer 
feienber @inl)eiten ober 3Jtonaben burd^auS überftüffig, ja ungu= 
läffig, inenn fie 33ebeutung ^aben foE. ©benfo geigt ba§ menfd^= 
lid^e ©efd^led^t allentl)alben engften gufammenl^ang in gemütl^^ 
lid^er unb intettectueUer, n}ie in moralifd^er Segie^ung. ^ie 33e= 
beutung unb 3lufgabe ber ©rgiel^ung ift bar auf gegrünbet, "i^a^ 
iin (^eift (3)lonabe) auf ben anbern irirfen Jonne, ioie im ©e- 
mütl)§leben bie 6eelen in SBed^felirirlung ftel^en in 6^mpat^ie, 



@. meine ©c^rift: „3}ionaben unb 2öclt^^antafie" (^Künc^en 1879). 

6* 



g4 II- 2)ic ^^iIo[o^)^i[{!^cn SBIungööerfut^e. 

SlntipatT^ie unb ben öerfc^iebenften ©efül^Ien. 3n moralifd^cr 
33e3ie]^ung enblid^ ift e^ gerabegu unftattl^aft, bafe fi(^ bie 3}len= 
fd^en iüie abgefc^loffene 3)lonaben t>erl^alten, bie einanber nid^t^ 
angelten unb bereu Söec^felbesiel^uug, tr>euu je eiue ftattfiubet, 
il^ueu uur burd^ eim präftabilirte ^armouie augetljau ^zin foE, — 
Jüobei uod^ uuerüärt bliebe, ir>oI)er ba§ SSer^ältuife ber ^i^l;ar= 
mouie giüifd^eu it)ueu ftamute. ®ie Seibuiä'fd^e Seigre toou ber 
befteu SSelt uub beffeu ^l^eobicee fiub alfo giüar al§ bebeuteube 
33eriu($e auäuer!euueu, ba^ IXebel be^ ^afeiu^ gu erüäreu unb 
mit ber tl)eiftif($eu 6($öpfung^lel;re, mit ber Slnnal^me in ©in= 
flang 5U bringen, bafe biefe 2Belt tro^ il^rer UuüoEfommeui^eit 
bennod^ ba^ 2ßer! eine^ abjolut öoEfommenen, guten unb ge= 
redeten 6(^öpfer^ fei; aber gelöft ift "oa^» fd^trierige Problem 
au6) baburd^ nod^ !eine^it)eg^ unb ber ^effimi^mus unb 5ltl^eig- 
mu:S baburd^, ipie belannt, feinesipeg^ pl^ilofo:pl)ifd^ unmöglid^ 
gemad^t. 

dla^ Seibnij !ann gunäd)ft ^ant bei bem gunbamental^ 
Problem be^ S)afeing in ^ctxaä^t fommen, benn ^erfelei;'^ 
Qbealigmu^ bebarf in metapl^pfifd^er Segie^^ung !aum einer näl)ern 
Sürbigung. ^l)eoretifd^ ^at ^ant eigentUd^ baffelbe t»oEftänbig 
abgele^^nt unb al» für bie menf^lid^e S^emunft ober ©rlenntnife- 
!raft ungugänglid^ erflärt, al^ tüeld^e e^ ja nur mit ben @rfd^ei= 
nungen unb bereu ^Sejiel^ung gueinanber gu tl^un l^aben foE. 
^raltifd^ atterbingg, b. ^. für bie fog. pra!tifd^e SSernunft, ^at 
er bod^ einigermaßen eine Söfung üerfud^t auf @runb ber mora= 
lifd^en D^atur be^ 2)^enfd^en, be^ 6ittengefegeö in i^m, baS fid^ 
im !ategorifd^en Qmperatiö anfünbigt unb geltenb mad^t. S)er 
irbifdje Qwed be§ 3Jienfd^enbafein^ befielet nac^ iljm nid^t barin, 
ta^ er glücflid^ fei in biefem Seben, fonbern ha^ er feine ^flid^t 
erfüüe, t)a§> fittUd^e (SJefefe rein um beö (S^efe^eg unb ber ^flid^t 
tritten, nid^t aug irgenbeinem anbern ©runbe äufeerlid^er ober 
felbftfüd^tig irbifd^er 2lrt. greili(^ muß bod^ aud^ biefe reine 
'4>flid)terfüllung noc^ einen toeitern 6inn unb S>^ed l^aben, nid^t 
ten ber blofeen Unterlperfung, aU tpäre biefe ©elbft^loedf unb 
bebürfte eine» ix»eitern nid;t. S)ie^ füfjrt nun ^ant bod^ toieber 



II. 2)ic ^j^ilofo^^ifci^en ^öfungööerfud^e. 85 

ba!)in, au^ in einem iDeitern ©afein be§ 3Jlenf(^en ein errei^* 
bare§ 3^^^ 5^ poftuliren, eine S)afein§fornt, in melier bie innere 
(fittlid^e) Säefd^affenl^eit mit bem gangen S^afein^guftanb in §ar= 
monie fei, b. 1^. in n)el(^er ber fittlic^en 3SoE!ommenl^eit and^ 
tin t)oII!ommener, befeligter S^ft^^^ entfprec^e. ©in ^oftnlat, 
mit iüelc^em gngleid^ §tt)ei anbete angenommen tüerben muffen, 
nämli(^ bie gortbaner nad^ bem leiblichen ^obe ober bie Un^ 
fterBli(^!eit ber 3Jlenf$enfeele nnb ba§ ©afein ©otte^, ber allein 
jenen :^armonifd^en 3^ft^^^ ^erbeifii:^ren !önne. äöarnm aber 
biefer glniJli^e gnftanb an fo f(^n?ere Sebingnngen gefnüpft 
fei toom 6(^öpfer, irie fie biefe^ ©afein für ten 2Renf(^en 
bietet, mit att biefen Seiben unb ©efal^ren, iüenn eg bo(^ aud^ 
anber^ Ijätte fein !önnen bnrd^ (^otte§ Wlaö)t, ift bamit nid^t er= 
!annt unb nid^t !larer gemad^t aU eg gut^or n3ar. — 3- ©• Sitzte 
fte^t im Sßefentlid^en auf ^ant'^ 6tanbpun!t in 53e§ug auf bag 
SSeltbafein unb bie eigentlid^e Slufgabe beö 3Jlenfd^en. 6ittlid^e 
SSert)olI!ommnung ift bie Slufgabe be^ 2Jlenfd^enlcben§, bie burd^ 
^flic^terfüEung realifirt ipirb, unb bie finnlid^e SBelt ift nur 
©d^auplal unb 3Jlaterial für bie Erfüllung ber fittlid^en ^flid^ten 
für bie 9)^enfd^l)eit. ©a§ §öd^fte, ©öttlid^e für ben 3}lenf d^en 
ift bie fittlic^e Sßeltorbnung, au§ ber bie ^fli(^ten ftammen unb 
bie 3U tiottgiel^en ift. ©er gid^te'fd^e 3beali§mu^, ber nid^t blo§ 
ein erfenntnifet^eoretifd^er, fonbern aud^ metap^pfifd^er ift, ftimmt 
freilid^ bamit nid^t ganj überein — tüenn ba^ Qd^ fid^ felbft 
unb ba^ ^i^ii^ {ha§> Slnbere tiom 3d^, ba0 Dbjectiüe) fe^t, fo 
mufe iDol^l aud^ bie fittli(^e SBeltorbnung felbft batoon gefegt 
tt)erben unb biefe ^at bann bod^ nur einen fubjectiben ß^arafter. 
3ft biefeg ^d^ aber aU allgemeine^ ober abfoluteg 3d^ auf§u= 
faffen (toaä mit gid^te'^ Slnfid^t t>on ber Unmöglid^!eit eine§ 
^erfönlic^en Slbfoluten nid^t inol^l übereinftimmt), bann ift boc^ 
auger ber fittlid^en Söeltorbnung noc^ ein 2lnbere§, ba§ eigent^ 
lid^ ba§ §öd^fte, ©ntfd^eibenbe ift — no(^ über ber fittli^en 
Söeltorbnung. 

©d^elling, gmar t>on gid^te au^gel^enb, tierlieg bod^ be= 
fanntlid^ balb beffen einfeitigen tranöfcenbentalen ^beali^mu^ 



86 11- 2)ie ^^Uo|o^)^tfd^en 2öfung«öcr|u(^e. 

ober fügte biefem bie D^aturpl^ilofopl^ie l^in§u, beibe t)ereinigenb 
im gbentität^f Aftern, in treld^em na6) 6pino§iftifd^er 2lrt au^ 
ßinem Urtpefen ober ©iner ©ubfianj öon no(^ inbifferenter 2lrt 
gtoei @rf^einungg= unb (Snttoi(felung^rei^en l^ertorge^en, bie 
realiftifd^e unb ibealiftifd^e, bie \iä) einanber entf^rec^en, toie 
hei 6pinoga bie modi be^ ®en!en§ unb bie modi ber 2luä= 
be^nung ber beiben Slttribute ber ©inen abfolutcn Subftang. 
60 loarb bie 2öelt ber S^latur unb be0 (S^eifte^ conftruirt aug 
bem 2lbfoIuten, aber ba§ eigentlid^e 2)afein§problem, ba§ 33er= 
l;ältni6 be^ Slbfoluten jur SJlenfd^ennatur mit il^ren Gräften 
unb S^ß^ß^/ 'i'^^ß^ ©trebungen unb Reiben, !am babei nic^t 
eigentlid^ in ^etrad^t. 93alb inbefe fanb ©d^etting felbft burc^ 
biefe 2lrt t»on ^^ilofop^ifc^er (rationaler) ßonftruction, bie nur 
in abftracten, leblofen gormein fid^ beioegte, fic^ nid^t me^r 
befriebigt unb er [teilte ]id) ^^rit tiefere Slufgabe; bie nämlid^, 
bie 33ef(^affen]^eit ber Statur überl^aupt unb bie be^ 3J^enfd}en 
in»bef onbere in i^rem ^erl^ältnife gum 2lbf oluten ober ^ur ©ott= 
l^eit gu erforfd^en, ba^ Söol^er unb 2öarum biefer 2ßelt mit il^rer 
^efd^affenl^eit §u er!ennen, alfo jene grage pl^üofopl^ifd^ ju be= 
anttoorten, ioeld^e ^ie S^leligion ftet^ für ben ©tauben beant= 
ioortet unb beftimmt ^ai, — toie mir fallen in öerfd^iebener, 
aber !einegmegg befriebigenber 2Beife, ba ©otteSbegriff unb 2öelt= 
^Sefd^affenl^eit babei fo toenig in Harmonie erfd^einen. ©d^etting 
fd^lofe fi(^ bei biefer gorfd^ung l^auptfäd^lid^ an Sai^ob S3öl^me 
unb jum %^ti\ auc^ (xn ben alten ©noftici^mu^ an, verlor fid^ 
"üo^bti in ^l^antaftifd^e (s;onftructionen, in benen er ©ott mit 
feinem ßeben^^roce^ unb bie Söelt unb äJ^enfd^^eit mit i^rer 
©nttüidfelung miteinanber t»erbanb unb öermifd^te, unb bie menfd^* 
Ud^e 9leligion§entn)idelung ju einem tl^eogonifd^en ©nttoidelung^- 
procefe geftaltete. 3)ag über!ü^ne S3eftreben, ba^ gange 2)afein 
big in feine legten göttlid^en unb menfd^lid^en @el)eimniffe gu 
ergrünben, lie§ i^n bie SSal^n beg Haren, fidlem S)en!eng üer- 
laffen unb fid^ in un!lare ^id^tungen unb unbetoei^bare 2luf:= 
ftellungen t)erlieren. ®a^ er in )iCi^ Slbfolute nad^ S3öl;me'g Sßor= 
gang aud^ bie Söurjel ober ©runblage be^ materieEen 6eing 



IL 3)ie ^^tlofo^^ifd^cn SöfungSöerfud^e. 87 

t^erlegte, !ann n)ol^I aU not^n?enbige§ ^oftulat gelten (it)ie bie§ 
aud^ bei Dem ^l)iloiop!)en ^aaber ber gatt tft), aber feine 
treitern ßonftrnctionen naä) bem 35organge S3ö^me'g fönnen auf 
miffenfd^aftlid;e ^ebentnng leinen 2lnfprnd^ mad^en unb bringen 
auä) tüeber rationale nod^ ibeale 2luf!lärung über ba§ Mysterium 
magnum biefe^ 5Dafein^, mad^en toielmel^r baffelbe nod^ bun!(er 
aU e§> f($on ol)ne^in ift, infofern ©Ott felbft aB leibenber gactor 
in ben ^roce§ be^ Sßeltgefi^el^eng öerflod^ten erfc^eint, — fobafe 
bie S3egriffe r)on (^ott unb 2ßelt ^ugleid) i^re Sebeutung, i^ren 
flaren 6inn verlieren. — §egel l)at fi($ ä^ar toon biefen fub^: 
iectiten ^^antafiebilbungen frei gel^alten, unb bafür eine logifd^e 
ober bialeltifc^e ßonftruction be§ 5Dafein§ au^ ber ©elbftbeiüegung 
ber S3egriffe, au^ bereu (Segenfa^ unb fid; 2luf^eben t>on gloei ent= 
gegengefejten berfelben in einen britten mit neuem ©egeufa^ u. f. f. 
eingefül^rt; — eine S)iale!ti!, bie nid^t blo^ ben logifd^en ©ang 
be§ ^afeing in 9latur unb ©efd^id^te barfteHen fott, fonbern 
§ugleic^ ha§> SBefen ©otte^, h)ie e§ an fid^ ift, abgefel^en t>on 
ber 2öelt unb bem enbli(^en ©eifte. 5lber biefe bialeftifd^e (Son= 
ftruction gibt feinen lt)ir!lid;en Sluffd^Iufe über 'Da§> „Söarum", 
über ben 6inn unb bie ^ebeutung be§ S)afeing, iüeber beg gött= 
lid^en noä) be§ menf($Iid^en. 6elbft tpenn fie gan§ richtig ift, 
erfäl^rt man nur t^a^f 2ßie, ben logifc^en ober mec^anifd^en SSer- 
lauf be^ 9^atur= unb ©efd^id;tgproceffeg, aber ein ireitere^ 3Ser= 
ftänbni^ beg Qn^alt^ batoon mirb un^ nic^t gu S^eil. ^a§ 
^erl^dltni^ ber leibenöoHen unb fo oft üernunftlofen, unlogifd^en 
©nblid^feit gegenüber bem 2lbfoluten, 'oa^» lauter Sl^ernunft, b. f), 
Sogi! ober ®iale!ti! fein fott, bleibt un^ bun!el unb üottftänbig 
unbegriffen, befonber^ begüglid; be^ ©emüti^^lebeng unb beö fitt= 
liefen ^erl^alten^ im 3}lenfd^enbafein. — 2Bir looHen nac^ biefen 
nur nod; einen SSertreter ber neueften gur 3Robefad^e geiporbenen 
(peffimiftifd^en) ^:^ilofo^l)ie furg in ^eixaä)t ^k^tn: 21. Sd^open- 
l^auer, ben f(^mä^füc^tigen, fanatif d;en ©egner ^egel'^ unb 
aller übrigen ^^ilofoipl^en ber S^eugeit mit 2lu§nal)me ^ant'§. 
dx glaubt belanntlid^ ba§ grofee Sßelträt^fel baburd^ gelöft, bag 
tieffte 3}l^fterium beg ^afeing baburd^ entpUt gu l^aben, ba^ 



88 n. 2)tc ^)MIo[o^^i|c^en $?öfung8toer[uc^e. 

er ben Blinben, bummen Sßillen jum Sßeltprincip unb sunt 
todf)xcn Söefen aUe§> ^afeinö maä)t unb bie 2öelt peffimiftif^ 
für grunbfc^Ied^t erüärt, für fo fd^Iec^t, bafe fie nur eben be= 
ftel^en !ann, unb bafe e§ beffer inäre, tüenn fie nic^t eyiftirte, 
aU 'üa^ fie toor^anben ift. ©ine Sßeltauffaffung, bie eigentlt(j^ 
fein 2BeIträt^feI, ba§ gu löfen tüäre, me^r übrig läfet. ®enn 
wenn ber Sßeltgrunb blinb unb bumm ift, fo ift barin it>eiter 
ni$t0 ntel^r §u er!ennen unb ift auä) eine ©rfenntnife barum ni(^t 
nrögtid^, ireil feine ©rfenntniPraft au§> biefem ©runbe ]^ert>or= 
ge^en fann unb fonnte (aU burd; {jtexaßaaic d^ aXko^hoQ ober 
burd^ tim 2(rt generatio aequivoca), felbft nic^t fo tiiel, um gu 
erfennen ober §u beurtl)eilen, ba§ ber Söeltgrunb blinber, buntmer 
SßiHe fei. 2ßa§ barau^ l^ertoorging, fann feine 33ebeutung l^aben 
unb fein SSertrauen t»erbienen. Söo^er bie SSernunft, au§ iDeldjer 
bo(^ bie SBiffenfd^aft unb bie ^]^iIofop!)ie felbft ^ert>or§uge:^en 
l^at, bei fold^em ©runbprincip fommen foll, ift ni(^t abjufe^en 
unb felbft ha§> ift babei unbegreifti^, n?ol^er anä) nur ba^ Seiben, 
bag 5um ^effinti^mu^ Slnlafe gibt, ftammen foH, ba Seiben eine 
Störung be^ 0lormalen, 6einfolIenben, Sbeegemäfeen öorau^fe^t, 
ba^ unmöglich au^ einem blinben, bummen, betou^tlofen Ur= 
lüefen abgeleitet iüerben fann. ^§ ift unnötlf^ig, tneiter l^ierauf 
einjugel^en.* 

Heberblicfen tioix nun ben SSerlauf unb ba§ S^efultat ber 
p^ilofop'^ifd^en ©nttüicEelung (im 2lbenblanbe), fo geigt fid^ un^ 
atterbing^ aud^ fein fel)r jufriebenfteHenber ©rfolg bejügli(^ 
be^ großen ©runbproblemg be^ 3)afeing — toenn aud^ immer= 
l^in ber SSerftanb babei mel)r 33efriebigung finbet aU burd^ bie 
Sfieligionen unb i^re gefd^id^tlid^e ©ntmitfelung, bie il^rerfeit^ 
burd^ concrete SSorftellungen für ©emüt^ unb SBillen mel^r S3e= 
friebigung unb SJlotitoe getoäl^ren. 2öir fönnen fagen: ©ering 
erfd^eint ber ©rfolg ber p]^ilofo:p^ifd^en gorfd^ung, n^enn irir 



* @. meine 51b^anblung: „SBide ober ^^antafie?" in ber 3«itid()rift 
für ^^ilofo^^ie unb ^^itofo^^ifd^e Äritif (^atte 1885), 33b. 86. 



, IL S)te ^^itofop^ifd&cn Söfmtgööerfud^c. 89 

auf bag Milien, tüa^ nid^t erfannt, ntd^t gur ©enjtfel^eit gebrad^t 
iüorben ifi, aber immerl^in bod^ gro§ unb bebeutenb, menn mir 
in S3etrac^t giel^en, au^ tüelc^ untooUfommenem geiftigen S^ftanb 
bie n)iffenf(^aftli(^e X^tig^hit bie SSöüer l^erau^gebrac^t l)ai 
nnb mit iüelc^en ©d^tnierigleiten unb felbft ©efa^ren fie babei 
gu fämpfen l^atte. S^id^t blog tieffte Uniriffenl^eit in 33egug auf 
hk D^atur, bereu ©egenftäube unb 3Serl^äItniffe unb gröbfte 
Söa^ngebilbe in S3egug auf Uebernatur unb ©öttlid^eg Tratte fie 
gu übern^inben, fonbern auc^ beftänbig um i^re ©jifteng unb 
S3ered^tigung gu !ämpfen gegen bie SSertreter ber lXntt)iffenl)eit 
be§ 3Sol!eg unb ber religiöfen Söa^ngebilbe, bie fid; mit ber 
9^aturbetrad^tung innig toerbunben l^atten unb bie rationale 
(grforfd^ung unb ©rüärung berfelben aU Eingriff auf bie 9leli= 
gion erf(^einen liefen. Sogar mit ben eigenen gorfd^ung§refuI= 
taten ^atte unb l^at bie ^l^ilofopl^ie gu lämpfen, infofern näm= 
li(^ bie frühem p^ilofopl^ifd^en 2lnfid^ten ober Slufftettungen 
in§ Gebiet ber religiöfen Se^ren aufgenommen unb in ©lauben^= 
fä^e für ba^ populäre religiöfe 33en)ufetfein t>ertr)anbelt trurben, — 
iDie hk§> §. 35. bei mand^en !ird^lid^=c^riftlid^en Dogmen ber gatt 
ift, bie nun ha§> ftär!fte §inberni^ freier iüiffenfd^aftli(^er, in^= 
befonbere p'^ilofopl^ifd^er gorfd^ung bilben. 

S)er SSerlauf ber gefc^id^tlid^en ©ntinidelung ber ^^ilofop^ie 
ift §tüar lein ftreng logifd^er, etiüa nad^ beftimmten Kategorien 
in ftrenger notl^irenbiger 2lufeinanberfolge fid^ abfpielenber, aber 
bod^ aud^ hin gufäEiger unb perfönlid^ unb fad^lid^ tnittüirlid^er. 
5Da^ ©runbproblem tüurbe nid^t in regelmäßiger, gleid^förmiger 
9flei^enfolge §um ©egenftanb ber gorfd^ung gemad^t, fonbern 
t>on tierfd^iebenen ©eiten betrad^tet, t>on toerfd^iebenen @tanb= 
pun!ten au§> in Eingriff genommen je nad^ Begabung, 3flid^tung 
unb Irt ber ^^ilofopl^en, bie fid^ bamit befd^äftigten. S)aburc^ 
entftunben im Saufe ber Qüt toerfd^iebene pl)ilofopl^ifd^e 9iid^= 
tungen unb ©pfteme, bie man ber ^l^ilofopl^ie fo fe^r gum ^ox- 
inurf mad^t toon ©eite il^rer Gegner, inSbefonbere 'oon Seite ber 
Vertreter be^ religiöfen ©lauben^, — al§ ob bie @laubeng= 
Eid^tungen unb -©^fteme nid^t nod^ tneit mel^r ^erfd^ieben!()eit 



90 II. 3)ic ^^UofoV^if(f)en 2ö)ung8t»er[uc^c, 

UTib fogar geinbfd^aft !unbgäben aU bie ^l^ilofopl^ie mit t^ren 
3^erfd^iebenl^etteu! 2)iefe toerf($tebenen p!)iIofop:^ifc^en ^iid^tuugeu 
^eben fi($ nid^t gegenjeitig auf unb üernii^teu fid^ ni(^t gegen- 
feitig, fonbern ergangen fic^ öielmel^r, menn fie aud^ im Slnfange 
fid; aU ©egenfä^e gueinanber t}erl;alten. ^ie öerfd^iebenen 
9^t($tungen iüerben nad) einiger 3^^^ ^^$ ^^^^^^ l^altbaren 
3)iomenten gur ©inl^eit öerbunben, tr>ie bie^ g. ^. burd^ 5lrifto^ 
teleg in ber gried^ifc[;en ^^ilofop^ie, burd^ X^oma§> üon 5lquino 
mit ben mittelalterlid^en 9iid^tungen gefc^alf). ^on biefen SSer:= 
einigungspunften au§ beginnt bann tt)ieber ©(Reibung in t)er= 
fd^iebene 9tid^tungen, je nac^ 33ebürfni§ ber S^xt ober befonberer 
9^eigung ber gorjd^er, t^a nid^t alle 3Komente auf einmal gort= 
bilbung finben !önnen unb bal^er getüiffe (^infeitig!eiten unöer- 
meiblid^ finb. Iber fie bilben barum nod^ nid^t untoerfö^nlid^e 
©egenfä^e, fonbern ergangen fid£) gegenfeitig. S)arum !ann man 
nid^t bel^aupten, bag bie pl^ilofopl^ifd^en ©pfteme gegenfeitig auf= 
lieben, einanber toernid^ten, fobafe bie (^efd^ic^te ber ^l^ilofopl^ie 
e^ nur mit 2ei6)tn ober Seid^enfteinen ber ©^fteme gu t^un 
^aU. 2öie unrid^tig "ou^» fei, gel^t fd^on barau^ l^erüor, ba§ 
frühere 6i;fteme, bie eine 3^^^ ^^M unbead^tet ober tüenigften^ 
ol)ne bebeutenben ©influfe auf bie pl^ilofopl^ifd^e ©ntmid^elung 
tparen, h)ieber aufleben unb grofee 2Bir!ung ausüben, iüie bie^ 
g. 33. bei ber ^^ilofop^ie be§ älriftotele^ im 3}iittelalter, be§ 
^laton in ber Seit ber Sflenaiffance, be^ 6pinoga am (^nbe be§ 
tjorigen Sa^rl^unbert^ unb mit ^ant in ber ©egeniüart gefd^a^. — 
'^aUi ^ai bie p^ilofop:^ifd^e ©ntmidelung nod^ bie^ tor 'iicn bog^ 
matifc^en Dfteligion^f^ftemen üorau^, ba& biefe legtern, tüeil fie auf 
abfolute ©ültigfeit Slnfprud^ mad^en unb Unterwerfung be^ 3Ser:^ 
ftanbeä (Sacrificium intellectus) forbern, o^ne eine eigentlid^e ^rü= 
fung guplaffen, fid^ für untoeränberlid^ unb alfo unöerbefferlid; 
erflären, alfo ftel^en bleiben iroUen. Stehen bleiben mitten in ber 
55eränberung alle^ Uebrigen im geiftigenSebcn burd^ bengortf^ritt 
ber Söiffenf^aft unb i^re altüberfommenen, im £id^te früherer 
SBiffenfc^aft feftgefteüten £e^ren burd^au^ feftl;alten unb ^tn Mtn-- 
fd^en, aud^ ben gebilbeten, aufjuänjingen fud^en, — föaö bei ber 



IL 2)ie ^^itofo^^tfd^en üöfunggijcrfud^e. 91 

?P^ttofo^^ie mä)t ber gaE ift. 3)a^er ift aud^ 3^«^9 ^«^ ^^^= 
folgung fcei biefer au^gefd^Ioffen unb jebeg ©Aftern !ann nur auf 
fo tiiel ©eltung Slnfprud^ mad^en, aU bie ©rünbe unb 33etr»eife 
bafür mert^ finb unb folange fie ber ^riti! 6tanb l^alten. 3n ber 
p^ilofo:p{)ifd;en @ntmi(felung ge^^t bal^er immer bie ^riti! beS U^^ 
l^er 33e]^aupteten §anb in §anb mit ber gorfd^ung nad^ neuer @r= 
fenntnife unb nac^ 3Serbefferung ber bi^^erigen Stefultate. ^on 
3eit SU Seit fte^t fogar ba§ p^ilofoip^ifd^e S)en!en gleid^fam öor fid^ 
felber ftitt, um fid^ in 33e§ug auf feine S3erec^tigung unb Sf^uv- 
läffigfeit gu prüfen unb fid^ felbft gu !ritifiren, \a ganj in grage 
äu [teilen, ^er 6!eptici^mu^ ober inenigfteng ^ritici^mu^ tritt 
t>on 3eit p 3ßit auf aU ^ritüer unb Gegner be§ Dogmatismus 
unb jtoingt gu erneuter Prüfung, fotool)! ber bisherigen ir>ir!= 
lid^en ober nur fd^einbaren p^ilofop^ifd^en ©rrungenfd^aften, \a 
§u erneuter Prüfung beS pl^ilofopl^irenben ^eifteS ober ber 35er= 
nunft felbft, ob fie aud^ fo geeigenfi^aftet fei, 't)a^ fie bie ge= 
fteHten pl^ilofopl^ifd^en Probleme löfen !önne. 60 tann W 
^^i^ilofop'^ie nid^t auf ftarre ^Dogmen ausgeben, bie ben SJlenfd^en 
burd^ IXeberrebung beigebrad^t ober mit ©etoalt gum ©lauben, 
b, ^, 2lnnel^men ober ©eltenlaffen, aufgebrungen trerben fotten, 
tüie bie (BlaubenSfä^e ber pofitiüen SfteligionSfpfteme unb ^irc^en, 
fonbern i^re 2luffteEungen bürfen unb muffen immer iüieber neu 
geprüft Serben, ob fie aud; mirflic^ SBal^rl^eit feien, ob t)ott= 
ftänbig ober nur tl^eiltoeife ober burd^aus nid^t. Die ^l^ilofop^ie 
!ann bal^er aUerbingS nid^t toie SJiat^emati! unb eyacte ^flatur^ 
miffenfd^aft eine 6umme üon für immer gültigen 6ä^en un'D 
gormein auffteUen, bie einmal getüonnen, nii^t mel^r in grage 
geftellt trerben !önnen, unb bie unter allen (S3efid^tspun!ten gleid^ 
bleiben, foba§ auf i^nen fid;er weiter gebaut ioerben fann, — 
ein ^erfal)ren, t^a^» bei fo gan§ anberS geartetem @r!enntni§= 
(i^egenftanb bie pofitiöe ^Ll^eologie nad^al^men toitt unb baburd^ 
fid^ felbft gur lXnfrud^tbar!eit öerurt^eilt. Die ^^ilofop'^ie aber 
gewinnt feine Dogmen, bie blos geglaubt, nid^t erlannt tnerben 
lonnten ober bürften, unb fie fann- feine Sluctorität aufftetten 
ober anerfennen, fonbern fie mu6 immer tt>ieber in grage [teilen, 



92 II. 2)ie Vi)tIoi*o^^ijd^en ?öfung8öer[uc^e. 

mnfe immer neu prüfen nnb getüiffermafeen toon toorn anfangen 
unb Bei il^ren gorfd^ungen unb ©arfteUungen aUen ^tefultaten 
ber fortfc^reitenben 2öiffenf$aft 9ted^nung tragen, um Qrrtl^ümer 
ju üljertrinben unb Söa^^rlfjeit ^u getüinnen unb feftsufteEen. 
©0 ift fie niemals fertig, nie im tooHen Sefi^ ber äöal^rljeit 
(im fa(^Ii(^en 6inne) im gefdf)i($tli(^en, geiftigen ©nttridelungg^ 
^roce§ ber HJlenfd^l^eit; aber fie ift bod^ immer Söa^r^eit, h)0 
fie ernfte^, aufrii^tige^ Streben nad^ Söal^rT^eit ift; fie ift aU 
foI(^e§ Streben lebenbige SBa^rl^eit, au(J iüenn fie irrt, 
mä^renb ber, n)el($er im Sefig ber ir»ir!lid^en SQßal^r^^eit ift, bie= 
felbe bod^ nid^t befijt, toenn er fie bIo§ med^anifd^ feftl^ält, oljM 
\\ä) t)on il^r beleben unb bel^errfd^en gu laffen, — äl^nlid^ iDie 
berjenige ^iitii^ gut ift, ber mit aufrid^tigem ^ergen feinem 
@eir>iffen unb beftem 2öiffen folgt, auä) n)enn er fid^ in fad^Iid^er 
33ejiel)ung im Qrrtl^um befinbet ober einem irrigen ©etniffen 
golge leiftet. 

3m golgenben mag nun ber 3Serfud^ gemad^t n)erben, ba§= 
jenige barguftetten, ma§ im gegentoärtigen ©tabium ber geiftigen 
©ntiüidf elung , begüglid^ be§ 2lbfoluten aU fidlere ©rlenntnife 
gelten lann, unb bann, \Da§> begüglid^ ber $erfönlid^!eit be^ 
Slbfoluten ober (Sottet mit mel^r ober weniger gutoerläffigleit 
fid^ beftimmen lä^t, — alfo tva§> man gur Söfung be^ ©runb= 
^roblem^ be0 ^afein^ mit me^r ober iueniger ©id^erl^eit ip^ilo- 
fop^if(^ behaupten !ann. 



III. Srfenntni^ be8 SlBfoIuten unb abfolute (grfenntniB u. f. n?. 93 



IIL 

Crkennini^ Us Mfolnitn unb abfolute 
frkenntni^. Die göttUdje $)erf8nUd)keti. 

3Sä^renb bie S^leligtonen ba^ §ö(^fte, 'ok entf($eibenbe Ttaä)t 
beg ^afeing in SSe^ug auf @jiften§ unb ©efi^tcf beffelben — 
allentl^alben aU perjönlii^e, aU Betrübte, benfenbe unb trirlenbe 
Söefenl^eit betrad^ten, aU ©Ott ober ©ötteiv mit benen bie 3Jienfd^en 
burd^ ben ^ultu^ in SSetfel^r gu treten fud^en, — l)at bagegen 
t)k ^^ilofopl^ie il^ren SSerfud^ ber natürlichen 2Belter!lärung, 
mie n)ir fa^en, mit einem unperfönlid^en IXrprincip, nod^ bagu 
einem ganj materietten begonnen unb einige ä^it l^inburd^ fort= 
gefegt. Un'o auä) al§> fie gur ©eiftigMt 'i)k\e§> ^xindp§> i)or= 
gebrungen unb baburd^ mit bem religiöfen ©lauben in näl^ere^ 
SSerl^ältnife trat, unb aU fie burd^ S^erftanbe^forfd^ung pr Sin? 
na^me eineg perfönlid^en ©otte^ !am, tr>ie in ber 9ieligion burd^ 
^l^antafiet^ätigleit mit i^rer concreten (perfonificirenben) ^iU 
bung^mad^t fid^ ber Glaube an ©Ott ober ©ötter ober überl^aupt 
übernatürlid^e geiftige Wlä^U \\ä) gebilbet unb enttüidelt l^atte, — 
aud^ bann nod^ iüurbe !eine unbebingt gültige, unerfd^ütterlid^e 
©rfenntnife errungen, tro^ aller ^emonftrationen für ^afein 
unb (Sigenfd^aften ©otteg. ®ieg Problem ift nod^ immer ber 
2öiffenfd;aft gu löfen gegeben, befielt in biefer ^e^iel^ung nod^ fort, 
tnenn aud^ in ber Df^eligion burd^ ben ©lauben '^a§> S)afein unb 
2öir!en eine§ perfönli(^en ©otte^ feftgel^alten tüirb. 2ßa^ bie 
SSiffenfd^aft, in^bejonbere bie ^^ilofop^ie enbgültig unbebingt 
©etniffe^, 6id^ereS errungen ^at, befd^ränft fid^ auf W aKge^ 
meine 2Befen^ftig!eit ober 6ubftantialität , bie allgemeinen 
©runbgefe^e unb ©runbprinci^Dien be^ 6eing unb ©efd^el^ens 
in biefem S)afein; auf fold^e^, 'i)a^ nur im S)en!en erfaßt unb 
al§> iDefentlid^, al^ not^tpenbig unb einig, al^ nid^t nid^tfeienb 
unb nid^t nid^tfeinlönnenb geiftig gleid^fam gefd^aut, nid^t aber 



94 ni. @rfcnntni§ bc8 3li6fo(utcn unb abfolute @rfcnntni§. 

mit ©innen n)at)rgenommen unb ni^t bur^ (Srfal;rnng entf(^ieben 
n^erben !ann, tt»enn auä) burd^ biefe ba§ @r!ennen batoon an- 
geregt nnb ermöglid^t iüirb. ^ie finnli(^e ©rfa'^rung in ber 
©rfd^einungStpelt !ann \a liberl^aupt, tok ^ant fo fe^r betont, 
!eine allgemeine unb notljiDenbige Urtt)eite ober @r!enntniffe ge= 
iüä^ren, fonbern tk^e lönnen nur au6 bem ben!enben Reifte gelber 
lommen, unter 2lnregung aUerbingg ber ©rfa^rung. ^ie ©inne 
!önnen iDol^l fi(ä^ere, tva^xe @r!enntni§ getüäl^ren, @r!enntnife 
be^ Söirüid^en, %^ai\ä^lxä)tn, aber feine abfolut fii^ere, tpeil 
bie ©inne (au^ objectitoen ober fubjectiöen ©rünben) täufd^en 
!önnen, unb gen)äl^ren feine not^toenbige Söal^r^eit, tpeil bie 
©rfa^rung^organe, in^bejonbere bie äußern ©inne, nur ba^ 
2leu§erli(^e, @rfd;einenbe, SSeränberlid^e unb Vergängliche für 
ba§ SSetDufetfein unb ©treben t)ermitteln. ^a§> 5Denfen aber, 
ber erfennenbe @eift felber fann ^f^otl^menbige^ unb ©toige^ 
ipa^rne'^men, genötl^igt burd^ feine D^iatur, feine ©efe^e unb 
Einlagen, hu i^m bur^ bie innere 9Röt^igung ber ^enfgefe^e, 
bie S)enfnot!^h)enbigfeit, unb hutä) ba§ innere Sid^t, bie geiftige 
©tiibeng ba^ funbgeben, voa§> notl^inenbig unb rational (unb 
ibeal) ift, toa^ niä)t nid^tfein unb nid^t anber^ fein fann. 

2ßir ^ben biefe^ ©etoiffe, D^otl^menbige ber ©rfenntnife, 
iDelc^eS ©rrungenfc^aft ber bi^^erigen geiftigen ©nttricfelung ber 
3)lenfd^l)eit ift unb alg abfolut gültig in abfolut getoiffer ©r^ 
fenntni^ betrad^tet werben fann, in ^ürje §u betrachten. 

gunäc^ft ift al§ fidler anjune^men ein ©ein ober toielme^r 
ein ©eienbeg ober real (Syiftirenbe^, ba§ allem ©rfd^einenben, 
3Seränberlid)en aU beljarrenbel Sßefen, aU untoeränberlid^e, un= 
ijergänglid^e ©ubftanj §u ©runbe liegt unb SlHem, aud^ bem 
SSeränberlic^en, auä) bem ber gorm ober (Srfd^einung^tpeife nad^ 
SSergänglid^en ein 3Jloment eiüiger SSal^rl^eit t)erleil;t. D^ne 
fold^ ein gu ^runbe liegenbeS fubftantiette^ äßefen, ba^ fein ©ein 
ober ben @runb feinet ©yiftiren^ in fic^ felbft trägt, bei bem 
alfo ©yifteng unb Sßefenl^eit ein^ finb (cujus essentia involvit 
existentiam), alfo ol^ne ©ubftanj (ber 33egriff nid^t im Slrifto- 
telifc^en, fonbern im mobernen ©inne genommen), tr»ürbe ba^ 



2)ie göttliche ^erfUnüd^fcit. 95 

gange ® afein al^ eine Sllufion, al§ ein nichtiger ^^ün le- 
trad^tet iperben muffen. Unb gtr»ar Genien toie 6ein ipäre 
iEuforifd^ ober nur 6c^ein: ha^ ^en!en ginge auä ber Sttufion 
ober öielmef)r bem nichtigen 6($ein be^ 6ein^, ba§ Qein au§> 
ber Sllwfion be§ ^en!en^ l^ettoor, iüäre Qttufion ber Sttufion, 
nichtiger ©c^ein be^ nid^tigen 6($eine^. 5Dieg toäre im @runbe 
ein rabicaler S^ii^ili^mu^, ber freilid^ fc^on be^i^egen niä^t mög= 
lid^ ift, tüeil felbft §um teufen be§ 9f^i^ili^mu§ ein 6ein, ein 
benfenbe^ ©ein unb feienbeS, realem $Den!en notl^iDenbig ift, 't^a 
fonft bag ^xä)i§> al§> t)om ?fliä)t§> gebadet angenommen tüerben 
mü^te. 2llfo eine tl^atfäd^lii^e, abfolute S^tealität ober ©ubftan§ 
ift anjune^men, nid^t blo^ tin abflracte^ ©ein aU @in^ unb OT 
ol^ne £eben unb gütte, mie bie ©leaten e§ annahmen; toielmeijr tin 
©ein, eine ©ubftans, tpeld^e bie güHe aUt§> ©eienben, ©rf(^einen= 
ben aU ©runblage unb üueHe in fid^ fc^liefet, nur fruchtbarer 
unb lebenbiger aU ©pino§a'^ <Bub\ian^ mit il^ren ebenfo un= 
lebenbigen 2lttributen: '^tnUn unb Slu^bel^nung. 5Diefeg unbebingt 
©eienbe, 'i^a§> reale, befjarrenbe @runbtr>efen alle^ erfd^einenben, 
t)eränberli(^en ©ein^ in feiner unenblid^en 3}lannic^faltig!eit, 
!ann auc^ aU causa sui begeii^net n?erben; eine ^egeic^nung, 
't)u freili(^ im ©runbe nur fagen tüill, ba§ e^ leine lXrfa(^e ^dbz, 
bem ©efe^e be§ Söerben^ ni^t untertüorfen ift, iüeil Sßefen unb 
©jiftens ^^ ^W it^i^t gu trennen finb. 2öie man alfo bur($ 
2lbftraction öon allem SSerfc^iebenen, SSeränberli($en gu einem 
l)ö(^ften, allgemeinen ©ein (©eienben) gelangt, 't)a§> in fid^ felbft 
ift al^ Sflealität unb @yiften§ unb ni($t eine^ 2lnbern gum ^^in 
bebarf (vok bie enblic^en 2)inge), fo gelangt man am ©efe^e 
ber ßaufalität ju ber ©rlenntni^ beg einigen, alfo unentftanbenen 
^afeing biefer ©ubftang ober an ft($ feienben 9flealität. Unb 
gtüar t)on jebem ©eienben, aud^ "von ber ©yifteng be^ ©eringften 
au§ !ommt man ben!enb mit 3Iotl)n)enbig!eit §ur etotgen ©yifteng 
beg fubftantietten llr= ober ©runbfein^. gebe^ !leinfte ^ing 
fe|t emige ©yifteng öorau^; 'üa e§ ift, fo mu^ immer unb eit>ig 
ettr»a^ gemefen fein, benn toäre einmal nic^t^ getoefen, fo fönnte 
auc^ j[e§t nic^t^ fein, 't)a au§ S^lid^t^ nid^t @ttr»a0 l^ertoorge^en 



96 ni. (SrfenntniB beö Slbfolutcn unb aBfoIute (grfenutm§. 

!ann, ba§ 9lid^teyiftirenbe mä)t§> §u probuciren toermag, au§ 
3Zt(^t§ toon felbft ni(^t§ tüerben iann, S)urc^ emptrif(^e Sßal^r^ 
neljmung, burd^ ©rfal^rung !ann bie^ aüerbing^ niä)t erfannt 
ober conftatirt unb beriefen Serben, 't^a ba§ ©trige, Unenblic^e 
unferer ©rfal^rung ober birecten 2öal^rnel)mung un§ugängli(^ i% 
aber geifttg gefd^aut !ann biefe D^otl^menbigfeit mit tooller, nötbi= 
genber ©toibeng werben im menfd^Iid^eu ®en!en, — toenn auä) 
erft, nad^bem bie geiftige ©nttDi(!elung einen getüiffen ©rab er= 
reid^t, in^befonbere W ^enüraft fo lüeit geübt ift, bafe fie ber 
Slbftraction in l^öl)erm 3Jlafee fäl)ig ift unb felbftänbig il^ren 
©efe^en gemä^ mit S3egriffen ju operiren vermag. 3n fold^er 
2)en!t]^ätigfeit ipirb e§ al§> unbebingt fidler erfannt, 'i^a^ iebe§ 
©eienbe entiüeber eine reale IXrfad^e l^aben ober emig fein mu^, 
ioeil e§> nic^t ol;ne Urfac^e, b. l). au^ 9^id^t§ toon felbft entftanben 
fein !önnte, toenn ex> einmal nid^t getoefen ipäre. 

3n bem jule^t S3emer!ten ift fd^on bie^ entljalten, bafe, n)ie 
eine etüige 9lealität ober 6ubftantialität beg $Dafein§ mit un- 
bebingter 6id^erl)eit burc^ "oa^ rationale S)en!en erfannt toerben 
fann aud^ ol)ne (^rfal^rung, fo aud^ allgemein gültige ©efe^e 
be^ 6eing (©efd^e^en^) unb ^en!en§ mit gleid^er ©id^erl^eit er- 
!annt unb angetrenbet ioerben fönnen. ®iefe @efe|e !ommen 
in "oa^f menfd^li($e ^etoufetfein sunäd^ft al^ (^runbgefe|e be§ 
^en!en§, — - freilid^ erft, nad^bem f($on lange iljnen gemä§ unb 
burd^ fie in ber 3)lenfd^l;eit gebadet unb ©rfenntnife errungen 
morben ift. S)iefe (S^efege be^ ®en!en§ toerben aber aud^ al^ 
©runbgefefee be^ ©ein^ unb beö realen ©efd^eljen^ erfannt, fo= 
balt) bie 9^aturerfenntni§ bi^ gu einem getoiffen ©rab gebieljen 
ift; — felbfttierftänblid^ übrigen^, trenn boc^ bag ^afein ein 
rationale^ fein unb toom menfd^lid^en SnteHect al^ fold^e^ erfannt 
loerben foH. ^tefe unbebingt gültigen unb fidlem ©efe^e finb 
bie befannten logifd^en ©runbgefe^e be^ ^enfene: ba^ ©efe^ 
ber Qbentität unb be^ SBiberfprud^g, ha§> be^ ©runbeiS unb ber 
golge unb ha§> be^ au^gefd^loffenen 2)ritten. 5Da^ erfte ©efe^ 
fd^reibt oor, bafe jeber ©ebanfe mit fid; felbft übereinftimmen 
muffe, feinen äßiberfprud^ entl;alten bürfe — für ba§ reine teufen; 



2)te göttrid^e ^erfönlid^fcit. 97' 

bann: ba§ bag «Seienbe aU feienb, t)a^ S^id^tfeienbe aB md^t= 
feienb, t)a§> Uebereinftimmenbe aU übereinftimmenb, t)a§> ^i^U 
übereinftimmenbe aU nid^tübereinftimmenb, bag (Sofeienbe al^ 
fofeienb u. f. h). gebadet tuerben muffe (bei ber Intpenbnng be^ 
®en!en^ auf ba§ Dbject, um tüal^re ©rfenntni^ 5U erlangen); 
enbli($, ba^ bag @eienbe biefe^ (b. 1^. feienb) fei, ba^ 3fli(^tfeienbe 
ni($tfeienb, "oa^^ Uebereinftimmenbe übereinftimmenb, 'i^a§> ^i^U 
übereinftimmenbe nid^t übereinftimmenb {aU (^efe| für W objec^ 
tiu 9lealität). Wie§> richtige 2)en!en ift befanntlid^ burd^ ^e^ 
folgung biefe^^ (SJefe|e§ bebingt in Z^e\i§> unb ©^nt^efi^ (bei bem 
Urtl^eilen), fon^ie in fad^lid^er ^egie^ung atte S^lationalität be^ 
@ein^ baburd^ bebingt ift, b. 1^. ein urfprünglid^eg, iüefentlid^e^ 
^led^tfein in fid^ fd^Iie^t. S)urd^ 't)a§> (SJefe§ ber Qbentität nimmt 
ber Sttteltect tljeil an ber ewigen, ftet^ fid^ felbft gleid^en, un= 
t>eränberli(^en D^^atur be^ Slbfoluten, mä^renb il^m bur(^ ba§ 
@efe^ be^ äßiberfprud^^ ba§ Unterf (Reiben unb baburd^ ba^ ©in= 
gelten in bie 5^iell^eit unb SSerfd^iebenl^eit ber enblid^en 2)inge 
mögli(^ ift, ol^ne fid^ in benfelben gu verlieren ober felbft in bereu 
6trom be^ 2öerben^ mit fortgeriffen gu lüerben unb bie 3Jiöglic^= 
!eit beg rid^tigen Urtl^eilen^ unb @r!ennen§ gu verlieren. 5Dur(^ 
'i)a^ ^efe| ber Sbentität ift atte ©e|ung ober SSejal^ung bebingt, 
burd^ 'Da^ beö 3Biberf^rud^^ atte Verneinung unb IXnterfc^eibung. 
— ^ag @efe^ be^ ©runbe^ unb ber golge fd^reibt gunäc^ft für 
t)a§> teufen öor, 't^a^ jeber ©ebanfe feinen ^runb (ratio) ^dbzn 
muffe, ba§ nid^t^ o^ne (SJrunb gebadet iüerben bürfe. SBeld^e^ 
in gegebenem gatte biefer ©runb fei, fann allerbing^ im 2lEge= 
meinen nid^t beftimmt n)erben, 'i)a e^ babei auf h^n Qnl^alt, ba^ 
Dbject be^ ^Denleng unb @r!enneng an!ommt, t^a^» burd^ innere 
ober äußere ©rfa^rung gegeben n)irb. gür Ut (^rünbe im ge= 
tüö^^nlid^en S)en!en finb aber felbft tnieber ©rünbe nott)it)enbig, 
U^ SU ben l^od^ften unb attgemeinften, bie burc^ geiftige (göiben§ 
fid^ aU Ud^te (nid^t bun!le, blinbe) 2)en!not]^iüenbig!eit ertneifen. 
'Ba^li^ ober objectiö entfprid^t bem ^en!gefe§ beg ©runbe^ ha^ 
^aufaberl^ältnife, 'i^a§> barin befielet, ha^ nid^t^ o^ne Urfac^e 
(causa) gef(^ie]^t, 'i)ai jebe Veränberung, iebe^ (S5efd^e!^en ober 



98 in. SrfenntniB be8 2t6)otuten unb aBfoIute erfenntniß. 

äöerben eine Urfad^e l^aBen muffe, — trie jeber @eban!e feinen 
^runb (ratio) ^ahtn mn§, — tnobei atterbingg bie felbftänbige 
unb gen^iffermafeen probuctiüe ^raft be^ S)en!en)3 fid^ barin jeigt, 
'i)a^ ^enfgrunb unb ©ac^grunb ober Urfad^e (ratio unb causa) 
gtnar gufammenfatten !önnen, aber nid^t muffen, ja fogar genjöl^n^ 
lid^ ha§> SSerl^ältni^ ber fad^Iic^en ©aufalität für bag 2)en!en ]iä) 
umfel^rt, inbem tüa§> \aä)liä) 2öir!ung (golge) ift, im ^en!en 
pm ©runb ((Srfenntnifegrunb, principium cognoscendi) gemalt 
n)irb, um batoon auf hk fac^lid^e IXrfac^e (principium essendi, 
fiendi) p fd^liefeen. ©in ^erfal)ren, ba§ befanntlid^ "oa^ ber 
Qnbuction ift unb in ber forfdf)enben Sßiffenfd^aft gemö^nlid^ 
angeinenbet tnirb, "oa tvix gröjgtentl^eil^ t>on ©rf($einungen, 2Bir= 
!ungen au^^gel)en muffen, aU bem un^ D^äl^ern unb Gelauntem, 
um auf W Urfad^en ober ©efe^e, al^ bem bi^l^er nod^ Unbefannten, 
aber gu ßrforfd^enben gu fc^lie^en; — p fd^Ue^en eben unter 
ber fidleren gülEjrung be^ unbebingt gültigen ßaufalgefe^e^ unb 
(Saufalöerl^ältniffe^, inoburd^ geforbert it»irb, ba§ jebe (Srfdfieinung 
ober 58eränberung, jebe^ ©efc^el^en eim ]^inrei(^enbe Urfa(^e l;abe. 
5ltterbing§ bringt ber ©d^lufe üon 2öir!ung auf hk Urfad^e feine 
fo fiebere ©rfenntnife l^erüor, n)ie ber umgelel^rte t>on ber Urfad^e 
auf bie äßirfung, ioeil im 2lHgemeinen nur beftimmt tüerben !ann, 
hai jebe 2Bir!ung, b. \). SSeränberung, (S^efc^e^^en, SBerben eine 
IXrfad^e l^aben muffe, aber 'Damit nod^ nid^t erfannt ift, toeld^e^ 
biefe Urfad^e fei, 'oa ^im 2öir!ung molf)! au^ tjerfd^iebenen Uv^ 
fad^en ftammen fann, fogar aEenfatt^ au^ entgegengefegten; — 
e^ fei benn, bag bie Urfad^e bie einzig mi3glid^e fei, ober Ux- 
fa(^e unb äßirfung unmittelbar mit einanber öerbunben ober 
geipiff ermaßen ibentifd^ feien, mie ha§> 2i^t unb ba^ Sendeten 
beffelben. ©elbftüerftänblid^ ift in biefem galle ber 6d^lu^ toon ber 
Sirfung auf bie IXrfad^e ebenfo fidler, toie ber oon ber Urfad^e 
auf bie äßir!ung. 2)ie inbuctit»e gorfd^ung erl)ält baburd^ atter= 
bingS toielfad^ iüiffenfd^aftlid^e lXnfic[;erI;eit unb mufe beftrebt fein, 
aud^ ba^ bebuctiüe 3Serfal)ren toon lXrfad;e auf Sßirfung anp= 
njenben. — 5Da^ ©efeg bes au^gefd^loffenen ©ritten ift, ftrenge 
genommen, fd^on mit ben beiben bi^l^er betrad^teten gegeben. ®» 



!2)ie göttliche ^erfönUd^Icit. 99 

jd^reibt toor, bafe ieber ^enlact, jebe^ Urtl^etl enttneber bejaf^enb 
ober toernetnenb fein tnüffe, ein ^ritte^ ober SJlittlere^ aber 
au^gefi^Ioffen fei. '^amit ift bel^auiptet, ba§, fobalb ein (SJrunb 
'Da ift, einen ©ebanlen §n fe^en, biefer enttoeber eine 9flealifirnng 
be§ ©efe^e^ ber 3^entität ober be§ ©efe^e^ be§ 2Biberfprnd^§ fein 
muffe, 'i^a 8eja^nng nnb Verneinung ]iä) einanber au^fc^lie^en, alfo 
niä)t in einem 3)en!act toereinigt ober guglei(^ gefe|t tperben fönnen. 
%xdliä) gilt 't)k§> ftrenge nur für ba§ ^en!en, "oa in ber 9flealität gar 
t)ielfa(j^ fac^lid^ 3Serf(^iebene§ ni^t blo§, fonbern au($ (gntgegen= 
gefe^te^ fi(^ üerbinbet. 3)agegen bie SSerneinung, ber SBiberfprud^ 
tüir!t gtrar im ^en!en ipie eine pofititje Tlaä)t (contrabictorifc^er 
©egenfa^), üermag aber in ber 2öir!Ii($!eit ober fad^lic^ nid^t^ 
gu n)ir!en, ha, lt>enn '^iä)t^ auf (Sttca^ it>ir!t, nid^t ettr>a eine Sßer= 
änberung ober nad^ ^egel'fd^er $Diale!ti! ein Sßerben ftattfinbet, 
fonbern eben nid^t§ gefd^iel^t nnb ^Me§> unöeränbert bleibt. — 
2)a6 hk ©runbgefe^e be§ ®en!en^ jugleid^ für ha^ Sein, bie 
objectiöe S^tealität gelten muffen, ift im ®runbe felbftöerftänb- 
lid^ für ieben, ber ha^» gange ©afein nid^t öon öornl^erein für 
unt)ernünftig, für ein irrationale^ ^ao§> l^ält. Sie ©runb= 
(SJefefee ton beiben Gebieten muffen fid^ corref:ponbiren, ha fie 
jufammenge^ören nnb ha§> ©ange beg ^Dafein^ bel^errfd^en, — 
mögen fie au^einanber l)ertoorgegangen fein ober elDig in= unb 
miteinanber gugleid^ befte'^en. ©el)t ba^ ©eiftige (Genien) au^ 
bem SJlaterieEen (objectiö Slealen) l^erüor, fo muffen in i^m 
not^menbig bie^efege biefer realen, objectiDen 6eing l^errfd^en, 
benn ix>ol)er foHten i^m anbere ©efe^e !ommen? ©el^t bagegen 
ha§> 3JlaterieEe (objectiüe, finnlic^e äöelt) au§ bem beifügen ^n- 
t>or, fo gilt baffelbe. (^t^t beibe^ au^ einem ©ritten, einer 
gemeinfamen Sßurgel "^erüor, fo n?erben fie au^ biefer gleiche, 
gemeinfame ©runbgefege er^lten. ©inb enblid^ heihe gemein^ 
fame 3}lomente be^ ©inen ganzen ©afein^, fo !önnen fie nid^t 
anber^ al^ fo geartet fein, ba§ fie fid^ entfpred^en, l^armonifd^ 
finb ; e§ iDäre nid^t abgufe'^en, tüol^er bie ©i^^armonie ober SSer= 
fd^iebenl)eit !ommen fottte, Uebrigen^ ift aEerbing^ gu bead^ten, 
ba^ bie ©runbgefe^e im $]^t;fifd^en unb beifügen nid^t gleid^e 

7* 



100 ni. (Srfenntuiß bc8 Stbfolutcn unb aBfcIutc (Erfcnntni§. 

@rfd)einungen unb gunctionen setgen, h)aö ja tüieber felbftt)er= 
ftänblid^ ift, fonbern naä) ber ©{gent{)ümUd^!eit beiber ©ebiete 
mxUn, S)ie gbentität ift in beiben Gebieten Qbentität, ir>ie 
ber SÖBiberfprud^ zbtn ^f^egation ift; unb ba^ S)en!en ift ebenfo 
üom ©runbgefej ber (Saufalität bel^errfd^t, n)ie ba^ ©ein, tDenn 
aud^ ba^ ©eiftige nid^t materiell, bag $l;pfifd)e nid^t geiftig ift 
in ber ©rfd^einung. ^ie @efe|e beä pl)^fif(^en ©ef(^e^en§ er= 
fd^einen bem Reifte al^ rational begrünbete, bie fie fein muffen 
bem rationalen ®en!en gemä^. ^a§> ^en!en g. ^. l^at aller= 
bing» nid^t ba^ ©efe^ be^ ^^^füalifi^en gaUe^ in fi(^, tt>eil e§ z^cn 
geiftig ift, aber e§ erfennt ba§ ©efe^ be^ galle^ al^ rational, 
tücil e^ einfielet, bafe ba^ pl^^füalifd^e ©efd^el^en fo fein mufe 
unb nid^t anber^ fein !ann; e^ erblicht feine eigene ©efe^mäfeig^ 
!eit ober ^Nationalität in biefem p^t;fifaUfd^en ©efd^el^en/'' 

, 3)ie Slnnal^me einer allgemeinen @efe|mä6ig!eit unb 9f^otl;= 
»enbigfeit in ber 9Zatur ift bal^er tüol^lbegrünbet, benn fo gut 
im] ben!enben ©eifte fic^ eine rationale ober ^enfnotI)ii}enbig' 
!eit !unbgibt unb geltenb mad^t, fo gut aud^ bel^errfd^t bie 9Ratur 
eine fold^e unb jeigt fid^ aud^ ber ^rfa^rung, fon}eit biefe 
reid^t, — tüie fie aud^ in ber ^rayi^ mit öoHer 6id^erl^eit 
toorau^gefe^t unb toertoenbet irirb. ^ie @rfa|)rung fann fie 
freilii^ nid^t öoEftänbig ben)eifen, aber bie Sftationalität unb 
•Rotl^ipenbigfeit be^ ^en!en^ t>ermag biefelbe ju ergänzen. — 
SJlit att bem ftel)en im S^f^^^wß^^^^^Ö gett)iffe aEgemeine, 
fid)ere äöa^rl^eiten, bie alg Slyiome be§ei(^net trerben; unbeiüei^= 
bare unb eine^ SBetoeife^ nid^t bebürftige, tneil unmittelbar in 
i^rer Stationalität einleu^tenbe unb not^loenbige 6äge, toelc^e 
bie ©runblage atter 33en)ei^fü^rung bilben unb öfter aud^ aU 
angeborene gbeen (obn^ol^l nid^t paffenb) be^eid^net inorben finb. 
3n ber %\)ai finb fie, n)ie "oie. (SJrunbgefege beic ®en!enö, in ber 
geiftigen D^^atur be^ 3Jlenfd^en angelegt, bilben bie angeborene 



* @. meine v^c^rift: „Sie ^^ilofo^^ie als Sbeoltoiffenfc^aft unb @^* 
ftem." 3ur (ginleitung in bie ^{)Uofo^^ie (aWünc^cn 1884). 



2)ie göttliche ^erfönttc^!eit. 101 

rationale ^atur beffelben auä) e!^e biefe no^ aug ber ^otcti- 
ttalttät in Slctualität übergegangen ift. Ingeboren aU actuale 
@r!enntniffe ober Urtl^eile finb biefe 2lyiome (ober 3been) aHer= 
bingg nid^t, 'i^enn geboren hjirb ber Wtm\ä) nxö)t mit f öligen 
n)ir!li(^en, bemühten @r!enntniffen, fonbern nur mit ber Einlage 
baju. 3n Slntnenbung aber, ioenn aud^ gunäd^ft nur gleic^fam 
in unbetrufete, !ommen fie, fobalb ba^ ^en!en in un^ irgenb^ 
n)ie beginnt unb geübt toirb. gum Ilaren 33en)u§tfein berfelben 
lommt e§> aber erft fpäter, b. \), gur ©infid^t in W Sftationalität 
unb 9flot^n)enbig!eit biefer ©runbgebanfen ober 2Sal)rl^eiten, bie, 
wenn fie einmal erlannt unb eingefeljen finb, nic^t me^r nid^t 
gebadet unb niä)t me^r anberö geba(^t werben lönnen. ^§> finb 
6ä^e unb Sßal^r^eiten, bie, n^ie bie @runbgefe|e be§ SDenfen^, 
auä) ber 3^^W^^ braucht, antoenbet unb aU gültig betrad^ten 
mu6, toenn er felbft feinem 3i^^ifßi Sebeutung gufd^reiben ioitt. 
Söürbe ber 6!e^ticiemu^ t>k (^etoii\)tit ober @ültig!eit biefer 
©efe^e unb natürlid^en rationalen SBa^r^eiten in 3lbrebe ftetten, 
fo mü^te er bamit aud^ bie Sid^erl^eit unb Söa^rl^eit feiner eigenen 
8el;auptungen leugnen unb fie felbft al^ unbered^tigt ober be< 
beutung^log d^arafterifiren , — waS» freilid^ bei bem abfoluten 
6!e^tici^mu^ immer ber gatt ift, infofern berfelbe fid^ felbft 
aufl)ebt, ba, n?enn nid[;t§ 6id^ere§ getrübt njerben !ann, aud^ 
bieg uic^t fidler fein lann, ba^ nid^t§ mit ©ett?ife^eit gen?ufet 
unb behauptet loerben !ann. 2)er relative 3^^W fteilid^, ber 
Stoeifel begüglid^ ^er!ömmli($er 3Jleinungen ober bejüglid^ ber 
tjerfd^iebenen ©lauben^überlieferungen ober bi^^eriger Slnfid^ten 
in SBiffenfd^aft unb Äunft, ift atterbingg ein bered^tigter unb ift 
not^^toenbig für hu Söeiterforfd^ung unb für ben gortfd^ritt in 
ber ©rienntnife. — Sßottftänbig in grage geftellt !ann bie un* 
bebingte (^emife^eit unb Söa^rl^eit biefer attgemeinen rationalen 
(logif($en) @efe|e unb Sßal^rl)eiten nur ha, too man ha§> gange 
^afein für ein (Gebiet ber Unvernunft, ^l^orl^eit unb ©lenbig- 
feit er!lärt, — tüie bieg ber ^effimi^mug gu t^un ))flegt, ber 
freilid^ bamit fic^ felbft aud^ nur aU ein ^robuct ber tlnt>er= 
nunft erflären mu§ unb baburd^ njieberum feine eigene SSe^aups 



102 ni. ©rfenntni^ bce Slbjoluten unb abfolutc @rfenntm§. 

tung ai§> nichtig Begeid^net. SBenn 5. ^. ©d^openl^auer bie Sßelt 
in il^rem ©runbtpefen aU ^robuct ober ^lu^brud blinben, 
bummen 2ßtIIen0 erHärt, fo ift niä)t ab§ufef)en, trollet ))a in 
biefe SBelt nod^ SSernunft unb ©rfenntnig !ommen foll unb tüie 
biefe ^^iIofop!)ie felbft, bie ba^ Srrationale jum ©runbprinci^ 
erflätt, nod^ auf ©eltung fott 2lnfpru(^ mad^en !önnen! — 
^oä) toon anbetet Seite inbe§ ift in bet neueften 3^^^ bie ©el- 
tung etüiget, not^tpenbiget ©efe^e unb SSal^tl^eiten unb beten 
©tfenntnife in gtage geftettt tüotben, nämlic^ öon Seite be§ fog. 
$ofitit)i^mu^, b. 1^. öon BeiU betet, tpeld^e bel^aupten, aEe 
@t!enntniffe ftammen nut au§> ©tfal^tung unb bie Söiffenfd^aft 
(auä) bie ^l^ilofop^ie) muffe fid^ nut auf ba§ ©tfal^tbate be= 
fd^tänfen, ba ba^, it>a0 batübet l^inau^liegt, ungetui^ fei unb 
e§ übetl^aupt notl^trenbige ©efe^e unb Sßal^t^eiten nid^t gebe; — 
fold^e ipenigften^ nid^t bel^auptet metben !önnen, ba bie fo be= 
geid^neten aud^ nut au^ bet ©tfal^tung ftammen, empitifd^ ge= 
UlM tüotben finb unb nut telatitie, nid^t abfolute @ültig!eit be= 
anfptud^en !önnen. '^a6) biefet 5lnfid^t !önnten einmal aui^ an= 
bete ©tunbgefe^e be^ $Den!en§ unb 6ein^ gelten unb, ipie 
3. ©t. 3JliII meint, allenfalls in anbetn ^Ijeilen beS UnitoetfumS 
iritllid^ anbete (^efe^e gelten mögen, aU in bem, in tpeld^em trit 
uns befinben. SDiefe 9lid^tung h^x ipl^ilofo^j^^ifd^en 2Beltauffaffung, 
tie aUeS §^pot^etifd^e unb im ©ebiete bet Slbfttaction fid^ ^aU 
tenbe öetmeiben unb nur baS ganj 6td^ete, ©tfal^tungSgemäfee 
tritt gelten laffen als baS attein triffenfd^aftlid^ @t!annte unb 
„lüiffenfd^aftlid^e ^^ilofopl^ie" @eh)äl^tenbe, — biefe S^lid^tung 
getätl^ eigentlid^ bal^in, getabe baS ©egent^eil bat>on gu be= 
Ijaupten, tüaS fie geltenb mad^en föitt. ©inb nämlid^ i^x^ 
©tuubfä^e tid^tig, bafe nut bie ©tfal^tung tid^tige, geiüiffe ©t- 
!enntni§ gemähte, unb bafe unbebingt gültige, tationale 2öal^t= 
l^eiten bem 3Jienfd^engeifte nid^t gegeben feien, bie ©eltung l^aben 
aud^ übet bie empitifd^e Söa'^tnel^mung l^inaus unb ol^ne biefe, 
unb gibt eS notl^tüenbige unb einige ©efefee unb SBal^t^eiten für 
ben 3J^enfd^en nid^t, auf benen atteS Söiffen in feiner ©etüi^eit 
unb SBal^tl^eit betu^t, — bann gibt eS aud^ !ein unbebingteS 



2)te Q'dttliäft ^crfönltd^fcit. 103 

2öiffen, feine gemiffe ©rfenntnife unb alfo im ©runbe genommen 
gar feine Söiffenfc^aft me^r, alfo auä) feine „miffenfd^aftlid^e 
^]^ilofopf)ie''. ^nx zufällig gefunbene^ emipirifc^e^ Söiffen unb 
geith^eilig ober relatiü gültige 2ßät)rl)eiten finb bann für 'D^n 
3)lenfd^en noc^ möglid^. ®er „^ofitit)i§mug" f(^lägt alfo in fein 
eigene^ ©egentl^eil um unb üor lauter Streben nai^ fidlerem, 
erfa!)rung^gemäfeem Söiffen toerliert er bte ©runblage atte§ 
Söiffen^, \)erfällt bem 6feptici^mu§ unb foEte lieber glei(^ Be= 
l^aupten, ba§ e^ ein lüirflid^eg, ftrengeg Söiffen für ben 3Jlenf(^en 
ühtx^aupt gar nid^t gibt, felbft nid^t im Gebiete ber fog. eyacten 
Söiff enf d^af ten ; tüie benn manche ayiomatifi^ gültige 6ä|e felbft 
in biefem (SJebiete niä)t burc^ eigene (grfal)rung erfannt unb con= 
ftatirt werben fönnen, fonbern nur bur(j^ 2lbftractionen unb 6d^lu§= 
fclgerungen, bie über ba^ (^^bkt ber ©rfal^rung l^inau^ge'^en — 
tüie bieg auc^ in ben anbern 3öiffenf(^aften beftänbig ber %aU 
ift. Dl)ne 33egriffe, benen ni^U birect in ber ©rfal^rung ent= 
fpri(^t, fann überljaupt ni($t gebadet unb iriffenfd^aftlic^ erfannt 
ir erben. 

®a§ bi^l^er ^el^anbelte fönnen tüir meinet ©rad^ten^ mit 
'3itä)t ai§> ©rfenntni^ be^ 2lbfoluten, mie al^ abfolute ©rfenntnt^ 
begeid^nen unb geltenb mad^en. ®ie grage ift nun, ob au^er 
biefem atterbingg nur fel)r allgemeinen 6ein (6ubftan§) be^ 
^afeing unb aufeer ber allgemeinen, logifc^en unb realen 9tatio= 
nalität ober ©efe^mä^igfeit e^ nod^ tüeitere (S^egenftänbe menfd^= 
lid^en (grfennen^ gibt, 'i^k mit Sid^erl^eit erfannt unb aU abfo= 
lute^ Dbject menfd^lid^en (^rfennen^ betrad^tet iüerben fönnen. 

Slu^er ber attgemeinen @efe|mä^igfeit begegnet un§> nun p^ 
näd^ft bag, tu a^ man al^ 3^^cfmäfeigfeit begeid^net, bie teleo= 
logifd^e ©eftaltung be^ 3)afeing im (S^ro^en unb im ©ingelnen, 
äu^erlid^e unb innerlid^e. §ier ^anbelt z§> \iä) aber, au^er ber 
grage, hjol^er biefe teleologifc^e (^eftaltung flamme, fc^on um 
'tik ^^atfad^e felbft, ob eine fold^e in ber 5Ratur iüirflid^ fid^ 
finbet. 2ßa§ nun W g^^^^ä^^gfeit aU X^ai\ad)t betrifft, fo ift 
fie fo tpenig ^u bepeifeln, al^ bie ©efe^mäfeigfeit unb ba^ tafeln 
unb beffen fubftantiale Sftealität felbft. ^§> finb in^befonbere bie 



104 ni. ©rfenntntg bc« Stbfotutcn unb aBfoIutc Srfenntnt^. 

organifd^en ^robucte ber @rbe (^ftartjen) unb bie lebenbigen 2ßefcn 
(^^^x^), meldte attent]5)alben eine teleologifd^e innere unb äufeere 
©eftaltung unb Drbnung jeigen, eine immanente S^edfmäfeigfeit, 
bur(^ treidle fie organifd^ einl^eitlid^ conftituirt finb, unb treidle 
fie befäl^igt, fid^ gu erl^alten. ©^ ift ein ^l^eil bem anbern an= 
gepaßt gum gmedfe ber ©rl^altung unb görberung 't)k\z§> %^dU^ 
unb be^ ©angen, unb atte greifen Ijarmonifd^ ineinanber in il;rem 
©ein unb in il^ren Functionen, foba§ baburd^ ein ein!)eitlid^e^, 
in fid^ gef^Ioffene^ ©angeg entfte!)t; — unb bieg aEe^ um fo 
mel)r, um fo entfc^iebener unb einl^eitlid^er, je reid^er gegliebert 
unb je complicirter t)k Drganifation ober 'oa^» lebenbige 2ßefen 
ift. Q'max l^at fic^ in neuerer Qtii bie 2lnfid^t geltenb gu mad^en 
gefu(^t, biefe gtüecfmä^ige ©inrid^tung ber Organismen fei nid^t 
burd^ eine beftimmte, gleid^fam planmäßig irirfenbe llrfad^e (Q\t)td' 
urfad^e) gebilbet unb forter^alten, fonbern fei nur getüorben, fei 
attmä^lid^ burc^ 5lnpaffung unb IXmiüanblung toon felbft, b. 1^. 
burd^ med^anifd^ tpirfenbe IXrfad^en (causae efficientes, nid^t 
causae finales) entftanben, — burd^ Heine Slbänberungen unb 
Umtüanblungen, bie fi(^ befeftigt unb t}ererbt Ifjaben, trenn fie 
ben Organismen toortl^eilljaft iüaren im fog. Kampfe umS S)afein. 
®a6 auf biefe SSeife 3JJanc^eS erreid^t tüerben !ann unb erreid^t 
ujorben ift, tüirb !aum in Slbrebe p fteEen fein, aber 't)ie gange 
unenblid^ grofee 3JZannidf)faltig!eit unb 3Serfd^iebeni)eit ber Slrten 
im ^flangen^ unb ^f)ierreid^e baburd^ ju erüären, ift unmöglich, 
n)enn man auä) no(^ fo groge 3^iträume unb nod^ fo toerfd^iebene 
3^aturt)erl^ältniffe bafür annimmt.* Sleufeere Umformung ber 
©lieber, Vergrößerung ober 3Ser!Ieinerung berfelben, SluSbilben 
ober Ver!ümmern !ann trol^I auf biefe Sßeife gu 6tanbe ge= 
bra(^t tüerben, aber gar mand^e ßigent^ümlid^feiten finb ton 



* hierüber meine p\)iio\op\)i\(i)t Settfc^rift: „Slt^cnäum", I. 3a^rg. 

(1862). 2)arficaung unb tritif ber ?e^re 2)artt)tn«, tt?ieber abgebrudt in 

meinem SBerf: „2)a8 S^riflent^um unb bie moberne 9kturh)i[]enf(^aft" 

(1886). »gl. auä) meine @(^rift: „2?a8 neue SBiffen unb ber neue Olaubc 

(i?eip3ig 1873). 



2)tc gbttUd^e ^er[öntt^!ctt. 105 

ber 2lrt, 't)a^ fie einem blo^ me(j^anifd;en ^efd^e^en ummiä)hax, 
über trenn fie gufättig einmal erreicht iüären, bod^ nid^t fo regele 
mä^i^ bel^auptet n)erben könnten, ix>ie e^ in ber Xi^at gefd^iel^t. 
^ie Symmetrie ber ^lieber ober Sinnesorgane, §. ^. bei 
ben ^l^ieren, hk regelmäßige ©ntipidelung ber ^flan^en bei ber 
@eftaltnng ber Blätter nnb 33lüten am regelmäßig gebilbeten 
6tengel n. bgl. läßt ]iä) m^ä)ani\ä) in biefer S^legelmäßigfeit 
nic^t ableiten, ^in edfiger großer Stein, ber fortgefd^leppt mer^ 
ben fott nnb guerft burc^ feine Mm fid^ fel^r ungiDedmäßig ge= 
ftaltet bafür geigt, !ann bnrd^ baS Slbreiben Wi bem gortfd^leppen 
felbft aEmäl^lid^ glatt unb für biefe 33en3egunggart fel;r 5h)ed= 
mäßig njerben anf me(^anif($e SBeife, aber bie regelmäßige (SJlie= 
berung nnb ©eftaltnng ber Organismen !ann auf fol($e 2lrt 
nid^t gebilbet toerben. S)emnac^ ift bie ß^^cfi^^ß^Ö^^it ber 
9latur in i^rem getüö^nlid^en ©efd^e^en unb ^robuciren nid^t 
fremb unb fie entfielet nid^t bloS als öufättige) 2öir!ung in i^r, 
fonbern tx>altet unb probucirt in berfelben als ^rincip toom Ur= 
beginn an, nid;t mad^t fie fid^ bloS tüie ein irirfenbeS ^rincip 
geltenb, icenn fie einmal irgenbtüie (med^anifd^) erreicht ift. ^ei 
bem 3Jlenfd^en felbft ift gtüedmäßigeS 2öir!en ober .ganbeln 
einem öorgeftettten giele gemäß baS ^auptgeic^en ber ^eimünftig= 
feit, ungiüecfmäßigeS bagegen erfd^eint als üernunftlofeS ^^un. 
3ft W 3}lenfd^ennatur nun auä) ün ^robuct beS allgemeinen 
9^aturproceffeS, fo §eigt fid^ gerabe l^ierin, 'Da^ in ber ^iefe beS 
^aturgefd^el)enS bie ^enbeng ber 3n)edfmäßig!eit iüaltet, W im 
Menfd^en felbft pm 33eh)ußfein, pr beiPußten 9lealifirung 
lommt. SSon 't)a aus läßt fid^ bann baS unenblid^ toiele teleo= 
logifd^e ^efd^el^en unb 2Bir!en im ip^^fifd^en ^an unb p^t)fifd^= 
pf^d^ifc^en Sßirlen in ber 5^atur n?ol)l beuten unb öerfteljen. — 
©nblid^ aber ift noc^ ein fel)r entfd^iebener ^etoeis ber 3tDect= 
mäßig!eit ober ber 3telftrebig!eit in ber Statur in ber @mpfin = 
bung, in ber @m:pfinbungSfäl^ig!eit gu erblidfen, bie fid^, ipie 
faft attgemein aud^ t)on ber 9^aturforfd^ung felbft pgeftanben 
tPirb, burd^auS nid^t erklären läßt auS bem bloS med^anifd^en 
2ßir!en ber p^^füalifd^en 9^atur!raft. ^etrad^ten mir bie (^e= 



106 ni. (SrfenntniB be« StBfoIuten unb abfolutc @rfenntm§. 

nefig ber ©mpfinbung, bie Sebtngungen il;rer ßntftel^ung: ©ott 
eine ©mpfinbung entftet)en, fo mufe erfa^rung^gemäfe ftet^ eine 
geiüiffe Steigung unb 3Seränberung ber ©mpfinbung§nert)en ftatt= 
finben, troburi^ ber normale 3^f^^^^ geförbert ober geftört 
tüirb (Suft ober 6c^mer§). ^emgentäfe entfielet ©mpfinbung nur 
'tia, wo eine Beftimmte normale Einrichtung, eine jeinjottenbe 
Crbnung gegeben ift, bereu ©törung aU unangenel^m ober 
fd^mer§li(^ tu a!)r genommen n^erben !ann. 2ßo alfo folc^ eine 
normal ober teleologifd^ georbnete 33ef(^affenl)eit nid^t t»orl^anben 
ift, "oa !ann au($ feine (Smpfinbung entftel^en. 2)ie ©mpfin- 
bungefäl^igMt ift alfo bebingt burd^ eine teleologifc^e, ber D^atur 
be^ Drgani^mu^ entfpre(^enbe, für il^n feinfoEenbe Drbnung im 
©äugen unb (Sinselneu, bereu Dffenbarung^organe bie @mpfin= 
bung^nertoen finb. ®ie @mpfinbuug§fäl)ig!eit ber tl)ierif(^eu 
Drgani^men betüeift alfo bereu teleologifd^e (feinfollenbe) Se- 
f(^affeul)eit unb Einrichtung. S)emua($: 60 iüal^r unb getüi^ 
t)k ^l^atfad^e ber ©mpfinbung unb Empfinbuuggfäl^ig!eit ift, fo 
ioal^r unb gen)i^ ift auc^ hk %^at\a6)e ber teleologifc^en Ein- 
ri($tung, ber S^^cf^ägigfeit, bie fid^ eben in ber Em^finbung 
felbft inne tüirb, fid^ innen finbet.* 

3Jlit ber 3^^toäfeig!eit unb Empfinbuuggfäl^ig!eit ift §u= 
gleich eine getr>iffe Sbealität, ein ibeale^ SJioment in ber 9^atur 
alö ^l)atfad^e gegeben, ©c^on bie ©ntrt)i(!eluuggfä]^ig!eit u>ie =33e= 
bürftig!eit be!unbet bie^, tüeil fie ein beftimmte^ 3^^^ (3Sorbilb,3bee) 
forbert, ba§ hk ^l^ätigleit beftimmt ober leitet, lüeld^e im ©amen 
beginnt; barin liegt aud^ ein beftimmte^ 3)loment ber Qbealität, 
infofern eine 3SoE!ommenl^eit, eine SSoHenbung in ber 2luggeftal= 
tung babei erreid^t lüirb ober erreicht tüerben fott, foba§ eine 
getüiffe Qbeerealifirung ftattfinbet. Unter^bee ift ja gunäd^ft ju 
üerfte^en ein 3Sorbilb ober Urbilb, \)a^ augeftrebt toirb unb ba§ 



* @. mein Süßerf: ,,2)ie ^^antarte al9 ®runb|)rinct^ be8 2ßcIt)3rocc[fe8" 
(SWünd^cn 1877), @. 281 ff., unb: „iKonabcn unb SBcIt^^antafie" (2)mnc^cn 
1879), (8. 31 ff. 



2)tc göttltd^e ^erföntid^feit. 107 

alle ^]^ätig!eit ober 3ßir!fam!eit aU ^to^äux'\aä)^ (causa finalis) 
anregt unb leitet. Snfofern tft aljo j[ebe organtf(j^e ©nttrtd^elung 
eine§ Snbiüibuum^ eine 9lealifirung feiner 3bee ober toielmel^r 
ber Sbee ber (SJattung ober 2lrt. ®oc^ ift bieio nur eine 3bee= 
Sflealifirnng nieberer 2lrt, no$ nid^t ^arfteEung ober Eftealifirung 
ber ]^D(^ften 3been, be§ eigentli($ 3bealen, be§ Sßal^ren, ©uten, 
6(j^önen, be§ 35ott!ommenen überl^aupt, ni^t Uo§> ber 35oll= 
fommenl^ett eine§ enblic^en Bef(^rän!ten (^ebilbe!§ einer öeftimmten 
2trt, iüie bie^ im ^l^ier= unb ^flanjenreii^ gef(^ie]^t. 3Jlan !ann 
bal)er tooljl §h)ei 2lrten toon 3been unterfd^eiben unb bie einen 
aU enbli(^e, bie anbern al^ unenblid^e (abfolute) be^eid^nen. ^ie 
enbli($en 3been ftnb bie 3Sor= ober Urbilber, bie ben Gattungen 
unb Slrten ber organifd^en unb lebenbigen ©ebilbe ber ©rbe ^u 
@runbe liegen unb bie @ntftel)ung unb ©nttnidelung ber 3nbi= 
oibuen biefer Slrten Beftimmen, — felbft aber nid^t ftarre, ab-- 
ftracte, fiy unb fertige Söefen^eiten finb, fonbern fid^ im Statur- 
proceffe felbft aud^ enttüideln, au^geftalten, umgeftalten, tiertooE^ 
fommnen (na^ ber ^efcenben§tl^eorie) — unb infofern aUerbing^ 
aud^ gemiff ermaßen unenblid^e ^otengen, aber bod^ nur su enb= 
lid^en 33ilbungen finb. ^ie anbere 2lrt ber Sbeen finb bie 
eigentlid^en, t)U einen unenblii^en, ibealen (^t^alt Begeid^nen 
unb im SJ^enfd^en gum ^etüu^tfein unb §ur ©ntmidelung !ommen. 
^er 3Jienfd^ als 3nbit>ibuum, ba§ bem menfd^lid^en @attung§= 
mefen entftammt, ift ginar felbft eine Sftealifirung einer enblid^en 
3bee, aU biefe^ irbifd^e ®in§ellt»efen, aber in feinem Reifte finb 
bie l)öd^ften unenblid^en ^'oeen aU Einlage gegeben, berfelbe ift 
infofern gemiffermafeen "ok 3bee ber 3^^^^^- 3w a)Zenfd^engeifte 
fommen vermöge feiner (^r!enntni§!raft biefe ^hztn §um 33e= 
iüu^tfein unb forbern 9tealifirung in äöiffenfd^aft, et^ifd^em 
Men unb äftljetifd^er ^etl^ätigung, meil ber 3Jlenfd^engeift fid^ 
über ha§> ©in^elne gum 3lllgemeinen unb über ba§ platt 2ßir!= 
lid^e jum 3^ealen ju ergeben vermag, — felbft §um abfoluten 
Sbeale ber ^Sernunft, ber abfoluten 3Soll!ommenlf)eit. 3Bie ba§ 
^eleologifc^e, bie 3tüe(fmä§ig!eit im ®afein, fo ift bemnad^ aud^ 
^a^ ^'t>zaU unb finb W 3t)een, in^befonbere bie l^öd^ften, im 



108 III. (grfcnntni§ btS Sllbfolutcn unt> aBfoIutc @r!enntniß. 

eigentlid^en 6inne fo genannten 3been be^ %a^xtn, ®nten, 
B^ömn, ber ©ered^tigfeit unb überl;aupt ber geifttgen 3SoE= 
fommenf)eit, bie im ©innlid^en ipie im beifügen Sftealifirnng 
finben foE, ^egenftanb fidlerer ©rfenntnife. Merbing^ begießt 
fi(^ biefe 6i(^erl)eit gunäd^ft nur auf ba^ ^afe, bie Sßir!lid^!eit, 
^^atfäd^Iid^feit berfelben, nod^ nid^t auf ba§ 2Ba§; benn biefe^ 
n)irb nur attmäl^Ud^ für "oa^ ^etüufetfein offenbar unb für bie 
©rfd^einung gur 9iealifirung gebrad^t; benn eben 'i^a^f ^Dag ift 
ba^ treibenbe SJioment hti biefem Streben, l^anble e^ fid^ nun 
um Sflealifirung ber Sbee ber 2öalf)r]S)eit burd^ bie Sßiffenfd^aft 
ober be^ ®uten im etl^ifd^en Streben ober ber ©ered^tigfeit u. f. id. 
SBenn ^laton bie 3been, bie i^m allerbing^ nod^ einfeitig ]^ppü= 
ftafirte, abftracte (burd^ 5lbftraction gen?onnene unb infofern 
ftarre) 33egriffe lüaren, aU ben aHeinigen tva\)xcn (^egenftanb 
fid[;ern SSiffen^ httxa^M^, mil fie "i^a^» 33e^arrenbe im beftän^ 
bigen SSed^fel ^iüif d^en Sein unb 9^i(^tfein barftellten, fo i^atte 
er infofern xeä)t, aU biefe fog. 3been ba^ Sßefenl^afte ber ^inge 
bilben, W an il^nen tl^eilnelf^men; unb ebenfo rid^tig \)at 2lrifto= 
tele^ bie ben fingen immanenten Qbeen (gormen ober gormen- 
^rincipien) aU ben ipa^ren, attein n)id^tigen, iüefenl^aften ©egen= 
ftanb be§ 2Siffen§ be^eid^net. ^ebarf bie £el)re ^on Ui't)en 
atterbingg ber D^teinigung nnb einiger Umbilbung, fo ift in ber- 
felben bod^ fd^on W§> gur Geltung gefommen, ha^ auä) t)U 
Sbeen n)ir!lid^e ©rienntnife gemäl^ren, ©egenftanb fidlem Sßiffen^ 
feien. ^a<i) unferer Sluffaffung finb fie t)a^ aEein ^ebeutung^i^ 
unb Sßertl^tooEe im S)afein unb \)at bemnad^ il^re ©rfenntnife 
fidler ebenfo üiel tljatfäd^Iid^en SBerti), tük 'ok ber blofeen Söirf- 
lid^feit. 

©nblic^ aber finbet fic^ nod^ eine 5t;^atfad^e in ber 3BeIt, 
bie ebenfaEö ein ©egenftanb fidlerer @r!enntni6 ift unb einen 
filtern Sd^lufe auf bereu Urfad^e unb auf ein aEgemeineio ^rin= 
cip geftattet. 2Bir meinen bie ^etoegung, bie aU aEgemeinc 
5t^l;atfad^e be!annt genug ift, unb gn^ar nid^t blo^ SufäEigc ober 
med^anifd^ gefejmäfeige, an unb in fid^ giellofe ^enjegung, fonbern 
aud^ geftaltenbe, bilbenbe, sielftrebige ober teleologifdS)=pIaftifd&e 



35ic gbttttd^e ^rfönlicl^feit. 109 

S3eh?egung, bte eine entfpred^enbe IXrfac^e, ein ifjr gemäfeeö 
$rincip gut notl^menbigen 3Sorauöfe|ung ^at S)iefeg allgemeine 
39ilbung^= ober ^eftaltnng^princip, ba^ fid^ im aEgemeinen 
^atuxpxoai betl;ätigt nnb beffen notl^iüenbige Slnna^me tnir 
anberiüärt^ gn begrünben gejnd^t ^ab^n"^, !önnen mir aU „äiSeU= 
:p]^antafie" begeid^nen, njeil e§ objectit) fo tcirlt, trie fubjectit) 
in ber 2)lenf(^ennatur bie ^l;antafie fid^ betl^ätigt, fobafe eine 
üollftänbige Slnalogie ftattfinbet, bie fid^ aber aU nod^ mel^r 
benn a{§> blofee ^Inalogie ertüeift, aU Sßejen^ein^eit unb aU in 
genetifd^em B^f^i^^ie^'^^ng ftel^enb. 3n genetifd^em 3nfammen= 
^ang, infofern 'i^ie fubiectit)e ^l;antafte eben im 9Iatnrproce& 
burd^ bi$ ^et^ätigung ber SBeltpl^antafie im organifd^en nnb 
lebenbigen (Gebiete ber 9^atnrprobnction ba§ Seben, bie @m= 
pfinbnng, 'tia§> S3etpn§tfein nnb bie fnbjectiöe ^^antafie felbft 
!)ert>orbringt, aU ©eneration^poten^ fid^ ^uerft objectit) betl^ätigenb 
nnb bnrd; ßoncentration nnb SSerinnerlid^nng attmä^Ud^ gnr ©eele 
fid^ üerinnerlid^t nnb inbit»ibnalifirt. 3^^ Seele, au§> toeld^er 
bann l)intoiebernm hu fnbjectiöe ^l;antafie fid^ bilbet nnb il^rer= 
feit^ nad^ 5lnalogie be§ allgemeinen (SJeftaltnngsprincip^ ober ber 
SBeltpl^antafie fic^ betlfjätigt, bilbenb, fd^affenb, geftaltenb nnb' 
nmgeftaltenb. ©in fold^e^ (S^eftaltnnggprincip nad^ Slnalogie 
ber fubjectitien menfd^lid^en ^^antafie, ha§> ^ngleid^ finnlid^e nnb 
geiftige 3^atnr in fid^ trägt nnh alfo finnlid^^geiftig ir>ir!en !ann, 
beibe Gebiete, bie in ber ©rfd^einnng^toelt fo getrennt erfd^einen, 
in ber Söurjel nnb im giele toerbinbenb. — ©in folc^e§ '^srinciip 
angnnel^men finb ii»ir tniffenfc^aftlid^ fo gnt bered^tigt, iüie bie 
^tatnriüiffenfd^aft tim allgemeine med^anifd^ tr>ir!enbe ^raft (ber 
^etoegnng) annimmt, nm bie ©rfd^einnngen be^ än^erlid^en 
3Jatnrgefd^e^en0 ^n erllären. '^a^ ber ^efd^affen^eit ber 2ßir= 
!nngen mnfe 'i)i^ Urfad^e gebadet nnb angenommen iüerben, foba§ 



* ®. mein Söcrf : „®tc ^^antafte aU ©runb^rtnci)) bcS Sßert^jroceffeg" 
(ä)iün(^en 1877), ®. 158 ff., unb: „2)ie ^^tlofo^^^te al8 3bealtotffcnfc^aft nnb 
elftem" (äJJünc^en 1884), @. 49 ff. Stud^: „SJ^onaben unb SBelt^^antafie" 
(■JTJünd^en 1879), ®. 5 ff. 



110 in. er!enntniß beö Slibfoluten unb obfolutc (Sr!cnntni§. 

fie geeignet ift, au^ i'^r bie betreffenben ©rf($einungen aU 2Bir= 
fungen gu erflären, — fei e§ auc^, ha^ biefelbe vorläufig nur 
l^^pot^etifd^ angenommen iDirb, n)ie bieg in ber D^turtriffen- 
jd^aft ebenfalls oft genug gefd^iel^t, ol^ne ba^ man i^x be^l^alb 
hen h)iffenf(^aftlid^en ^\)axatUx abjprid^t. ©in ©runbprincip 
alfo mu§ angenommen tnerben al§> eyiftirenb unb ipirfenb, au§ 
bem bie ©efammt^eit atter ^afein^erfd^einungen unb Dffen^ 
barungen in i^ren Urfad^en unb 2öir!ungen, ber finnli($en von 
ber geiftigen, abgeleitet merben !ann. %U folc^eg ^rinci^ ift 
un§ junäc^ft unfere eigene ^l^antafie be!annt, bie baS ©inn= 
lic^e unb (beifüge miteinanber öerbinbet im ^etüu^tfein ebenfo, 
tüie in ber ©prad^e unb in ber ^unft, tüo ©eiftigeg toerfinnlid^t, 
©innli(^e!c toergeiftigt tüirb. ^emnad^ finb njir bere($tigt, ba^ 
©runbprincip be^ ganzen finnli(^ = geiftigen Söeltproceffeg aU 
^l^antafie, 2öelt))]^antafie auf^uf äffen, ba ein fo befd^affene^ 
^rincip aUein geeignet ift, n)ir!lic^ baraug ein^eitlid^ atte 2öelt= 
©rfd^einungen unb ^robuctionen §u erüären. 58etrad^ten tnir 
bie toerjd^iebenen ^rincipien, tüie fie im Saufe ber ©efd^id^te ber 
^l^ilofopl^ie aufgetreten finb, fo §eigt fid^ un^, ba§ fie aUenU 
l;alben tl^eil^ einfeitig, tl^eil^ unfruchtbar ober fonft ungeeignet 
finb. 2öarb ein materietteg ^rincip angenommen, fo Iie§ fid^ 
't)a§> ©eiftige nid^t barau^ erÜären, tDie g. 33. bie jonifd^en ^^iIo= 
fopl^en unb bie 2ltomiften betpeifen; tüurbe ein rein geiftige^ 
^rincip geltenb gemalt, fo erfd^ien ha§> ^afein be^ 3JiaterieIIen 
aU bamit unvereinbar, unb baraug unableitbar, foba^ man gum 
^uali^mug öon 3Jlaterie unb @eift feine Suf(u(^t nehmen 
mu^te, n)ie fid^ bieg fd^on hei Slnayagorag, Paton unb 2lrifto= 
teleg geigt. 5Ral^m man eine abfolute, mit S^otl^tüenbigfeit 
n)ir!enbe SSernunft an, fo h?ar nid^t §u begreifen, tüie fo toiel 
Untoernünftigeg im ^afein entftel^en unb fid^ geltenb mad^en 
!ann, irie bie ^egel'fd^e ^Ijjilofop^ie geigt, trenn il^r bag Söir!= 
lid^e aud^ bag SSernünftige ift; na^m man abfolute Unvernunft, 
3. 33. blinben, vernunftlofen SBiUen aU ©runbprincip ober ©runb= 
toefen an, wie 6d^openl^auer, fo blieb unerllärlic^ , ja erfd^ien 
unmöglid^, ^a^ bod^ SSernunft entftel^en fonnte unb eg biefelbe 



3)ie göttlid^e ^erfönltd^fcit. 111 

fogar jum $^ilofop!)iren brachte, unb gtüar §u einem t>ernünf= 
ttgen menigfteng Bei ©c^openl^auer felbft! S)ie f(^roffe (Sin^eit ber 
6ubftan5, trie fie ©pitioga geltenb ma($t, erfc^eint in fid^ un= 
frnd^tbar nnb unbehjeglid^, fobafe bie SSiel^eit unb 3Jianni(^faItig= 
!eit ber SBelterfd^einungen, }a bie SBelt felbft tooEftänbig uner= 
flärt bleibt; mirb bagegen eine unenblid^e SSiel^eit fubftantieHer 
ein]^eitli($er Söefen angenommen, mie bei Seibni§, fo ge!)t barüber 
bie (Sinl^eit ber äßeltauffaffung t>erloren ober e§ ift hjieber ein 
befonbere^ $rinci:p erforberli(5, um biefe (^iri^eit l^ersufteHen, 
ein fubftantialeg ^anb ober eine präftabilirte Harmonie neben 
bem eigentlichen IXrn^efen unb IXrprincip be§ ©afein^ unb (^e= 
f(^el)en0. — 5Die Söeltpl^antafie bagegen ift ein ^rincip, 'i)a^ 
atten :p^ilofopl)ifd^en ^orberungen jugleid^ ©enüge leiftet, für bie 
6innli(^!eit unb (S5eiftig!eit be^ S)afein§ S^gleid^ genügenb ift, 
ißernunft iüie IXntoernünftigeg (2öiE!ürli(^e£0 au^ fid^ probucirt 
unb aU ©inl^eit §uglei(^ eine unenblid^e SSiel^eit, fon^ol^l im 
finnlic^en (^eWte aU ©eneration^potenj, al§> au^ im geiftigen 
al^ fubjectit^e ^antafie ober freie ©eftaltung^!raft ^ert)or= 
bringen !ann. — @» gibt aufeer bem angeführten ^l^atfäc^lid^en, 
ha^ ©egenftanb fieserer Äenntni^ ift, aui^ nod^ anbereg, toa^ 
©egenftanb ber ©rlenntni^ fein !ann unb t)on bem fragli($ ift, 
üb eg ni6)t au(^ in bie Kategorie be§ bi^l^er Slngefül^rten gel^öre: 
S)en!en, Söotten, ©efül)le, moralifd^e^ ©efeg u. f. tu. 3Ba§ 'i)a^ 
legtere betrifft, fo tnar batoon bereite bie 9^ebe Ui ben Qbeen, 
benn ^§> fäHt im 2Befentli($en gufammen mit ber 3bee be^ 
(SJuten; bie pfp(^if($en Functionen be^ ®en!en^, SöoEen^ unb 
gü^leng aber finb un§> mol)l unmittelbar be!annt unb gemi^, 
aber fie finb abgeleitet, alfo niä)t aU ^rincipien gu betrad^ten ober 
aU emige, be^arrenbe 2ßefen^eiten, obtüol^l man immerhin tjon 
i^nen al^ 2öir!ungen ober ©rfd^einungen be^ SDafein^ ©d^lüffe 
auf ben Urgrunb beffelben unb feine Sefc^affenl^eit §iel^en !ann, 
bal)er tüir im golgenben nod^ einmal barauf tperben gurüd- 
!ommen muffen. 

W ba^ bi^^er 33etrad^tete ift ^toax tttoa^ ^^atfäd^lid^e^ unb 
ßrlennbare^, \a pm 3:;:^eil 2lbfolute^ unb abfolut erlennbar. 



112 in. (SrfenntniO bc8 5l6[ofutcn unb abfolute ©rfenntnt^. 

aber c5 ift gan^ allgemeiner DIatur unb !eine^lt>eg0 toon ber 5lrt^ 
bafe ba§ eigentliche ®afein^=$roblem burc^ biefe ©rl'enntnife al§ 
gelöft erf($einen fönnte; benn über ba^ tieffte 3}i^fterinm be^ 
^afein^, ben legten (^runb unb 3^ecf beffelben unb über SBefen 
unb (§ft\ä)xä be^ SJ^enfd^en lüirb baburi^ !eine 2luf!lärung gegeben. 
Die Sfteligion trollte unb tritt eine fold^e geben, aber biefelbe ift 
bem beulen, ift tniffenfd^aftlic^ ungenügenb; bie Sßiffenfc^aft 
l)inn)ieberum gibt für ben benfenben SSerftanb befriebigenbe ©r- 
lenntniffe, aber fie befriebigen bie gan^e 3Jtenf(^enfeele, inSbefon- 
bere ©emütl; unb SSerlangen berfelben ni^t. S)ie grage ift nun, 
ob ni($t burd^ SSerbinbung toon beiben, t>on Sfleligion unb 2öiffen= 
f(j^aft, in^befonbere ^l^ilofopl^ie, H§> gett>ünf($te 3^^^ erreid^t, 
'i)a§> Mysterium magnum beg Dafein^, trenn aud^ natürlich nic^t 
bur(^f($aut unb noUfommen erfannt, bod^ mit @i($er;^eit in irgenb= 
einer SSeife conftatirt unb aud^ in einer bem menfd^lid^en ©eifte 
befriebigenben Sßeife bem 33eh)u6tfein gefi($ert unb bie llngen)i6= 
^eit übertüunben tt»erben !ann. Mit anbern Sßorten : Die grage 
ift, ob fid^ auf ©runblage be§ ^l^ilofopljifd^ fidler @r!annten ber 
etDige Hrgrunb alles Dafein» unb t^iz duette aEer ©rfc^einungen, 
in^befonbere aud^ be^ 3)Zenfd^en mit feinen Gräften uub @tre= 
bungen, al^ perfönli(^e§ 2öefen, bem abfolute 3Sott!ommenl^eit 
eigen ift, ertoeifen laffe. 2öir l^aben W^» nun im ©in^elnen gu 
unterfud^en. 

gunäd^ft ift bie grage, ob nieEeid^t fd^on auf 't)as> allgemeine 
fubftantiale 6ein, bag tnefen^fte 6ubftrat aller @rfd^ einungen, 
bie 33e§ei(^nung ober ber 33egriff @ott (im religiöfen 6inne ge= 
nommen) mit 'ü^ä)t angetüenbet toerben !ann, tüie bie^ ettüa 
tjon ©pinoga gefd^ie^t. DieS ift ju t)erneinen, njenn unter ©Ott 
'!>a^ attert»oll!ommenfte 2öefen, ba§ abfolute 3beal ber 3Sernunft 
ober bie abfolute ^erfönlidf^feit p nerfte^en ift, tt>ie il)n 't^ie 
monotl)eiftifd;cn S^teligionen, in^befonbere ba^ ßljriftent^um auf= 
faffen. 3n ber ^eftimmung ber an unb für fid^ feienben ©üb- 
ftana, bie il^re (^yiften^ ober ben ©runb il^rer e^iften^ in fid^ 
felber \)at, baljer unentftanben ober emig ift, unb feinec^ 2lnbern 
njeber jum (Sntftel^en nod^ pm ©ein (ß^iftiren) bebarf, liegt 



S)te gbttlid^e ^erfönlid^feit. 113 

tüeitcr !eine @tgenf($aft begrünbet, bie ©Ott aU abfolutem, per= 
fönlid^em SBefen §u!ommt. 2lu§erbem aber !ennen trir au^er 
biefer aUgemetnen ^Beftitnmung gar m(^t^ t)on biefer 6ubftang; 
if)r eigentliche^ Sßefen, au(^ infofern fie 6nbftrat atter irbifd^en 
(^rfd^einnngen ift, Wibt nn§ t>ott!ommen unbe!annt, n)ie trir 
^k§> felbft toom eigentlid^en 2öefen ber 3Jlaterie be!ennen muffen, 
©^er fc^eint bie allgemeine ©efe^mäfeigfeit atte§ pl^^fifd^en 
@ef$el^en§ eine Sere($tigung gn geben, biefelbe, n^enn jn^ar ni($t 
al^ ©Ott SU be^eid^nen ober an bie 6tette ©otte§, aU IXrprincip 
gu fe^en, boc^ aU unmittelbare Offenbarung göttlii^en 6ein§ 
unb 9Bir!en^ aufguf äffen, 'oa fie bo($ al^ ^lu^brud allgemeiner 
Sftationalität gelten !ann. 5lllein amS) 't)k^ ift ni^t pläffig 
ober iüenigfteng nid^t aU unmittelbare Folgerung geltenb gu 
mad^en. ®ie ©efe|mä^ig!eit fagt gunäd^ft nur fi(^ felber au^, 
!ünbet ni(^t^ anbere^ an unb entl^ält aud^ iüeiter feine @igen= 
fd^aften, iüie fie in ber S^leligion bem göttlid^en Söefen gugefc^rieben 
irerben. 2ll§ 3^otl)n)enbig!eit toottenb^ erfd^eint fie toielmel^r aU 
©egenfa^ göttlid^enSBalten^, infofern in ben^leligionen aUentl^alben 
©Ott aU perfönlid^ unb gn^ar in antl^ropomorpljifd^er 5ßorftellung 
aufgefaßt toirb. 9JJan !ann fogar fagen, 'Da^ in ber Üteligion 
©Ott (ober ©ötter) unb S^aturnotlfjtoenbigleit ober unöerbrüd^= 
lid^e ©efe|mäfeig!eit in bem 9^aturgefd^e^en in einen geiüiffen 
©egenfa^ gueinanber geftettt iperben, unb bafe ber religiöfe ßultu^ 
grö^tentl^eilg bal)in §ielt, W 9^aturgefe|lid^!eit mit §ülfe ber 
©ottl^eit §u übertüinben, gu änbern, nad^ ben eigenen Sßünfd^en 
ober 33ebürfniffen gu lenfen, alfo biefelbe geipiff ermaßen gu ]^em= 
men ober aufgul^eben — burd^ ein geioiffeg 2Bunbern?ir!en, in 
ineld^em man toeit mel^r unb fi(^erer ein 3^ic^^« ^on ©öttlid^!eit 
erblidt al^ in ber ©efegmäfeigfeit. 60 im ©ebiete ber Sfteligion. 
tlmgefebrt aber ift man aud^ in ber Söiffenfc^aft nid^t geneigt, 
©Ott, tüie benfelben bie 9leligion glaubt unb oerel)rt, aU antl^ropo^ 
morpl)if(^e ^erfönli($!eit, mit ber allgemeinen ©efe|mä§ig!eit ber 
3f?atur gu ibentificiren, möd^te biefe tiielmelfjr aU gleid^fam abfoluter 
l)inftellen, aU ben ^erfönlid^en ©ott felbft, "oa hu logifd^en ©efege 
unb ha§> entfpred^enbe reale ^efd^affenfein ober SBirfen gleid^fam 



114 III. ©rfenntni^ be« Stbfoluten unb abfolute ©rfenntni^. 

Über ©Ott geftellt erfd^eint, b. 1^. angenomtnen tüirb, ha^ ©Ott aud^ 
ben logifd^en @efe|en unb ber ^J^at^ematif gemäfe ben!en unb 
l^anbeln muffe, alfo unter ber §errf(^aft btefer ftel)e, etrig unb 
unabänberlid^; fobag er biefelben mä)t änbern, nid^t übertreten 
ober unbefolgt laffen !ann. 5Demnad^ toirb alfo angenommen, 
'i^a^ mä)t biefe ©efe^e tjon ©ott abl)ängig, öon beffen 2ßiHen 
beftimmt finb, fonbern umge!e!)rt, t^a^^ göttliche ^en!en unb 
2Bir!en an biefe ©efege gebunben ift. ©tel;en nun biefe ©efeje 
getüifferma^en (aU veritates aeternae) über @ott, bann ift bie 
©ottl^eit p i^xex ©yiftenj nic^t unbebingt not^tüenbig, unb auf 
fie !ann bann aud^ !ein 33etr)ei^ für ©yifteng eine^ perfönlid^en 
@otte^ gegrünbet tnerben. — Slber and) felbft ^a, tno S^latur^ 
Drbnung unb ©efe^mä^igfeit unb ba^ göttlid^e Söefen unb äöirfen 
für ibentifd) erflärt iüerben, tvk ettra Ui 'i)zn 6toi!ern, tüerben 
bod^ ber ©ottl^eit felbft irieber ßigenfd^aften unb 2Bir!fam!eiten 
gugefd^rieben, bie ber bloßen Dkturgefeglid^feit nid^t felbft gu^ 
!ommen, fonbern berfelben gemiff ermaßen entgegenftel^en, — n)ie 
ja aud^ bie ftoifd^e ^Sorfd^rift, in Uebereinftimmung mit ber S^latur 
p leben, tüieberum ben 2öiberfpru(^ entl^ält, ha^ 't)k§, nid^t t)on 
felbft, fopfagen naturgemäß gefd^eljen, fonbern erft !ünftlid^, burd^ 
ein befonbere^ Bollen unb ©treben beh)ir!t irerben fott, fobafe ein 
gleid^fam nid^t D^aturgemäßes im 3}tenfd^en burd^ er^bene ©runb= 
fä|e unb 2BiEengftär!e übertr>unben lüerben mill. ^ie 9^atur= 
Drbnung unb ©efeJmägigMt foE ]f)ier erft in ben '^iUen auf= 
genommen tüerben, ber alfo bod^ ipieberum al^ ein befonberejo, 
freiere^ ©ebiet erfd^eint, nid^t in jener unmittelbar gegeben 
ift, — fonft brandete fie nid^t erft in ben äßillen aufgenommen 
ober ber Söille i^x eingefügt p hjerben. Eingefügt alä un- 
georbnete^ ober al^ niebere^, untergeorbnete^ 9}loment, rt)ä]f)= 
renb er bodf; aud^ notljtnenbig §ur D^^atur unb bamit aud^ 
pr ©ottl)eit gel^ören foE! 2lud^ t)on ber ©efefemägigfeit ober 
3^otl)tpenbig!eit in ber D^atur ift alfo fein fidlerer 6d^lufe 
auf ^afein unb 2ßir!en ber ©ott^eit moglid^, n)ie fie in 
ber 9fleligion geglaubt unb öere^rt njirb. 3Zod^ treniger !ann 
fie (biefe 9^aturgefe^lid^!eit) felbft als ©Ott betra(^tet merben. 



3)ie gBttlid^e ^crfönüd^fcit. 115 

ba i^r alle ©igenfd^aften ber $erfönli(j^!eit fel^len unb fie gött= 
liä) erft tnirb burd^ 2lufna^me in ben äßillen unb Eingabe an 
fie aU einen Slu^brud gottgefe^ter unb ^getüollter, un'oex^xüä)' 
lid^er, rationaler Drbnung. ®abur(^ aber mirb ba^ real ober 
Dbjectit) (SJegebene au^ ein fubjectito (SJeiüoEteg unb ©efegte^, — 
ungefäl^r, iPte 6d^iIIer e^ au^brücft: „9f^e|)mt bie ©ottl^eit auf 
in euern Söitten unb fie fteigt t»on i^rem Sßeltentl^ron''. SDa§ 
^eiüu^tfein öon ber ©ott^eit ftammt aber anber^mo^er unb il^re 
BorfteHung ift naä) anbern gactoren unb bereu 2ßir!en in ber 
2BeIt gebtlbet, fie ift antt)ro:pomorpl^ifd^ geftaltet aU lebenbige^, 
freitüoEenbeg unb tr>ir!enbeg Söefen. 

SSon tüeit me^r 2öi(j^tig!eit für unfer Problem ift bie fog. 
3tüe(^mä$igMt ober 3telftrebig!eit im ^afein, fpecieH im ^ainx- 
Men. 2)a6 '^k ^!)atfäd^li(^!eit berfelben nid^t mit dit^t in 2lb= 
rebe geftettt tperben !önne, h)urbe f$on oben gegeigt. ®ie or= 
^anifd^en ^Übungen unb in^befonbere bie lebenbigen Söefen 
geigen eine folc^e innere unb äußere @inri(^tung, eine fo in= 
einanbergreifenbe ©lieberung !örperlid^ unb fotc^e bagu ^affenbe 
:pfp(^ifd;e Einlagen, bie gur ©rl^altung unb görberung gerabe 
biefer 3lrt üon Snbiöibualität bienen, ba§ fie burd^au^ nad^ 
einem Pan gebilbet, einem beftimmten Qmä angepaßt erfd^einen, 
ober ba§ in i^nen eine 3bee, ein Ux- ober SSorbilb aug bem 
6amen l^erauS realifirt erfd^eint. 6elbft menn angenommen 
tüürbe, ba^ biefe 3^^^^ä^^9^^^t ^^^ ^^^ 9t efui tat be^ med^a= 
uifd^en $Raturgefd^e^en§ entftanben fei (ni^t aU urfprünglid^e^ 
^rincip tüirfe), mü^te bod^ 't^k ^l^atfad^e anerkannt tperben, ba§ 
fie je^t 'Da fei unb aU pincip ober ir»ie ^in fold^e^ tüir!e unb 
für bie menfc^lid^e ^etrad^tung ber 3Ratur al§> regulatibe^ $rin= 
cip gu t)erit>enben fei, foba^ au^ ber ^iefe be§ med^anifd^en @e= 
fd^el^en^ felbft biefe be^errfd^enbe Maä)t hervorgegangen toäre, 
bie nun bie med^anifd^e ^raft al^ 3Jlittel öermenbet, "i^a^» if)x 
bienen mufe. ©g ift bal^er gar nid^t gu öerh)unbern, ha^ man, fo= 
balb bag menfc^lid^e beulen nur einigermaßen gebilbet mar, afe= 
balb bag ® afein eine§ mit 33etDußtfein unb 2)en!en toirfenben 
IXrl^eberg toon att ber munberbaren S^ßc^wäfe^Ö^^it annal^m, bie 

8* 



116 III. (Srfcnntnt^ beö 216foIuten unb aBfolutc (Srfenntni^. 

o!)ne beiüufeteg 3ßir!en gar ntd^t möglid^ gu fein fd^ien. darauf 
l^in n)arb eben ber ^elüeiö t>erfu(^t, ber aU teleologif($er ober 
:p]^t)fi!o=tf)eoIogifci^er S3eh)ei^ begetd^net iüirb unb bem populären 
^en!en befonberg gufagt. Slllein felbft ioenn man ha§> ^egrünbet- 
fein eine§ fold^en SBeinetfeg für bte ßyiftens eines perfönlid;en, 
betrübten unb ben!enben IXrl^eberg sugibt, erljebt fid; bo(^ fogleid^ 
eine grofee 6(^it>iertg!eit, tuenn man unter biefem perfönlic^en, toer:: 
ftänbigen ober tr»eifen UrljeBer ben perfönlid;en, allgütigen, iDeifen 
unb geredeten ©Ott ber l^öl^ern monotl^eiftifd^en S^eligionen t)erftel;en 
roitt. ^enn biefe teleologifd^e Ginrid^tung ber Organismen, inS= 
befonbere ber ^{)iere, geigt ^toax ^Ianmä§ig!eit unb 5ßerftänbig!eit, 
aber — mie fd^on frül)er erörtert tourbe — !einesiüegS befonbere 
3BeiSl)eit unb @üte für bie ©efd^öpfe felbft in il^rem SSerpltnife 
gueinanber, ir»enn man ben fog. ^arnpf umS ^afein betrad;tet, ber 
fortmäl)renb unb notf)tr»enbig in ber D^atur l)errfd^t, in h)eld;em 
bie ©efd^öpfe fid^ unauffjörlid^ »erfolgen, toerbrängen, vertilgen 
unb oft graufam gegeneinanber irüt^en. ©ie finb baju befäl^igt 
eben burd; bie fo oft mit Erbauung betrad^tete gioedmäfeige ©in- 
rid^tung unb SluSftattung mit !örperlid^en Drganen unb pl)i;fifd^' 
pfp(^ifd^en ^nftincten. ^^eftänbige %uxä)t unb 2lngft, 9Jotl^, 
Sd^merg unb ^ob )^zxx\ä)zn eben baburd^ in ber 9^atur, unb in 
ber Siegel bann im §intergrunbe am Ifjeftigften, irenn in ber 
(Srfdfieinung W dlatux am belebteften, fd^onften fid^ geigt. Sßenn 
nun einerfeits bie gtnedmäfeige unb tl^eiln>eife fogar äftl;etifd^e 
(Einrid^tung ber S^aturtrefen auf einen toerftänbigen, ben!enben 
Url^eber biefer Sßefen l^ingutoeifen unb einen fold^en notl)lr)enbig 
i?orauS5ufeJen fd;eint, fo beutet ebenfo fel)r biefer graufame 'Bex- 
lauf im D^aturleben, biefe SluSftattung ber SBefen mit Drganen 
gur gegenf eiligen SSerfolgung unb 3Sertilgung barauf l)in, 'i^ai^ 
biefer llrl)eber bod^ ir)ol)l nid^t toon SlUgüte gegen biefe SBefen 
geleitet fein modele, "oa er aHentl^alben bie Ginen erfreut mit 
bem <Sd^merg ber Slnbern, unb alle fie förberte auf gegenfeitige 
Soften. 2BiE man bennod^ unter biefen Umftänben bei ber 2ln= 
nal)me ftel;en hUih^n, bafe üon einem betrübten perfönlid^en 
Sßefen mit 2lbfid)t unb SSorbebad^t biefe ©efd{>öpfe mit fold^en 



2)ie gBttltc^c '^Perfönltd^fcit. 117 

töebürfniffen unb ©trebungen feien gefc^affen unb au^geftattet 
tporben, fo bleibt niä)t§> übrig, aU biefen tierftänbigen IXrl^eber 
felbft fi(^ mit einem beftimmten ©rab t>on Unöottfcmmen^eit gu 
benfen, infolge beten er nic^tö Seffere^ fd^affen tpottte ober 
!onnte; ober mehrere f(^öpferif($e Mä^U gu benfen, bie mit= 
einanber felbft in 3tüiefpalt fic^ befinben, einanber felbft be= 
feinben nnb i^re ©ebilbe gegenfeitig fd^äbigen unb t>ertilgen. 
^er ^olt)tl)eigmu^ mit feinen t)ielen t>erf(^iebenen ©Ottern !onnte 
tpol^l biefe 5lnfi($t fid^ bilben unb behaupten unb brandete barum 
feinen Inftofe ju nehmen an ber lXnt)oll!ommenl)eit ber Söelt M 
feinem religiöfen Glauben, ^ei üollfommenem ^Setpugtfein öom 
©öttlic^en lonnte man babei nid^t ftel^en WiUn unb l;alf fic^ 
allenfattg, iüie Wir fd^on frül^er anfül)rten, burdb ben ®uali§= 
mu^, inbem man einen guten ©Ott unb dn böfeg SBefen annal^m, 
al^ im Kampfe gegeneinanber begriffen, ^in ^uali^mu^, ber 
aud^ im 3ubent:^um fid^ finbet, tüenn aud^ in gemilberter ^orm, 
unb fic^ im ©!^riftent:^um mit ber Seigre t)om 6ünbenfatt ber 
erften 3)ienfc^en, mit ©rbfünbe, ©rbfd^ulb unb ©rlöfung burc^ 
ben Dpfertob ©otte» felbft, al^beso guten ^rincip^, toerbanb; mit 
bem Dpfertob, ber bie SJJenfc^^eit au^ ber 3Jiad^t be^ böfen 
$rincip§ befreien follte. §iert)on ir»ar frül^er fd^on bie ^t\)t 
unb mir braud^en l^ier nid^t näljer barauf einsuge'^en. 

60 geftaltet fid^ bie (5ac^e, h)enn tr>ir gelten laffen, ba§ 
fid^ t)on ber 3^^<^wö6^9'^ßit iti ber S^^atur im ©rofeen unb (Bin^ 
seinen auf einen mit SSerftanb unb ^iUzn planmäßig gemir!ten 
Urfprung, in^befonbere be^ Drganifd^en unb Sebenbigen, fd^liegen 
laffe. 3nbe§ ift bem nid^t einmal fo; e^ lä§t fid^ ipenigftenso 
nid^t mit 9fZot^menbig!eit bi-efer Sd^lu^ ^i^^tn, benn unferm 
"^znUn ftel)t bafür feine fidlere ©rfal^rung aU 3luggang^pun!t 
ober ©runblage ^nx ^tiU, 2111 unfere ©rfal^rung ^eigt un^ 
tjielme^r, bafe bie teleologifc^en 33ilbungen in ber S^latur au^ 
bem ©ebiete be^ IXnbetüu^tfein^ l^eröorge^en, bemna(^ h)ol)l ein 
teleologifd^^plaftifd^ trirfenbe^ ^rincip, aber feine betüu^te 35er= 
ftanbegtl)ätig!eit bezeugen, — lt>ie fie bem teleologif(^en Sßirfen 
be^ 3Jlenfd^en notl^menbig ift. D'b biefe^ teleologifd^=plaftifd^ unb 



118 HI. (5rfenntni§ bc8 2(6foIuten unb abfotute (Srfenntniß. 

unben?u6t iüir!enbe ^rincip felbft toon einem pl^ern ober ge^^ 
rabeju abfoluten, mit Söeipufetfein tnirfenben ^rincip ftamme 
ober im attgemeinen Söefen be§ ®afeinS unbetru^t tüirfe, fönneti 
mir bemnac^ auf ©runb unferer D^aturerfenntnife l)in nic^t ent* 
fd^eiben; benn mir vermögen ba^ gange® afein nad^ feinem ©runb= 
Jüefen nnb feinen ©runbfräften nic^t §u burc^fd^auen, um §u ent= 
fd^eiben, ob bie teleologifd^-^laftifd^ mirfenbe @runb!raft nic^t 
aU unbeit)u§te, ftet^ in il^r irgenbmie fic^ betl^ätige unb au- 
mäl^Ud^ aud^ §um ^äetoufetfein unb gum bemühten teleolo gif d^en 
2öir!en fid^ fortbilbe im unenblid^en Sßeltproceffe. SBenn nun 
bennod^ t)on biefen gtoedfmä^igen ^Übungen au§> auf einen be- 
mußten, intelligenten IXrl^eber aU Urprincip gefd^loffen mirb, fo 
gefd^iebt bie^ auf (SJrunb ber ©rfa^rung, Ue mir an un^ felbft 
mad^en, ba§ mir nämlid^ nid^t§ 3^^cf^<äfe^9^^ P ©taube bringen 
ol^ne bemühte 3Serftanbe^t^ätig!eit, bie ba^ äßotten unb ^l^un 
beftimmt unb leitet, ba^ ber beftimmte ^lan ober ba^ 3Sor= 
bilb (3Sorftettung) beffen, ma^ mir erreid^en moEen, jur 5(u^' 
fül^rung lommt. Unfer SSerftanb ift babei regulatiöe^ ^rincip; 
biefe^ übertragen mir auf W objectiöe, real=mir!enbe ^latur aU 
conftitutit>e§ ^rincip unb fd^Ue^en bann öon biefem au§ mieber 
auf ^in l^öl^ere^, regulatitjeg unb fd^affenbeS ^rincip, ba^ mit 
53emu6tfein unb SSerftanb ber 9flatur bie gielftrebigleit unb 
3tT?edEmägig!eit gegeben ^dbe. Mein in fold^er Sßeife !önnten 
mir mit 6id^erl)eit nur bann fd^liefeen, menn fd^on gemi^ märe^ 
bag unfer SSerftanb al^ teleologifd^eö ^rinci^ felbft öon einem 
mit S3emu6tfein unb IXeberlegung fc^affenben ober gerabegu ab- 
foluten, göttlid^en Url^eber ftamme, — menn mir alfo 'i)a§> fd^on 
gemijs müßten, maä mir erft burd^ biefen 6d^Iu6 feftfteHen 
moHen; unb menn bemnad^ mit ©ntfd^ieben^eit in Slbrebe ge^ 
fleHt merben !önnte, ba§ nid^t ber menfd^lid^e 35erftanb felbft, 
ber gu fo gmedtmä^igem, bemühten 2Bir!en befähigt, attmä^lid^ 
au^ bem SRaturproce^ l^ertoorgegangen fein !önne; au^ bem 
3^atur!proce§, ber burd^ ein bem 3!)afein ober ber 3Ratur 
immanente^, junäd^ft unbemufet teleologifd^=plaftifd^ mirfenbeö, 
allgemeine^ ^ilbung^princip fic^ tooßjogen ^at unb tooUgie^t. 



S)tc göttltd^e ^erfönlid^fcit. 119 

^ir fönnen btefe SKöglid^feit ni^t in 2lbrebe [teilen, ba fiä^oti 
unfere geiüöljnlid^e ©rfal^tung ebenfo, mie bie tniffenfd^aftlid^e 
gcrf($ung uns barauf ^intüeift, ba^ ein @ntir)i(^elung§proce6 
biefer 5lrt ftattgefunben f)at unb nD(^ ftattfinbet, aU beffen S^^Ö- 
niffe bie unenblid^e 3]^anni(^faltig!eit unb bie 9ftei^enfolge ber 
Drganifc^en unb lebenbigen Sßefen betrachtet tnerben fönnen. 
!^ie §uerft unbemufet teleologifd^ iüirfenbe aEgemeine ^ilbungg= 
!raft (SSeltpl^antafie lonnen toix fie nennen) tüäre alfo l^iernad^ 
attmä^Ii($ gu beiüufetem teIeologif(^en 2öir!en gelommen unb 
\)ätte fi($ gum ^erftanb unb SöiEen, iüie beibe im 3}lenf(^en= 
©eifte nun fi^ beti)ätigen, emporgebilbet. ©^ bleibt unent= 
fd^ieben, ob ni^t bie unbetüufete ^unft ber Statur (naä) 21Cuf= 
faffung beg 2lriftoteIe^) im Tl^n\ä)^n §ur bemühten merbe, unb 
üb W§> unbemu^te ^toeifmä^ige 3ßir!en in il^r nic^t gerabe im 
aj^enfi^engeifte inö 2xä)t be^ 33etDuMßt«» tritt unb im betüufeten 
2Bir!en be^ SRenfc^en pr öerftänbigen, planmäßigen 33etl^ätigung 
unb Offenbarung !ommt. i^ommen bod^ aud^ nod^ "o^m beiüußten 
(Steifte M feiner S^ätigleit fo oft bie beften SSorftettungen unb 
(SJebanlen plö^lid^ au^ bem ^eWte be§ IXnbetDußtfein^, irie 
bie Äünftler, ^id^ter unb Denier bezeugen. (Bim 2lnbeutung, 
't^a^ aud^ im S^P^nbe beg llnbetüufetfein^ ber gaben be^ SSor- 
ftetten^ unb 2)en!en§ nid^t abgeriffen ift, unb baß unbewußt 
eine gel^eime rationale unb teleologifd^e ^ptig!eit fortbauert, 
bereu Stefultat bann attmäi^lid^ ober plö^Iid^ in^ S3etüußtfein 
tritt. 2)a§ Söefen be^ 6innlid^en unb beifügen, be^ llnbe= 
tüußten unb be^ 33ett)ußtfein», ift un^ eben nod^ t)iel §u tüenig 
belannt, um l^ier eine enbgültige ©ntfd^eibung geben ^u !önnen; 
iebenfall^ fönnen tüir un^ bei t)tm in grage fte^enben Problem 
auf W @rfa!)rung nid^t mit 'Mzä)t berufen, ha nad^ unferer ©r= 
fal^rung teleologifd^e^ 2öir!en tr>eit öfter unb allgemeiner au§ 
bem (S^ebiete be^ IXnbetüußtfein^ in ber Sf^atur l)ert)orgel^t, aU au^ 
bem beh)ußten, giredtbeftimmten, menfd^Iid^en Reifte, ja biefer 
felbft für unfere ©rfal^rung au^ bem (^tbkU be§ IXnbelüußtfein^ 
l^eri)orge!)t. 

%nä) W Sbeen unb gmar bie Qbeen im l^öd^ften 6inne toom 



120 in. Srfenntni^ be8 2(6fotuten unb abfolute ©rfenntniß. 

SBa^ren, @uten, Schönen, öon 9te(^t unb ©ered^tigfeit, "ok mit 
toon ben untergeorbneten Sbeen unterf (Rieben l)aben, tpeld^e fid^ 
in ben Gattungen unb Sitten bet Söefen, butc^ "ok teIeologifc^= 
^laftifd^e 2öit!fam!eit in bet 5Ratut t»etlr»it!li($en, — auä) biefc 
^öc^ften Sbeen l^aben tüit al^ Dbject einet ]i6)txn, tpa^ten @t= 
!enntni§, al§> ^l^atfac^en, bie füt ben ^ntettect gut 2Ba{)t]^eit 
njetben, et!annt unb anetfannt. ©;§ entfielt bemnac^ bie gtage, 
ob nid^t t)ieEeid^t au^ bet ©t!enntni§ biefet bet etüige Utgtunb 
be§ ^afein^ fid^et etfannt iüetben !önne, irie et iritüid^ ift unb 
aufgefaßt iüetben muffe; ob fie eimn fic^etn 2lnl;alt§pun!t füt 
bie ©ntfd^eibung üUx tia§> :^öc^fte ^toblem obet 3}^i;ftetium be^ 
S)afein^ geben; unb §n)at in bet 2ltt, 't^a^ irit mit t)olIet 6id^etl^eit 
aud^ toiffenfd^aftlid^, ipie im teligiöfen ©lauben, ein betoufete^, abfo= 
lut ooHfommene^ äöefen obet einen petfönlic^en ©ott annehmen unb 
bel^aupten lönnen. Slbet aud^ bie 3been geben in biefet ^egiel^ung 
feine t)otte @en}i6:^eit, iüenn fie aud^ öon l^öd^ftet 2Bid^tig!eit finb. 
In fid^ finb fie felbft unpetfönlid^, finb nod^ im ® afein t)et= 
botgen obet nut unbeftimmt in bet 9^atut gut Dffenbatung 
gebtad^t, el^e ein !Iat etfennenbet ©eift fie fd^aut unb gut Dffen= 
batung btingt. 6ie toitfen junäd^ft füt SSoIIen unb §anbe(n 
toie ^tiebftäfte, mel^t obet minbet bunlel, füt 'i)a§i @t!ennen 
abex loie ^titetien obet Ut= unb SSotbilbet, an benen bie ®inge 
unb ^^aten geptüft unb nad^ i^tem toa!)ten Sßettl^e beuttl^eilt 
toetben. Slbet auf einen beftimmten Uttjebet obet ^täget, in§= 
befonbete auf einen petfönlid^en @ott iüeifen fie nid^t unmittel= 
hax 1)in ; t>on einem an fid^ ©d^önen obet toon fubftantialet 
6c^ön^eit aU ^etfon, obet öon einem an fid^ Söal^ten, t)on 
petfönlid^et Subftanj al^ Sßa^tl^eit u. f. tt?. !önnen n^it un^ 
feine $8otftettung, felbft nid^t einen ©ebanfen obet Segtiff bilben. 
©0 finb bie Sbeen ge^eimnifeüoE, an fid^ unfapat, dbex treil 
unpetfönlid^ in unenblid^en 2öefen unb (^eftaltungen, su tealifiten 
unb gut Dffenbatung gu btingen. Dbmol;l fie abet an fid^ un= 
beftimmt, üetbotgen finb unb etft butd^ bie ©ebilbe beö 3)afein^, 
in^befonbete butd^ ben 9)lenfd^engeift gut Dffenbatung fommen, 
finb fie bod^ notl^n^enbig, untoetänbetlid^ unb attet äßillfüt ent= 



2)ie göttliche ^crfönltd^feit. 121 

f)oUn, ftnb aBfolute 3Jläd^te, über 't^k feine menfi^Iic^e ©etralt 
gebieten, 'i^k hin menf(^Ii(^e^ Ma^iq^hot feftfe^en ober änbern 
!ann. @ie gleichen mat^ematif(^en SSal^rl^eiten unb rationalen 
Sljiomen, infofern aU fie, tüenn einmal !lar er!annt unb im 
33en)u§tfein aufgegangen, nic^t mel^r nid^t gebadet unb nic^t me^r 
anber^ gebadet toerben !önnen, fobafe fie atter menfc^Ud^en äöillfür 
entrüdt bleiben, tnenn fie einmal ^ur !laren Offenbarung gefommen 
finb. 6ie [teilen infofern auc^ h)ie veritates aeternae, gen)iffer= 
ma^en über einen perfönlid^en ©ott al^ beftimmenbe Mä6)k be^ 
göttlid^en Sntellectg unb Söillen^. ®ie§ ift felbft in ber (^riftlid^en 
^l^eologie in auffaEenber Söeife gur ßJeltung gebrad^t iporben, 
in^befonbere in ber Ürd^lid^en ©rlöfung^lel^re, j. 33. in ber fog. 
6ati§faction^tl)eorie bur(^ SInfelm t>on ßanterburi; in bem 2öer!e: 
„Cur Deus homo?'', in tüeld^em beriefen it»erben toill, ba^ bie 
Mofung ber 3}lenf(^^eit nur burc^ 3)lenf($n) erbung unb D:pfertob 
@otte^ felbft öoEgogen n)erben !onnte. ©^ brängt fid^ ple|t 
alle @d^h)ierig!eit auf W 5^rage pfammen, ob benn @ott t)er= 
möge feiner @üte unb Wla^t, ni($t bur(^ feinen bloßen Söillen 
"Dit Tt^n\ä)^eit toon ©ünbenfd^ulb unb Strafe l^ätte befreien können, 
darauf tüirb geantiüortet, ba§ bie^ niä)t mögli($, niä)t pläffig 
toar tnegen ber(S^ere(^tig!eit, meil biefer ©enugt^uung geleiftet 
tüerben mu^te unb @ott felbft geiüifferma^en baran gebunben 
tuar, unb nid^t burd^ einen SJJac^tfprud^ ober einen Slct ber 2öill= 
!ür 't)it <Baä)^ erlebigen lonnte. ^emnac^ ift l^ier ber Sbee ber 
@erec^tig!eit eine gebietenbe 3Jlad^t felbft über ben perfönlid^en 
©Ott bei feinem 2Bollen unb 2öir!en für "i^ie^ 3Jlenfd^^eit gugeftau:: 
ben. ®ie Qbeen lönnen bemgemä^ toon ©Ott nid^t geänbert 
tüerben, 'i)a§> perfönlid&e teufen, SöoEen unb 2Bir!en ©otte^ für 
bie 3Jienfd^en mufe fic^ nai^ ben Qbeen rid^ten. 1)a§> SBa^re ift 
tt)a]^r, bag ©ute gut, ba^ ©ered^te geredet, nid^t tneil eö ©Ott 
beliebig fo beftimmt, fonbern ipeil eine einige, ibeale 9^otl^- 
tüenbigMt e^ fo forbert. ©otte^ Sntettect unb ^iUen ift bem= 
nad^ öon ben Qbeen beftimmt, unb nid^t biefe finb t»om perfön- 
lid^en ©ott abl^ängig ober beftimmt, fonbern umge!e:^rt. ^aä) 
ber 5(uffaffung biefer t^eologifd^en ^^eorie l^at ©ott in feinem 



122 III. Srfenntni^ bc8 5lBfoIuten unb abfolute (Sr!enntnt§. 

SBoHen unb 2ßir!en fid^ mci) ben Sbeen gu richten, ^emnad^ 
fönnen h?ir nid^t bel^aupten, bafe biefe Sbeen ben perfönlid^en 
@ott öorau^fe^en^ ba fie an ]iä) feienbe, en)ige 2öefen!)eiten, 
©eje^e ober BJläd^te finb, fonbern tin pcrfönltd^er ©Ott erfd^eint 
getüifferma^en aU ba^ 3^^^^^^/ ^^^^ aEerbing^ al§> bag, iüobnrd^ 
biefe Qbeen etoige Sebenbig!ett nnb 3öir!fam!eit erl^alten, n^a^ 
aber auc^ in geitli(^er, relativer 3Beife in ber SSelt felbft gefd^e^en 
!ann. Uebrigen^ ftnb biefe 3been nid^t blo^ für bie menfd^lid^e 
©eifte^entiüicfelung in allen ©ebieten, in ^^ilofo^ljie unb £unft, 
im etl^ifd^en Seben unb in ber 6taat^organifation unb ©efe^- 
gebung t)on ber l^öd^ften 2öi(^tig!eit, fonbern aud^ bie ©nttoide- 
lung unb 3Sert)oII!ontmnung ber Sfleligion, be^ @otte^betr>u6tfein§, 
ift burd^au^ tion ifjnen bebingt. S)ie Sfteligionen entJDidfeln, tertooU^ 
!ommnen fid^ nid^t au§> fid^ felbft, tpeil fie allentljalben, aU toermeint^ 
liä) birect göttlid^ gegeben, auf eine getoiffe Slbfolutljeit unb Unt)er= 
änberlid^!eit (Unterbefferlid^feit) 2lnfprud^ mad^en; e^ n^irb bal)er 
jeber 3Serfud^ einer SSeröoHfommnung aU 5lbfaII, ja %x^ul gegen 
©Ott felbft betrad^tet, öerpönt unb toomöglid^ fd^mer geftraft 
unb unterbrüdft. 60II bennod^ eine ^ortbilbung, Säuterung unb 
3Sereblung be§ ©otte^betuufetfein^, ber 3SorfteIIung t^on ©Ott unb 
beffen (Sigenfd^aften unb Söirfen ftattfinben, fo !ann bie^ eigentlid^ 
nur inbirect gefd^el^en, inbem 'i^k allmäl)lid^ errungene (£r!enntni§, 
3Sereblung unb (Kultur im finnlid^en unb geiftigen (3tbktz auf 
irgenbeine Sßeife, untoermerft ober burd^ irgenb eine Ärifi§ unb 
^ataftropi^e im geiftigen Qtbcn in 'i)k D^teligion eingefül^rt toirb, — 
toie bie ^fteligion^gefd^id^te bezeugt. ®urd; "oen gortfd^ritt ber 
Söiffenfd^aften unb ber geiftigen Kultur mirb nämlid^ aud^ ber 
ibeale ©inn in ber 3}knfd^ennatur getnedft, irirb bag 33eiüu§t= 
fein t)on ben 3been be^ SSal^ren unb ©uten, ber ©ered^tigfeit 
u. f. iü. angeregt unb gebilbet. Qnfolge batoon toirb bann mand^e^ 
ntd^t mei^r geglaubt ober feftgel^alten, tDa§> man frül^er al^ @igen= 
fd^aft ober 2Bir!fam!eit ©otte^ gläubig :^ingenommen l^at. 3Sor- 
ftettungen unb ßultu^ in ber S^leligion reinigen unb erl)ö^en fid^ 
baburd^, h)ie 'i)ii§> 5. S. felbft in ber altteftamentlic^en Sieligion 
!lar l^ertortritt, unb njte aud^ bie übrigen l^ol^em ^eligion^formen 



2)tc giJttttc&e ^erfönltd^fcit. 123 

jeigcn, in betten ba^ fittlid^e ©etüiffen über ba§ religiöfe ©e- 
iptffen attmäl^lii^ ba§ Uebergemid^t getr>ann unb infolge baöon 
graufame @ebräu($e unb unfittli($e §anblungen au§> bem reli= 
giöfen ßultu^ entfernt n)urben. ^iefe £äuterung ober 3Sereblung 
nnb 35ergeiftigung gefd^iei^t eben bur($ bie 5lu§bilbung ber l^öl^ern 
Sbeen, burd^ ©eftaltung befferer gbeale, in^befonbere im ©ebiete 
ber 6ittlid^!eit unb be^ Sted^te^, aber au<^ bur(^ Stärfung unb 
©rl^öf^ung be^ @efül^I§ für Söal^rfjeit unb 6($Dn!)eit, infolge 
beffen bag IXnmal^rc, gabel^afte, ©efälfd^te, fotüie bag 9iol)e unb 
gra^enl^afte frül^erer reltgiöfer SSorfteHungen unb ßultu^acte 
immer mei)x au^gefd^ieben ir»irb. 9Kan !ann alfo fagen: 2^ bem 
3}ta§e, aU bie l^öl^ern Qbeen pr Slu^bilbung unb pm S3eiDU§t= 
fein im SSolfe kommen, in bemfelben reinigt unb er^öl^t fid^ aud^ 
Ue ©otte^ibee, ha§> (^otte^betpufetfein unb ber religiöfe (Sultu^. 
60 iDurben §. ^. bie 3Jlenfd^enopfer, ba^ mud^ernbe gefd^led^tlid^e 
Clement, bann aud^ bie blutigen £):pfer überl)aupt, aU ber 
©otte^ibee unangemeffen, au§> ber 9leligion, bem ßultu^ au0= 
gefd^ieben. ®ie ^lu^bilbung biefer gbeen aber ift hk golge ber 
n)iffenfd^aftlid^en gorfd^ung, in^befonbere ber ^l)ilofop]^ie, fotüie 
ber fünftlerifd^en ^etl^ätigung unb äft^etifd^en 33ilbung. ©al^er 
finb bie 6ulturt)öl!er einer l^öl^ern, reinem, geiftigern ^Religion 
fällig, al^ bie nod^ in S^lo^^eit unb Uncultur befinbli(^en, t^k 
für reinere @otte§t)orftellungen unb Mtu^^nblungen nod^ gar 
feinen (Sinn unb fein 35erftänbni§ ^ben unb bie auä) 't)a§> 33effere, 
'oa§> il)nen t)er!ünbet ober aufgebrungen iüirb, iüieber in xi)xt 
grobfinnlid^en gormen bringen unb in ba§ (^tbkt be§ bloßen 
Slberglauben^ l^erabgiel^en. Dl)ne ©eifte^cultur überl^aupt gibt 
eg feine Läuterung unb 6rl)ö]^ung beg ^otte^bemu^tfein^ unb 
feine iüirflid^e, bauernbe SSereblung ber Sfleligion. 

2ßir fommen enblid^ §ur Erörterung be^ Hauptproblem^, ob 
nämlid^ ni($t iDenigften^ auf ^runblage be§ aEgemeinen 2Belt= 
^rincip^, 'oa^^ tüir geltenb mad^en, ber allgemeinen ^ilbung^mad^t 
im ©afein ober ber 2öeltpl)antafie ein fidlerer ^etoei^ für 
ha§> ©afein unb Söirfen eine^ perfönlid^en @otteg, h)ie er im 
religiöfen Glauben angenommen unb toerel^rt tpirb, fid^ führen 



124 in. (Srfenntuiö bc§ 2l6foIutcn unb abfolutc ßrfenntntß. 

laffc, ober ob bicic anä) auf @runb biefer für geirife gel^alteneu 
^l^atfac^e nxä)t möglid^ fei unb iüir tüiffenfc^aftlt($ bei biefem 
immanenten Söeltprincip aU bem ^öd^ften, Seiten [teilen bleiben 
muffen. 3wnä(^ft fc^eint baö Segtere bur(^au§ ber gatt 5U 
fein, ipenn, trie mir ^u erir»eifen toerfud^t l^aben*, au^ biefem 
attgemeinen, suerft un^erfönli^ unb unbeiüufet n?ir!enben 33il= 
bung^princip nic^t blo^ bie organif($en DIaturbilbungen unb 
bie lebenbigen SBefen nad^ i^rer pl^^fifd^en Drganifation unb 
i^ren ^Df^d^ifc^en ©igenfd^aften unb ^etf)ätigungen fid^ erüären 
laffen, fonbern aud^ felbft ber bemufete, perfönlid^e 3}^enfd^engeift 
mit feinen intettectuetten Gräften, tüie mit @emütl; unb 2öiHen. 
©^ fd^eint ba unnöt^ig, nod^ ein perfönlid^e^, mit 39eir>u§tfein 
unb SSiEen n^irfenbe^ Urit>efen ober einen perfönlid^en ©Ott an= 
pnel)men, um 'tia^» teleologifd^e = plaftifc^e 2ßir!en in ber Statur 
unb in^befonbere ba^ ^afein unb bie Gräfte be^ perfönlid^en 
3Jlenfd^engeifte^ p erüären: ^enjufetfein, 3Serftanb, ©emütb, 
Sßiden, 33ernunft, bie ©enefi^ be^ 3Jlenfd^engeifte§ über^upt. 

2lnbererfeit^ aber fd^eint gerabe umgefel^rt bie ^{)atfac^e, 
ba§ att bie^ im Saufe be^ 9f^aturproceffe§ au^ bem ©runbprincip 
^ertoorge^en !onnte, bie 2lnna]^me ju forbern, ba§ biefem ganje 
geiftige Sßefen unb Sßirfen, tt>ie e^ in ber D'Iatur unb t)or 2Ittem 
in ber 3}lenfc^engefd^id^te fid; geigt, bod^ irgenbirie, im IXrprincip 
njenigften^, potentiett ober ber Einlage nad^ etoig üorl^anben fein 
mufete, ha e^ nid^t med^anifd^ entftanben fein !onnte, tüie auö 
3ufaII, gleid^fam burc^ generatio aequivoca unb aU tootte [jisTof- 
ßaat; d^ aXXo ^evo^. Slber aud^ eine emige ^otentialität f(^eint 
niä)t angenommen trerben ju !önnen, ba bo(^ jebe ^oteng, hk 
eine ^raft ber 2lctit)ität in fid^ birgt (n^ie 5. 33. ber Äeim ber 
^ftange), bod^ aud^ actito fein mu^, fd^on burd^ i^x 6ein ober 
liBefen, nid^t blo^ paffit? beftefjen !ann, felbft nid^t in bem fogu^ 
fagen rul^enben 3wftanbe, — nod^ ipeniger hei unenblic^er '^eta-- 



* „2)ie ^^antafie al« ©runb^rmcip beS Selt^roceffeö" {iDUndftn 1877), 
unb: „2Ronaben unb ^öelt^^antafic" (2Jiün(^en 1879). 



3)ic göttlii^e ^erfönlid6!cit 125 

morpl^ofe im 3)afein^proceffe. ^a ift bann eine abfolute, QötU 
Uä)t Banalität, bie 2lIIe§ in abfoluter Söeife in ]iä) f^liefet, ina^ 
im Saufe be^ enblic^en (gntn)i(JeIungg^roceffe§ attmäl)li(^ in re= 
latit^er gorm barau^ I;ert)orge]^t, nid^t an^gefi^loffen, nic^t einmal 
unmal^rfi^einlid;. Slbfolut actueH finb ja fd^on bie logif(^en unb 
bamit ani^ bie realen @runbgefe|e, iüie tüix fallen; eBenfo bie 
Sbeen an fic^ (nid^t in i^rer geitlid^en Dffenbarnng). ^emnad^ 
erfd^eint al^ 't)a§> au§> ber ^oten^ §ur Slctnalität ©trebenbe unb 
bie 9flelatit)ität Ibegrünbenbe bie aEgemeine 33ilbung§:potens ober 
U^ 2öeltpl)antafie. ®urd; fie gel)t ber allgemeine Sßeltproce^, 
\ük W ?R,atux benfelben geigt, foh^eit lüir nrtlf^eilen lönnen, auf 
3bee= ober SSernunftrealifirung au§> (33ernunft aufgefaßt al^ 
55ermögen ber Sbealität, ber Sbeenrealifirnng [objectit», real] 
unb Sbeenerlenntni©. (B§> gefd^iel^t bie^ auf ©runb ber emigen, 
unbebingt gültigen (^efe|e, bie babei gleii^fam aU Mittel toer= 
iüenbet inerben. Um bilblid^ p reben: S)ie @efe|e finb glei($fam 
'bk feften Sangfäben, in treidle bie gro^e 9f^aturit»eberin, 't^k att= 
gemeine ©eftaltung^lraft, bie Üuerfäben einfügt, um ba^ unenb^: 
lid^ mannid^faltige SSeltgelneBe gu bilben. ®ie erfte S3etl)ätigung 
ift eine gefe|mä^ig orbnenbe, üerbinbenbe — gu (^eftaltungen, 
lüeld^e 3nbit3ibualität h?enigften^ anbeuten. ^ann folgt bie be= 
ftimmtere, innerlid^ iüie äufeerlid^ teleologifd^=^laftifd^e ober or= 
ganifd^e, 'i)k ©d^affung ober ^ilbung ber Organismen, ipobei 
burd^ ^or]{)errfd^en be§ plaftifd^en Wlomznk§> fid^ h^ol^l baS 
^flangenreid^ attmäl^lid^ bilbete, burd; ^or^errfd^en beS teleolo^ 
gifd^en baS X'i^kmiä) ; bann tüieberum in ber (SJefd^led^tSbilbung 
im lr>eiblid^en fid^ "oa^f plaftif(^e Moment tiorl^errfc^enb §ur @el= 
tung bringt, im männlid^en baS teleologifd^e u. f. \ü. 3^ ber 
2öeltp]^antafie ift alfo gunäd^ft 'i^k ^oteng §u fol($er Sßirlfamleit 
gegeben. Slber tDir lönnen ni^t beftimmt belfjaupten, ha^ fie in 
ber gorm ber Slctualität, b. 1^. aU betou^te lünftlerifd^e ^raft 
ober tüie ein perfönlid^er ^ünftler eyiftent unb ioirffam fei — 
aU göttlid^er Söeltbilbner ober gerabegu Söeltf(^D:pfer. '^n ber 
2öeltp^antafie finb freilid^ nid^t aU tk unenblid^en ^ilbungen 
gleid^fam fd^on im £eime gegeben, fobafe fie fid^ barauS nur 



126 ni. (Srfenntntß beö ^bfoluten unb absolute (SrfcnntniB. 

p entmicfeln braud^ten, h)ie au^ bem 6amen hk ^flanje, 
fonbern e^ ift nur bie aEgemeine @eftaltung^!raft gegeben, 
n)el(^e 'Dann naä) ben allgemeinen (SJefegen unter bem @in= 
ftuj ber 9f^aturt)er^ältni)fe bie Slrten ber 2öefen fjerüorbringt. 
Slber beiüufete ^!)ätig!eit eine^ perfönlid^en Söefen^ ift ben= 
nod^ babei ni6)t unbebingt not!)tüenbig für unfer Urtl^eil, ba 
trir auä) fonft finben, ba^ ^eftimmte^ au§ Unbeftimmtem ^er= 
»orgelt, bafe SSirfungen ben Urfad^en nid^t immer tottftänbig 
gleichen, über tDenigften^, ba§ Unbeftimmtem W ©runblage unb 
reale 3)'lögli(^!eit ^u S3eftimmtem bilbet, ba^ gan^ tierf (Rieben 
batoon erf(^eint. ©elbft bie menfd^Iid^e fubjectitoe ^l^antafie, bie 
an fi(^ bD($ geftaltlo^ ift, öermag unenbli($ t>iele unb t>er= 
f(^iebene ©eftaltungen, 33ilber ober 3Sorftettungen l^ertjorjubringen, 
bie beftimmt unb concret finb, unb baburc^ gang t?erf($ieben t?c»n 
ber fie ^eröorbringenben IXrfac^e. 2lud; in ber äußern pl^^fifci^en 
3Ratur geigt fi($ 2lel;nlid^em ; ber S^laum g. ^. begrünbet ©r= 
f (Meinungen unb ^erl^ältniffe, bie toon il^m gang toerf (Rieben gu 
fein f($einen, @r ift unbetüegt unb begrünbet ober ermöglid^t 
bD(^ alle SSeiregung, er erf(Jeint unenblic^ unb gibt )i^ bod^ in 
lauter @nbli(^!eiten !unb, er l^at !eine Sflic^tung unb Entfernung 
unb begrünbet bo(^ alle 9fti($tungen unb Entfernungen be^ 9ftäum= 
liefen, ift felbft unfi^tbar an \iä) unb begrünbet bodf) atte Qid^U 
barfeit unb 2öa^me^mung u. f. tr. — ®am äßi^tigfte für ba^ 
^fi;d^if(j^e unb geiftige Seben unb 2öir!en, lua^ au^ ber 2Belt= 
ipl^antafie auf ©runb ber teleologifd^=:plaftif(^en ©eftaltung ]^er= 
t) orgelet, ift bie Empfinbung^fäl^igfeit unb ^k Empfinbung ober 
ta^ 6i(^^3nnefinben biefer organifc^en 33ilbung infolge ber fort= 
fc^reitenben, tjerfd^iebenartig fi($ geftaltenben Eoncentration unb 
^erinnerlid^ung berfelben. S)abur(^ offenbart fid^ in ber S^Iatur 
fd^on ein fie burc^toaltenbe^ 6einfotten unb 3f^id^tfeinfolIen be^ 
3uftanbem, alfo ein ibeale^ Ttomtnt, baio im $ipd^ifd;en gur 2Ba^r= 
ne^mung unb gum ©enufe fommt. 2öir muffen alfo njol^l an= 
nehmen, 't)a^ auä) bie^ im eirigen, abfoluten Urgrunb bes ^a^ 
feing in irgenbeiner Söeife begrünbet fei, ha ol)ne bie^ eine 
S3efc^affen^eit unb Offenbarung biefer 2lrt in bem räumlic^^geit* 



2)ie göttlt^e ^erfön«d^!eit. 127 

liä)tn Sßeltprocefe nid^t aU möglid^ erfd^einen fann. — 3tt 
treidlet 2öeife aber bieje Offenbarung ber Sbealttät burd^ @m= 
:pfinbung begrünbet fei im Slbfoluten, vermögen tüir ni^t gu 
er!ennen. S)iefe^ barum aU abfolute ^erfönlid^leit, aU betüu^te^, 
ber finft unb be^ 6d^mer§e§ ober tnenigften^ ber pf^i^ifc^en ©e= 
fül^le fä^ige^ 2Befen angunel^men, ift !eine beftimmte ^ere($ti= 
gung gegeben, ba e^ bod^ ber Qbee be^ Slbfoluten ni^t gemä^ 
ift, t)ielme{)r berfelben tüiberfpric^t, i^x menfd^lic^e ^efül^le, unb 
ndä) mei)r, i^r Suft^ unb 6(^mergempfinbung pgufd^reiben. ^^ 
ift tiielmel^r anäunei)men, ba^ biefe gä^igfeit bem S^ealen, b. 1^. 
ber 3Serbinbung ober SSermäl^lung ber etuigen 3been mit ber 
räumli(^=geitli(^ irirfenben SBeltpl^antafie, erft im (Gebiete ber 
©nbli(^!eit 5u!omme, 'Da§> lXnenbli(^e ber ^htcn in ber ©nbli(^= 
hü fi(^ giüar teleologifd^ = pIaftif(^en Slu^brud geben !ann, aber 
aud^ ber 33efd^rän!ung unb ber 3Serle|ung, bai^er aud; be^ 
©d^merje^ unb ber Unfeligfeit fä!)ig ift. Qn 'oa^» Ibfolute felbft 
l^inein bie^ p öerlegen, baffelbe alfo trie eine ber £uft unb 
be§ ©(^merge^ fällige ^erfönlid^feit ^u betrad^ten, fd^eint un^ 
nid^t berechtigt §u fein; — bieg gefc^iel^t nur in 9fleligionen, 
tüeld^e 'Dk ©ottl^eit tooEftänbig ant^ropomorpl^ifd^ unb ant^ro= 
))opatl)ifc^ auffaffen (gan^ nad^ bem 39ilb unb ©leid^ni^ be^ 
3Kenfd^en), ober gugleid^ aud^ naturaliftif d^ , befonber^ in t^eo= 
fo:plf)ifd^en ober gnoftifd^en Speculationen, bie in pl^antaftifd^er 
Söeife ben gangen S^aturproce^, mit @infd^Iu§ be^ :patl^oIogifd^en 
3Jiomentg in ber 3Jienfd^ennatur, in ha§> göttlid^e Sßefen felbft 
l^inein »erlegen, ol^ne irgenbeine l^altbare miffenfd^aflid^e ^e- 
grünbung bafür beizubringen. 

%u§> ber ©mpfinbunggfä^igfeit gel^t im ©nblid^en, in ben 
lebenbigen 2ßefen unb in^befonbere in ber 3)lenfd^ennatur 'oa^ 
^etüufetfein unb ©elbftbeipufetfein l^ertoor.* ©mpfinbung unb 
^en}ugtfein treten tool^I gufammen auf in ber ©nttnidfelung ber 



* ®. mein 3Bcr!: „S)te ^^antafie aU ©runb^rinct^ beS 3Beltproccffe8' 
(2«ünd^cn 1877), @. 398 ff. 



128 ni. (5r!enntnt§ be« 5(B[otutcn unb aBfoIute erfcnntnig. 

leBcnbtgen Sßejen, immerl^in aber erfd^eint bie ßmpfinbungS' 
fä^ig!eit aU ©runbbebingung be^ 33etr»u§tfein^ unb inöbefonbere 
bes ©elbftbetüu^tfein^, — oBlnol^l au^ g^ftänbe einzutreten 
fd^einen, in meld^em ©mpfinbung ot;ne tlax^§> S3en)u6tfein ftatt^^ 
finbet. 33ei ben niebern Sebemefen ift bieg ol^nel^in !aum gu 
begmeifeln, ba bei il^nen ©mpfinbung unb bumpfeS Seipugtf ein 
iüo^I in @in§ sufammenf allen, aber auä) ^ei beut 3Jlenf($en 
fc^eint bieg ber gaE gu fein in fällen, tno burd; irgenbeine 
©inipirfung bag 33eh)u^tfein aufgef)oben erfd^eint, oljne ba^ 
tüenigfteng bie ©d^mergäu^erung, §. 33. hti einer Operation t>er^ 
mieben ir»irb, — iüenn ni^t etma biefe 5leu§erung burij^ rein 
mec^anifd^e 3flefleybeir»egung !)ert)or gebraut n^irb. 2öie bem fei; 
^en)u6tfein ift ber l^öl^ere normale pfi;(^if(^e S^^ftob gegenüber 
ber ©mpfinbung, tüenn auä) hk (Smpfinbunggfä^ig!eit ©runb- 
bebingung beg SSemu^tfeing ift. Tlan !ann 't)a§> ^erpltnig toon 
ßmpfinbung unb 33en}u6tfein einigermaßen Dergleichen bem toon 
2öärme unb %eutx] einerfeitg gel^t Söärme bem lid^ten geuer 
tooraug, anbererfeitg folgt ber l^öljere (^rab ton SBärme, 'i:}a§> 
brennen auf '^a^ geuer, gel)t t>on biefem aug. ©o gel)t bumpfe 
(rmpfinbung bem 33eit)ußtfein tooraug, aber burc^ 33eh)u6tfein erft 
loirb bie lebl^aftere ©mpfinbung, £uft unb 6d^merg möglid^. — 
SDie grage ift nun, ob toix toon ber 5t;i)atfac|e be§ 33eir>u§tfeing 
unb ©elbftbetpufetfeing einen fidlem 6($lu6 mad^en !önnen auf 
ein ©elbftbetüußtfein im etrigen, abfoluten IXrfein unb =2öefen 
beg ^afeing. ©in fel^r geir»id^tigeg 9Jioment ift ^ok^» fidler 
unb ber 6d^luß bat»on auf göttliche $erfönlid^!eit allerbingg be= 
beutunggt>oHer, alg ber t>on ber teleologifd^en ©inrid^tung ber 
9^atur unb il^rer ^robucte, "o^n n}unberbaren trieben unb 3n= 
ftincten ber ^l)iere u. f. in., ben man fo geirölf^nlid^ unb mit 
33orliebe unb über§eugunggt>ottem D^ad^brucf t)on tl^eiftifd^er ^eitt 
geltenb mad^t, toäl^renb man bie Menfd^ennatur mit iljrem 33e= 
ipußtfein unb ©elbftbeiüufetfein babei gu ignoriren pflegt. Slttein 
eine unbebingt unb §tr»eifellog fidlere ©runblage für einen 6d^luß 
auf eine abfolute göttliche ^erfönlid^feit alg notl)tüenbigen Ur^ 
lieber ober Urgrunb ber enblid^en felbftbe mußten äßcfen ober 



2)ie göttliche ^erfönlic^fcit. 129 

$erfönli($!eiten bilbet au^ ba^ enblid^e Selbftbetüufetfein nid^t; 
benn S3elr»u§tfein unb 6elbftbetr>u§tfein finb §u tüanbelbar 
unb i^rem @ntfte^en nad^, mie oben gezeigt, §u fe^r burd^ 
©nblid^Mt bebingt unb au^erbem 'i)a§> Sßefen baöon gu irentg 
erfannt unb burd^fd^aut, aU bafe man fie al^ fidlere ^rämiffen 
babei öertüenben !önnte. Seirufetfein unb Selbftbemufetfein ent= 
fielen unb »ergeben, ined^feln beftänbig unb toerrat^en attent- 
l^alben (Snblid^feit unb Unfid^erl^eit. 6ie finb augerbem für 
unfere ©rfa^rung an ben finnlid^en Drgani^mu^ be^ ^örper^ ge^ 
fnüpft, üon feinen Drganen unb feiner S3efd^affenl)eit bebingt, 
foba§ mir unmöglid^ ba\)on auf ein rein geiftigeg, iperfönlid^e^ 
unb abfoluteg SBefen fd^ liefen !önnen, iüie tl^eiftifd^ @ott auf= 
gefaxt gu tr»erben pflegt. 3Son einem reinen @eift aU perfön^^ 
lid^eg, aU benfenbe^, fiil^Ienbe§ unb n?ollenbe^ Söefen lönnen 
mir un^ gar feine 3Sorftettung bilben, fönnen nur ein 2)a6, ha^ 
2)afein mit Sßorten behaupten, o^ne ba^ 2Ba^ ober äöie im 
minbeften gu üerftel^en. 2öir !önnen alfo mol^l öon ben logifd^en 
^efe|en aU notl^menbigen unb untoeränberlid^en Tlä^Un auf 
emigeg, actuelleg ^afein berfelben fd^liegen, aber nid^t in gleid^er 
Sßeife t>on bem entftel^enben unb öergel^enben, teränberlid^en 
^emu^tfein unb 6elbftbemu§tfein au^ge^^enb, t)on il^nen aU ganj 
!Iar er!annten unb burd^fd^auten innern SSa^rne^mungen mieber 
6id^ere§ erfennen aU emig unb unöeränberlid^ Seienbe^, unb 
§mar ©leid^ artige^, b. ^. ^emufete^ unb 6elbftbemu^te^. 6oE 
man t>on einer @rf(^einung auf 'iik Urfad^e mit 6id^er^eit 
fd^lie^en !önnen, fo mufe man fie felbft llar ernennen; öon bem, 
ma^ felbft nod^ unüar unb unfid^er er!annt ift, !ann man feinen 
fidlem 6d^lu§ ^ie^en. ©^ ift tk^ bie 'B^voä^^ be^ inbuctitoen 
SSerfa^ren^, "oa^ man smar t>on einer SSerdnberung ober @r= 
f(^einung ai§> einer Söirlung mit 6id^erl^eit fd^ liefen !ann, — 
'üa^ fie eine IXrfad^e |)aben miiffe, aber meld^e^ biefe fei, fid^ 
ni(^t mit gleid^er ©id^erl^eit beftimmen lägt, ta eine Sßirlung 
möglid^ermeife t)on üerfd^iebenen IXrfad^en ober t>on einem (Som= 
ple? öon Urfad^en ftammt; — eg fei benn, 'i^a^ llar er!annt mirb, 
bafe nur eine einzige Urfad^e im beftimmten gaEe möglid^ ift. 



130 ni. @rfenntnt§ be8 Stfcfoluten unb aBfoIute @rfenntnt§. 

über ba§ Urfad^e unb 2öir!ung untrennbar öerbunben finb. 
$Die^ fann aber in unferm gaEe mä)t unbebingt be^au^tet 
n)erben — ober im le|tern galle nur ^anti^eiftifd^. 2Bir feigen 
irie SBetru^tfein unb ©elbftbetpufetfetn au^ bem Unben^ufeten 
l^ertoorgel^t in rät!)fell^after, mä)t DoHfornmen erlennbarer 2Beife 
unb irie burd^ betpufete Söejen tüieber IXnbeirufete^ erzeugt n^irb ; 
tüobei t)a§> ©ine fo unerüärt ift vok baö 2lnbere, unb nur bie 
X^at\aä)t feftfte!)t, voeil fie erfal^rbar ift. ©o ift alfo au§ ber 
^l^atfad^e beö 33ett)u§tfein^ unb ©elbftbetüufetfein^ in ber 2Belt 
nid^t mit ^etoi^l^eit ju er!ennen, ba§ ber IXrgrunb, 'tia^» 2lbfolute 
aud^ S3eir>u6tfein unb ©elbfiben^u^tfein ^dben muffe; benn e§ 
foH \a ni($t blo^ ^SelDufetfein, fonbern aud^ bag Unbeiüujste burd; 
baffelbe gefegt tnerben unb e^ mn^te bemnad^ aud^ pglei(^ un= 
betpufet fein, n)enn Urf ad^e unb 2Bir!ung fid^ in biefer 2Beife 
glei(^en muffen. 2ßenn eso unbegreiflid^ ift, bafe ba^> 33en)u6t= 
fein au^ einem unbetoufeten einigen 2öeltgrunb ftamme, fo ift e^ 
aud^ unbegreiflid^, 'lia^ unb tnie ha§> Unbetüufete au§> einem be= 
tüufeten abfoluten @runb t)ert»orge^e. S)ie 3}löglic^!eit tion beiben 
läfet fid^ aEerbing^ nid^t in Slbrebe ftetten, tneil bie ©rfal^rung 
un^ bie 2ßir!lid^!eit geigt, aber fidlere ßrfenntnife ift nid^t p 
getrinnen. Unb it>enn 'mix au6) bie geinöl^nlid^e @intr>enbung 
gegen 2lnna{)me öon Selbftbetoufetfein unb ^erfönlid^!eit be^ 
Slbfoluten nid^t al§> geit)ic^tig gelten laffen, bafe nämlid^ 2lbfolut= 
l^eit unb ^erfönlid^leit fid^ au^fc^lie^en, tüeil gum ^erfönlid^fein 
ein 3lnbere^, ein DbjectitjeS erforberlid^ fei, — ba bod^ ba^ 2lb= 
folute in fid^ felbft buri^ ^^antafie unb 2ßiKen biefe 33ebingung 
mu§ erfütten !önnen*, — fo mug boc^ biefer fo toii^tige 
Problem für bie Söiffenfc^aft aU unentfd^ieben betrad^tet 



* ®d^on bei bem menfc^It^en (Selbpetou^tfein ifl ba« Stnbcrc nid^t ^ofi* 
ttöc«, fonbern nur bebingcnbeß unb negatiöeö 'Sflomtnt, begrünbet nur bie (Snb* 
lid^feit, ttjä^renb bag ipofittbe 9Jiontent ba§ eigene Sefen unb SBiffen ifi. 3"' 
bem tjl fd^on bei bem nTienfd^en bag ©elbftbettjußtfein nid^t eine S3efd^ränfung, 
fonbern im ©egent^eil am meiflen unenblic^ an i^m; um fo n?enigcr fann hti 
bem Slbfoluten @e(bftbeh}u|tfein aU ©d^ranfe aufgefaßt n^erben. 



2)ie gBttrid^c <Per|önttd^!ett. 131 

tperben. — 2lel;nlt(^e^ gilt öon ber menf(^U(^en ©r!enntni§ = 
!raft, bem ©ernüt^ xinb Sötllen. ®ie 5Cl^atfa($e il^reg actuetten, 
enbli($en ®afein§ betoeift nod^ niä)t, 'oa^ au^ im abfoluten 2Belt= 
gtunb actuette ©r!enntnt^, beiDufete 2ßtttengt:^ätig!eit unb ^efü^l 
angenontmen tüerben muffen in einem notl^ipenbigen, unbebingt 
gültigen 6($lu§. ^ie (Sr!enntniPraft bilbet fi($ im unenblic^en 
Söeltlanf unb betl)ätigt fi(^ in ber actueEen (gr!enntni§, bie ent= 
ftel)t unb t)erge^t. 3lu§ biefem Verlaufe aber ift leine abfolute 
©rfenntni^raft nnb feine abfolute actuette ©r!enntni§ im unbe= 
bingten ober abfoluten ©runb be§ ^afein^ SU erfd^lie^en, ba 
unfere ©rfal^rung unb biefe ©(^lu^olgerung eigentlid^ entgegen^ 
^efe|t finb, ir>äl^renb boc^ biefe au^ jener abgeleitet fein fott. 
2Bir feigen 't^it ©rfenntni^raft au^ bem 9^i(^ter!ennenben l^ertoor^ 
gelten, mie bie SöiEen^fraft au§> bem Mi^ttüollenben, beibe au^ 
bem unbenju^t, aber hoä) gefejmä^ig unb teleologif($ 2öir!enben 
entfpringenb, inbem ba^ @efe^ unb ba^ unbeiüu^t jtüedmägige 
3öir!en fic^ mit ^^antafie unb 33ett)u^tfein öerbinben, glei($fam 
t3ermäl)len; fo §ur betDu^ten 5^^ätig!eit (be§ SSerftanbe^, ber 
SSernunft unb be§ fid^ felbft beftimmenben Söitten^) erl^ebenb, voa^ 
pöor unbeipu^t gef($al^.* 6trengeg logifi^e^ @rf(^liej3en einer 
betDufeten abfoluten ©r!enntniPraft unb eine^ abfoluten fid^ 
felbft beftimmenben SBillen^ auf ©runb biefer (Srfc^einungen in 
^fJatur unb 3Jlenf($engef(^le(^t ift unfern (Srac^tenö unter fol($en 
IXmftänben niä)t mi)gli($. 

Sf^un aber ift bo($ auc^ noc^ bie ©otte^ibee im geiftigen 
Seben ber 3}lenfc^l^eit 'oa unb bilbet ben 3Jiittelpun!t ber l^ö^ern 
9fteligionen; fie mufe bo($ voo^ ba^ S)afein eine^ :^öd^ften ni($t 
blog, fonbern eine^ abfolut i)ott!ommenen 2öefen§ fidler be= 
geugen! 3n ber ^l^at ift biefe 3bee beg 5lbfoluten ober ba§ ah 
folute Sbeal ber ^Sernunft ber ^oc^fte @eban!e, ben ber 3Jienf(^en= 
@eift aebilbet, unb im religiöfen (Glauben ba^ ]^ö($fte ©ut, ba0 



* @. mein Ser!: „2)tc ^^antafte alö ©rmib^rinci^ beS SÖelt^roceffe«' 
<2«ünc^en 1877), ®. 435 ff. 

9* 



132 III- Srfenntni^ bc8 SlBfotutcn unb aBfoIute ©rfcnntnig. 

bie 3Jienfd^l^ett befi^t; unb trenn trgenbein gan§ fidlerer n)iffen= 
f(^aftli(^er ^emeiio für ba^ ^afein ©otte^ möglid^ fein foEte, 
fo mü^te er auf ©runb btefer Qbee gefül^rt iüerben !önnen.* 
6§ ^ai au(^, h?ie be!annt, im Saufe ber menf(^Iid;en ^eifte^- 
©ntn^idelung ni^t an 3Serfu($en gefeljlt, biefen ^Sen^eig §u führen. 
33efannt ift ^unäi^ft ba!§ fog. ontologifd^e 5lrgument für ba^ 
^afein ^otteö, bag Slnfelm ton ßanterburi; (f 1109) au^-^ 
gebilbet ^at 2lu^ bem 33egriff ober ber Qbee ©otteö lüiH er 
ba^ S)afein (SJotteg ableiten: ®ott ift aUentl^alben für bie 
3Jlenf(^en ba^jenige größer, al» iüeld^e^ ni($tg gebadet merben 
!ann (quo majus cogitari nequit), alfo ntu^ er fein (e^iftiren)^ 
benn eyiftirte er ni(^t, fo n)äre er nid^t basjenige größer, al^ 
lüeld^e^ nid^tg gebadet tnerben !ann; benn e^ !önnte nod^ ©röfeere^ 
gebadet ttierben, ba§ nämlid^, bem aud^ ©yiften^ äu!ommt. ®em 
gegenüber ift fd^on §u iener g^^t bemer!t iüorben, ba^ au^ bem 
©ebad^tiüerben ober bem ^cin in ber ^Sorftettung nod^ ni($t 'i)k 
reale (Syiftens folge. ®ie Sd^lu^folgerung l^at nur bialeltifd^e 
^ebeutung, gilt nur für ha§> 2)en!en beg 2lbfoluten, betoeift aber 
nid^t \)a§> reale ©ein. 2öer baö 2lbfolute '^^nUn tritt, mu§ e^ 
mit atten ßigenfd^aften ber 3Sottfommenl^eit beulen, wenn ber 
@eban!e rid^tig fein fott, alfo au^ mit ber ©igenfc^aft ber 
©yifteng; aber au^ ber @eban!eneyiften§ folgt nod^ nid^t un= 
mittelbar bie mirllid^e ©yifteng. ^ant l^at in^befonbere bagegen 
bemerft, bafe au^ bem ^Begriffe nid^t bie @yiften§ gefolgert tüerben 
fönne, 't^a berfelbe gan^ glei($ fei, ob il^m fai^lid^e ©yiftens ^^^^ 
fpred^e ober nid^t, unb t^k ß^iften^ bem begriffe fein neue^ 
DJlerfmal l^injufüge; toer ein ©reiecf fege unb il;m bod^ brei 
2öin!el abfpred^e, ber begebe einen Söiberfprud^, tt»er aber ba^ 
^reied^ fammt ben brei SßinMn aufhöbe, ber begel^e feinen 
2öiberfpru(^ unb !ann aud; bie 2öin!el aufljeben. 2lug bem 
^znhn ober bem ©ebanfen ©otte^ ober be^ Slbfoluten, ^Sott- 



* @. meine ©ci^rift: „2)a8 neue SSiffen unb ber neue ®Iaube" (^ci^jift 
1873), @. 97 ff., 119 ff. 



S)ie göttttd^c ^crjönüd^feit. 133 

fommenen tarn bie ©yiftens be^ ©ebad^ten niä)t in not^tüenbigeit 
^ebanfengang abgeleitet tnerben, au§> ber biale!tif($en @eban!en= 
^eiüegung ift ni($t in bie 'äeaiüät Uo§> burd^ ba§ Genien gn 
!ommen. (Sartefin^ l^at barum bem ^etüeife au§> ber ©otte^= 
3bee ^im anbete SBenbung gegeben: S^id^t au§> bem ^en!en be^ 
@otte§begriffe§ felbft foE bie @yiften§ @otte^ abgeleitet merben, 
fonbern au^ bem ^afein ber ©otte^ibee im aJtenWengeifte foll 
auf @ott aU attein möglid^e Urfad^e biefer im 33eit>u6tfein 
gegebenen ©otte^ibee gef($loffen iüerben; ba§ ontologifd^e S5er= 
I;ältnife tr»irb in ein (I^aufaltier^^ältnife öertüanbelt. Sitte übrigen 
Sbeen im SJ^enfd^engeifte fönnen öon biefem felbft l^ertoorgebrad^t 
^tin, aber bie ©otte^ibee in i^m !ann ni(^t fo entfielen ober 
entftanben fein, ba fie ben 3}lenf(j^engeift unenblic^ iiberfteigt; 
fie mufe alfo t>on einer 9ftealität ftammen, bie i^r entfpric^t, bie 
il)re lXrfa($e fein !ann, nnb biefe IXrfad^e !ann nur ©ott felber 
fein, ni(^t§ ^eringere^. ^a§> 5Dafein ber (^otte^ibee im 3Jlenf$en= 
geifte fe^t alfo 't)a§> ^afein ©otte^ in 2Bir!lid^!eit tjoraug (t>on 
^ott in intellectu njirb auf (^ott in re gefd^loff en) ; fo mal^r 
unb geioi^ bie ©otteioibee im 3]^enf(^engeifte ift, fo mal^r unb 
gen^ife ift @ott in 2Bir!li(^!eit. ®er ©ebanlengang fd^eint 'i)a 
ein fi(^erer, notljtDenbiger p fein, benn e§ toirb ^ier t>on einer 
3ßir!ung auf eine tlrfa($e, bie für fie bie einzig möglii^e fein 
!ann, gefd^loffen, foba^ jebe IXngetoife'^eit, bie fonft bem in= 
buctitoen 3Serfal)ren anhaften !ann, öottftänbig toegfättt, — toie 
hti bem bebuctitjen <Bä)ln^ t)on ber Urfac^e auf hit SBirlung. 
(^eiüife ^at biefe Slrgumentation unter atten 33etreifen für ba^ 
^afein ©otte^ ba§ größte ©emic^t. Snbeg toottftänbige tr>iffen= 
f(^aftlic^e ©i($er]f)eit !ommt auä) i^v ni($t p. 5Die ©otte^ibee §u= 
nä($ft ift ni($t in berJIJlenf($l;eit ober im 3}lenf(^engeifte ei\üa§> fiy 
unb fertig ©egebene^, fonbern biefelbe 'i)at fi(^ erft fel)r attmäl^lid^ 
auggebilbet au^ naturaliftifd^en unb antl^ropomorpl)if($en S5or= 
ftettungen ber öerfd^iebenften 3lrt, bie man fic^ t>on ©ott ober 
ben ©Ottern gebilbet 'i^at hti ben toerfc^iebenen SSölfern im Saufe 
be^ gef(^i(^tlid^en ©nttoidelung^proceffe^ ber 3fteligion. Tlii 
nid^t^ toeniger aU mit bem ©ebanfen abfoluter ^^ottfommenl^eit 



134 ni. (5r!enntnt^ beS Slbfoluten unb aBfoIute erfenntniß. 

begannen bie ^SorfteEungen t»on bem (^öttlid^en ober Heber- 
natürlichen, bie öielmel^r mit tlnt»ott!ommen!)eiten aller 5lrt Be= 
l^aftet erf (feinen gleid^ ben 3}lenf(^en, — inenn fie aud^ al^ 
pl^ere ge^eimni§t)olle, mäd^tigere Sßefen gebai^t tüurben al^ 
biefe. gür lebenbig unb in geiriffem 6inne perfönlid^ aber 
mürben fie immer gel^alten tro^ atter fonftigen lXnöoll!ommen= 
l^eit. 5Der @eban!e ber Unenblid^feit ober gerabegu ber 2lbfolut= 
l^eit aber tparb auf bie ©ottl^eit erft angetüenbet, al^ ber p]^p= 
fifd^e unb geiftige ^ori^ont fic^ erweitert l)atte unb im SufäHigen, 
3Seränberlid^en unb 58ergängli(^en ber irbifd^en ^inge unb 3Ser= 
]5)ältniffe ein Slllgemeine^, ^e^arrenbe^ unb unbebingt @ültige§ 
entbedt tnarb. ^iefe abfolute @ültig!eit, 9^otl;ir»enbig!eit unb 
6ubftantialität inarb bann mit ber 33orftettung eine^ l^öd^ften 
:perfönli(^en, in ben ^Religionen antl)ropomorpl;if($ toorgeftellten 
2öefen§ t)erbunben unb fo ber @eban!e einer abfoluten ^erfön- 
li(^!eit gebilbet; — ein @eban!e, ber fonad^ erft nad^ unb nad^ 
fid^ gebilbet f)at unb nad^ menfd^lid^en 9^atur= unb (Snthjicfelungg- 
©efe^en nur fo in ber ©efd^id^te fid^ bilben !onnte. ^k§> ]^in= 
bert natürlid^ nii^t, angune^men, ba^ bie abfolute, göttlid^e 
^erfönlid^Mt etoig unb unt»eränberlid^ fei, tüenn fonft genügenbe 
©rünbe für biefe Slnnal^me toorl^anben fein fottten. 3ft ja aud^ 
ba^ 33en)u§tfein ber logifd^en, unbebingt gültigen, unt)eränber= 
lid^en ©efeje, unb nod^ mel^r ba§ 33e)Dufetfein ber unbebingt 
gültigen elrigen Qbeen erft nad) unb nad^ in ber 3}lenfd;l^eit 
entftanben, ol^ne ba^ man barum bie Unbebingtljeit unb etr>ige 
©eltung bation in Slbrebe §u ftellen braucht, ba fie tjielmel^r, 
einmal bem 33etDu6tfein aufgegangen unb eingefel^en ober ge- 
fül^lt, gar nid^t mel^r nid^t gebadet unb nid^t mel^r anber^ ge- 
bad^t toerben !önnen. 

©0 !ann alfo auö aH bem, voa^ an§> ber SSeltpl^antafie aU 
©runbprincip be^ Sßeltproceffe^ im ßaufe ber ^Raturenttnidelung 
an befonbern ©inrid^tungen, Gräften unb Functionen im $1^^= 
fifd^en unb ^f^d^ifd^en ]^ert)orgel)t, !ein gan§ fidlerer Sd^lufe auf 
tia§> ^afein unb Sßalten eine^ perfönlidfjen @otte^ al^ SBelt= 
IXrl^eber^ unb =2en!erg gesogen merben. Slnbererfeitg läfet fid^ 



^xt göttttd^e ^crfönüd^fctt. 135 

freilii^ au$ !eine§n)eg§ 'i)a§> ©egentl^eil mit Biä)tx'^tit ableiten — 
unb betngemäfe fann au($ burd^ bie Se^re t»on ber SSeltpl^antafie 
ai§> ©runbprinci:p be§ 2öeltproceffe^ biefe^ gröfete Problem toiffen^ 
fd^aftlid^ nod^ nid^t fidler unb enbgültig gelöft fein, — tüenn 
and^ be^üglid^ ber ^etl^ätigung be^ ©otte^beiDufetfein^ in ber 
menfd^lid^en ©efd^ic^te, in ber 9teIigion burd^ biefe Seigre, toic 
burd^ bie ^^ilofopl^ie unb Sßiffenfd^aft überJjau^t für ©rüärung 
unb Läuterung beffelben öiel geleiftet tperben fann, — iüie fd^on 
bemer!t tüorben unb im golgenben noc^ m^zx erörtert iüerben fott. 
3SorIäufig fei nur barauf I)ingetr»iefen, bafe für bie, tneld^e einmal 
gläubig auf tl)eiftifd^em 6tanbpun!t ftel^en, biefe ^^eorie be§ Sßelt= 
proceffe^, refp. biefe^ ©runbprincip beffelben, infofern aU befonber^ 
günftig betrad^tet werben !ann, al^ baburd^ 'i^a§> ^Serl^ältni^ be§ per^^ 
fönlid^en ©otteio al^ ©d^öpferg gur 2ßelt leidster fo aufgefaßt tüer= 
ben !ann, ba^ ber gefürc^tete, ben reinen ©otte^begriff gerftörenbe 
^antl^ei^mug üermieben irirb. 33ei ber geipöl^nlid^en ^l^ecrie ift 
biefer nämlid^ fd^tüer, Wo nid^t unmöglid^ §u toermeiben; benn 
inenn aud^ bie ©manation^le^re babei abgetüiefen ober t>ermieben 
tüirb, b. ^. hk 2lnnal^me, ba§ bie Söelt i^rer Subftang nad^ au§ 
©otte^ 2öefen lomme unb biefe^ alfo felbft ber SSerenblid^ung 
unb Korruption anl^eimgefatten fei, — fo lann bod^ immerhin 
nid^t öermieben toerben, anjunel^men, bafe W, Söelt au^ gött= 
lid^er Waä)t ober ^raft ftamme, biefe ^raft burd^ göttli(^en 
3ßiEen in ba^ Söefen ber Sßelt tertüanbelt tDorben fei unb in 
ii^x forttüirle, foba^ göttlid^e ^raft unb Sßitten^act i^r 2öefen 
bilbe unb il^re tlnt)ott!ommenl;eiten unb £eiben l^ert) orbringe. 
S)enn tnenn aud^ tl)eiftifd^ bel^auptet n?irb, W Söelt fei üon @ott 
au§ 9^i(^tg gef(^affen, fo irill bie^ bod^ gunäd^ft nur fagen, 't>a^ 
fie nid^t au§> einem gegebenen, etoig öorl^anbenen Stoff ober 
^ao§> gebilbet fei, fonbern nad^ ©toff unb gorm, 3Jlaterie unb 
(^eift toom 6d^öpfer in^ ^afein gerufen toarb; — nid^t aber ift 
„au§ ?fliä)t^'' fo §u toerftel^en, aU ob ©ott in^ '>Ri^t§> gegriffen 
unb bie Sßelt barauf ]^ert)orge§ogen, ober aU ob er 'oaS» ^iä)i^ 
in ©tma^, gur Sßelt gemad^t ^abe. @g gilt toielme^r unbebingt ber 
©a|: „2lu^ m^t^ toirb m^t^, 'oa§> S^id^t^ !ann nid^t äu ©tma^ 



136 in. (Srlenntnig bc8 2I6[oIuten unb abfolute SrfenntittB, 

öemac^t iDerben." 6oIIte alfo burd^ göttlid^en 2ßillen ©ttr>a^, 
nämlid^ bie Sßelt entftel^en, fo mu^te fie au§> göttlicher ^raft unb 
2ßir!fam!eit njerben, biefe felbft mu^te \iä) in fie öertranbeln/ 
bie gorm ber @nbli(^!eit annel^men, fid^ felbft t)ef($rän!en tro^ 
atter Slbfolutl^eit! ®ie 2Beltf(^öpfung ift bann immerl^in in ge= 
tüiffem 6inne eine SBelttPerbung ©otte^, infofern lüenigften!^ 
feine ^raft, alfo ©ttoag öon i^m (t)on feinem SBefen), in bie 
©nblid^!eit, in Seiben^fäl^igleit unb bamit in bie Unfeligfeit be^ 
^afeing eingegangen fein mu^. 2öirb aber bie Sßeltpl^antafie aU 
©runbprincip be^ Sßeltproceffe^ angenommen, fo ift biefe§ ^runb= 
^rincip öom göttlid^en 6(^öpfer gefegt, tr>ie bie ©eBilbe ber fub= 
jectiüen ^^antafie gefegt tüerben burd^ bie bilbenbe 3Jlad^t ber= 
felben, o^ne il^nen x\)x 2öefen mit^ut^eilen. 5Die 2BeIt toäre auf= 
gufaffen al§> Imagination ©otteS; üon göttU($er Imagination 
gtüar gebilbet unb alfo öon @ott ftammenb, aBer boc^ tin 2ln= 
bere^ feienb gegenüber bem göttlid^en Sßefen unb felbft ber gött= 
lid^en Äraft. ©öttUc^e fubjectiöe Imagination ir»äre 'Da^» fd^affenbe 
^rincip unb fegte \iä) al§> oBjectitoe Imagination im Söeltproceffe 
fort, \iä) au^geftaltenb unb bifferen^irenb in unenbli<$en ©e= 
bilben unb, fic^ aug unbeftimmten Slnfängen erl^ebenb, U§> gum 
betüufeten 3Jlenfd^engeift auf unferm §immel^!örper. 3^"^ 3}len= 
fc^engeifi, ber in feinem streben nad^ ©rfenntnife unb Steali- 
firung ber Sbeen fid^ @ottä^nIid^!eit erringen !ann, nad^bem bie 
6d^öpfung felbft fojufagen mit ber ©otte^ferne begonnen f)ai, 
eben tüeil fie aU Slnbereg toon ©Ott beginnen unb burd^ eigene 
©nttpidelung fid^ SSerüoEfommnung erringen fottte. ®od^ 'i)k§> 
nur anbeutung^meife, vou bie Seigre toon ber Söeltp^^antafie aU 
©runb)3rinci)3 beg 2ßeltproceffe§ unb aU Sßefen ber Söelt t^eo= 
logifd^ auf tl^eiftifd^en 6tanbpun!t t)ern?enbet inerben !ann. 

IXnterbefe l^at bie Menfd^^eit auf anberm al§> bem ftreng 
n)iffenfc^aftli(^en 2öege, ben ju betreten i^r o^nef)in Sa^r^unberte 
ober Sal^rtaufenbe f)inburd^ nid^t möglid^ tpar, — ba^ in ^rage 
fte^enbe Problem p löfen unb fid^ über 'oa^ gro^e M^fterium 
beg ^afeing eine, ipenn aud^ nod^ fo bürftige unb befd)rän!te 
Drientirung p geben üerfud^t — für ©emüt^ unb 2Billen^= 



2)ie göttüd^c ^erlönUd^feit. 137 

ftreben — bur(^ bie S^leligton, hnxä) ben Glauben. S)ie 9le= 
ligion, bie ni(^t, tüie inir fd^on frül^er bemer!t, aU 5^^eorie, 
fonbern aU (Eultxig l^öl^ern 3Jlä(^ten gegenüber entftunb, unb 
nid^t bur(^ ben SSerftanb, fonbern burd^ bie ^^antafie i^re tl^eo^ 
retifd^e ©runblage fanb. ®urd; bie ^^antafie, bie ja unter atten 
pfpd^ijd^en Gräften be§ 3Jlenf(^en ^uerft tl^ätig fein !ann, — aud^ 
bann fd^on, irenn aEe übrigen nod^ gang unenttüidfelt finb, h)ie 
aud^ hti ben Sinnen unb i^rer ^^ätig!eit Sle^nlid^eg ber gatt 
ift. S)a bie SJlatur in il^rem gefe^mäfeigen natürlid^en SSerlauf 
unb in il^ren urfä(^Iid^en SSer^ältniffen nod^ nid^t toerftanbe^= 
mägig er!annt t^ar, fud^te man ba^ ßaufalbebürfnife burc^ ^l^an= 
tafie §u befriebigen, inbem man ba^ ©efd^e^en in ber Sf^atur 
nad^ bem 33ilb unb ©leic^ni^ menfd^Iid^er ^f)ätig!eit erüärte unb 
ge^eimni§i)oEe, aber menfd^enäl^nlid^e unb menf d^enä^nlid^ tDir= 
!enbe Gräfte anna'^m. Unb sn)ar gunäd^ft gu bem Qmd^, burdt; 
fie §ülfe ober 6id^erT^eit r>or ben gefä]f)rlid^en äußern 3Ratur= 
fingen unb =5ßerl^ältniffen gu er!)alten, inbem man burd^ ©aben 
unb Opfer, ir»ieber nad^ 3}lenfd^enart, fie gu geiüinnen ober aud^ 
p t>erfö^nen fud^te. Wlii ber ©rtoeiterung beö p'^^fifd^en unb 
geiftigen ^origonte^ tüurben aud^ biefe gel^eimni^öotten ober 
übernatürlid^en 2öefen größer aufgefaßt unb mit i\)xzm ©ein 
unb t^rer 2Birffam!eit an grofee 3^aturgegenftänbe gebunben. 
^benfo tpurbe W §ülfe unb SSerföl^nung, bie man M i^nen 
fud^te M l^ö^erer ©nttpidfelung be^ geiftigen Seben^, nid^t me^r 
blo^ auf äußere ^JJöt^en im Sftingen mit ben S^aturtoer^ältniffen 
belogen, fonbern aud^ auf geiftige, auf feelifd^e ^ebürfniffe unb 
görberungen. S)iefer ^l^antafiegeftaltung ber Sfteligion, 'i)k ^aupU 
fäd^lid^ ben polpt^eiftifd^en unb naturaliftifd^en ß^arafter öieler 
berfelben begrünbet unb il^nen 'i)k @igentpmlid^!eiten ber Sauber 
unb 3SüI!er aufprägte, trat bann immer me^^r 'du natürlid^e, t)er= 
ftanbe^mä^ige ©rforfd^ung unb @r!enntni§ ber ®inge unb S5er= 
^dltniffe entgegen unb W 3^atur burd^ ^^antafie allenthalben 
tiergöttlid^t ober mit Göttern unb ©eiftern erfüllt, ging immer 
mel^r ber ©ntgöttlid^ung unb ©ntgauberung entgegen, — tt>enig= 
ften^ bei ben ©ulturt)öl!ern. ©in $roce^, ber o^ne fd^ttjeren 



138 ni. SrfenntntB beö 2tbfoIutcn unb abfolute (grfenntniB. 

^ampf mit bem reltgtöfen 3Sol!^glauben unb ben SSertretern 
beffelben nid^t ftattfinben !onnte, unb ber fogar nod^ in bcr 
©egeniüart fortbauert unb ber n^iffenfi^aftlic^en gorfc^ung tr»ic 
ber aEgemeinen l^untanen ©ulturenth^idelung toiel §emmniffe 
unb ©todungen bereitet. 3Son Qeit gu 3^^^ traten in ben dtz^ 
ligionen 3Jlänner auf, bie eine unmittelbare (Semi^l^eit t)om 
2)afein, öom äßefen unb SöiHen ©otte^ gu befi^en, mit berfelben 
in inniger ^Serbinbung gu [teilen unb aU il^re Dffenbarung^s 
Drgane gu toixUn bel)aupteten. 6ie mad^ten fid^ a(^ au^ertüäl^lte 
©efanbte ober ^ropl;eten ©otte^ geltenb unb toenn eg i^nen 
gelang, genügenben SCn^ang r>on ©laubenben gu gen)innen, fo 
n»urben fie 6tifter größerer ober fleinerer 9fleligion^genoffen= 
fd^aften, neuer Sfleligionen ober religiöfer 6ecten. 6old^e 9teu= 
grünbungen gelten nid^t au^ SSerftanbe^erfenntni^ unb Sßiffen^ 
fd^aft l^ertoor, fonbern au§> @emütl)gerregungen unb ^l)antafie= 
3Sorftettungen, tpeld^e ha§> gläubige ^eipu^tfein eine^ ©öttlid^en 
in lebl^after Söeife in il^nen l^eröorruft. ®urd^ W religiöfe 
(S^emütl^^beioegung fü^lt unb erfäl^rt ber 3Jlenfd^engeift "Da^» 6ein 
eine^ §öl^ern, ^eiligen, Unenblid^en in ben liefen be^ ^afein^; 
eine ©emütperregung , bie fid^ befonber^ in ^önen, in meil^e^ 
üollen ^ilbungen ber SJlufi! !unbgibt unb lüieberum p ©leid^em 
anregt, — troburd^ befonber^ 't^k ©inl^eit be^ religiöfen Tlo- 
mente^ gum 5lu^bruc^ !ommt, tüie bie^ g. 33. fd^on in einem 
(5l)oral (ol^ne SÖBorte) hzi ben 3Jlenfd^en toerfd^iebenften ©lauben^ 
ber gatt ift, inenn fie n^eit genug geiftig gebilbet finb. ®ie 
^Ijantafie bann geftaltet biefen ©emütl^^erregungen gemäfe ba^ 
religiöfe SSorfteEung^leben au§, bie irgenbtüie fiyirt §u toerben 
pflegen, ^aburd^ entftel^en beftimmte ^orfteHungen unb 2ln= 
naljmen, bie al^ unumftö^lid^ gelten unb nun ju ^rämiffen 
merben, öon benen ber SSerftanb aU logifd^e ^enüraft au^gu- 
ge^en l^abe, um burd^ logifd^e Operationen aud^ eine 3lrt ©lauben^- 
SSiffenfd^aft ober 9fleligiongn3iffenfd()aft IjerjufteEen,— oft in gro§= 
artiger ober n^eitfd^meifiger Sßeife, aber gang auf ben ©lauben 
an jene SSorausfe^ungen geftellt, mit bem fie bal^er aud^ ftel^en 
unb fallen. 3ene SSorau^fe^ungen ober ©laubensfäje fotten 



3)tc gBttltt^c ^crfönltc^fett. 139 

^rinci^ien, 9Zormen unb Kriterien ber 2öa^r^eit für bie 2öiffett= 
f($aft fein unb eg i^irb ballet bie gorberung geftettt, 'oa^ fid^ 
biefe bem ©lauBen nnb feiner fog. Söiffenfd^aft unb ber @lauben^= 
ober ^ird^enauctorität unteriperfe. 60 entfielet Hemmung ber 
Söiffenfd^aft, IXnterbrücfung ber SSernunftforfd^ung unb ^ampf 
im geiftigen SeBen, tüenn bie freie 2ßiffenf($aft fid^ geltenb 
machen tr»iE. ®ie religiöfe ^rabition iüirb ein §inberni§ für 
'tik ©rforfd^ung unb @r!enntni^ ber 2ßa!)rl^eit, verliert immer 
mel^r i^re S3ere($tigung unb fin!t §um großen ^fjeil ^u 2lber= 
glauBen l^erab, au^ iüenn fie frül^er bem geiftigen 3^f^^^^ '^^^ 
3Kenf($en unb 3Söl!er angemeffen unb nid^t o^ne ir>o!)lt^ätige 
2ßir!ung in Geltung h)ar. — Qmmer^in aber Befielet neben 
2öiffenf($aft unb 33ilbung unb tro^ aller mannid^fad^en @intr»en= 
bungen bagegen bie Sfteligion in ©lauBen unb ßultu§ fort, b. 1^. 
ber ©lauBe an einen menfd^enäl^nlid^en, perfönlid^en ©ott, ber 
fid^ burd^ (Sultu^l^anblungen ber 3}lenfd^en unb burd^ @inn)ir!ung 
abgefd^iebener ©eifter in feinem ^l^un unb Saffen, irie in feiner 
©efinnung ben OJlenfd^en gegenüber beftimmen lägt. ©§ ent= 
fielet nun bie grage, ob fid^ biefer ©laube unb (Sultu^, ber ben 
:perfönlid^en unb gtüar menfd^enä^nlid^en ©Ott öoraugfe^t, aUm 
©intüenbungen foir>ie ber mobernen 3ßiffenfd^aft gegenüber, tüenn 
aud^ nid^t tüiffenfc^aftlid^ pofititi begrünben, bod^ nod^ be^upten 
ober red^tfertigen lägt. 1)k Unterfud^ung l^ierüber Unn aU ber 
^erfud^ einer ^l^eobicee betrad^tet toerben, ber im J^olgenben 
gemad^t tüerben foH. 



140 IV. 3ur 2:^eobicce. 

IV. 

2Benn f^ier t>on ^tl^eobicee bte Stiebe ift, fo !ann barunter 
nic^t ettüa eine Sted^tferticjung ©otteö felbft toerftanben werben, 
benn ber SSerfnd^ einer fold^en fegt bie fidlere, iüiffenfi^aftli^ 
begrünbete Uebergeugung t)on bem ^afein ©otte^ al§> perjönli(^en, 
allh)eifen, !ur§ attüottfommenen SSefen^ f(^on t^orau^. ^n biefem 
gatte aber tüäre e^ o^ne eigentlichen 6inn, eine 9^ed^tfertigung 
p üerfud^en, 'iia bei berfelben, iüie bie Sßelt aud^ fein mag, fie 
al^ fo befd^affen angenommen trerben mufe, tüie e§ ber 2Bei§= 
l^eit unb 3}ia(^t ber abfoluten ©ottl^eit angemeffen ift. @ott 
bebarf für ben feiner D^led^tf ertigung , ber feft an i^n glaubt ober 
fogar ein fid^ere^ Sßiffen öon feinem ^afein unb feinen ßigen= 
fd^aften p l^aben meint. SSenn alfo l)ier ein 58erfud^ ber ^^eobicee 
gemai^t mirb, fo ift barunter ftatt einer 9fte(^tfertigung ©ottel 
begüglid^ ber S3efd^affen]f)eit ber 2ßelt, üielmel^r eine Unterfud^ung 
§u toerftel^en barüber, ob unfer (Glaube an einen abfolut t)ott= 
lommenen, perfönlid^en (^ott, aU 6d^öpfer ber Sßelt, fid^ rec^t^ 
fertigen laffe angefid^t^ aU ber Unüottfommenljeit ber SBelt unb 
aE ber ipl^^fifd^en unb geiftigen Uebel, an benen atte Söefen unb 
in^befonbere bie SJlenfd^en ^u leiben l^aben. Sllfo nid^t um eine 
Sfled^tfertigung t»on @otte^ SBolIen unb 2öir!en Rubelt e^ fid^, 
fonbern um eine 9led^tfertigung unfern ©otte^glauben^ in biefer 
untioHlommenen Sßelt; barum, ob fid^ bie Slnnal^me eine^ ^afeing 
(^otteg al^ abfolutem Qbeal ber 3Sernunft vereinbaren laffe mit 
ber ©yiftens ber fo befd^affenen SBelt. Qm ©runbe alfo l^anbelt 
e^ fid^ nid^t um eine Sfled^tfertigung ©otte^ ober göttlichen ^Ijun;?, 
fonbern um eine fold^e be^ 3Jlenfd^en ober ber SJ^enfd^l^eit, 'oa^ 
fie biefe^ abfolute göttlid^e Sbeal für 2ßir!lid^!eit plt, obmo^l 
biefe Söelt an fo grofeen Hebeln leibet unb barau^ fid^ fo t)iele 
unb gemid^tige ©intüenbungen gegen t)a§> 2)afein eine^ perfön- 



IV. 3"^ 2:^eobtcee. 141 

lid^en (^ptt^^ er!)eBen laffen, — h}ie totr oben gegeigt l)aBen. 2lu$ 
biefe Unterfud^uug mu^ ft(^ in Befd^eibenen ©renken Italien unb 
!ann gunäd^ft nur {)i;pot^etif(^ geführt toerben, b. t). nur gu geigen 
üerfuc^en, ba§, ix>enn einmal eine ©c^öpfung, eine Sßelt fein 
fottte, biefelbe an berglei($en Unt»ott!ommen]^eiten leiben mufete 
unb ba^er biefe ni^t ol^ne tüeitere^ al§ Stiftangen gegen bag gött= 
lid^e ^afein unb 2öir!en geltenb gemad^t tüerben !önnen. 

3m OTgemeinen ift nun t>or Slllem gu bemerfen, 'i)a^, tüenn 
eine 3Belt im Unterfd^ieb toon ©Ott fein ober entftel^en fottte, 
biefelbe nid^t abfolut t»ott!ommen fein !onnte, ba fie fonft @ott 
gleid^, alfo toon il^m niä)t t>erf($ieben tüäre, fonbern mit il)m 
ibentifd^ fein mü^te, alfo nid^t Sßßelt ober Sd^öpfung fein !önnte; 
— tin IXmftanb, in toeld^em be!anntlid^ fd^on Seibnig, auf 
tl^eiftifd^em 6tanbpun!t, "i^tn metap^^fifd^en (^runb ber tlnt)ott= 
fommen^eit ober 9ftelatit»ität ber SSelt erblidfte. 3ft bie^ einmal 
angunelimen, bann !ann !eine unbebingte 3Sott!ommen^eit im 
©rofeen unb ©ingeinen meljr ertoartet iuerben unb hei fold^er 
Sefd^affen^eit ift SS er änb erlief leit möglid^, bamit aud^ 3^= ^^^ 
2lbnel)men, ^er!el)rung, Umgeftaltung u. f. ip. IXnb au^erbem, 
menn bie 6d^öpfung auf ©nttnid^elung , auf eine getr»iffe 6elbft= 
betl^ätigung unb 3Sert»oElommnung angelegt ift, fo t)erfte:^t e^ fid^ 
t)on felbft, ba6 fie mit einem 3itft<^^^ ^on lXnt>olI!ommen]^eit 
beginnen mu^te, ber erft burd^ tüeitere ©nttoidelung übertüunben 
ioerben fottte. 6ie mufete alfo fogufagen mit einem guftanb öon 
©otteSferne beginnen unb fid^ erft burd^ i^re 2lu^geftaltung in 
©otte^nä^e bringen. 3^re 35oll!ommen^eit beftel^t überl^aupt 
nid^t in i^rem jen^eiligen 3uftanbe, fonbern in iljrem Streben 
nad^ (gntlnid^elung unb in i^rer ^raft unb gä^igfeit bagu. ^ie^ 
im ^gemeinen ; mit bem metapl^^fifd^en ©runb ber llnt)oE= 
Icmmenl^eit ober ^Relativität ber SBelt ift bann ©runb ober 
3)löglid^leit be^ pl;^fifd^en Hebeln fd^on gegeben, foioie aud^ 
3)löglid^leit be^ moralifd^en Uebelg ober be^ 33öfen, "iia 'Die 
moralifd^e ^raft be^ 3}lenfd^en, ber SßiHe, fid^ eben aud^ erft 
betüä^ren, an§> bem guftanb ber IXnüoElommen^eit fid^ burd^ 
(Selbftbeftimmung l^öl^ere 3Solllommenl)eit geben mufete. 



142 IV. 3«!^ X^eobicee. 

Sßa^ bie Untiottfornmenl^eiten unb Uebel im 33efonbern bc= 
trifft, treidle ir>ir aU ©intüenbungen gegen bie religiöfe Söfung 
beö 2BeItproblem)§ burc^ bie Slnnal^me eine^ :perfönli$en ©otte!^ 
t)orgebra($t l^aben, fo laffen fid^ biefe ©d^tt)ierig!eiten freilid^ 
aud^ nur in bebingter 2öeife lieben ober allenfalls befd^tüid^tigen. 

SSor 3lttem iüurbe bie tiefe Hnmiffenl^eit unb Unfenntnife 
foh)ol^l be§ügli(j^ ber Statur, aU au^ begüglid^ ber ©ott^eit, bie 
bod^ 2ltteS l^ert)orgebra($t !)aben füll, inSbefonbere auc^ ben 
3}lenf(^en, unb meldte t»on xi)m forbert^ ba^ er an fie glaube aU 
betüu^te, mottenbe $erfönlid^!eit, fie t>ere]^re unb i^ren '^iUcn 
aU @efe^ erfülle. 2)ie öotte Unlenntni^ ber 3^atur njar bod^ 
ein erbarmungSlofeS preisgeben bes 3Jlenfd^en an alle ©efal^ren 
unb IXebel, meldte biefelbe in fid^ birgt unb toerurfad^t. 2)ie 
Un!enntni§ ©otteS aber unb feines SßillenS fd^Io§ für ben 3Jlenfd^en 
tu llnmögltd^feit in fid^, 'i)a§> ^u tl^un, )paS §u feinem §eile unb 
^afeinSglüdf unumgänglid^ notl^tüenbig mar, fobafe er mit ber 
Unmöglid^feit t)on @ott gefc^affen erfd^eint, baS Qul gu erftreben, 
gefd^tüeige eS gu erreid^en, baS il)m bod^ toon eben biefem gött= 
lid^en 6d^öpfer gefegt tpar! — 2öaS nun bie Unfenntni^ betrifft, 
in treld^er bie 3}^enfd^l^eit begüglid^ ber S^^atur offenbar inS ©afein 
trat, mie nod^ jegt jeber einzelne 9}lenfd^, unb bie il^m fo toiel 
^ampf unb Ungemad^ toerurfad^en mu^te, e^e eS iljm, tüenn aud^ 
nur t^eiltoeife, gelang, fie nur einigermaßen gu überminben, — 
fo läßt fid^ barüber §ur ^egrünbung berfelben ober gur 9led^t= 
fertigung etma fagen, baß burd^ biefen l^arten ^ampf gum 33el^ufe 
ber ©elbfter^altung unb görberung bie 6elbftbetl^ätigung ber 
menfd^lid^en S^iatur, W ©nttoidfelung aEer förperlid^en unb nod^ 
mel^r ber geiftigen Gräfte angeregt, geförbert unb erhielt toerben 
follte, ®enn o^ne ftar!e 5lnregung, ol)ne (§>^\a^x^n für baS 
©afein ober 2Bo!)lbefinben, o^m Sebrol)ung bes eigenen ©afeinS 
fei eine beftänbige unb energif(^e 33etl)ätigung ber gegebenen 
^raft nic^t ^u erzielen, "oa in ber ©elbftfud^t aud^ ber §ang 
pr tlntl)ätig!eit unb 33equemlid^!eit liege, ber leidet t)a§> 
Uebergeiüid^t erlangt, menn nic^t 't)k 9^otl)n)enbig!eit gur 2ln^ 
irenbung ber Gräfte unb §ur energifd^en ^^ätigfeit gtringt. 



IV. ^üx 2:^eobicee. 143 

©ine Xi^at^a^e, üon ber \a ba§ geir>ö^nli(^e SeBen ber 33^enf$en, 
W aUtäQliä)t (grfal)rung ^inlänglid^ Seugnig gibt. Man Um 
alfo anne:^men, bafe ber gtoecf beg ^afein§ be§ 3JJenf(^en= 
@ef(^Ie$tg biefen 3uftanb anfänglid^er Uniüiffenl^eit unb §ülf= 
lofig!eit forberte, um bur($ Slnmenbung ber gegebenen Gräfte 
bie 6elbftentrt)i(felung ber 3Jlenf(^l^eit §u förbern, \a §u er^toingen 
unb attgemeine tlnt|)ätig!eit unb dn bIo§ müjsige^ 3^egetiren 
berfelben §u toeri^üten. — 3Son groger Söid^tigfeit ift bie l^ifto^^ 
rif(^e ^^tfac^e, ha^ 't)k Tt^n\ä)^^it au<S) in tooller IXnfenntnife 
(^otU§> m§> ^afein trat unb mü!)fam burc^ unenbli(^e Errungen 
]^inbur(^, tpeld^e bie 3^atur veranlagte, 't)k \a bie (SJottl^eit mel;r 
SSerbirgt al^ offenbart, — fo gtüar, 'Da^ fie 3al)rtaufenbe l)in= 
t)ur(^ gerabegu bei ben Tltn\ä)tn in il)rer @ansl)eit ober in i^ren 
einzelnen ©ebilben 't)k ©teile jener felbft einnal^m, ^ur ^f^atur- 
Vergötterung unb gum ^olptl^ei^mu^ verleitete. Unb hu§> fogar 
vxit einer getüiffen Sf^otl^n^enbigfeit, 'i^a hk 3}tenf(^en einer anbern 
@r!enntnig be§ ©öttlii^en ober Uebernatürlid^en hei mangelnber 
9flaturer!enntnig unb glei(^5eitig mangelnber ©eifte^enttoidelung 
gar nic^t fäl)ig maren! tiefer 6($lx>ierig!eit gegenüber lägt fi($ — 
(lieber ^pot^tti^^) geltenb ma($en, bag, trenn eine Söelt unb 
zin Sßeltproceg fein follte, in^befonbere eine 9J^enf(j^engef(^i(|te 
unb irbifi^e (S^eifte^enth)i(felung an ber Söelt unb in i^r, — gerabe 
biefe SSerborgenl^eit (SJotteg not^ivenbig mar. 6e^en tüir ben 
%aU, (SJott fei bem 3}lenf$engeifte vott!ommen (naä) menfd^lid^em 
SJiage ber @eifte§!raft) !lar unb offenbar getvefen in feinem 
^afein mit att feiner 3SoE!ommen^eit, — ber 3)^enf(^engeift )^ätte 
bemna(^ bie (^ottl;eit unmittelbar gef($aut oljne SSerpHung, fo 
tvürbe berfelbe fi(^ ^uverläffig il)r gan^ l^ingegeben ^aben U^ 
pm ^er§i(^t auf alle§ Inbere; n^ürbe in ber göttli(^en 3Soll= 
!ommenl)eit fein (31M, feine ^efeligung finbenb, an ber Söelt 
!einerlei 3ntereffe genommen unb \iä) gan^ von berfelben al^ 
einer voEftänbig gleichgültigen 6a(^e abgetvenbet l)aben, fid^ nur 
in inniger 3Serbinbung mit ber ©ottl^eit ^altenb, gan^ in i^x 
fein (Genüge finbenb, fobag er um Inbere^, aU Geringfügige^, 
fi(^ nid^t tveiter bemühte, ©in gefij^id^tlid^e^ 2öir!en ber 3}lenf($= 



144 IV. 3"^ S^^eobtcee. 

l^eit, ein praltifd^e^ 2Btr!en für bie Qmäz biefe^ ©rbenleBen^ 
jpäre babei au^gefd^Ioffen geblieben. 2öie foHte ber 3Jlenf(^, ber 
bie ^ott^eit unmittelbar er!ennt unb fid^ i^r bemgemäfe aud^ 
gans l^ingibt, in ber nid^tigen SBelt no($ t^eoretifc^ ober pxah 
ti\ä) it)ir!en inollen? ©elbft toenn h)ir annehmen, bafe ba§ S)a=^ 
fein unb bie ^efc^affen^eit @otte§ bem 3}ienf($engeift etiüa fo tlax 
unb bur$fi(^tig tDäre unb bie ßr!enntni§ batoon fo fiy unb fertig 
tüie matl^ematifd^e Slyiome, felbft in biefem gatte mürbe eine 
geiftige ^^ätig!eit begüglid^ ber SBelt nid^t mel^r ftattfinben. 
®enn tner toollte fid^ mü^fam eine arme (Srfenntnife ber armen 
Söelt erringen, trenn er eine gan§ flare ©r!enntni§ @otte^ be= 
fä§e? <Sie toürbe il^m !eine 33ebeutung l^aben, feine Sefriebigung 
getüäifjren, unb er toürbe fie aufeerbem in i^rem ix»al^ren Söefen 
fd^on in ber (Srfenntnife ©otte^ mitbefi^en. ^a§ bem fo tnäre, 
liegt in ber ^f^atur ber (Baä)^ begrünbet unb ift un^ aud^ l^in^ 
reid^enb burd^ gefd^id^tlid^e ©rfd^einungen fogar angebeutet unb 
bezeugt. 3Jlenfd^en t)on befonberer S3egabung unb m^ftifd^ = afce= 
tifd^er ^enben^ bezeugen 'ok§> — unb ^tüar in allen bebeutenben 
Sfleligionen. 3)ie 35ü6er in Snbien, bie i^r irbifd^e^ S)afein 
quälen unb öernid^ten, um fid^ mit bem Unenblid^en, ©öttlid^en 
gu bereinigen, iDie 'i^k mo^mmebanifd^en 3K^fti!er unb bie 
d^riftlid^en Slfceten unb Sd^tpärmer, bie mit ©ott in unmittel- 
barer SSerbinbung §u fein glauben ober nad^ öoUftänbigem ^luf- 
gelten in @ott unb nad^ atteiniger ©elig!eit in i^m ftreben, — 
fie aEe !)atten für biefeg ^eh^n unb beffen görberung feinen 
'Binn unb geigten fid^ unbraud^bar bafür. 6ie beuten ba^er an, 
iüo^in e^ !äme, tüenn ben 3Renfd^en bie S5olI!ommen!)eit be§ 
göttUd^en 6ein^ unmittelbar nal^e ober geoffenbart inäre, unb 
tüie eine ©d^öpfung, vok bie, in tpeld^er ix»ir gu leben unb gu 
tDirfen l^aben, unmöglid^ fein iDürbe, trenn nid^t hk Statur 
getüiffermafeen bie ©ottl^eit tjerl^üEte üor bem §um 2BeIttr)ir!en 
beftimmten SJlenfd^en. ^urc^ aE bie^ ift nun atterbing^ nid^t 
betriefen, 'i^a^ tin perfönlid^er ©Ott fei unb bie Söelt gefd^affen 
l^abe, bod^ aber tpenigften^ bie^, bafe ber ©laube an einen per 
fönlid^en ©ott nid;t aufgegeben ju tüerben hxaud)t, um ber in 



IV. 3ur Sr^eobicee. 145 

grage ftel^enben 6d^iüierig!ett tDtHen, fonbern 'jiä) immex^in noc^ 
behaupten iann auä) gegenüber ber Z^at]a^^, ba§ btefer ®ott 
ben ajlenfd^en t>on Urbeginn an, fo unbekannt unb burd^ bie 
^atuv glei($fam öer^üttt inar unb bie 3Jlenf(^^ett erft mü^fam 
burd^ unenblid^ öiel 2öal)n unb Strtl^um l^inburd^ gu einem flaren 
33ett)u^tfein öon @ott !ommen !onnte; tüentgfteng gu einem üaren 
begriff t)om göttli($en Söefen, irenn aud^ nid^t ^ur Haren ©r= 
fenntnife ber Realität be§ fo al^ 3beal @r!annten. @§ l^at biefe 
3[^erpttung einen guten 6inn, ja ift gemiffermafeen notl^iüenbig, 
um ben 6d^öpfung§stüecf, bie 2öelt:= unb 3Jlenfd^l^eit^enttoi^eIung 
au^ fid^ felbft §u erreid^en. 2lber atterbingg ift hei fold^er 2luf= 
faffung eg ni(^t beredt tigt, ba^ bie ^e!enner ber terfd^iebenen 
9fieIigionen fid^ gegenfeitig öerbammen unb verfolgen, ba fie 
t)ielmel)r aEe bem gleichen ©d^icffale unterliegen unb bemfelben 
Stüedte bienen. 

3n befonber^ energifd^er unb einleu(^tenber 3öeife fd^eint 
aber, toie irir fallen, bie S3ef(^affen^eit ber SBelt, tnenigften^ ber 
irbifd^en 3^atur unb ber lebenbigen SBefen in ii)x, gegen ba§ "^a^ 
fein eine^ perfönlid^en ©otte^ gu fpred^en, refp. gegen ben ©tauben 
baran, unb ba^ er IXrl^eber ober ©(^öpfer biefer S^aturtoefen 
unb in^befonbere auc^ be^ 3}ienfd^en fei. ®enn mit ber ©üte 
unb 2öeigt)eit eine§ perf önlid^en , abfolut toollfommenen 2öefen§ 
f(^eint, nad^ menfd^Iid^em Urf^eil, bie ^efd^affenl^eit unb ba^ 
So^ ber lebenbigen, empfinbenben Sßefen untiereinbar §u fein, 
tiefer h)ilbe ^ampf umg ^afein, p bem alle SBefen ge^toungen 
finb, trenn fie fid^ felbft erhalten unb förbern tüoHen unb ber 
fie stoingt, fid^ gegenfeitig §u verfolgen unb §u öernid^ten, foba§ 
immer W SSegünftigung ber ©inen, 't)a^ 3Serberben ber 2lnbern 
ift, fc^eint bod^ nid^t ba^ 2öer! ober bie ^unbgebung eineg gütigen 
6d^öpfer^ gu fein, ^a^u !ommt bie ©mpfinbung^fäl^igfeit biefer 
2ßefen, toeld^e gerabe in biefem Kampfe unb in ben fonftigen 
6d^äbtgungen unb Seiben be§ irbifc^en ®afein^ neben ber 
Suft unb greube fo unenblid^ toiel ©d^merj unb ©lenb öer= 
urfad^t unb bie ©rbe für alle Sebetoefen im ©runbe p einem 
Sammertl^al mad^t, fobafe e§ ber peffimiftifd^en Söeltauffaffung 

t5rot)ic^ammer, SR^fterium 9Jiagnum. 10 



146 IV. 3ur X^eobicec. 

ni^t 5U toiele 6d^n)ierig!eit tnad^t, bem ^effimiötnu^ auä) 
nod^ ben ^Itl^eismuö l^in^u^ufügen ober eine Sluffaffung ber 
©ott{)eit geltenb gu mad^en, meldte biefe mel^r aU erfd^redenbe 
ßaricatur, benn aU ba^ abfolute Qbeal ber 3Semunft, al§> 3n= 
begriff atter 3SoE!ommen^eit erf($einen lä§t. ©^ ift alfo bie 
tneitere grage, ob fid^ angefi($t» biefer Sefd^affenl^eit ber dlatux 
unb biefeio ^d)iä]aU ber lebenbigen Sßefen in il^r gleid^mol)! ber 
(Glaube an einen perfönlid^en (^ott no(^ aufredet erl^alten unb 
red^tfertigen laffe, — ol^ne ^ur alten, nid^t mel^r l^altbaren Seigre 
toon ber Korruption ber dlatnx burd^ ben 6ünbenfatt ber erften 
3J^enfc^en (unb t)orl)er gefc^affener ©eifter) gurücffe^ren ju 
muffen. — 2öa^ nun guerft bie ©mpfinbung^fäl;ig!eit ber leben= 
bigen 2öefen betrifft, fo l^at fie hk Sebeutung, benfelbcn über- 
l^aupt (Snipfinbung, Snnenfinben be§ eigenen ®afein!§, unb 'üamit 
©enufe unb ^reube be^ Seben^ ^u ermöglid^en. "^amit ift bann 
freilid^ auä) hie 3}^öglid^!eit be^ ©egentl^eil^ gegeben, be^ 
6(^mer§e0 nämli(^, inenn biefe^ eigene inbiüibuelle S)afein eine 
Störung, Hemmung erfährt, unb in einen nid^tfeinfottenben, 
organifd^=bi»^armonifc^en g^ft^^^ gerätl^, ber fid^ in ber 6elbft= 
Söal^rnel^mung ober ©mpflnbung geltenb mad^t Slber eben in 
biefer 33e§ie]^ung ift W ©mpfinbung^fäl^igfeit burd^au» not|)= 
tüenbig gur Selbfterl^altung unb görberung be^ ^afein» ber 
SebelDefen. 5Die (Smpfinbung t^on £uft unb 6d^merj beutet il^nen 
an, n)a^ il^nen nü^lid^ unb fd^äblid^ ift, toa^ fie gu fliel^en unb 
njaS fie gu fud^en l^aben. ©mpfinbung t>on beiben prägt fid^ ein 
unb läfet fie (Srfal)rung machen, baburd^ n)oI;l aud; flüger, t)or= 
fid^tiger, breifter ober prücf^altenber n?erben. Dl^ne biefe ©mpfin? 
bung mürben i^nen bie Tlotiu fehlen gur ^l)ätig!eit, pm ©ud^en 
be^ ^Rotl^menbigen unb SSermeiben beö SSerberblid^en. ©elbft 
tt)id^tige ^l^eile il)reg Drgani^mug fönnten il^nen gerftört werben, 
ol^ne ba^ fie e^ red^tgeitig bemerften, n)enn fie nid^t burd^ bie 
©mpfinbung be§ 6d^merse§ bat>on red^tgeitig benad^rid^tigt tpür^ 
ben. 3n ber ©mpfinbung^fä^igfeit, hk burc^ bie teleologifd^e 
©eftaltung begrünbet ift, realifirt unb offenbart fid^ gugleii^ bie 
ibeale @runbtenben§ be^ ^afein^ unb bes 9laturproceffe^, W 



IV. ^üx S^eobicec. 147 

fid^ eben haxin ^ei^t, ba§ ein ©einfotten unb ^fJic^tfeinfotten pr 
2Ba!)rneI;mung gebracht iDirb. ©nblic^ ift bie ^ä^igfeit ber 
©mpfinbung pgleid^ bie p^pfif(^::pf^d^ifd^e Slnlage, ang ipeld^er 
t)a^ Seiüu^tfein felbft, tüte fd^on bemer!t, l^ertjorgel^t, obtüol^l fie 
fortbauert, an($ tpenn ber Suftanb be^ 33en)u§tfein^ \ä)on er= 
reid;t ift. 33eibe [teilen bann in inniger 3Serbinbnng, bebingen 
\iä) gegenfeitig; benn foll tüirüid^e ©mpfinbnng [tattfinben, fo 
ift ber 3^^^«^ ^^^ 33en)u§tfeing not^toenbig unb ]^inh)ieberum 
trirb biefer 3^ft^^^ ^anptfäc^Iid^ burd^ Erregung ber (gmpfin= 
bung tüieber ^ergefteEt, tnenn 33en}u§tlofig!eit eingetreten voax. — 
1Ba§> ben ^am^f um^ 5Dafein betrifft, in ir>eld^em bie Sebemefen 
fid^ gegenfeitig bie ©yiftengbebingungen unb bie ©yiften^ felber 
ftreitig mad;en, inbem fie eben bie SJ^ittel ober 33ebingungen be§ 
Jßebenö einanber tnt^k^tn, fid^ üerbrängen ober gerabegu öer= 
folgen unb t>ernic^ten, in^befonbere fid^ gegenfeitig hext ^ob be= 
reiten unb toergel^ren muffen, um felbft §u leben, — fo ift biefer 
atterbings üon ber 2lrt, ha^ eine gro^e 6d^mierig!eit für hk 5ln= 
nal^me eine§ perfönlid^en @otte§ "oaxau^» entfielet, tpenn toir toom 
menfd^Iid^en 6tanbpun!t au^ barüber urt^eilen — unb eixi an= 
berer ift un^ h^i inbuctit}em ^erfa^ren, auf 'i)a§> toix angetoiefen 
finb, nid^t mDgH(^. äöarum finb fo unenblic^ üiele Söefen in§ 
3)afein gerufen mit ©m^^finbung toon Suft unb 6c()mer§ unb mit 
bem Streben jene gu erreid^en, biefen aber gu öermeiben, tüenn 
t)k§> Qkl naturnot!)n)enbig nid^t gu erreid^en ift? 'Riä)t gu er= 
reid^en ift, ba jebenfatt^ ber ^ob W^ ^inbert, unb abgefe^en 
batoon, felbft 't)k erhielte Suftempfinbung ber einen SBefen auf 
©d^merg unb ^ob ber anbern gegrünbet ift — unb ^xoax unt)er= 
meiblid^, naturnot^toenbig ? 3Benn üxoa angenommen irürbe, 
ba^ nur auf^biefe 2öeife eine fo unenblid^e 3JJenge toon i)er= 
fd^iebenen Söefen, eine fo reiche gülle t)on £ebenbig!eit atter 2lrt 
möglid^ fei unb baburc^ l^auptfäd^Iid^ ber unenblid^e S^leid^tl^um 
be§ göttlid^en 2öefen§ felbft, 't)k unenblic^e güEe be^ göttlid^en 
©ein^ eine entfpred^enbe 9^ac^bilbung unb Offenbarung in ber 
Sßelt finben !onnte (tr»ie ber @eban!e n)o^I in ber ©$otafti! 
i)or!ommt), fo toäre bem gegenüber §u bemerken, ba§ bo($ 

10* 



148 IV. 3uv St^eobicee. 

ni(^t quantttatit^e 3Serl^ältntffe, ni(^t Qa% 3JJaffe unb 35erfd^ieben= 
{)eit ber lebenbigen ßrbentrefen bie SRatur unb 3SoII!ommenl^ett 
Lottes funbgeben, fonbern bod; t>or OTem bie 33efd^affenl;eit 
berfelben, il^r SSerljältnife gueinanber unb bie immanente §ar= 
monie beö ©anjen! 2öie aber fott ber trilbe ^ampf ber 2Befen 
gegeneinanber, ber ifjnen aU notl)ir>enbige ©yiftengbebingung auf= 
gebrungen ift, eine immanente göttlid^e 3SoE!ommeni)eit unb 
6elig!eit fd^öpferifij^ funbgeben? (Sl^er müfete man 't)a glauben, 
H^ in ber ^mmanen^ be^ göttlid^en SBefenjo unb Seben^ felbft 
3tr»iefpalt unb 6treit ftattfinbe, ber fid^ in ber Sd^öpfung fort- 
fe^t ober abfpiegelt, — inie §. ^. bei 3. ^öl^me, ober, bafe 'i>a^ 
gute, t>oll!ommene göttlid^e Slbbilb in ber ©d^öpfung burd^ eine 
mibergöttlid^e Ma^t fei terborben unb in ein ^^iä) be^ Kampfes 
ber Seiben unb be^ ^obe^ fei t>erlr>anbelt tüorben. — 3n anberer 
luffaffung fönnte man geneigt fein, 'otn IXmftanb, bafe bie einen 
lebenbigen Sßefen ben anbern gur 3f^al)rung bienen muffen, eth)a 
fo §u beuten, \)a^ t)k gange Df^atur geh}iff ermaßen eine Dpfer= 
ftätte fei, auf tr etiler bie einen äßefen ben anbern fid; §um 
Dpfer gu bringen l^aben, um fie p beglücfen, il^nen @enu§ §u 
r>erfdf)affen unb alfo bag ©ange fo ju geftalten, ba§ au^ ßeib unb 
^ob unaufl)ürlid^ ©enufe, ^cben unb greube l^ertoorgelf^e. 2lber 
auä) biefe ^Beübung ber 6a(^e !ann nid^t befriebigen. Sßenn ben 
gefd^affenen Sßefen Suft unb @lüd, njonad^ fie alle t»on D^atur au^ 
t}erlangen, befd^ieben lüerben foll, marum foE bie^ nid^t birect 
burd^ göttlid^e 3lnorbnung gefd^el)en unb gefd^eljen können, fon= 
bern nur burd^ ben £ampf um§ ® afein, bur4> 3^i^f^örung unb 
gegenfeitige^ §inmorben ber ©efd^öpfe, loarum foE 't>a§> (3lüd be^ 
^afein^ ber lebenbigen 2Befen auf il)r Unglüd gegrünbet fein? — 
3)^el)r Sebeutung lönnte man allenfatt^ einer anbern (Srflärung 
gugeftel)en, Ut in ber SCnnal^me beftel;t, ha^ huxd) biefe^ 3Ser= 
l^alten ber lebenbigen 2öefen gueinanber eine ^otengirung be^ 
Seben^ felbft erhielt njerbe, eine Stufenfolge ber 2Befen in SSegug 
auf 33oE!ommenl^eit, inbem baburd^, bafe hk ßinen hk Slnbern 
üerjel^ren, bie lebenbigen Gräfte concentrirter unb baburd^ poten= 
jirt ttierben in pl^t)fifd^er n^ie pfi;d^ifd^er ^e§iel)ung, — inie etma 



IV. 3ur Sr^cobicee. 149 

aud^ manche ber tüilben ^ölhx\tämmt i^re geinbe, tn^befonbere 
bie an ^raft, ^apfer!eit xtnb (SJeift l^eröorragenben öerse^rett, 
tpeil fie glauben, babur($ beren treffli^e (StGenfd^aften in fid^ 
anf§nne^men nnb \iä) felbft ^u potengiren. Snbe^ aud^ bafür 
finb W 33etüeife bur($ fidlere ^f)atfad^en nid^t p erbringen unb 
toielfac^ näljren fid^ niebriger ftel^enbe Sebemefen üon ^ö^ern, 
o^ne bafe fie felbft eine ^otengirung geigen. Unb tüie e^ in ber 
^orgeit geipefen fein mag, tiermögen iüir nid;t fidler gu er!ennen. 
@anj o^ne @runb mag inbefe biefe 2lnfid^t immerhin nid^t fein 
aud^ in ber 9Zatur; in ber 3J^enfc^engefd^id^te ^at bie in grage 
ftel^enbe 5luffaffnng be!anntlic^ ba!)in gefül^rt, ba§ bei man^Qn 
Böllern unb in mand^en Sfteligionen man 'oie ©ottl^eit felbft §u 
genießen fud^t, um fid^ il)re @unft unb Äraft §u ertüerben.* — 
©emid^tiger bürfte bie ^Innal^me fein, ba^ biefer ^ampf um§> 
^afein l^auptfäd^lid^ Ue ^ebeutung ^be, 't)a^ burd^ benfelben 
bie attgemeine 9tegfam!eit unb bie (^nttüidelung ber 9'^atur be= 
'oin^t fei. tiefer ^ampf forbert nid^t blo^ W Intüenbung aller 
^l^t)fifd^en Gräfte, fonbern aud^ hiz ber pfpd^if($en, unb förbert 
baburd^ bie reichere (Entfaltung unb ©nttridfelung unb bamit 
felbft aud^ ^it gortbilbung berfelben. ^ie beffern pi^pfif(^en unh 
:pfpd^ifd^en Gräfte unb ^^ätigleiten iüerben im Ittgemeinen (tüenn 
aud^ nic^t augnal)m§lD^) im Kampfe fiegen unb fid^ erhalten unb 
fortfe^en, tr>äl)renb bie 2öefen mit geringern gä^igfeiten gu 
^runbe ge^en. Qn^befonbere bie intettectueEen Gräfte iüerben 
baburd^ angeregt unb burd^ Hebung gefteigert, fobafe fie in 'Dtn 
^öl)ern %^^x^n au§> ber ©ebunbenl^eit im Snftincte fd^on §u 
freierer 2lntr»enbung gebrad^t iüerben; nid^t minber iüirb in ^Ser- 
binbung 't^amit au§> bem bloßen ^egel^ren unb Streben tin Söotten, 
b. b- ein Streben unb ^b^^^öfei«, ba^ burd^ SSorftettungen (mit 
^eiüu^tfein unb Slbfid^t) angeregt unb geleitet n^irb. ©nblic^ 
aber ift noc^ eine befonbere golge biefe^ ^ampfe^ um§ S)afein, 



* @. mein 2Berf: „Utbtx bie ®enefi8 ber aJienfc^^eit unb beren ^tü- 
öion, @ittli(^feit unb e^rac^e'' (2Jiünc^cn 1883), e. 220 ff. 



150 IV. 3«i^ 2:^eobicee. 

ba§ ntc^t blo^ eine aHmäpd^e IXmiranblung unb (^rl^öl^utig ber 
organifd^en unb lebenbigen 2ßefen baburd^ erhielt, fonbern auä) tim 
allgemeine Stagnation unb SSerfumpfung be^ Seben^ t>ermieben 
tr>irb. ^aju ift im ©runbe auä) ber ^ob erforberlid^, ber bie 
3Sorau§je^ung ift, bafe burd^ bie fd^öpferifd^e ^otenj ber ©ene- 
ration eine beftänbige S^eubilbung ber Organismen unb eine 
Beftänbige Erneuerung unb 3Serj[üngung in ber 5Ratur ftattfinben 
!ann. — 2luf tl^eiftifc^em ©d^öpfungSftanbpunft njäre alfo bie 
©d^öpfung aufgufaffen gtnar aU D^ad^bilb beS göttlid^en £ebenS 
ober SebenSproceffeS, aber unter ben gormen ber ©nblid^!eit. 
^ie göttlid^e 6d^öpfungSmac^t aU 3maginationc^!raft eines 2ln= 
bern, 9telatit»en ipir!te gtüar fort in biefem Slbbilbe ber @ott= 
l^eit, inSbefonbere als ^enerationSpotens, aber ber Qnl^alt ber 
©d^öpfung n^äre enblid^, befd^rän!t, unb müfete, um fid^ felbft 
auSjugeftalten gu ^öl^erer felbftänbiger 33ilbung ber @ottäl^nlid^= 
feit in ft(^, ein xtiä) geglieberteS, aud^ gegeneinanber n^irfen- 
beS Seben unb 6d^affen barfteHen. 

©reEer nod^ tritt ber SeibenSguftanb beS SebenS unb felbft 
ber ^ampf umS ^afein hei bem 3Jienfd^engefd^le(^t felbft l;ert}or, 
lägt fi(^ aber auc^ leidster als öielfad^ bebeutungSöoE unb für 
l)ö^ere S^tereffen foiüol^l beS pl^^fifd^en, als aud^ befonberS beS 
geiftigen £ebenS nad^tüeifen. — 3BaS gunäd^ft 'i)ie inteEectueHe 
ßntmidfelung ber 3JJenfd^ennatur betrifft, fo bebarf fie irie ber 
finnlid^en Organe unb ber finnlid^en Objecte §um beginn unb 
gortfd^reiten berfelben, fo aud^ aEent^alben ber Slnregung burd^ 
bie äußern 3Serl^ältniffe, }a felbft ber ^^lötl^igung burd^ ^ebürf:^ 
niffe unb ©efal^ren beS SebenS. ®ie @r!enntniffe muffen gefud^t 
unb erweitert werben, bie Urt^eilSfraft finbet Hebung, ber gor= 
fd^ungStrieb h}irb gemedft, n)enn aud^ nid^t guerft im rein ti^eoreti- 
fd^en 3ntereffe, bod^ für praftifd^e ßebenSgtüedfe, — tüoburd^ bann 
n)ieberum bie tl^eoretifd^e Iraft beS ©eifteS felbft er^^öl^t h)irb. 
Sd^on infofern alfo lä§t fid^ 6inn unb felbft entfd^eibenbe Se^ 
beutung barin finben, ba§ W 3Jienfd^en fo fielen Seiben auS= 
gefegt finb, bie fie üermeiben ober beseitigen foHen burd^ eigene 
S8emü:^ung, burd^ tenntniffe unb rid^tige ^eurt^eilung, unb hai, 



IV. 3"^ 2:^eobicce. 151 

fo tiele ©efal^ren fie beftänbig umgeben, betten fie begegnen mü'\\en 
burd^ bie richtigen natürlii^en 3}littel, bie fie bur(^ ben 3nteEect, 
lüie bur$ ©rfa^rung attmäl[;lid^ au^finbig mad^en unb antuenben 
lernen. grei(t(^ gef(^ie!)t bie^ nur in fe^r langfamem @nt= 
midelung^gang, nad^bem ^a^rl^unberte, 3al;rtaufenbe ^inburd^ 
man buri^ übernatürliche ober 3^^^^^wittel \iä) gu Reifen, ^u 
fc^ü^en tjergeblid; üerfud^t l;at. %uä) fel^lt l^ierbei bie ^eljrfeite 
niä)t, benn ^u bürftige Sage ber Seben§t)erl^ältniffe, gu fd^tüere 
33ebrängnife toon ber ^f^otl^ unb ben ^rangfalen be§ irbif($en 
^afein^ ^emmen ja au^ bie intettectuelle ©nttüicfelung be^ ©eifte^, 
lähmen feine @r!enntniPraft unb Italien i^n in ^umpfl)eit unb 
Unt]^ätig!eit ^uxüä, — n)ie bie ipilben 3Söl!erfc^aften s^igen, bie 
3a]^r{)unberte l^inburc^ oI;ne geiftige ©ntn)i(felung blieben. 2le^n= 
lid^e^ gef(^iel)t \a auä) h^i geiftigem ^ru(f , ber ^au^tfäc^lid^ toon 
religiöfen ^efic^t^punlten burc^ @etr>altl^aber unb burd^ l^err= 
fd^enben Aberglauben ber SSölfer auiSgeübt §u werben pflegt, — 
öfter mit fold^em (Erfolg, bafe fd^on errungene geiftige ßultur 
lüieber gu ©runbe gel)t. S^^^fe i^ OTgemeinen unb öom ©tanb= 
punfte be^ ©an§en au^ betra(^tet, erf(^eint immerl^in ber Um= 
ftanb, ha^ hk 3)lenfd^l^eit genötl^igt ift, ber S^^atur tl)re @r^al= 
tung unb görberung burd^ eigene 3:;^ätigMt abzuringen, al^ 
ein ^awptmitUl, bie intellectuetten Jlräfte ^u n^eden unb burc^ 
energifd^e ^^ätigMt pr Slu^bilbung gu bringen. 

2le^nlic^eg gilt aud^ t»Dn ber moralifd^en ^ilbung ber 3Jlenfd§=: 
l^eit. 2lud^ für biefe ift ber ^ampf um^ ^afein unb finb in§= 
befonbere 'i^u p^^fifd^en Uebel be^ Seben^ eine ^eranlaffung gut 
9*tealifirung unb ©rl^öl^ung berfelben. ^afe ha^» 3Jlenfc^enleben 
ein ^ampf fei mit ber Statur unb mit focialen 3Serl)ältniffen 
in ber menfd^lid^en ^efellfd^aft, ift allbelannt, unb ftet§ l)at man 
aud^ ))k l)öl)ere 33ebeutung l^ieröon 'i)axin gefunben, ba^ bie Seiben 
be^ ^afeing, in^befonbere aud^ 'i)k p:^pfifd^en, bie 33ebeutung 
l^aben ober lüenigften^ ^ah^n fotten, 'Dk fittlid^e ^raft be§ 2Bil= 
len§ §ur ^etnäl^rung p bringen unb "ok fittlid^e 3Sert)oll!omm= 
nung gu beförbern. 2)ie^ objectiöe ®afein fott 3}littel unb @(^au= 
pla^ für bie fubjectiüe 33et]^ätigung be^ bemühten 2Bitten^ be0 



152 IV. 3"r Sr^eobiccc. 

3Jlenfd^engeifte^ fein. ^en!en mir un^ Ui ber 3Jlenf(^ennatur, 
iüie fie ift, att bie S3ebrängniffe unb 9Zöt]^igungen be^ äußern £eben§ 
l^intoeg, fo trürbe 't>k moralifd^e Säilbung fo tüenig ir»ie bie intettec= 
tuette irgenbtüie bebeutenbe gortfd^ritte machen, benn nid^t blo§ 
^ab= unb ^errfd^fud^t, fonbern auä) bie ^rägl^eit ift eine gorm, 
in iDeld^er fid^ bie Entartung ber 6elbftfnc^t funbgibt. ^oä) ift 
anä) ^ier tpieber gu bemerfen, ba^ bie Reiben unb ^Rötl^en beC^ 
Seben^ anc^ iüol^l gum ©egentl^eil ber fittlic^en ^ilbung nnb 
SSertooIIfommnung fü'^ren !önnen unb oft genug fül^ren, ba fie 
SSerfud^ungen aEer 5lrt mit fid^ bringen unb fo oft toerbitterte 
©efinnung unb ^efammtftimmung be^ ©entütt)^ toerurfad^en, 
Seibenfd^aften tüeden unb felbft p Untl^aten aller 2(rt SSeranlaf= 
fung geben. — ©ine befonbere 2öid^tig!eit l^aben bie p^^fifd^en 
IXebel baburd^, 't^a^ fie ber 33et]f)ätigung ber S^äd^ftenliebe bie 
umfaffenbfte Gelegenheit bieten. S^folge ber Unt>olI!ommen!^eiten, 
Seiben unb ^öt^tn be^ Seben§ gefd^iei^t e^, ift e^ möglid^, ^a^ 
ein 3Jlenfd^ für hzn anbern ioirüid^ ettüag leiften unb tttoa^ 
für if)n fein !ann, \üa§> bod^ nid^t n)ol)l mögli(^ tt>äre, tüenn bie 
einzelnen Menfd^en bebürfnifelofe, in fid^ abgefd^Ioffene, fiy unb 
fertige Sltome ober 3Jlonaben iüären. 2öie fie aber n^irüid^ finb, 
in ii^rer IXntooIüommen^eit, finb fie aUentljalben aufeinanber an= 
geh)iefen, tioneinanber bebingt unb in ber SSeririrüid^ung i^reiS 
Seben^gefd^idfe^ beeinflußt, fobafe ein t) ereinig enbe^ ^anb burd^ 
aEe l^inburd^gel^t. 3)ieö gilt nad^ allen 33egiel)ungen, benn fd^on 
im @ntfte!^en ift ber 3Jlenfd^ t>on anbern bebingt nnb ftel^t mit 
il)nen in innigftem 3itfammenl^ang. 3n 5lbl)ängig!eit gunäd^ft t>on 
ben Sleltern, beren er bann iüieber hti feiner Untoolllommen^eit 
unb §ülflofig!eit gur Pflege unb ©rl^altung bebarf , fotüie ^iz Un-- 
bilbung feinet Qntellectg unb SöiHen^ bie ©rgie^ung burd^ anbere 
3Jlenfd^en forbert. Unb enblid^ ba§ gange Seben l)inburd^ !ann 
ber einzelne 3)lenfd^ nie fid^ felbft genug fein, fonbern bebarf 
be^ 3ufammenl)ang§ mit anbern, ber §ülfe im p^^fifd^en unb 
geiftigen (Gebiete, um ben Seiben be^ ©afein^ gu entgegen ober 
in benfelben Sinberung ju erlangen. 

greilid^ ift l^ier aud^ bas menfd^lid^e SSerl^ältnife gegeben. 



IV. 3ur S^eobicee. 153 

hti lDel($em baö moralifd^e IXebel ober ba§ 33öfe feinen IXrfprung 
nimmt ober fein S5ern)ir!li(j^ung^gebiet ^at Um ba§ moralifd^e 
Hebel in feinem ©afein unb Urf^rung p erüären, bebarf e^ 
nid^t be^ fd^roffen 5DuaIi§mn^ eine^ böfen ^rincipg gegenüber 
bem guten, auä) nid^t einer befonbern 2ßur§el beffelben im gött= 
lid^en IXrgrnnbe unb ebenfotoenig ift ein m^fteriöfeg rabicale^ 
^öfe§ in ber SJ^enfc^ennatur angunelf^men, bem ein ebenfo m^fte= 
riöfer !ategorifc^er ^mperatiö entgegenftiinbe, — iDoburd^ ja ber 
metapl^^fifi^e S^uali^mug ber ^toei feinbli($en Urprincipien ol^nel)in 
nur in W moralifd^e 9^atur be^ 3Jienf(^en verlegt tüürbe. 3Siel= 
mti)x bebarf e§ nur ^u biefer ©rüärung be§ natürlichen, auf 
6elbfter^altung unb görberung gerichteten @goi§mu§, mit ber 
^a^t ber ©elbftbeftimmung ober Söillen^freil^eit in einer menf(^= 
liefen @efellf(^aft unb in ber gef(^öpfli($en 3f?atur überl^aupt, 
au(^ toenn fie aU ^robuct göttliij^ f(^öpferif(^er, Slnbere^ unb 
barum (Snblid^e^ fegenber Imagination aufgefaßt mirb, ba^ fid^ 
gegenfeitig bef(^rän!t unb fein eigene^ 6ein bem anbern gegenüber 
^eltenb maä)t 3n ber menfi^lid^en (^efeUfd^aft, in bem ^zx^ait- 
niffe ber 3Jlenf(^en gueinanber, ift ba^ fittlid^ @ute gu realifiren 
unb in berfelben realifirt fid^ aud^ ba^ ©egent^eil, 'i)a§> \itili6) 
Söfe. ©ie menfc^lic^e ©efettfd^aft ift gleid^fam auf bie 3bee be^ 
©Uten gefteHt unb foE biefe in atten SSer^ältniffen realifiren, 
baburd^ göttlid^ ]^armonif(^e§ Seben unb 2ßir!en in ber 3mma= 
nenj ber 3J^enfd^l^eit barftettenb; benn nur bem 3Jlitmenfd^en 
gegenüber !ann fid^ ber 3Jlenf(^ praltifd^ moralifd^ öerl^alten ober 
'i)a§> ©Ute realifiren, nid^t einer überfinnlid^en, unerreid^baren 
Söelt unb aud^ nid^t ©ott unmittelbar gegenüber, ©enn ©Ott, 
aU bem Slbfoluten, öermag ber 3Jlenfd^ nid^t^ <5d^limme^ §u= 
zufügen, fo iüenig aU er il^m ettoag geben ober für i^n in 
feiner Dl^nmad^t ettoa^ leiften !ann. ©ie^ aner!ennen attent^ 
l^alben felbft bie 3fteligionen, iDenigften^ W t>oE!ommeneren in 
i^ren iüefentlid^en formen. 6elbft im (E^riftent^um gefd^iel^t 
bie^ in fel^r entfd^iebener 2öeife. S)enn fo fel^r aud^ 't>a^ mora= 
lifc^e ^Serl^alten al^ eine Befolgung ber fittli(^en ©efe^e, aU 
2lu^brucf§ be§ göttlichen Söillen^ betont unb geforbert tpirb, fo 



154 IV. ii,ux St^eobiccc. 

erfc^cint bie moralifd^e ©üte unb 3SoII!ommen!^eit be§ 3Jlenfd^en 
bod^ aEentl^alben an fein 3Serl^alten gegen feine 3}Zitmenfd^en 
gefnüpft, an bie iüerft^ätige Sf^äd^ftenliebe. 2)iefe trirb auä) mit 
ber ©otteMiebe al§> ^öä)^k§> ©ebot üerbnnben unb pgleid^ mit 
aller (Sntfd^iebenl^eit f)ert)orget)oben, ba^ bie (^otteMiebe it;re 33e= 
tl^ätigung nur in ber ^'^äd^ftenliebe finbe unb o^ne biefe nic^t 
beftel^e. SDiefe Sluffaffung tritt auc^ mit atter Energie ba l^er^^ 
t>or, wo t>om allgemeinen legten göttlid^en ©erid^t bie Sflebe ift 
unb über ba^ emige ^efd^idf ber ©uten unb S3öfen entfd^ieben 
iDirb. %l§> 3Jla§ftab unb @runb ber 33eurtf)eilung, refp. SSer- 
urtl^eilung, ipirb einzig unb aUtin ba§ 3Serl)alten gegen bie 
3Jiitmenf(^en gur entfd^eibenben ©eltung gebrad^t, ba§ aU tin 
^erl^alten gegen ben göttlid^en S^tid^ter felbft begeid^net föirb 
(matt^, 25, 31 fg.): . . . „^a n)irb bann ber Äönig (9flid^ter) 
fagen gu benen ^u feiner 9led^ten: kommet l^er i^r ©efegneten 
meinet 35ater§, erbet bas 9tei(^, ^a§> euä) bereitet ift oom 2ln= 
fang ber 2öelt. ®enn i^ bin l^ungrig gettjefen unb il^r \)dbt 
mid^ gefpeifet; id^ bin burftig getüefen unb i^x ^abt mid^ ge= 
trän!t; iä) Un ein grembling gemefen unb i^r !)abt mid^ be= 
l^erberget; iä) bin nadt getnefen unb li^x ^dbt miä) beÜeibet; id^ 
bin !ran! getüefen unb i^v l^abt mid^ befud^t; iä) bin gefangen 
gemefen unb i^r feib §u mir ge!ommen. ^ann n^erben bie 
©ered^ten anth)orten: §err, föann i)aben tx>ir bid; {)ungrig ge- 
feiten unb l^aben bi($ gefpeifet ober burftig unb l^aben ^id) ge= 
tränfet u. f. \d. Unb ber §err inirb anttrorten unb fagen gu 
tl^nen: ^di)xlid) id^ fage eud^, ma^ il^r getl)an ^dbi einem unter 
biefen meinen geringften 33rübern, ba^ l^abt i\)x mir getf)an/' 
5le]^nlid^e^ gefd^iel^t nun aud^ benen gur £in!en nur in entgegen^ 
gefegtem Sinne; fie tr»erben t»erf(u($t in^ etüige geuer, njeil 
fie it)re ^ftid^ten gegen ii)re 3Jlitmenf(^en ni(^t erfüHt. 51B ent= 
fd^eibenb für baö einige ©efd^idt be^ 3Jienfd^en n^irb l^ier einzig 
t)k ©rfüttung ober ^'lid^terfüttung ber ^flid^ten ber Df^äi^ftenliebe 
begeid^net. ^iä)t ift bie D^lebe t)on mangelnber fog. grömmigfeit 
unb gotte^bienftlid^en Hebungen ober §anblungen, ni^t tom 
ortl^üboyen ©tauben, ben man get^ulbigt ober 'i^en man t)erlaffen 



IV. 3ur 2;^eobicce. 155 

l^at, — um beffentiüillen fpäter öon ben Äirc^engetnaltl^abern fo 
t>icle ^aufenbe geitlii^ l^ingemorbet xinb einig §u Höllenqualen 
t)erflu(^t tüurben. Slud^ tnirb 'i)a§> einige ©efd^id ni(^t abhängig 
gemad^t t»om unbebingten ®el)orfam gegen W geiftli(^e Dbrig= 
feit, ben man geleiftet ober nerfagt, eBenfo tnenig 'von einem 
©lauben an abfolute 2luctorität unb Unfef)IBar!eit biejer Dbrig^ 
Uit ©nblic^ aud^ ni^i^ t>on einem Dpfer ber SSernunft, baö 
man gebracht ober nernjeigert ^at — lifo nid^tg non aU bem, 
ma^ man in fpäterer ^zit in ber c^riftlid^en ^ird^e für ba0 
SSid^tigfte, aEein über ba^ etnige §eil (gntfd^eibenbe, erflärt ^at 
unb um beffentiniEen hk HJlenfd^en unb SSöüer fo toiele 3a]^r= 
{)unberte ^n't)uxä) §u n)ilbem gafe unb fo oft graufamer 3Ser= 
folgung gegeneinanber gel^ejt n^urben. Sßa^ tnäre ba§ für eine 
göttliche Offenbarung unb für eine Stiftung ber d^riftlid^en 
^ird^e, h3enn felbft Id einer fo feierlichen, toid^tigen (^rllärung 
gerabe ba§ Sßidfitigfte, ©ntfc^eibenbe tnäre mit 6tillfd^meigen 
übergangen inorben? ®a§ bie^ gefd^a^, geigt !lar, bafe ©l^riftu^ 
W§' nid^t für ba^ 2ßid^tigfte l^ielt! gnuerl^alb ber menf d^lid^en 
©efettfd^aft, alfo burd^ ba^ Sßollen unb §anbeln ber 3)lenfc^en 
felbft, entftel)t ba^ @ute unb 33öfe, unb e^ genügt bagu bie ber 
3J^enfd^ennatur infolge geiftiger ©ntinidfelung in @r!enntni§ unb 
^iUtn 5u!ommenbe 6elbftbeftimmung^mac^t ober bie fog. 2öillen§= 
freil^eit. ®a^ biefe bem äJienfc^engeifte §u!omme, bezeugt fein 
^emufetfein unb "oa^» (S5efül)l ber SSerantmortlid^leit für gewollte, 
beabfid^tigte §anblungen, tnäl^renb baffelbe bei nic^tgemottten 
fel^lt, tnenn fie aud^ nod^ fo folgenreid^ finb. ®er attgemeine 
notl)h}enbige ßaufalgufammenl^ang in ber 3^atur ift lein §inber= 
ni§ für ba§ fid^ felbftbeftimmenbe unb infofern freie SöoUen, 
benn ber menfd^lid^e (Steift ift erl)aben über biefen not^^tnenbigen 
6aufal§ufammenl()ang in feiner l^öd^ften Setl^ätigung. S)ie^ §eigt 
fid^ fogar hzi ben ftrengen logifd^en Operationen, in ber 6d^lu^= 
folgerung öon ber Söirlung auf hiz IXrfac^e. ®a§ attgemeine 
@efe^ ber SSerurfad^ung ober SSegrünbung gilt allerbing^ für 
ha§> reale (^ef(^e^en toie für bag logifc^e Genien, aber bag lo= 
gifd^e Genien ift bod^ fo frei unb felbffcänbig ber realen (Sau= 



156 IV. 3ur 2:^eobicce. 

falität gegenüber, bafe e^ 't)a§> reale not^irenbige 33er^ältm6 öon 
IXrfad^e unb 2öir!ung gerabe^u umsufe^ren toertnag unb für ben 
^en!proce§ ba^, trag im objectitoen, realen ©efd^el^en Urfad^e ift, 
gur 2öir!nng (golgerung) ju ma6)tn im ©tanbe ift, bie reale 
3öir!ung aber gnm @rnnbe, — wa§> bod^ fidler eine 6elbftänbig= 
Mi be^ menfd^li($en ^en!eng gegenüber bem aEgemeinen realen 
(Eaufalgufammenl^ang be!unbet. 2le^nlid^ t)erl)ält eg fid^ bei ber 
Söitten^t^ätigfeit. 2lud^ ^k\t ift nid^t an blo^e 3lad^bilbung beö 
realen SSerlaufe^ gebunben, an 't)a§> 3Serl)ältni6 ber n)ir!enben 
llrfad^e gnr 2ßir!ung, fonbern !ann ba^ SJiotir», toon bem fie fid^ 
beftimmen läfet, ober ha^ fie iräl^lt al^ 3^^^^ ^'^^^ Si^^r ^<^^ 
bod^ an fic^ nur 3Sorftellung ift, gur Urfad^e be§ ©efd^el^en^ ober 
^anbeln^ mai^en. ^er 0)?enf(^engeift toermag alfo au^ M ber 
2öiEen^tl^ätig!eit "i^aS» reale ^^erl^ältnife umpfel^ren, inbem er ein 
Tlotit), alfo ha§> toa§> nod^ ni^t ift, gu einer für bie 2Bir!lid^!eit 
beftimmenben IXrfad^e ma($t, — fobafe causa finalis ^ux causa 
efficiens mirb, ha§> Uo§> üorgefteEte giel, t^a^» erft erreid^t iperben 
fott, al^ njirfenbe IXrf ad^e fid^ bet^ätigt, infofern baburd^ tk 
realen 3Jlittel in ^etüegung gefegt unb fo t»ern)enbet werben, 
ba6 't)a§> blog fubjectit) üorgeftettte Siel §ur öoEenbeten objectiüen 
2Bir!ung iüirb. Heber bem realen ©efd^e^en erl^ebt fid^ fo ta^ 
ibeale SSolIen unb Sßirfen, ba^ au^ ber ©rfenntnife unb felb= 
ftänbigen Söitten^entfd^eibung l^eröorgel^t, ineld^e hk @runb= 
^ebingung be^ SJloralifd^en ift. Uebrigenö ift bie fog. 2ßitteng= 
greil)eit nad^ unferer Söeltauffaffung'*" nid^t tivoa in bie 3)lenfd^en= 
9flatur al0 frembartige gäl^igfeit Ijineintoerlegt, fonbern fie ift 
fo^mifd^ begrünbet in bem aEgemeinen Söeltprincip ober ber 
2Beltpl)antafie, unb gibt fic^ fd^on im ©ebiete ber organifd^en 
unb mel^r nod^ ber lebenbigen Dkturtoefen !unb, !ommt aber 
erft mit ber 33ilbung beö 2J^enfd^engeifte^ burd^ bie guerft gan§ 
tpittlürlid^ fd^altenbe fubjectiöe $l^antafie gur Geltung unb ttjirb 



@. „2)ie ^^ontafie als ©runb^rinci^ beö 2BettproceffeS", ®. 502 ff. 



IV. Süx Sr^cobtccc. 157 

rational erft Bei ber ©nttpicfelung be^ üaren SelBftbeiüufetfein^ 
unb be§ Qntellectee^ 

^a§> p^i;fif(^e unb moralifd^e Hebel inirb in ber 9leIigion 
loul^aä) in enge ^Se^iel^ung a^einanber infofern gebrad^t, aU ha^ 
p^^fifd^e IXebel au^ bem moralifd^en in feinem Urfprung abge- 
leitet iüirb, 5. 33. au^ bem fog. 6ünbenfatt ber erften SJlenfd^en, 
bur($ ben aud^ bie D^iatur aU in ßorrniption t»erfallen angefel^en 
tüirb. dergleichen !ann ^Yoax in ber neuern 2ßiffenf(^aft nid^t 
mel^r angenommen tnerben, 'i)a fidler aEe p^^fifd^en IXebel f(^on 
t»orl)anben iüaren in ber 9f?atur, e^e e^ nod^ ein moralifc^e^ 
Hebel geben !onnte, — au§> 3}iangel an toernünftigen, freien 
Sßefen. gmmerl^in aber ift e^ 5^!^atfad^e, bafe tüol^l hk meiften 
unb größten pl)^fifd^en Seiben in ber 3Jlenfd^]^eit t)om Mi^braud^ 
ber greil^eit ftammen, alfo au§> bem moralifd^en IXebel entftel^en.* 
3n ber Z^ai gel)en aud^ bie pl^^fifd^en unb bie moralifd^en IXebel 
au§> berfelben SBur^el l)ert)or, finb in bemfelben ^rincip be= 
grünbet, in bem allgemeinen ^ilbung^princip ober ber fd^öpferi- 
fd^en Söeltpl^antafie. 2lu§ biefer ftammt bie teleologifd^=plaftifd^e 
(^eftaltung ber Organismen überl^aupt unb inSbefonbere ber 
lebenbigen ober befeelten Söefen; eine ©eftaltung, beren teleo= 
lDgif(^=plaftifd^e Drganifation fid^ §ur @m:pfinbungSfäl^ig!eit öer= 
innerlid^t unb fteigert, bie aber aud^ bie £eibenSfä^ig!eit in fid^ 
fd^liefet unb bamit bie 3}löglid^!eit unb 5^^atfäd^lid^leit beS ^1^^- 



* (©(Ritter läßt bem aJ?arqutS ^:pofa fageit: 
„dx (ber <^ä)'6p\tx) — ber grctfieit 
SntsüdEenbe (grfc^einung ni{^t ju ftören, — 
(5r läßt beg UeBelS grauenüotteS §eer 
3n feinem SBeltatt lieber toben — i^n, 
2)en Äünftler, ttjirb man nid^t getoa^r, befd^eiben 
35er^üttt er fic^ in endige ®efe^e! 
2)ie fie^t ber greigeift, bod^ nic^t i^n. SBoju 
(Sin ©Ott? jagt er, bie Söelt ift fic^ genug! 
Unb feines (S^riften 'ilnbac^t l^at i^n mc^r, 
5i(« biefeg ^reigeip Säfterung ge^riefen.^' 

(2)on Sarlog III, 10.) 



158 IV. ßm X^eobtcce. 

fifd^en UtbtU begrünbet, ba^ bem Stiebe unb ©treten naä) 
6elbfterl^altung unb 2öol)Ibefinben entgegenfte^t. 5tu§ berfelben 
^Tnpfinbung^fäl;ig!eit ge^^t aber auc^ ba^ SBetüufetfein im 33erein 
mit bcr freien, tüiEfürlid^ fd^altenben fubjectitten ^^antafie ]^er= 
tior unb ber ganje pf^d^if($e Drgani^mu^^ mit feinem @runbt)er= 
mögen unb ^ptigfeiten, — barunter aud^ ber fid^ felbftbeftim^ 
menbe freie SßiHe, ber bie üueHe be!§ moralifd^en Hebeln iperben 
fann. 2)emna($ finb bie beiben (^runbübel be!§ menf(^li(^en 
^afein^ burd^ ein unb baffelbe (SJrunbprincip begrünbet unb 
[teilen infofern atterbing^ in 3^f^^^^ttl^^ng , menn aud^ ni^t 
in einem fo unbebingten naturnotl^n^enbigen, ba§ fie ftet^ p= 
fammen auftreten müßten, 'i)a ber @eift eben burd^ (ginfid^t 
unb 2ßillen^!raft über ha§> ^^^fifd^e — bie greuben tüie bie 
Seiben — fid^ gu erl^eben toermag. 

@^ geigt fid^ alfo, 'i:)ai trie W Sßelt einmal ift, fd^on bie 
©rl^altung unb alfo überljaupt bie ©yifteng ber lebenbigen Sßefen 
bie ©mpfinbung§fä]^ig!eit t)orau^fe|t, ba§ ebenfo @enu§ be§ ®a= 
fein^ unb ba^ Seiüu^tfein bat^on bebingt fei, foinie aud^ ba^ 
(^efiil^I unb S3eiüu§tfein ber Sbealität, bie in ben 33ilbungen 
tüirlt unb fid^ offenbart, ^emgemäfe ift babur(^ in ber 3Jlenfc^en= 
3f^atur bie gäl^ig!eit für 't)a§> ^beale, in atten Gebieten ©mpfäng- 
li(^!eit, ©efü^l unb ^erftänbni^ §u l^aben, baburd^ begrünbet in 
intettectueEer, äftl^etifd^er unb nid^t minber in fittlid^er 33egie]^ung. 
2lud^ bie fittlid^e Statur be§ 3)Zenfd^en, bie gäl^igfeit ba^ @ute 
p realifiren, fe^te gugleid^ ba^ (SJegent^eil, 'oie Tlaä)t ober grei= 
l^eit ha§> moralifd^e Uebel gu erzeugen, t»orau^, "oa ol^ne biefe 
gä^igleit aud^ ba^ moralifd^ ®ute unb bemnad^ bie ©rreid^ung 
eine^ ibealen ober vernünftigen Qwdc^ ber gangen 6d^öpfung 
nid^t möglich tüäre. 

Söenn bem aber fo ift, n)enn ba0 §öd^fte unb ^efte im 
5Dafein biefer 2öelt, bie Sflealifirung ber Qbeen be^ SBal^ren unb 
©Uten in vernünftiger ©rfenntni^ unb 2öitten^t:^ätig!eit nid^t 
möglid^ träre, olf)ne 3Jiöglid^!eit be§ @egent]5)eil^, fo entfielt auf 
tl^eiftifd^em 6tanbpun!t, ober vielmel^r gum ^el^ufe ber di^ä)U 



IV. B^^ 2:^eobiccc. 159 

fertigung beiS ©laiiben^ an einen )?erfönlic^en ©Ott aU @(^öpfer 
unb gütigen Sen!er ber Söelt, 'i)k grage: Söarum iiberl^aupt 
biefe Söelt ber Uebel unb be^ 33öjen gef($affen n)orben fei, tr»arnm 
ni(^t eine anbere? Dber tt>enn eine anbete nid^t möglid^ mar, 
tvaxum ein bemühter :perfönli($er ©ott, ber 5lto öoran^fel^en 
mnfete, überl;anpt eine Sßelt gefc^affen !)abe? 2öel(^e§ tpol^l bie 
IXrfad^e ober H^» 2Rotit) ba§n tüar, \Da§> er bamit erreii^en tüoEte, 
nnb iüarum er in göttlicher SSoran^fid^t ber fd^limmen SBenbung 
ber ^inge W ©($öpfung überhaupt nid^t lieber nnterlaffen 
l^abe, n?enn er al^ abfolnte^ äßefen !ein 33ebürfni^ bamit ^u 
befriebigen l)atte, nnb an^erbem nid^t^ il^n bagn gtüingen !onnte? 
®te Sfteligionen ^dbtn im Slllgemeinen biefe grage !aum 
anfgelüorfen unb meiftent^eil^ leidet genommen, n^enn nid^t )5]^ilo= 
fopl^ifd^e 6peculation \iä) bamit toerbanb. 3^ ben niebrig 
fte^enben war unb ift bie ©otte§t»orftellung fo unt)oE!ommen, 
fo tüeit entfernt t)on bem 33egriffe eine^ abfoluten Söefen^, ha^ 
man an ben Unt)olI!ommen^eiten ber 2Belt, ber Statur unb be^ 
3}lenfd^enlebeng !aum einen 5lnftofe nal)m, — ipenigften^ nid^t 
mit 33egug auf ba^ göttlid^e Söefen ober hk (^ottl^eiten, bie man 
felbft getreulid^ an biefen Unöottlommenlfjeiten (toenigften^ "i^en 
moralif($en) tljetlnel^men lie^. S)ie naturaliftifd^e unb ant^ropo= 
morpl)if(^e Sluffaffung be^ (^öttlid^en lie§ bie 6d^h)ierig!eiten 
nid^t pm Ilaren ^einufetfein !ommen, n)eld^e bag ^etüu^tfein 
t>on (SJott aU abfolutem Qbeal ber SSernunft ent^üttt unb aU 
bem 3Jlenfd^engeifte unlö^bare^ SJl^fterium erf(^einen läfet. — 
SDie tl^eologifd^e unb pl^ilofopl^ifd^e ©peculation 'f^at auf t?er= 
fd^iebene Söetfe t)erfud^t 't)a^ Problem ju löfen, b. ^, bag 3}lotit> 
§u erfennen, ba§ @ott gur ©d^öpfung biefer 2öelt beftimmte. 
®ie öor^errfd^enb naturaliftifd^e unb :pantl)eiftifd^e Sftid^tung 
ndf)m an, 'Dk Sßelt ber ©nblid^leit fei entftanben infolge einer 
innern D^löt^igung ber gottlid^en Statur felbft, bie il^re gülle in 
bie 2Belt ergo§, ober bie infolge eine§ göttlid^en £eben^^)roceffeg 
au§> xi)m l^ertiorging. 33ei fold^er 2luffaffung ift toon einer eigent= 
lid^en Sßeltfd^öpfung feine Stebe, fonbern nur toon einem 2Befen^= 
^ct ober Seben^procefe ©otte^ felbft, unb bie Seiben unb Uebel 



160 IV. Sux 2:^cobtcee. 

be^ ^afein§ finb ^efd^affenl^cUen unb ©d^ic!fale ©otte§ felbft. 
3lber @ott ift bann nur aU eh)igeg Sßejen ober ©ubftrat be^ 
2öeltgefd^e!)en0 aufgefaßt unb entfprid^t mä)t ber 3bee eineä 
abfolut t)ott!ommenen 2öefen§, tüte unfere ^Sernunft fie fd^aut, 
auc^ niä)t beut göttlichen 2Befen, ba^ im ©tauben angenommen 
unb im religiöfen ßultu^ üerel^rt unb angerufen mirb. 6oId^ 
göttlid^eg 2öefen ift gleich bem emigen ©c^idfal, bem blinben 
3Ser]^ängni6, über ba^ fid^ weiter nid^t^ benfen unb fagen, 
fonbern l^öd^ften^ noc^ peffimiftifd^ grübeln unb biegten läfet. — 
2lnber§ öerl^ält e^ fid^, totnn 't)k 2Belt nid^t al§ 2öefen^= ober 
Seben^act ©otte^, fonbern aU 2öer! feinet SßiHen^ unb feiner 
^raft aufgefaßt toirb. Slud^ ba ift aber irieber bie grage, o^ 
fie au§ ?^otl)n)enbig!eit gefd^affen inarb ober au^ freiem 2ßillen 
ober 33elieben. 2ßenn au^ 3^otl^tr>enbig!eit, toaä fonnte ©ott 
nötl^igen ba^u? 3rgenbetn?a^ 5leu^ere^ nid^t, ba au§er ®ott 
nid^t^ ift ober tüar öor ber 6d^öpfung; irgenbein innerer 3^^"9 
ober ein 33ebürfni6 ebenfalls nid^t, t)a @ott al^ abfolut t)oll= 
fommene^ Sßefen !ein S3ebürfni§ ^aben unb burd^ nid^t^ üoH^ 
fommener ober befeligter toerben !ann. (S^ mufete bemnad^ 
irgenbettrag leu^erlid^eg (b. l). nid^t p feinem SBefen ß^el^örige^ 
ober fein eigene^ 2^h^n Setreffenbe^) ober etina^ S^tfäHige^, 
Slccibentette^ fein, ba^ i^n toeranla^te gur ©d^öpfung. — Qn ber 
^l^at nel^men ^l^eologen unb ^l^ilofopl^en zt\Da§ bergleid^en an, 
entlpeber bie @^re ©otte§ (äufeerlid^) ober bie 6elig!eit, ha§> 
(^lüd ber ©efd^öpfe. 2lber aud^ biefe Söfung be^ Problems 
l;ält nid^t ©tanb, aud^ nic^t, lüenn man beibe^ gugleid^ aU Si''^ed 
ober Moti'o ber ©d^öpfung annimmt. 2ßa§ bie ©l^re ©otte^ 
betrifft, fo ift immerl)in fel^r fraglid^, ob man bergleid^en al§ 
3Äotit> göttlid^er ©d^üpfertl)ätig!eit anneljmen bürfe; benn für§ 
erfte !ann biefe @^re für baö abfolut öollfommene 2öefen feine 
^ebeutung l^aben, ba fie nur ein öerfd^minbenbe^ 3Jloment il^m 
gegenüber fein !ann, unb bann mirb biefer 3^^^ ^^^^ ^^^ 
6d^öpfung, irenigfteng fomeit h)ir fie fennen (unb banad^ attein 
!önnen trir ja pofitit? unb negatiö urtl^eilen), gar nid^t erreicht. 



IV. ^ux St^ecbtcec. 161 

6(^on bie fielen Seiben im 3^aturleben können taurti §ur @r= 
reid^ung biefe^ Qtd^ät^^ Beitragen; benn fo tüunberbar allerbing^ 
bie teleologif(^en ©eftaltungen unb pf^(^if(^en gä{)ig!eiten ber 
Sebemefen finb, fo finb fie bo(^ ^intoieberum, tnie ^x^^x !)eröor= 
get)oben lüurbe, auä) ©d^ulb an ben öielfai^en Seiben ber leben= 
bigen 2ßefen unb bienen ^ur Slu^fü^rnng bes milben ^ampfe^ 
um^ ^afein. 2ßa§ au^erbem W SJienfc^entüelt betrifft, fo fd^eint 
burd^ 'iia^ moralifd^e Hebel nid^t blo^, fonbern aud^ bnrd^ "i^it 
Xlnn)iffen!)eit, ben Aberglauben unb burd^ 'ok elenben unb ab^ 
gefc^mad^ten SSorfleHungen, toeld^e iüeitau^ bie meiften 3}^enfd^en 
öon ber (SJottl^eit Ijaben, burd^ bie (Earicaturen, hk fie fid^ toon 
berfelben bilben, — biefe weit me^r t>erune^rt gu tr»erben, al§ 
ß^re gu erlangen. 2ßäre alfo biefe ba^ 3Rotit> ber ©d^ö^fung, 
fo tüürbe ber Qwed berfelben Mne^tneg^ al^ erreid^t erfd^einen. — 
2le^nlic^e^ gilt öom (^IM ober ber ©eligfeit ber (S^efd^öpfe aB 
3Jlotit) ober Qwed ber ©d^ö))fung. 2lud^ biefer gtoecf !ann in 
ber 6d^öpfung feine^toegg al^ erreid^t angefel^en tnerben, mufe 
im (^egentl;eil al^ öerfel^lt für 'Die meiften (S^efd^öpfe erfd^einen, 
in^befonbere für "oit 3Renf(^en, bie in biefem Seben fd^toere (^e= 
fd^idfe unb Seiben atter 5lrt gu ertragen l^aben, unb grö^tent^eil^ 
nur mü^fam ein bürftige^ leiben= unb entbel^rung^reid^e^ ^thtn 
fid^ toerfd^affen unb erl^alten fönnen. Unb felbft für ein Qenfeit^ 
finb Ue 2lugfic^ten auf ein beffere^, tüirflic^ beglüd^te^ S)afein 
religiöfen ^Infd^auungen unb bogmatifd^en Seigren felbft innerljalb 
be§ ©Ijriftent^umg gufolge nid^t günftiger; benn niä)t blo§ im 
^ieffeitg üerbammen unb verfolgen fid^ bie d^riftlic^en Parteien 
einanber Ijeftig, untoerföl^nlid^, fonbern hie gegenfeitige ^er= 
bammung he^ie^ \iä) and) auf 'Da^) Senfeit^. ©nblid^ fogar 
inner:^alb ein unb berfelben Partei ober (Sonfeffion toirb 
nur toenigen 3Jlenfd^enfeelen toirflid^e @lü(f feiig feit für emige 
^auer §uer!annt, nad^ bem äßorte, 'i^a^ üiele berufen aber 
toenige au^eriüä^lt feien. §aben bod^ hie ^^eologen fogar 
hie furd^tbare Se^re tion ber ^räbeftination au^geflügelt, ber 
pfolge bie meiften 3Jtenfd^en öon @ott (bem 6c^öpfer) pr 

gro^ic^ammer, aJi^fterium SSJiagnum. 11 



162 IV. S^^ S^cobicee. 

eiüigen SSerbammni^ beftimmt fein foHen! gür 9}?enfd^en, bte 
bergleti^en glauben, !ann unmöglich bie @lüc!felig!eit ber (S)e= 
fc^Dpfe al§ eigentlicher giüed ber göttlichen 2BeItf(^öpfung 
gelten! 

Söenn alfo ein :perJDnli($er ©ott iüeber burd^ SRot^iüenbig- 
!eit ober Srt'öng §ur 2öeltj(^öpfung beftimmt fein, noc^ burc^ 
irgenbeinen 3^^^/ ^^n er ai§> erreichbar erfannte, gum freitniHigen 
6^ö^fung§act üeranla^t n)erben fonnte, ireil in biefer :pl;^fifc^ 
leibentooHen unb moralifc^ fc^limmen Sßelt berfelbe ai§> mä)i 
tealifirbar ober ir>enigften§ aU unrealifirt bleibenb t>orau§gefel^en 
tüerben mufete, — fo menbet fic^ f^Iie^Iid^ bie grage fo: Sßarnm 
unter biefen IXmftänben bie äöeltfc^opfung ni^t lieber nnterlaffcn 
n^urbe, it>enn il)r ©ntftel^en unb 2)afein boc^ r>on ber ©infic^t 
unb bem freien '^iUzn eine§ iperfonlic^en ©otte^ abl)ing! 
3Jian !ann ja woljl toerfuc^en, au^ biefe grage gu beantiüorten 
§um ^e^ufe einer ^^eobicee im frül^er angegebenen ©inne, näm= 
lic^ um ben ©lauben an einen perfönlic^en (^ott unb bamit bie 
S^teligion gu red)tfertigen, tro| aEer ©intrenbungen, hk bagegen 
tiorgebrac^t iüorben finb. (E§> lä^t fic^ tttüa fagen: ^ro§ atter 
:pl)^fif($en unb moralif($en Hebel, unb tro^bem, H^ iüeber bie 
@^re ©otteg noc^ 'i^a§> ^lüd ber @ef(^öpfe im SlUgemeinen unb 
(Spangen, fonbern l)ö^\kn§ tl)eiln3eife unb fogar nur sum geringften 
^^eile erreicht ir>irb, !onnte ober burfte bo($ W 6(^öpfung t>on 
©Ott nic^t unterlaffen werben, iüeil fonft um be§ liebele unb 
be^ SBöfen miEen aud^ ba^ ©ute unb ba^ ^lüd l)ätte ol^ne 
©yifteng bleiben muffen, fobafe ba^ Hebel unb ba§ 33öfe mel)r 
^erüdfic^^tigung gefunben l;ätte aU ba§ ©ute, unb noc^ toor ber 
©yiftenj fid^ felbft @ott gegenüber mäc^^tiger eriüiefen ]f)ätte al^ 
't)a^ ©Ute. Um bem ©uten, Sbealen unb ber ©lücffeligfeit 9teali^ 
firung in einer Schöpfung gu ermöglichten, tüar alfo bie 2Belt 
troj göttlicher SSorauSfic^t il^re^ 3Serlaufe§ bennod^ 5U fd^affen 
unb i:^r raum=§eitlid^e @ntn)icfelung §n gelüäljren. Hm beö 33öfen 
voiUtn burfte 't}a§> ©ute alfo nid^t unmöglid^, nid^t unrealifir= 
bar bleiben, unb um ber Seiben tüiEen nid^t "ok ©lücffeligfeit 



IV. S^x 2:^eobicce. 163 

t)on ©efd^öpfen ol^ne mögliche ©yiftens Bleiben.* ^ie^ ettüa 
Hefee \iä) fagen. ^amit tüäre aber bann nt(^t ber freie QötU 
lid)t SBitte, fonbern toären W Sbeen be^ ^uten unb Söa^ren 
ta^ 33efttmmenbe, glei($fam S^öt^igenbe bei ber Schöpfung, unb 
mü^te ber perjönli(^e ©ott getüiff ermaßen nur al§> Drgan ber 
Sflealifirung ber S^een erfd^einen. ^ie etnigen Qbeen lüären 
ba^ ^eftimmenbe, ©ntf($eibenbe l^ierbei, unb ba^ fd^mierigfte 
Problem tüäre nun tDieber, 'i)a§> SSerl^ältni^ biefer 3been gum 
:perfönli($en, abfoluten @ott §u beftimmen, ba biefelben in biefem 
gatte nid^t aU freiet ^robuct be^ göttlid^en Sntellect^, unb 
bereu Tla^t ni^t aU Slu^brud göttlichen SBiEen^ betrad^tet 
ujerben !önnte. Söiffenfd^aftlic^ lä§t \iä) bemnad^ immerhin an= 
gefid^tö ber tl^atfäd^lid^en SS^erpItniffe be^ ^afein^ W Slnna^^me 
eineg :perfönli(^en (3oUe§> nid^t (ober no$ nid^t) ertüeifen, \mt 
i^n ber religiöfe Glaube, aud^ in feiner l^öd^ften gorm, annimmt 
unb ber ©ultu^ t)ere^rt. S)ennD(^ biirfen tr>ir bie Sfteligion, aui^ 
auf iüiffenfd^aftlid^em 6tanbpun!t, mä)t o^m n)eitere0 preisgeben 
ober aU unberei^tigt erüären, ober i!)re ©yiften^ au^ nur für 
eine problematifd^e Ijalten. 2ßir l^aben bieS no(^ näl^er §u er= 
örtern. 

^ie Sfleligion ift nun einmal eine gro^e, attgemeine ge= 
fd^id^tlid^e ^Ijatfad^e ber 3J^enfd[}!)eit, bie fid^, tüenn aud^ in nod^ 
fo fd^tpad^en ©puren, aud^ fd^on in ber frü^eften Qzü unb ^ti 
ben ungebilbetften ober toer!ommenften 3SöI!ern finbet, tüie fie 
fid^ aud^ in ben St^itm ber l^od^ften (Kultur unb hd ben gebil= 
t)etften Golfern nod^ ermatten ^at, tüenn aud^ neue gormen an= 
nel^meub unb me'^r ober ioeniger S^lationalifirung unb SSergeiftigung 
erfa^renb. (^anj aufgegeben irarb fie !aum je im Slllgemeinen, 
toenn au^ (Singeine fid^ tioEftänbig toon il^r loSfagten ober loS= 
pfagen öerfud^ten — n)a§ ja bod^ ^auptfäd^lid^ nur ber jetüeiligen 
mel^r ober weniger un^ltbar gett»orbenen gorm gu gelten pflegt. 



* SSgL meine ©c^rift: „®a§ neue SBiffen unb ber neue ®iauU" {^äpiiQ 
1873), @, 119 ff. 

11* 



164 IV. B^x S^cobicee. 

Unter 35erf)ältniffen, ir»ie bie, in tüeld^en bie 3}lenfd^!)eit lebt, 
ift bieg au(^ lanm je in tooHem (Srnfte mögli($, ba iüir allent^ 
falben unö öom llnenblid;en, Unbegreiflid^en umfangen fef)en in 
unferm ^afein im 9iaume ipie in ber Q^it, t)om nnenblid^ ©rofeen 
unb unfaßbar kleinen. @g !ann alfo nur al§> t)oII!ommen un= 
ftattl^aft begeic^net irerben, bie ^Religion für ein Sßerf be§ ^e- 
trugen ober für eine blo^e SHufion §u erflären olEjne reale 
(iJrunblage; für eine ^äufd^ung, burd^ meldte "ou 2)Jenf (^l^eit 
tvk am Dkrrenfeil burd^ aEe 3^l)^taufenbe gefül;rt marb, bie 
aber bennod^ für 't>k 3Söl!er unb 3)lenfd^en aEer S^ii^n unb 
Stäume bie l^öc^fte, entfc^eibenbe ^otte gefpielt, 'iik l)öci^fte 3}lad^t 
au^^geübt unb im ^iiinbe bod; bie l;öd;fte 6tär!ung in ben 
2^it^n beö Seben^, tpie bie beglüdenbfte Hoffnung für ben Sob 
geii)äl;rt l^at. Sid^t, Seben unb Sefeligung ftrömt \a immerlfjin 
ber 3)knf d^fjeit aug ber 3bee @otte§, bem (Glauben an ©ott p 
in ber dUä^t unb ^efal;r be^ S)afein^. 2lud^ bie Sßiffenfd^aft 
barf 'tik^ nid^t t)er!ennen, benn biefe mu^, toenn fie nid^t t>on 
üorn^erein bem menfc^Iid^en S)en!en atte ^ebeutung abfpred^en 
n)itt, öon ber allgemeinen Sflationalität be^ ^afeinö au^gel^en, 
ni(^t t>on ber 2lnnal)me, ha^ ber (^runb ber 3ßelt tin unöer= 
nünftiger fei, au^ iüeld^em au(^ nur Unvernünftige^ unb ^Hu^ 
forifd^e^ l^ert}Drgel^en !önne. 3n biefem gaEe !önnte fie ja fid; 
felbft unb alfo aud^ gleid^ biefer il;rer S3el)auptung feine S3e= 
beutung mel^r guerfennen. 5lnbererfeit§ ift ber äJienfd^engeift 
!eine blofee ^enfmafd^ine, für tüeld^en nur ber entfpred^enbe 
übjectitoe ober reale a}ied^ani§mu^3 be^ Dkturgefd^e^enc^ ton 
Sebeutung unb erkennbar tnäre, fonbern biefer ©eift ift 
Seben, ift gül;len unb SSollen, bie ebenfaEg i^re ^ered^tigung 
l)aben unb im allgemeinen Sßefen be^ ^afein^ begrünbet fein 
muffen, in jenem ©runbprincip, ba^ toir al^ 2öeltpl^antafie 
bejeid^nen, aus bem fie fo gut irie 'i)a§> rationale 'Renten felbft 
l)err>orgel)en. 

2öir werben alfo bie S^leligion gunäd^ft aud^ al^ ein ^robuct 
eineö Dkturtriebe^ im 3Jlenfd^en auffaffen bürfen, ber fid^ burd^ 
bie fubjectiüe ^l)antafie offenbart unb gu objectitoiren fud^t. 21B 



IV. ^nx X^tobkti, 165 

eine Slnlage im 9}lenf(^en, beten ^etl^ätigung unb ©ntmidelung 
mit ben iintjoUfommenften gormen begann unb hk in ber ©nt= 
tt>i(Jelung burd^ mancherlei Stufen ]^inbur(^gel;t mit 3rrungen 
unb 3}ti»bilbungen aller Irt; fobafe 'i)it ^otte^ibee in äl)nlid)er 
Söeife fi(^ attmäl)li($ au^bilbete, tüie etiva bie 3bee be§ 6(^önen, 
bie au(^ in l^öc^ft untooEfommener SBeife, ja mit grote^fen ©e^ 
ftaltungen begann unb burc^ man($erlei Söanblungen unb (Sari- 
caturen l)inburd^ fid^ enttpidelte, U§> fie enblid^ bei ben ^ö^txn 
©nlturtoölfern gur ^larl;eit unb (relativen) ^ottfommenl^eit ge=: 
langte; iüie e§ ferner mit ber 3bee be^ (Stuten, ber 3flealifirung 
ber fittlid>en Sbee nid^t anber^ ergangen ift unb ergel)t, bie 
ebenfalls buri^ fel)r unt)oE!ommene Stufen l^inburd^ fic^ ent= 
voiä^li^, in iveld^en jum X^dl ba§ ^egentl)eil t)om n)ir!li(^ 
Sittlichen für fittlid^ gehalten marb; — h)ie benn nic^t bag 2öa^ 
be^ S^ß^^^tt, fonbern 'oa§> ©afe alg bie iüirfenbe ^reib!raft hti 
t)er Sftealifirung ber 3been im ©ntmidfelung^procefe ber 3}lenfd^= 
l^eit gu lüirfen pflegt, tr>eil man ha^^ tben am Slnfange nod) 
ni^t ^aben !ann, tüogu ber ^rieb öor^anben ift unb rüa§> aU 
3iel erftr ebt iüirb. 3Jlit ber ©rforfd^ung ber 2Bal)r]^eit, mit 
ber Sflealifirung ber 3bee berfelben in ber @r!enntni^ ging e^ 
nid;t anber^; burd^ Qrrtl^ümer l^inburd^ fül^rte ber 2ßeg in Stufen 
empor, 2lel)nlid^ t^erl^ält e§ fid^ alfo auc^ mit ber Sfleligion unb ber 
©ntiüidelung ber ©otte^ibee in ber SJienfi^^eit. ®ie Sfteligion 
erfd^eint in il)ren toerfd^iebenen gormen unb Stufen ai§> ein be= 
ftänbige^ Sud^en, SSerlangen nad^ einem ^löl^ern, IXebernatür^ 
lid^en, ©öttlid^en unb aU zin beftänbiger Glaube mit fefter 3«= 
Derfid^t, bieg gefunben gu l^aben; einer guüerfid^t ober lieber^ 
^eugung, Ut mel)r ober minber lang anbauert, bann aber burd^ 
ben gortfc^ritt in ber @eifte§bilbung, menigfteng Wi ben Kultur- 
t)öl!ern übertüunben, ober erfd^üttert it)irb. tiefer ©laube hilhzi 
ftetg 'i)a§> tpef entließe ^lüä ber 3Sül!er unb 3Jlenfd^en, bie i^^n 
befi^en; — benn aud^ 3Hufionen unb 3i^^t^ümer, für Söal^r^eit 
unb 2öir!lic^!eit gel^alten, !önnen ja beglüden — unb lXnge= 
bilbete, mie W Minber, finb fogar nod^ nic^t fäl)ig, in anberer 
gorm beglüdft p tperben in geiftiger ^egiel)ung. 3^ [tarier. 



166 IV. S^x 2:^cobicce. 

mäd^tiger aber ber ©laube M ben 2lnpngern einer beftimmten 
Dieligton fid^ au^bilbet, ber fie beglücft al§ abfolute 2öa]f)r]^eit 
unb als I;ö!^ere§ (SJefd^en! unb ©ebot ber @ottt)eit felbft, ^u um 
fo grö^erm llnglüd gereid^t berfelbe tr>ieberum anbern SSölfern 
unb 3}^enfd^en mit anberm ©lauben, ben man aU faljd^ erflärt 
unb vertilgen toiH. 2lud^ bie 9ieligionen treten auf biefe Sßeife 
ein in ben Äampf um§ ^afein unb pflegen Unl^eil unb (Slenb 
über 't>k 3}tenf(^en p bringen. 2tud^ ba§ (^fjriftent^um (in ber 
gorm ber d^riftlid^en ^ird^en) mad^t baöon leiber leine 2lugnal)me, 
^en §au))tgrunb bation bilben bie bogmatifd^en geftfteUungen, 
W man d[§> birecte göttlid^e Offenbarung geltenb mad^te unb 
bereu unbebingte Slnnal^me man iebermann gumutl^ete unb §u= 
mutl^et, ireld^en Glauben er bi^ljer aud^ befannt ^aben mag, — 
fo jnjar, ba§ man bie SRid^ tannal^me ober ba§ SBieberöerlaffen 
berfelben aU S^lebellion gegen ©ott, aU f(ud^= unb tobe^tüürbige^ 
3Serbred^en anfa!) unb pm ^^eil nod^ anfief)t. 3)enn immer iüirb 
e§> aU mala fides angefel^en, iüenn jemanb biefe ©Iauben§fä|e 
l^ört unb fie nid^t annimmt. ®ap fommen nod^ bie 6treitig= 
feiten unb kämpfe ber d^riftlid^en Parteien felbft unter einanber^ 
bie ebenfalls au^ bogmatifc^en Differenzen entftunben unb auf= 
red^t erl^alten tpurben unb merben. Diefe bogmatifd^en §au:pt= 
beftimmungen be^ !ird^lid^ = d;riftlid^en Sel^rfpftem^ finb nun t>on 
ben mobernen Söiffenfd^aften aU unl;altbar erliefen, — fo fel^r, 
ha^ mä)i Uo§> bie fog. übernatürlid^en d^riftlid^en ©lauben^fäge 
il^re ©runblage verloren l;aben, fonbern felbft bie fog. natür- 
lid^en 2öa]f)rl)eiten (nad^ !iri^li(^em 6prad^gebrau(^) ipiffenfi^aft- 
lid^ nid^t beriefen unb nid^t fidler beir)a!)rl;eitet n)erben fönnen. 
S)ie 9fleligion aber, in^befonbere bie d;riftlid^e, geljt barum nid^t 
SU ©runbe; im ©egentlfjeil, fie fann erft nad^ il^rem maleren 
Söefen nunmel^r §ur ©eltung !ommen, nad^ i^xex etl^ifd^en unb 
§um X^cii m^ftifd^en <Beii^, Qe me^r bie bogmatifd^e Beut 
be^ ürd^lid^en ©l^riftent^um^ mit i(;rem ©lauben^l^od^mutl^, mit 
il^rer Sieblofigfeit unb i^rem toerfolgung^füd^tigen ^anati^mu^ in 
"oen §intergrunb gebrängt tt»irb, befto me:^r !ann fid^ ber et^ifd^e 
&^axaiUx unb bie gottinnige ©efinnung, bie bas ßl^riftentl^um (E]f)rifti 



IV. ^nx S^cobicec. 167 

bilben, gut Geltung bringen. 2)iefe§ aber ift bod^ ba^ eigentlx($ 
©ntfd^eibenbe unb ba§, tr>ag attein notl^tl^ut; benn felbft ber ftrengfte 
(S^läubtge irirb Ijeut^utage !aum me!)r gu bel^aupten lüagen, bafe ber 
©laube an Ut SDogmen unb äu^erli($e reltgiöfe (^iultu^acte ot)ne 
fittlid^e ^efinnung unb ^l^at, unb ol^ne innige ©ottergebenbeit unb 
Semutb bem IXnerforfd^lic^en gegenüber, bie aEein entf(^eibenbe 33e= 
beutung ober au^ nur einen tüirüic^en religiöfen 2Bertb l;aben. 
©§ mufe t)ielme^r zugegeben werben, 'i^a^ bagegen umgele^rt fittli($e 
unb religiöfe (^efinnung auä) bann no(^ aB mertl^t^ottunb tioEgültig 
era($tet trerben muffen, n^enn bie üblichen Dogmen nid^t me!)r ge= 
glaubt n)erben fönnen, meil fie mit beffer erlannten 2ßaf)rl)eiten in 
2öiberfpru(^ ftel;en. 5Denn nid^t auf bie tbeoretifd^e ©infi($t, bie 
ftet^ unplänglid^ ift ))ei bem 3JJenf($en bem ^öttlid^en gegen= 
über, fonbern auf bag :pra!tif($e, etl^ifd^^religiöfe (nid^t p:^arifäifc^= 
religiöfe) ^erl^alten fommt e§ an, ba^ ftet^ möglid^ ift unb ba§ 
befte 3^^9^^6 9^^^ für W Qbealität unb göttlid^e ©runblage 
beg 2)afein^. ^a ber t^eoretifd^e ©laube unb Ut fog. rationale 
^^eologie ni(^t mel^r l)altbar finb, fommt e^ nur barauf an, 
bur($ 't^a§> @tl)if($e fid^ be§ ©öttlic^en tl^eill^aftig gu mad^en, tüie 
ber ©tifter be^ (Sl)riftentl;um^ ftet§ fo entf(^ieben forberte. ®en 
Glauben !ann man nid^t aufsmingen benen, 'ok ©rünbe bagegen 
baben ober gu l^aben meinen ; aber e§ l^anbelt fid^ bafür barum, Ut 
3J^enfd^en fo gu bilben, ba^ fie 6el)nfud^t, S^erlangen nad^ 
bem ©öttlid^en, nad^ ber @yiften§ unb SSolHommenljeit 
@otte^ l)aben unb ba^ fie tnünfd^en, bafe (^ott al§> 'oolh 
fommenfteg Söefen fei, — tüenn biefe ©yiften^ aud^ nid^t ganj 
fidler tljeoretifd^ betüiefen tüerben !ann. <Be^n^uä)t unb Hoffnung 
unb M'ot öereinigenb 2itbc gum ©öttlid^en l^at an bie ©tette 
be^ Glaubens gu treten; bieg 1^at mel)r Söert^, al§> nod^ fo fefter 
^ogmenglaube unb ürd^lid^eS (S5ebal)ren. (B§> iüirb bamit aud^ 
©laubensfanati^mug — Sieblcfig!eit gegen Slnber^gläubige — 
enben, tooburd^ bie S^eligion fo fel)r toiel Unheil, §a§ unb SSer= 
folgung über bie Tlen'\ä)^eit l^erbeigefü^rt, fotüie Unbilbung unb 
3}ertüilberung ^»eranlafet l?at; unb tüirb ir>ir!lic^ d^riftlic^e ^efin= 
nung gur (Stellung lommen. 3ln hk 6tette ber lel^rljaften, au^ 



168 IV. 3«r Sr^eobkee. 

befc^ränfter S[5erftanbegtl^ätig!eit l^ertjoröegangcnen, in enbltd^e 
^Begriffe gefaxten Seftimmungen über ©Ott tritt bann 'i)a§> m^ftifd^e 
Moment ber innigen Eingabe an baö llnenblid^e. Unbegreifliche, 
©tüige, an ha^ ©öttlid^e, ba^ in feiner SSoEfornmenl^eit nur in 
ber immer !larern @ntn?idelung ber Qbeen gur Offenbarung !ommt, 
aber nie enbgültig in 33egriffe ober gormein gefaxt tr>erben !ann. 
gormein, bie zttva mitten im6trom unenblic^er (S^eifte^enttnidelung 
in ber Wlen\ä)^tit aU ftarre (^ebilbe unt>eränberlid^ fortbefteljen 
müßten, ©ang ol)ne erflärenbe Seftimmungen !ann aEerbingg ba^ 
©öttli(^e für ba^ menfc^lid^e ^eipu^tfein immerl^in nic^t bleiben 
unb biefe JDerben nad^ menf(^li(^er 2lrt unb nad^ menf($lic^em Wla^- 
ftab baffelbe öerftänblid^ mai^en, alfo mel)r ober toeniger antl)ropo= 
morp^ifd^ fein. Slber fie bürfen nid^t ftarr unb untoeränberli(^ fein, 
fonbern muffen felbft fortfd^reiten, irie e^ ber unenbli(^en Se^nfud^t 
ber 3Renfd^l)eit unb bem unenblid^en 6ud^en ber menfc^lid^en Seele 
gemäfe ift unb vok bie fortfd^reitenbe (SJeifte^entinid^elung bie S3e= 
fäl^igung bagu ex)^ö^. Qm 2lttgemeinen !ann man \a mit ^^^0)1 
bel)aupten, ba^ ©ott für ben 3}lenfd^en ftet§ ha§> fei, \da§> er au§> 
il)m, bem an \iä) SSerborgenen mad^t, gu mad^en t)erftel)t naä) 
feinem S3ilbungggrab , feiner fittli(^en ©efinnung unb feiner 
©emütl^ioöereblung. S)a§ 2öefen beg ßlf^riftentl^um^ befielt bem= 
nad^ barin, ba§ bie Gläubigen ®ott aU attgütigen SSater auf= 
Pfaffen t)erftel)en unb gegenfeitig beffen ©teEe vertreten, il)n 
gleic^fam al^ fold^en realifiren in ilfjrem SSer^lten gegeneinanber, 
b. 1^. in ber (Srfüttung be^ ©ebote^ ber 9^äd^ftenliebe, n^eld^e bie 
öotte^liebe felbft pr 9lealifirung bringt. SDieiS ift ganj überein= 
ftimmenb mit bem Urt^eil^fprud^ hei bem legten (SJerid^t. — gür 
bag Söefen ber d^riftlid^en 9teligion ift ber entfpred^enbe 5lu§brutf 
ni($t (^b^^iftug am Äreuge, fonbern ^\)xi^iu^ am Delberge, fid} 
bem 2BiEen be§ SSater^ für ßeiben unb S^ob bemütl^ig ergebenb. 
^er ^reuge^tob ^ai an fid^ mit ber 3fteligion nid^t^ gu fd^affen, 
tüol^l aber ift (^eM unb ©rgebung Qefu am Delberg bie iral^re, 
mefentlid^e 9tealifirung religiofer ©efinnung. S^lol^e 9)^enfd^en 
ir erben il^re ©ott^eit fid^ in rollen gormen t»orftellen, fon^ie 
unfittlid^e, niebrige ©eban!en öom ßJöttlid^en fid^ bilben unb 



IV. 3ur S^eobicee. 169 

tDilbe 58öl!er, 'ok nod^ gan§ ben Sinneöeinbrüden unb ber un= 
t)oII!Dmmenett, pgellofen Z^tiQhit ber fubjecttöen $I;antafie 
iprei^gegeben finb, ipftegen im Slbfonberlii^en, 6eltfamen ober grob 
6innli(^en fid^ U;re übernatürlichen 9öttli($en Sßefen ober 3anber= 
.Gräfte öorgufteUen. 

Sft 'i^k ©eifte^bilbung tüeit genug fortgeschritten in ©rfennt- 
ni§ be^ Ittgemeinen burd^ 2lbftraction, foir>ie ha§> ^eiüu^tfein be§ 
Sbealen burd^ SSernnnftfd^auung, bann iüirb ba^ (SJöttlid^e ge= 
haä)t aU 2lbfolute§ nnb aU Inbegriff aEer SSottfommenl^eit. 
3n ben niebern S^teligionen fü]f)len bie 3SöI!er nod^ lein S3ebürf= 
nife, i^re ^otti£)eit (^3ötter) aU ab jolut unb aEt>oII!ommen §u 
beulen, fie bilben fi(^ biefelbe ant!)ropomorpl)if(^ unb mel)r ober 
tneniger naturaliftifd^ mit ben natürlid^en unb menfd^li($en Uu- 
t)o(I!ommenl^eiten. ®ie Functionen ober 2öer!e, W fie biefen 
(Göttern sut!)eilen, erforbern in ber 3:^i^at au^ !eine 2lbfolut!)eit, 
i)a fie nur relativer unb unüottfommener Slrt finb. Söirb t)k 
©ottl^eit aU 5lbfoluteö aufgefaßt-, fo ftammt biefer (SJebanfe au^ 
ber Xiefe be^ menfd^lic^en ©eifte^ felber, 'i^k bann freilid^ eine 
ä!)nli($e ^iefe be^ 2)afein§ üorau^fe|t, au§ toeld^er ber ©eift 
felber ftammt. <So begrünbet fi(^ bie 2lbfolut!)eit @otte^ ^anpb 
fäc^lid^ burd^ W ^^atfad^e, 'i^a^ im 3)^enfd^engeift ber (^eban!e 
be§ Slbfoluten entftel^en fonnte, tüie W '^^^^n burd^ it)re immer 
!lareren Offenbarungen einen l^omogenen (S^runb im IXrtoefen be^ 
^afein^ be!unben. greili($ entfte]5)t aber eben hei bem @eban!en 
be^ 5lbfoIuten n)ieber 'i)k 6d^n)ierig!eit, hk ©ntftel^ung be^ 9lela= 
tiüen baraug gu erüären. 2Bie !ann ba^ abfolut SSoEfommene 
ha§> 9telatit)e unb lXnt»olI!ommene !)ert) orbringen, ober aud^ nur 
l^eröorbringen iüotten? @tir>a bur($ 6elbftbefd^rän!ung ober 3Ser- 
enblid^ung feinet Sßefen^ ober eine§ ^l^eile^ feinet Söefen^? 
JCber biefe ift unmöglid^, ift bem 33egriffe be§ Slbfoluten h?iber= 
fpred^enb, 'i)a§> nic^t bIo§ aU unbefd^rän!t, fonbern auä) aU 
unbefd^rän!bar geba(^t werben mu^. 6oE bemnad^ eine 2öelt= 
fd^D^fung überl^aupt ftattgefunben l^aben, fo !onnte fie nur burd^ 
göttlid^e ^raftbetl^ätigung ftattfinben, au§ iüeld^er bie SBelt ]^er= 
t)orging ober toielmel^r, treidle bie SBelt ipurbe. 2)ie ^raft aber. 



170 IV. 3"^ S^eobicce. 

treibe babei tl^ätig toon ©Ott ausging, mu^te einerfeit^ göttUd^ 
fein, anbererf eitg aber boc^ lieber ein 2lnbereg bem (S)öttlid;en 
gegenüber feinem Sßefen nad^. (Eine folc^e ^raftbet^tigung 
gleid^t aber, ipie fc^on frnl^er erörtert tüurbe, am meiften ber 
^^ätig!eit ber fubjectiüen menf(^Iid;en ^^antafie, h^i lpeld)er 
anä) bie fubjectitoe geftaltenbe ^raft be^ ©eifte^ in ber SSor- 
ftettung ein Slnbere^ üon fic^ burd^ il^re ^^ätigfeit i)eröorbringt, 
felbft aber unüeränbert fortbeftel^t. ®ie 2BeItf(^öpfung tnäre 
alfo !)iernad^ — ipie f^on bemerft — al^ ein 2öer! göttli($er 
3magination§!raft aufgufaffen, bie Söelt felbft aU eine göttliche 
Imagination, freilid^ nid^t blo§ formaler, fonbern realer 2lrt; unb 
l'idax fo, ha^ Uz göttli($e, fd^öpferifd;e Imagination il;rem realen 
^robncte, ber Sßelt, immanent ift nnb in i^x fortlrirlt di§> allge^ 
meinet ©eftaltnngjaprincip ober 2öeltpl)antafie. 3)ie^ mit bem Siele, 
W @efe^lid;!eit unb S^edmäfeigfeit ^u realifiren im SSeltproce^, 
baburd^ §um SBemnfetfein, ^ur 6elbftn)al)rnel)mung ju gelangen, unb 
bann mit 33eit»u^tfein W Qbeen pr ©rlenntni^ unb Offenbarung 
5U bringen unb fie in Sbealen barpfteHen in bemühter SSerftanbe^- 
unb ^ernunftbet^ätigung unb hux^ felbftänbige^ freiet ©treben. 
SBeitergel^enb in bem SSerfuc^e, ba^ Ibfolute felbft nod^ näljer ^u be= 
ftimmen, fönnte bann nad^ 2lnalogie biefer emanenten 33etl)ätigung 
beffelben in ber Söeltfd^öpfung unb im Söeltproce^ aud^ "oa^» imma= 
nente Sßefen unb Seben ©otteio eben nad^ 2lnalogie ber ^etl;ätigung 
ber äöeltpl^antafie beftimmt lüerben, tüie biefe xiaä) Slnalogie ber 
fubjectiöen menfd^lid^en ^l^antafie aufgefaßt irurbe. ©emgemä^ 
mürbe ba^ 2lbfolute al§> lautere (^eftaltung^^lraft unb imma= 
nenter Sebensprocefe auf^ufaffen fein, ioie 't)k 2öeltpl;antafie al§ 
objectitje in ber ©eneration^potens real fid^ bet^ätigt, in ber 
fubjectitoen ^toax nur formal, aber bafür aud^ geiftig geftaltet. ^er 
gefammte 3Raturproce§ märe bemgemäfe aufgufaffen al^ ^orbilb 
für hk ©rienntnife be^ göttlichen Seben^proceffe^, bagegen aber 
eben in biefer ©r!enntnife al^ D^^ad^bilb be^ göttlid^en £eben§ 
anjufel^en. ^od^ bie^ 2lHe^ ift nid^t ftreng miffenfd^aftlid^ gu 
ermeifen unb !ann aud^ ni^t bogmatifd^ geltenb gemad^t merben, 
fonbern tUn nur aU ein ^erfu^ über pc^fte Probleme be^ 



IV. 3ur ^^eobicee. 171 

menf(^Iid^en ©eifte^. ^ie ©ottl^eit bleibt unbegreifli(^, mag fie 
perfönli($ qt^a^i iüerben ober unperfönU(^, ober toielmel^r über- 
perfönlic^, ba iebenfatt^ in i^v aU IXrgrwnb be§ menf(^Ii($en 
^afein§ ein 3}Zoment in il^rem abfolnten Söefen gebai^t tnerben 
mufe, au§> bem au^ bie menj'(j^Ii(^e ^erfünli($!eit l^erto orgelten 
fonnte, infofern bo(^ an§ abfolut IXnperfönlid^em bie§ nid^t ge= 
f(j^e{)en !onnte, toie au§> bem abfolut Unvernünftigen nnmöglid^ 
3Sernunft ]^ert>orgel)en, ober au§> bem, it>a§ gang bem ^eit)ufetfein 
fremb ift, bem abfolut Unbeiüu^ten S3eir»u^tfein fid; bilben !ann. 
%üx bie 3Jienfc^^eit, ber hk Sleligion ein attgemeine^ ^ebürfnit 
ift, !ann W ^erfonification be^ (^öttlii^en al^ ein not^tüenbige^ 
unb bered^tigteg SSerl^alten geltenb gemad^t werben; für bie 
3Jlenf(^en ift ba§ göttlid^e Söefen aU ^erel^rung^gegenftanb 
(menn aud^ nid^t al^ 33unbe^genoffe im Kampfe um^ S)afein mit 
^enad^tl^eiligung ber SJlitbeinerber) perfönli^, iüie e^ aud^ an 
fid^ fein mag, — ba e^ in biefem 2lnfid^ ^n^ar bem menfd^lid^en 
©eifte unfa^ar ift, aber jebenfatt^ nid^t unterperfönlid^ gebadet 
iperben !ann, fonbern toenigften^ potentiett perfönlid^ ober über= 
perfönlid^. 3)ie t»on ben Tlzn\ä)en perfönlid^ gebadete @ottl)eit 
trirb bieg nur in feljr t»erfd^iebenem (S^rabe ber 3Sott!ommenl)eit. 
Ungebilbete, ioie bie ^inber, !önnen fid^ ba§ göttlid^e Söefen 
al§> lebenbigeg ober perfönlid^ mirfenbe^ nur in fe^^r befd^ränfter 
Sßeife, §um 3^^eil nur !leinlic^ unb mit lleinlid^en fingen be= 
fd^äftigt beulen, unb beaiel)en bie göttlid^e 2Bir!fam!eit, gürforge 
unb §ülfe l^auptfäd^lid^ nur auf fid^ unb il)re eigenen !leinen 
2lngelegenl)eiten unb ^ebürfniffe. 2)emgemäfe geftaltet fid^ aud^ 
ber religiöfe (i:ultu§ unb felbft audf; ber 2lberglaube. Man fud^t 
in bemfelben bie göttlid^e äRad^t unb 2ßir!fam!eit Ü)tiU gegen 
bie 3f^aturgefe|e aufzubieten, tljtiU in bem ^ampf um^ ^afein 
ber S^aturmefen unb ben 3Jiitmenfd^en gegenüber §u gelpinnen. 
®ie (S^ottl^eit mirb ba^er forttt>äl)renb, toie am 33eginn be§ menfd^= 
lid^en S)afein§ gegen bie äußere ?^ot^ unb bie Seiben be^ Seben^, 
aU Helferin §u gen^innen gefud^t burd^ 2lnrufen, ^dbtn unb 
Seiftungen toerfd^iebener 2lrt. 3e l)ö^er aber 'i)k (S^otte^ibee fid^ 
entmidelt, befto reiner, ebler geftaltet fidt; auä) ber religiöfe 



172 IV. 3«i* 2:i)eobicee. 

ßultu^, befto freier toon felbftfü^tigen 33eftreBungen, befto meBr 
auf geiftige (Srl^ebung unb ^ilbung gerid^tet; befto mefjr fuc^t 
man in ber Sleligion ni(^t äußere §ülfe im Seben^fampfe, fon= 
bern innere, unb befto reiner finb hk ©aben, hk ber ©ottl^eit 
bargebrad^t werben, ©rgebung in ben gefe^lid^en SSerlauf be-o 
^afeinö, 35er^errlic^ung göttlicher 33oll!ommen^eit unb babur($ 
^ereblung be^ eigenen Sßefen^. 

3öenn @ott für ben Tltn\^zn ift, \da§> er au^ il^m ju 
mad;en treife, toenn bie intettectuette, et^ifd^e unb äft^etifc^e S3il= 
bung W ©otte^öorfteEung unb =SSere^rung in il^rer 3^oII!ommen= 
l^eit beftimmt, fo ift !lar, ba§ bur($ bie gortfc^ritte ber 2öiffen= 
f(^aft unb ßiüilifation ir>efentli(^ anä) hu S^teligion geforbert, 
Derebelt, tiertooElommnet merben mu§, unb baB h^i fortgefd^rittener 
Kultur frühere ^SorfteHungen t»on ber @ottl)eit unb altüber= 
fommene ßultu^arten nid^t mefjr genügen !önnen unb lein Sftec^t 
I)aben, 'i)en ©ebilbeten gegenüber mit Öelüalt aufredet erl^alten 
p iüerben; benn im 2l(lgemeinen mufe bod^ ber ^runbfa^ gel= 
tenb gemacht trerben, ha^ nid)t W IXngebilbeten ma^gebenb im 
geiftigen (auä) im religiöfen) Seben fein muffen, fonbern bie C^e= 
bilbeten, benn ba§ ^egent!)eil n^ürbe gur Barbarei unb §u einer 
Slrt $olpt^ei§mu§ ^urüdEfül^ren. 

5Die ^teligionen pflegen bie Sßiffenfd^aft aU i^re Gegnerin 
gu betrad^ten unb fui^ten in alten gormen unb toon jel^er ben 
gortf(^ritt berfelben, aU für fie gefät)rli(^, gu !)emmen. ^n ber 
^^at beftel^t unb beftanb öon IXrbeginn an ein geiniffer ©egen= 
fa^ ober Stntagoni^mu^ stpifc^en Sfleligion unb SBiffenfd^aft ober 
SSerftanbeeforfi^ung, unb glüar ein unt>ermeibli(^er, trteil in ber 
9^atur ber ^aä)^ felbft begrünbeter. ^ie 9fleIigion l^at fid^ §u= 
näd^ft auicgebilbet burd^ P;antafietf)ätig!eit unb, jirar guerft nid^t 
burd^ felbftänbige ©ebilbe ber $(;antafie für ba§ ©öttlid^e ober 
'i)a§> Uebernatürlid^e, fonbern baburd^, ba^ äufeere ©egenftänbe, 
!leine unb groge, t)on befonberer 33ebeutung für ba^ menfc^Ud^e 
^afein bagu t)ertr»enbet tnurben, bie göttlid^en ilräfte in fie 
l^ineinguben!en unb biefelben l^intüieberum für Offenbarungen 
be^ ©öttlid^en unb für baiS ©öttlid^e felbft gu l)alten, — tüte 



IV. 3ur 2:i^eobicec. 173 

Äinber in aEe ©egenftänbe il;re ^l^antafiegebilbe !)ineint>er= 
legen unb fie fo betrai^ten unb bel^anbeln, aU tt>ären fie ba§ 
blo§ Smaginirte tr>ir!lt(^. 60 tüutbe W ^aiuv mit i^xm 
©rfd^einungen attent!)alben öergöttlid^t, in ben gel)eiligten £rei§ 
religiöfer (^egenftänbe erl)oben xinb baburc^ glei($fam gefeit unb 
aU nbernatürli(^ ber natürlid^en gorfd^nng unb ©rüärung ent= 
rxicft. 60 fonnte ^k menfc^lic^e 2öiffenf($aft gar nii^t anber^ 
entfte!)en unb fid^ entir>i(feln aU im ©egenfa^ unb ^ampf mit 
ber Sfteligion, b. ^. mit ber ^ergöttli($ung ber D^^atur huxä) bie 
$]^antafiet^ätig!eit. ®iefe naturaliftifd^e Steligion tüarb inbefe, 
menigften^ bei "otn ©ulturt) eifern, allmä^lic^ übertpunben, bie 
D^atur tDurbe burd; U^ tr>iffenj($aftlid^e (^l)ilofo^l^if(^e) gcrfd^ung 
immer meljr entgöttert unb natürlid^, b. ^, aU gefe|li($e§, ni(^t 
übernatiirlid^e^, ir>unberbare§ ©ein uxit) ®ef(^el)en erflärt; bie 
9f^aturgötter verloren immer mel)r Gebiete unb ir»i(^en fo§ufagen 
fd^liefelid^ hi§> §um geftirnten §immel gurüd. 2ln t^k 6telle ber 
naturaliftifd;en üieligionen traten geiftige, tr>eld^e nid^t mel^r fii^t^ 
bare ©egenftänbe ber 51atur aU Götter gelten liefen, fonbern 
geiftige Sßefen al^ übernatürliche Wlä^U geltenb mad^ten ober 
gerabeju nur einen unfid^tbaren @ott aU geiftige^, perfönlid^e^ 
Sßefen. 3lber 'i^k\z§> Ijöd^fte SBefen geigte fid^ nid^t felbft un= 
mittelbar aU folc^e^, fonbern gab fid^ burd^ Menfd^en unb alfo 
gef d^id^tlid; funb burd^ ©rflärungen unb SSorfd^riften, "i^k aU 
göttlid^e Offenbarungen angefünbigt unb geltenb gemad^t tüurben. 
In W Stelle ber üergöttlid^ten DIaturgegenftänbe traten nun 
l)iftorifd), burd; menfd^lid^e $erfönlid^!eiten gegebene Seljren, ^e- 
griffe, ©a|ungen, (^lauben^fä^e. S)iefe nun mad;ten iüieberum 
aU birect göttlid^ gegebene 2lnfprud^ barauf, aller n)iffenfd^aft= 
lt(^en gorfd^ung al^ blo^ natürlid^er 3Serftanbe§t^ätig!eit, tok 
aller iüirflid^en Prüfung unb gortbilbung ober SSerbefferung ent- 
l)oben §u fein, ^ie (S^lauben^fäge follen al§> unumftöfelid^e, gött= 
lid^e, übernatürliche Söal^rl^eiten öon ber Sßiffenfd^aft felbft ]^in= 
genommen tüerben aU fidlere ^rämiffen für formale logifc^e 
Operationen, al^ meldte aEein nod^ ^a^t ber Söiffenfd^aft fein 
fönnen, — tvk W fog. pofitit)e ^Ijeologie aud^ tüefentlic^ 'i^axin 



174 IV. 3ur 3:^eobicee. 

befte!)t, tüofür bag f)ö$fte 33eifpiel, bie fog. 6($olafti! bienen 
!ann. ®ie h)ir!(i($e Sßiffenfd^aft aber, auä) bie pl^ilofopl^ifd^e, 
!ann bieg nic^t gelten laffen, fonbern mu§, tüie fie frül;er bie 
t)ergötterte ^ainx iljrer menfd;li(^en 3Serftanbegforf($ung unter= 
30g, fo auä) bei ben ^iftorif($en ^Religionen bag @efc^i(^tli(^e 
berfelben, fotr>ie bie Dogmen il^rer Prüfung unterhielten nnb 
ni^t bIo§ unterfui^en, trag logifc^ au§> i^mn fid^ für golge^ 
Tungen §iel;en laffen, fonbern au($ ob fie an fid^ \dai)x feien, 
atten 33ebingungen ber SGßal^rl^eit unb tr>iffenf(^aftli(^en @r!ennt= 
nife entfpred^en. Dl)ne bieg iDürbe burd^ bogmatifd^e 6^fteme 
W gan^e 2öiffenfd^aft für abgefd^loffen gelten muffen, gum 6till= 
ftanb fontmen unb eim Sßeiterentmicfelung in aUtn Gebieten 
ber gorfd^ung märe auggefd^Ioffen, — tük bieg bie ©efd^id^te 
ber Sßiffenf Gräften ber neuern Qtit in iljrem klingen um i^re 
ßyiftenj mit ben ürd^lid^en Dogmen unb Sluctoritäen l^inreid^enb 
geigt. Iber irie in früherer S>^it ber naturaliftif(^en 9ieIigion, 
unb tüie ben ©laubengfagungen ber nic^td^riftlid^en 9leIigionen 
gegenüber bie Sßiffenf^aft i^x ^^ä)t in 2lnfprud^ nehmen mufete, 
fo auc^ gegenüber 'i^tn ürd^Iid^en 6a^ungen unb ^uctoritäten, 
bie im Saufe ber gefd^ic^tlid^en ©nttoidelung aug 'oem 6^riften= 
tl^um l)ert)orgegan9en finb. Dl^ne biefeg 9fte($t ber Sßiffenfc^aft 
iüäre man aug ben naturaliftifd^en S^leligionen, felbft ber nieber= 
ften 2lrt, niemalg l;eraugge!ommen unb ol^ne ©ebrauc^ beffelben 
l^ätte bem Sßiberftanb ber ürd^Iid^en 5luctoritäten gemä§ bie 
gange moberne $öiffenf(^aft, felbft W S^aturtüiffenfd^aft mit att 
il^ren pra!tifd^en Erfolgen, nid^t entftel^en lönnen. @g ift atter» 
bingg rid)tig, ba§ bie Steligion, ber ©laube, unabljängig ift t)on 
aEer Siffenfc^aft, folange er im ©emütl^e Wibt unb alg re= 
ligiöfe, fromme unb etl^ifd^e ©efinnung fid^ betl^ätigt; aber fo= 
balb er aug biefem ^eraugtritt in bag inteEectueHe &^bitt, \iä) 
mit 3f^aturgegenftänben unb gefd^id^tlid^en ^erfonen unb (Sreig^^ 
niffen in enge SSerbinbung fegt, gugleid^ fid^ lel^rl^aft geftaltet 
in beftimmten Gegriffen unb (Sagungen, ift er ber n)iffenfd^aft= 
lid^en gorfd^ung üerfatten. — Sle^nlid^ mie ber Staat ber 9fle= 
ligion, bem (Glauben nid^tg eingureben ^at, folange er fub= 



IV. 3ur 2:^eobicee. 175 

jectitoe ^er^en^fad^e unb t|)eorettf(^e 2lnfi($t bleibt, iDo^l aber 
bann, iüenn ber Glaube aU üleltgion in einer ©emeinfd^aft fic^ 
eine beftimmte Drganifation gibt mit beftimmten Tagungen nnb 
einer gefeEfc^aftlii^en, einer ^luctorität nntern)orfenen Drbnnng. 
3Jlan pflegt \dD^ tik golgen ber freien gorfi^ung üon Seite 
ber SSertreter ber !ir(3^li($en Slnctorität anf 't)a§> ftär!fte au^u- 
fül^ren nnb an^gumalen, aU fei bamit bem abfolnten Snbjecti^ 
tji^mn^ ^I;nr nnb ^^or geöffnet, nnb mnffe alle ©etüi^l^eit nnb 
Sßal^rl^eit toerloren gelten bnrd^ blojge 2ßill!nr, bnri^ bie <Bä)'(r)aä)' 
l^eit Unit) tlnfäl)igfeit ber menf(^Ii(^en 3Sernnnft, foiüie bnr($ 'i)k 
^o§l)eit nnb ben §0($mntl) ber SSertreter ber 2ßiffenf(^aft. 2lber 
man pftegt e§ gn nnterlaffen, anc^ ba^ anbere ©ytrem nä!)er 
in^ 2lnge gu faffen nnb in feinen (Sonfeqnen^en ^n verfolgen, bafe 
nämlid^ bur($ abfointe Inctorität nnb 'i)a§ (^tbdixtn iljxex Präger 
gar 6c^Iimme§ gefc^eljen !ann, ba fie bod^ and^ nnr f(^it)a(^e, irr= 
tl^nm^fäl^ige SJlenfc^en finb, nnr mit ber fo öiel gefc^mä^ten f(^n)a= 
d^en ^ernnnft an§geftattet, nnb an^brüdlid^ aU fnnb^aft aner!annt 
lüerben, alfo hzi Sln^übnng i'^rer Slnctorität be§ Wti§>hxan^§> nnb 
felbft beg 35erbre(^en0 fä^ig fein muffen. ^§> hUibt nnbea($tet, ha^ 
bnrc^ biefe abfointe 3Inctorität, refp. beren Präger, bie 9JJenf(^en 
nm ben @ebran($ il^rer l)ö(^ften (^db^, ber SSernnnft nämlid^, nnb 
l^oax in ber l)ö($ftenmenf(^li(^en5lngelegen^eit gebracht, babnr($it>ie 
t>ernnnftlofe ©efd^öpfe bel^anbelt tnerben t»on biefen 3lnctoritäten, 
nid^t mel)r it>ie i? ernnnf tbegabt, alfo ni^t mel)r iüie 3}^enf(^en! 
©^ l^at noc^ 6inn nnb ^egrnnbnng in ber menfd^lid^en D^latur, 
^inber nnb Söilbe ober gänglic^ Ungebilbete toottfommen ber 
Slnctorität nntergnorbnen, — aber anc^ biefe nnr geitn)eife, nm 
fie pm (B^bxauä) ber SSernnnft p filieren; — aber e§> ift ööttig 
gegen alle S^latnr nnb gegen alle§ 3}lenf($enrec^t nnb vernünftige 
Seben^betrad^tnng, bie 35ernnnft felbft nnb hk §anptt>ertreter 
berfelben, bie n3iffenf($aftlid^en gorf($er, "oen oft fo iüenig gebilbe= 
ten, !enntni^lofen Prägern ber Slnctorität nnb be^ ©lanben§ 
nntergnorbnen nnb fie nnr tük blinbe Söerfgenge öerlrenben ^n 
iDolIen. ®ie SSernnnft nnb Sßiffenfd^aft gel^t nid^t anf 2öill!nr 
an^, fonbern tritt im ©egent]5)eil biefe fo 'mtit aU möglid^ t>er= 



176 IV. ^üx X^eobicec. 

tneiben unb übertrinben, unb ba§ SlUgemeine unb allgemein unb 
objecttt) ©ültige erfennen unb pr Geltung bringen, — babei aEe 
2öiII!ür nnb aUe§> Uo§> fnbjectiöe P;antafiet3erf al^ren au^f d^lie^enb ; 
mäl^renb umge!e:^rt gerabe ber ©taube di^ ©ad^e be^ Sßitten^ 
gilt unb, tüenn ol^ne ©rfenntnife geträl^rt, Sad^e rein fubjectitoer 
SSillfür ift, 't)it freilid^ oft aud^ für tim übernatürlid^e (^in= 
gebung ober (^dbt be^eid^net gu werben pflegt. ®ie 2ßiffenfd^aft 
ift e§, tooburd^ ber fubjectiüe ©laube mel^r unb mel^r eine objec- 
tiioe ^ebeutung erl^ält unb baburd^ 'okl fefter, gefid^erter toirb 
al^ ber toiffen^Iofe, ber fo leidet bei bem SSolfe p erfd^üttern 
ift, tüie ja bie unaufl)örlid^en klagen ber ^erfünber unb Söäc^ter 
beffelben fo laut bezeugen. 5tud^ inner!)alb be^ ^roteftanti^mu^ 
ift in neuerer 3ßit ßitie t^eologifd^e S^id^tung entftanben, bie auä 
bem (BthkU be^ (SJlauben^ ben QnteEect mit feiner rationalen 
^l^ätigfeit gan^ au^fc^Iie^en tüill, alfo mie ber $apft, nur noc^ 
rabicaler ba^ Sacrificiuin intellectiis forbert, — al» gäbe e^ für 
ben Glauben unb feine ©emi^^eit in ber 3}lenfd^ennatur ein ganj 
eigene^, t?om .^ntellect getrennte^ pf^d^ifd^e^ Organ, gang t)er= 
]ä)k'i)zn t)on bem be§ @r!ennen^. ^^tun birgt ber ©laube aEer= 
bingg ginei 3}Zomente in fid^, ein m^ftifc^e^ unb ein Ijiftorifd^^ 
rationale^; burd^ ba^ mtjftifd^e allein entfielet aber tdn beftimmter 
(SJlaube, e§ begrünbet ba^ SDafe be^ ©tauben^, aber nid^t aud^ 
beffen beftimmten Snl^att, ber bod^ immer ©rfennen, Söiffen, alfo 
einen Se^rin^alt »erlangt, "oa er ol^ne biefen unbeftimmt unb gel^alt^ 
lo^ märe. ®emgemä§ !ann ber Qnl^alt be^ ©laubeng nie t)on ber 
2öiffenfd^aft unb ^ilbung gang unberül;rt bleiben, ^lufeerbem aber 
getüinnt ber ©laube (bie 9fteligion) burc^ ^k Söiffenfd^aft, ben gort:= 
fd^ritt beg SBiffen^, einen reinem fittlid^en unb eblem (Sljarafter. 
^ie§ fd^on baburc^, 'i)a^ in bem ^D^afee ber blinbe, lieblofe %anati^'^ 
muö gegen Slnber^gläubige üerfd^minbet ober iüenigfteui^ gemilbert 
ioirb unb ^a§> attgemeine 3)lenfd^enred^t ber eigenen Uebergeugung 
auä) 2lnbern gugeftanben toirb, toie man e^ felbft inSlnfprud^ nimmt. 
Saburd^ l)ört, 'ma§> !aum genug betont tüerben lann, — 't)k ^teli- 
gion, ber ©otte^glaube, ber in feiner reinen, eblen gorm 'oa^ 
l)öd^fte ©ut ber 3Jienfd^^eit ift ober menigften^ fein foll, auf, ^k 



IV. 3ur t^eobtcce. 177 

3)lenfd^ett gegeneinanber in ^afe gu entflammen unb p geinb= 
f(^aft unb müt^enben SSerfoIgungen §u treiben, — tnoburc^ bil= 
l^er gerabe bie S^eligion ber 3Jlenf^l^eit fo t>iel IXnglü^ Bereitete 
unb fi(^ felBft entiüürbigte. ®ie 9fleligion l^at alfo bur(^aug 
feinen @runb gegen bie Sßiffenfd^aft feinbfelig gefinnt p fein 
unb fie fortiüäl^renb t)or bem 35oI!e gu t)erbä(^tigen. 5Die 
reine, einfädle etl^ifd^e unb gottinnige 9fleligion, mie fie im 
(E^riftentl^um (Sl^rifti am beften gegeben ift, biefe ^at t»on ber 
Sßiffenfd^aft ni^t^ gu fürchten. $Die äßiffenfd^aft felbft aber fott 
gegen 't)k 9fleligion ebenfo toenig geinbf(^aft liegen ober auf 
bereu SSernid^tung auggel^en, 'i^a fie biefe^ l^ol^e geiftige @ut, "i^a^ 
mie naturnotl^tpenbig fid^ ertoeift, bem S^oüe nid^t erfe^en !ann. 
Iber aud^ ganj trennen t»on ber ^Religion foll fid^ 'du 2öiffenf(^aft 
nid^t unb biefelbe nid^t fogufagen il^rem ^ä)id\al preisgeben, — 
f(^on um beg S^i^fr^^teS mitten nid^t, ber baburd^ im geiftigen 
£eben ber Sßölfer gft»ifd^en ben ©ebilbeten unb Ungebilbeten ent= 
fte{)t, ber immer größer unb unl^eilöotter merben mü^te. SDie 3$er= 
binbung fott öielmel^r erl^alten unb tootte Trennung 'toermieben to^x- 
ben, iüeil tu Sfteligion fid^ ftet§ il^re naivere lel^rl^afte ©eftaltung nad^ 
ben SSer^ältniffen ber ß^ultur unb ben gortfd^ritten ber SOSiffen= 
fd^aft geben mufe aud^ in ber ©egeniüart unb 3u!unft, inie e§ 
in ber SSergangenl^eit, felbft im d^riftlid^en Slltertl^um unb im 
SJlittelalter gefd^ef^en ift. 5Die Sfteligion l^at burd^ $]^antafie= 
betl^ätigung i^ren Urfprung genommen unb burd^ biefelbe il^re 
erfte ©eftaltung erl^alten, irie frül^er fd^on l^ert)orgel^oben trurbe; 
Srrtl^ümer unb 2ßa!)ngebilbe atter 2Irt bilbeten gröfetentl^eils il^ren 
3n^It, unb eS tüar bieS !aum anberS möglid^ ^ei ber t>ottftän= 
bigen Unbilbung unb Hnfenntni^ bes menfd^lid^en ©eifteS. 3)ie 
©eifteSenttoid^elung felbft fonnte nur auf biefe 2ßeife il^ren 2ln= 
fang nel^men* unb nur attmäl^lid^ gu rationaler ©eftaltung fort= 
fd^reiten mit gunel^menber ^ilbung unb 2^!^ätig!eit ber @r!ennt= 



@. mein Serf: ,,UeBer bie ©enefiö ber 9}icnfd^l^ett unb bereit geiftige 
@nttt)i(ferung in Üleligion, ©ittlid^feit unb ©^rad^c" (2«ünd^en 1883). 
iixoi)'\^ammev, 9Jit)ftcrtum SJlagnuitt. 12 



178 IV. 3ur St^eobicce. 

ni^raft. ©iefe mufete banad^ ftreben, ba§ religtöfe SSemufetfein 
immer mel^r öon 2öa:^n= unb 5^rugbilbern §u befreien, ben 
(glauben öom SlberglauBen ^u fd^eiben unb p reinigen, — aEer:= 
bing^ unter fd^iperen kämpfen unb großen Opfern. @^ ift ein 
IXnglüd für W 3Jienf(^l^eit, ba^ il^re religiöfen 35orftelIungen in 
einer S^it gebilbet unb mel^r ober ireniger für W folgenbe geit 
fiyirt irurben aU unumftö^ic^e Sßal^rlf^eiten, in toeli^er bie 
ÄenntniB t»on 3f^atur unb (3^\ä)iä)t^ ndä) fef)r gering ix)ar unb 
in beiben Gebieten Qrrtl^ümer unb gabeln aEer Irt l^errfd^ten. 
S)abur(^ ift bie Sfieligion unb bie 2ßiffenf($aft f)auptfä(^(i(J gu 
beftänbigem 6treit gegeneinanber öeranlafet h}orben, ber beiben 
5uglei(^ fo fd^äblid^ toax unb fo öiel §emmniffe bereitete, ^nht^ 
hti ber menfc^li($en ^^^atur, n)ie fie nun einmal ift, tuar hicS» 
niä)i p üermeiben, tr>enn überhaupt ein geiftige^ Seben entftel^en 
unb fid^ au^bilben foHte; e^ gehört bie^ mit §u bem f (girieren 
©efc^ic^ ber 3)Zenfi^^eit. ®ie 3fteligion foü nur i^re ^eittüeiligen 
lel^r^ften geftfteEungen nid^t aU abfolute geltenb mad^en aud^ 
ber SBiffenfd^aft gegenüber, h)enn biefe infolge il^re^ gortfd^ritte^ 
biefelben nid^t meljr al§> rid^tig !ann gelten laffen. ^intoieberum 
toirb aud^ niemanb mit S^lec^t bel^aupten !önnen, 'i^a^ bie 2ßiffen= 
fd^aft je im 6tanbe fein ioerbe, aud^ nur bag äu^erlid^e S)afein 
öoKftänbig gu ergrünben, gefd^toeige benn ben einigen, abfoluten 
(^runb naä) feiner IXnenblid^feit unb feinem äöefen gu erlennen 
unb enbgültig barüber gu entfd^eiben, fobafe für 't^zn ©lauben 
fein ©egenftanb, Uin @el^eimni§ mel^r übrig bliebe! 2)a^ grofee 
©e^eimni^ befielet fort, für tie S^leligion ein ©egenftanb ber 
^Serel^rung unb ber Hoffnung, für bie SBiffenfc^aft tin Qizl un- 
abläffigen Strebend unb gorfd^en^ p fein. Unb gtoar nid^t blo^ 
für bie ^l^ilofopl^ie, fonbern aud^ für 'J)it übrigen Sßiffenfc^aften, 
in^befonbere für bie 3f^aturtüiffenfc^aft, 'oa gerabe biefe aud^ 
banad^ ftrebt, gtoar nid^t im ©angen unb ©ro^en ba^ Myste- 
rium magnum be^ 2)afein^ ^n erforfd^en, toie bie $^ilofopl^ie, 
tüol^l aber im einzelnen in ber 9^atur ti^ üerborgenen Gräfte 
unb ©efege §u ergrünben unb 'oamit beren ©el^eimniffe §u ent= 
Bütten, — freitid^ fo, bafe hinter bem gelöften ©e^eimnife 



IV. 3«r S^eobkce. 179 

über ^roBIem gleid^ tüieber ein neue^ I;eröortritt unb nie 
ein ©nbe gu fommen f($eint, — it)a§ ja f(^on bie Statur in 
il)xtx äußern llnenbli(^!eit !lar genug gum 2Iu^brn(l bringt. 
®er 2Biffenfd^aft unb in^befonbere ber ^l^ilofopl^ie l^ierüber 
einen 3Sorn)urf p machen ober gerabegu p bel^aupten, 'oa^ e§ 
mä)t§ mit ii^r fei, ba§ fie nichts gu leiften öermöge, ift ebenfo 
unberechtigt, tt»ie n^enn man ber Slftronomie einen SSorit>urf 
barau^ mad;en ober fie für nu|Io§ erüären inollte, tüeil fie W 
Unenbli$!eit be^ lXnit>erfum^ niä)t au^gumeffen ober nid^t an§u= 
geben toermag, mag auf ben einzelnen ungäl^ligen §immel§!örpern 
eigentlich t)orge]^e. ©er SBei^l^eit Ie|ter 6($Iu§ ift eben für hk 
^raft be^ menf(^Iid^en @eifte§ attentl;alben 9flefignation in S3e§ug 
auf ha§> Se|te, ^öd^fte, unb benno$ §uglei(^ unabldffige^ 6treben 
naä) ©rtpeiterung ber (Sr!enntni§ in allen S3e§iel^ungen unb in 
33egug auf alle Dbjecte, hk bem menf($li(|en S3en)u§tfein fi(^ 
aufbrängen. 5Die§ gilt für "Dk 2ßiffenf(^aft tüie für bie ^Religion, 
in jener in tl^eoretifc^er, in biefer in pra!tif($er ^e§iel^ung aU 
unbebingte Ergebung in 'oen gel^eimni^t>otten göttlichen SßiHen 
ober Sflat^fd^lu^. ^iel ioäre fc^on erreicht, it»enn enblid^ 3Biffen= 
fd^aft unb Steligion l)armonif(^ gufammenit»ir!ten, 'oi^ SJlenfd^^eit 
gu öerebeln unb p beglüden, menn e^ in^befonbere ber 2öiffen= 
fc^aft gelänge, ben religiöfen §a^ unb §o(^mutl^, ber W S5öl!er 
unb Steligionen trennt, ^u milbern unb baburd^ hie Sfleligion felbft 
gu einem ©egen unb (^lüä für bie 3Söl!er §u geftalten. 5Die§ 
£e|tere, foit>ie bie Harmonie giüifd^en D^leligion unb Sßiffenfd^aft, 
ift bebingt l^auiptfäc^lid^ burd^ (Sine§: burd^ S5efeitigung be§ fog. 
Uebernatürlid^en au§> bem (^zWk ber D^leligion, 'i^a infolge be§ 
©lauben^ an birecte^ Sßir!en beg IXebernatürlid^en ober ^öiU 
lid^en in ber 3}lenfd^]^eit fotüol^l bie ioirllid^e 6ittlid^!eit gefäl^rbet, 
ba§ natürlid^e fittlid^e ©etüiffen unterbrüdft unb 'oa^» natürlid;e 
3}lenfd^enre(^t ber 2lnber§g(äubigen aufgel^oben, aU aud^ ba§ 
Sfled^t ber SSernunftforfc^ung gel^emmt, ja t»ernid^tet toirb. ®ie 
9leligion mu§ al^ eine natürliche ^etl^ätigung beg menfd^lid^en 
(^eifte§ aufgefaßt unb geübt ioerben, iüie ^unft, 2öiffenfd^aft u. f. \v, 
S)iefe SBel^auiptung mag auf ben erften S3lidf al^ unrichtig ober 

12* 



180 IV. Svir Sr^eobiccc. 

parabo? erfd^einen, ba bod^ bte S^leligton, ber Glaube eö tüefentlid) 
mit bem ©öttlic^en, Hebernatürlid^en §u t^un ^at 2lttein e§ l^anbelt 
\iä) 't)dbti nid^t um ben Qnl^alt be§ ©lauben^, fonbetn um ben 
Urfprung unb bte ©eiüäl^r unb Sluctorität bafür. 2öo biefe aud^ 
al^ übernatürlid^ gilt, aU birect göttlid^ , ba ir»irb in 'tik menfd^= 
lid^e ©efd^id^te ein Sactor eingefül^rt, ber ba§ S^atürlid^e unb 
SSernünftige unb bamit aEe natürlid^e ©nttüidfelung unb Se= 
mäl^rung, felbft ba^ fittlid^e Seben ftört unb fd^äbigt. S)a biefe^ 
übernatürlid^e, birect göttliche 3Jloment in ben toerfd^iebenen 
Sfleligionen felbft üerfd^ieben ift, fo entbrennt felbftüerftänblid^ 
ber ^ampf ber 58e!enner um fo entfd^iebener, inilber. Je mel^r 
fie bation überzeugt finb, 't^amii ©otte^ 6a(^e, nic^t blol i^^re 
menfd^Iid^e ^u tiertreten; ©etüiffen, 3}lenfd^lid^!eit, '^c^t unb 
2öa]^r]^eit^)5rüfung geljen barüber gu ©runbe, tt>ie bie (SJefc^id^te 
ber Steligionen, in^befonbere aud^ ber d^riftlid^en geigt, ba für 
©otte^ <5aä)^ 5lIIe^ erlaubt fein muß unb natürlid^e^ Siedet ber 
3Jlenf(^en bem übernatürlid^en, göttlichen gegenüber feine (SJeltung 
beanfpruc^en fann. ßbenfo !ann öon einem 3flec^t ber SSernunft 
5ur gorfd^ung feine ^^'oe mel^r fein, wo ber @laube befielet, 
@ott ^db^ ben ^nl^alt birect felbft gegeben ober geoffenbart. 
60 ift e^ gefommen, 'Da^ 'ok 9fleligion, ta^ ber Glaube an @ott 
p einer üueHe be^ IXnl^eil^ für tk 3}ienfd^]^eit geirorben ift, 
§u einer Quelle ber Sieblofigfeit, be^ §affe^ unb ber SSerfolgung 
ber 3}lenfd^en gegeneinanber, fotoie §u einer 6d^ranfe ber geiftigen 
(gnttüidtelung, anftatt eine üueHe be^ grieben^, ber allgemeinen 
3Jlenfd^enliebeunb 2)ienfd^enbeglüdung gu werben, tüoju fie offenbar 
t)or 5lttem ber Stifter beö (S^riftent^um^ aud; erl^eben tnottte. — 
lieber tk bel^auptete ober öermeintlid^e Hebernatürlid^feit felbft 
befielet ja fd^on großer, erbitterter Streit unter ben Parteien; ein 
6treit, ber um fo l^eftiger unb enblofer, äugerlid^er unb oft grau^ 
famer feinmufe, 'i)a bemUebernatürlid^en gegenüber SSernunftgrünbe 
gar nid^t^ gelten, nid^t geltenb gemad^t tüerben bürfen, — fobafe nur 
äußere ©etoalt fd^liefelid^ bie ©ntfd^eibung gibt. S)enn toie fottte 
ba anber^ entfd^ieben trerben fönnen beliebigen, fubiectiüen 3}iei= 
nungen gegenüber? ©^ treten n)ol;l 3Jlenf d^en auf mit ber S3e= 



IV. 3ur sr^eobtcce. 181 

l^auptung, birect göttlid^er ©ingebung ober ®rleu(^tung getüür^ 
bigt SU fein für 't)a^, tva^ fie t»er!iinben. StIIetn biefe tiermeint^ 
H($e ©rleud^tung ift rein fubjectito nnb !ann anbern gegenüber 
burd^ m^i§> ben)iefen trerben. SDiefem fog. IXebernatürlid^en !ann 
bal^er gar feine Sebeutung ^ngef (^rieben Serben; fottte bergleid^en 
gelten, fo iüürbe fid^ alle^ in fubjectitoe 3Jieinungen nnb nn= 
begrünbete, ipie nnbegrünbbare S3el^auptnngen auflöfen nnb bie 
S^leligion gu ^arteiungen nnb 6ecten aEer 2lrt ^eranlaffung 
tüerben, 'ok fid^ nur gegenfeitig beftreiten, uiä)t aber überzeugen 
lönnten, ha fie nid^t auf obiectit>en ©rünben, fonbern ^htn nur 
auf fubjectiöen Eingebungen, ref:p. (Sinbilbungen berul^ten. 60II 
'oa§> behauptete IXebernatürlic^e ober bie fog. birecte göttlid^e Dffen= 
barung gu obiectitoer (l^iftorifd^er) Geltung lommen, fo mu§ e§ 
fid^ organifiren, in einer ^ird^e mit ^irc^enauctorität barftetten, 
nnb hit^ ift bann eine l;ierar(^ifd^e ^nftitution, ein ürd^lic^e^ 
3flegiment mit att feiner Unbulbfamfeit, feinem ©eifte^bruc^ unb 
feiner nad^ Umftänben ftrengen unb felbft graufamen ^etnalt^ 
^errfd^aft, bie im 9^amen @otte§ toon fog. 6tettt)ertretern @otte§ 
auggefül^rt inirb, hzmn gegenüber !eine anbere ©lauben^anfid^t 
unb leine menfd^Iid^en Sfted^te (S^eltung pgeftanben tüirb, 't)a 
'i)a^ ©öttlid^e felbftüerftänblid^ über bem 3)lenfd^lid^en ftel)t unb 
ber 6tettt>ertreter ober ^iatti)alUx ßJotte^ über aUe menfc^licf;e 
2luctorität, SJlad^tbefugnife unb SBiffenfd^aft erl^aben ift! S)enn 
loenn aud^ bel^auptet trirb, 'i)a^ ha§> Uebernatürlid^e bie ^f^atur 
nid^t auff)eben, fonbern nur ergangen foll, fo ift 't)ie§> nid^t fo 
ernft gemeint, toie fd^on bemerft, 't)a attentl^alben Unter n? er fung 
be§ 9fiatürlid^en, be^ natürlid^en 9lec^t§ unter ta^» übernatürlid^e, 
be^ natürlid^en, fittlic^en ©elniffen^ unter ba§ religiöfe, !ird^= 
lid^e ©etüiffen unb ber natürlid^en SSernunft unter fog. über- 
natürlid^e Offenbarung unb 2luctorität, b. ^. unter ba§, toag 
man bafür ausgibt, geforbert gu iperben pflegt. Unter ber 33e= 
I;auptung, 5^räger be§ Uebernatürlic^en gu fein, mad^en fid^ 
'oi^ einen 3Kenfd^en gleid^fam p lottern für bie anbern, 
öon benen unbebingte Untern? erfung geforbert tüirb unter Me§, 
toa^ bie fog. göttlid^e Stuctorität, b. ^. bie menfd^Iid^en 6teII= 



182 IV. 3ur 2;^eobtcec. 

tiertreter ©otte§ Befd^Ue^en, feftfteHen unb gebieten, mag e5 betn 
natürlid;en 9fled;te, ber SSernunft unb SBiffenfd^aft unb bem in= 
teHectuetten unb fittlt(^en gortfc^rttt ber 3}lenfd;I;eit entfpred;en 
ober ntd;t. ^abei l^aben fie md;t§ für fi(^ angufül^ren al§ ba§ 
Selbftgeugnife, t>on bem f(^on ©{)rtftu!3 felber fagt, ba§ e§ leinen 
SBertl^ !)abe, unb ba§ attentl^alben, tüte e§ in ber menf(^lid;en 
©nttüidelung nid;t anber^ fein !ann, ber l^iftorifd^en unb ratio= 
naien Prüfung ni^t 6tanb l^ält. — §intr»ieberum aber fott mit 
ber ^efeitigung be^ llebernatürli($en au§ ber S^teligion gugleid; 
ba§ rein D^atürlid^e in berfelben möglii^ft eingefd^rän!t lr»erben. 
^. f). bie ^Religion fott, obtt>o^l fie fi(^ tim räumlid^'seitlid^e @e= 
ftalt ober Drganifation mit oft fel^r irbifd;en Seftrebungen gegeben 
\)at, bD$ nunmel^r toom rein 3ßitli(^en unb 9fläumlid;en fo toiel aU 
irbif(^ unb menfd^lid; möglid; ift, befreit, alfo t>om blo^ 5Ratür= 
liefen unb @ef($ic^tli(^en, ba§ bem gortfd^ritte ber lt)iffenfd^aft= 
lid^en gorfi^ung anheimfällt, lo^gelöft unb i!^r etnige^v unbebingteg 
Söefen für "oa^f menf(^li(^e ©emütl^ baburd^ it)ir!fam gemad;t unb 
i)or ttn ©onflicten mit irbif(^en 3JJä($ten gefiederter ir>erben al^ 
e§ bi^l^er ber %aU mar. S)ag urfprünglid^e, einfädle ß:^riften= 
tl^um o!)ne 2öiffenfd;aft unb 2Beltregiment bietet aud; l)ierfür ein 
!lare§ SSorbilb. ^ie ^Religion aber mit gef(^id^tli(^en ©reigniffen 
unb ©inrid;tungen unb mit geittreiligen Statur auff äff un gen innig 
unb tüefentlid^ t?erbinben unb jugleii^ fie toor ber 2Biffenf(^aft, t)or 
ber 35ernunftforf($ung unb S3ilbung baburc^ retten unb fiebern 
iüoEen, 't>a^ man ba§ Dpfer ber Vernunft (Sacrificium intellectus) 
forbert, l^eifet biefelbe gu ©runbe xiä)Un unb bie (^ebilbeten aU= 
mäl)Ii(^ bem 5ltl)ei§mu§, trenigften^ im ©inne ber pofititoen 9fleli= 
gionen pfü^ren. ^enn it»er foE ober !ann fd;lie^li($ an einen 
@ott glauben, ber dm SSernunft al^ §ö(^fteg gefi^affen unb bann 
ben ®ebrau(^ berfelben gerabe in ber l;öc^ften 5lngelegenl)eit t)er= 
boten, ja ba^ Dpfer, ben 3Ser§i(^t auf ben @ebrau(^ berfelben, 
aU ^flid^t unb l;öc^fte§ 35erbienft be§ toernünftigen SSefen^ an= 
red^nen foll? ^ein vernünftige^, gefd)öpfli(^e^ Söefen fönnte ja 
fo toerfal^ren, irenn e§ vernünftig l;anbeln moüte, tüie foHte ber 
©d^öpfer von feinen vernünftigen ©efd^öpfen principieE folc^e^ 



IV. 3"^ S^cobicee. 183 

»erlangen, nod^ ba^u nid^t birect für fid^, fonbern für fog. ©tell= 
Vertreter! ^a^ 2lnalogte muffen tüir bo(^ au(^ l^ierüber ur= 
t!)etlen bürfen ! IXnb trie f oEte ber göttltd^e Schöpfer eine 3^atur 
gefd^affen ^ahzn unb bie freie, b. 1^. ernftlid^e ©rforfd^ung ber= 
felben hem menfc^li($en Reifte »erbieten, ireil biefe gorfd^ung 
nnb ©rfenntnife gum Unglauben, §um Irrglauben unb ^t^ti§mu§> 
fül^ren muffe, ol^ne hk leitenbe unb einfd^rän!enbe gül^rung be^ 
©tauben^, refp. ber ©lauben^auctorität? 3)en SJlenfd^en p= 
mutigen an einen @ott gu glauben, ber folc^e^ t^ut, fold^e^ 
f(^afft unb »erlangt, l^eigt fie nöt^igen, einen irrationalen @ott 
an^unel^men ober ben Glauben baran ganj aufzugeben! 5Die 
Seigre »om Uebernatürlid^en !lingt n3ol)l ganj unfi^ulbig, ja 
fromm unb erbaulid^, unb 'ok S3e!ämpfer berfelben können leicht 
al^ Ungläubige unb (SJottlofe »or ben ^enntnife^ unb ©eban!en= 
lofen »erbäc^tigt iperben, aEein man fe^^e nur auf 'i^k gefd^id^t^ 
lid^en ^^atfad^en aU (Eonfequen^en, bie naturgemäß barau^ 
folgen, um ^n erfennen, iüeld^ eine furd^tbare ©eifel, ireld^ 
mörberifd^er Söürgengel für 'i^k 3}lenfd^l^eit fid^ bal^inter »erbirgt 
in ber »ermeintlid^en 33ere(^tigung ber (Gläubigen, aEe 2lnber^= 
benfenben al^ @ott»erlaffene, al^ (gm^3örer gegen @ott ^u be= 
txaä)kn unb bemgemäß ol^ne ^etüiffen^bebenlen gu bel^anbeln, 
fid^ felbft aber in §oc^mut^ über biefelben aU attein 'äzä)U 
gläubige unb 2llleinbered^tigte p ergeben. Unb hie§> tro| ber 
6d^iüäd^e ber menfi^lid^en SSernunft, 'iiiz ]iä) Ui Prüfung nid^t 
blo§ be^ Sn^alt^, fonbern me^r naä) ber S^atfad^e einer gött= 
liefen Offenbarung !unbgibt unb unabläffig ^er»orge]^oben tüirb, 
n)ä^renb man bod^ für ben eigenen Glauben (ber bod^ aud^ 
nid^t blinb, inteEectlo^ fein tnitt) abfolute Geltung in ^n]^xu^ 
nimmt! 



2)ru(f öon g. 91. Jörod^ou« in Seipäifl. 



|. |rfll)fiI)aiiöiiEr'5 ^r\^im kt |I)tIöfn|il)if, 



^rofeffor 0. ^ro^f (Jammer geriet^ kfanntüdj fc^ou frü§ burrf) 
feine ^^ilofo^^ie mit bem toithzx aufttjuc^ernben -Sefuiti^muö unb burd) 
biefen mit ber pö^fttic^en ^urie in ^onflict. ©c^on 1857 toarb ein 
Sn^ öon i§m („lieber ben Urfprung ber menfd)tic^en ©eelen") auf 
ben -3nbej ber verbotenen ^üc^er gefegt, bem batb tüeitere folgten 
(,,lleber bie i^rei^eit ber Söiffenfc^aft" n. a.). ®ann (1862) erf^ien 
ein päpftüc^e^ 33ret)e gegen feine $^i(ofop^ie unb auf @runb baöon 
mürbe berfelben auc^ ber jn^eite ^aragrop^ be§ famofen <B\)Uab\x^ öon 
80 üerbammten ^Sä^en gen^ibmet (1864). 5lud) n)ar i^ro^fd^ammer 
ber einzige tebenbe beutfd)e $f)i(opfop^, beffen ©d^riften bei bem t)ati= 
canif(^en dondi fpecieH S3erü(ffic^tigung fanben. @g njar ^auptfäd^Ud^ 
bie gorberung ber i^rei^eit ber SBiffenf^aft, gegenüber ber jefuitifc^= 
päpftüc^en 33e^anptung, bag bie ^f)i(o|op^ie (worunter atle natürtidje 
Siffenfdjaft überhaupt tierftanben ift) bie 9}?agb ber 2:^eo(ogie fei, b. l). 
fic^ ber ^irc^engettjalt unbebingt unterwerfen muffe, — welche 5lnftog 
erregte. Xxo^ aller 5lnfeinbung unb Verfolgung, grober unb raffinirter 
5lrt unb tro^ aller erfahrenen fonftigen 3uvüc!fe^ung ^at gro^frf)ammer 
bie grei^eit aU 9?ec^t ber Siffenfc^aft tert^eibigt unb atfo ba§ Ütec^t 
ber Uniberfität, bamit aber auc^ beö ©taateg felbft, vertreten unb üer= 
fochten; — be« (Staate« felbft, beffen ^lufgabe unb atfo "ipflic^t unb 
ditäjt e§ ift, bie 9J2ögli(^!eit einer felbftönbigen wiffenfc^aftlic^en gor= 
fcf)ung 3u fidlem au^ ben 35ergen)altigung«=SSerfud^en ber fird^lic^en 
3luctoritäten gegenüber. 5luf biefem ©tanbpunft ^t nun gro^fd^ammer 
fein ®t)ftem ber ^^ilofop^ie felbftänbig feit -3:a^ren auögebilbet unb 
aümä^lid^ jur jDarfteßung gebraut. 2)ie§ ift in folgenben 2Ber!en 
gefc^e^en: 

I. Sie ^^f)i\o^opf)ic aU 3i>ealttiiffenfcä^aft itttb <S^ftem. 

3ur Einleitung in "ok ^^ilofopl^ie. Tlünä)en, 2lb. Mtx- 
mann'^ S^ad^folger (Emil gran!e), 1884. 6. 98. ^xd§> 
2 Maxi 

2)icfe einleitenbe «S^rift fagt 3unäd§ft ber ^errfc^enben Unfid^er= 
^ett unb Un!lar§eit in ber Seftimmung ton Segriff unb Aufgabe ber 
^^ilofopl^ie gegenüber biefe alg 2Biffenfc§aft von ber ibealen Sa^r^eit, 



a(§ Obeatroiffenfcf)aft; al^ ^rincip einer einheitlichen ^^i(ofop^ifd)en 
SßcUauffaffung aber n3irb eine fc^öpfcrifd)e, objectit) nnb fuOjcctiö gc= 
ftattenbe Silad^t angenommen, bie aU 2BeItpf)antafie be^cic^nct iuirb unb 
jugleic^ al^ rcateö $rincip bcö 9?atnrproccffeö (objectiuc "il^fjantafie) 
n)ir!fam ift unb at§ formale^ ^rincip ber (Srfenntnig mt beö pra!ti= 
fd)en ^eben^ (fubjectiue $()antafte) fid) bet^ätigt. 

II. Sie ^^antafie aU ®tnn^ptincip be^ ^cUpvo- 
ceffe^^ 9)Iünd;en, ^^eob. Mermann, 1877. 6. XXIY, 
575. ^rei§ 11 3J^ar!. 

S3on ben brei 33ü(^crn biefe§ grunbtegenben 2[Berfe8 beftimmt ba§ 
erfte Söefen unb principiellen (i^^araftcr ber ^^antafie unb i^rc Untcr= 
fd}eibung in objcctiöe (©enerationöpotenj) unb fubjectiue. ®abei inirb 
^ugteid^ bie S3ebeutung ber ^^antafie für ben @r!enntniJ3proceg in 
Unterfuc^ung gejogen. 3)aö 3113 cite 33ud) enthält eine naturp^i(ofo= 
pl)ifc^e ©Üjse, ^auptfdd^üd^ ben (gntmidetungöproceg ber objectit)en ^l)an= 
tafie jur ©ubjectiöität (@ee(e) ^eigenb. ^(§ 9}?otto bafitr !ann ©d^iHer'ö 
SBort gelten: „?eben gab i^r (ber 9^atur) bie gäbet, bie ©c^ule I)at 
ftc entfcelet; fc^affenbeg Seben aufä neu gibt bie 33ernunft il)r jurüd." 
S)aä britte S3u(^ ift ber 5lnt^ropoIogie gemibmet unb jcigt bie ®enefi§ 
beg menfc^ü^en ©eifteö au§ ber objectioen "^^antafic ^erauö, mit feinen 
t)erfc^iebenen Functionen, refp. S^ermögen; jeigt alfo bie ©enefiö be§ 
@cmüt^e§, beö ©etbftbemugtfcinö, beö (frfenntnißoermögen^ unb beö 
Sßitlen^. 5ln^ang^n)eife n)erben aud^ bie abnormen pf^c^ifc^en 33et^ä- 
tigungen ber 9JJenf^ennatur erijrtert. 

III. Uchct bie ©enefi^ ber ^enfc^^eit nn\> bereu 
geifttge ^nitoiäeiunQ in fReligiott^ ®itiü^tcit 
ttttb @<iracfte* Münzen, 2Ib. Sldermann'^ 3^ad;folger 
(@mil graule), 1883. ©. XVI, 525. ^rei^ 10 maxi 

3)er OnI)a(t biefcö 2Ber!e6 ift im ZM fd)on nä^er angegeben, 
(gö iüirb 3unäd)ft gezeigt, wie bie 3Kenfd)^eit burd) S3et()ätigung ber 
objectioen unb fubjectiöen ^^antafie entftunb, atfo an^ bem 5ÖJenfc^en= 
©efc^rec^t bie 9}?cnfd)()cit iourbe unb bie Waffen unb 53ötfer entftunben 
((Sfi^je einer S3ö(ferpfi)^o(ogie). ®ann luirb bie 9^eügion nac^ Ur- 
fprung, @nttt)idc(ung unb SBefen betrachtet unb ^war tuieberum in if)rer 
^ejie^ung ^um allgemeinen SßeÜprincip, ber SBettp^antafie. ^uc^ ha^ 
fittüd^c i^eben tüirb in feinem Urfprung unb Söefen auö biefem allge= 
meinen ^rincip, unb jniar ber objectioen unb fubjectioen ^^antafte ab= 
geleitet, unb enbUc^ ebenfo bie ©prad^e, bie ja otjne^iit baö Dffen= 
barunggorgan beö ©ciftigen ift unb ^ugleic^ at§ fünftterifc^e ©djöpfung, 
begrünbet burc^ bie objectiüe ^^antafie unb au^gefitljrt burc^ bie fub= 
itcim, erfd^eint. 



IV. Uchev bte Orgattifattott uttb ^uUnv bet mcn^^^ 
li^en ®efellfc^aft* ^^ilojo!p{)if($e Unterführungen über 
9fle(^t unb 6taat, fociale^ Seben unb ©rgte^nng. ^ünd^en, 
2lb. Slcfermann'^ S^ac^f olger ((gmil gran!e), 1885. 6. XIV, 
461. ^rei^ 8 Ttaxl 

!iDiefer (e^te Z^txi beö ©^ftcmg ift ber ^ejieljung be§ SÖeltpritt* 
cipö auf ha^ ^xdtx\ä)t !?ebcn getribmet. (gg mxh alfo bie @ettcf{§ 
beö 9?e(^t§ unb be8 ©taateg aug bcmfelben gezeigt, fotüte bereu tüeitere 
(SntUJtcfetuug unb bereu SSerl^ältutg 5um @t^tfc^en unb jur ^etigton. 
(Sbcnfo wirb bann bie ^ebeutung beg $rincip§ für bie focialen ^er= 
^ättniffe erörtert unb eubtic^ auf @runb biefeS ^rincip^ ein !ur3er 
©runbrig eine§ päbagogtfd^en ©t)ftem§ jur ©arfteHung gebracht. 



3u bicfen $aupttt)erfeu beö ©Jjftem^ fontmen noc^ ^u treiterer 
Erläuterung unb iöegrünbuug beffetben folgenbe 9?ebenfc^riften: 

1. momtcn nnt> «Bclt^^antafte» ü^ünd^en, Sr^eob. 5Icfermann, 1879. 

@, X, 181. ^ret§ 3 maxt 50 ^f. 

®er erfte Xi)tii biefer ©d^rift enthält eine !urje, überfic^tüd^e 3)ar= 
fteHung beg -Sn^aÜö beö erften, grunblegenben äBerfeS {„i)k ^^antafie 
aU @runbprincip"). 3)er jujeite 2;^eit gibt eine 5lu^einanberfe^ung mit 
ben §auptbertretern ber 2ti)xz öon ben SJJonaben aU 'ißrincipien beö 
Söettgefc^e^eng, inöbcfonbere mit ^eibnij, §erbart, S, §. gierte u. a., 
fotüie mit einigen mouabologifc^ gefinnten mob erneu 9^ aturfor feiern. @S 
n)irb bie ^t)itofop^ifc^e (Sin^eitö(et)re gegenüber bem fog. Puraüömu^ 
gettenb gemad^t. 

2. Uchcv bie ^cbcututtö bct ©itt^Ubuttö^Itaft tu bct ^^Uofo|>^ie 

Äattf ^ unb ^pino^a'^* mU^tn, 2Ib. Stcfermann'g 9^ac^foIger ((Smit 
granfe), 1879. @. VIII, 172. $rei8 3 äJ^arf 50 ^f. 

®em mobernen 9?uf: „Bnrücf ju f aut", trirb ^ier baburc^ ^ec^= 
nung getragen, ba^ ber eigentliche ?ebengpuuft ber f auffegen "iptjUofopljie 
in ber „Ä'riti! ber reinen S5ernunft" aufgefüllt unb in ber ^robuctiöen 
(Sinbitbungö!raft gefunben lüirb, um t)on ^a auö eine Söeiterbitbung 
ber pl^itofopbift^en Söettauffaffung ju geininnen. 3wg^^i^ ^i^^ ^^ ^^^f^^ 
(Sinbitbungö!raft ha^ öereinigeube S3anb für bie brei ^ritüen tanfö 
gefunben unb bamit ber fc^einbare S^i^fP^^t berfelben aufgehoben. — 
an S3e3ug auf ©pinoja ujirb gezeigt, ba§ bei i§m nic^t burc^ bie an 
fic^ untätige ©ubftanj, fonbern im @runbe burd^ bie Imagination 
SDafein unb 2Bir!en in ber Seit bebingt fei. 



3, Uebct hie ^tinct^ien bcv Stnftotclifc^cn ^^ilofo^^ic nnb bic 
^ebctttung hcv ^^antaftc in t^etfel^en* 9[)Züuc^en, 2lb. 2tcfer»= 
mann'ö D^a^fotger ((Smit f^ranfe), 1881. @. VI, 143. ^veis 3 Tlaxt 

33ei 5lriftotc(eg ift nic^t btoö tion einer finnüd^en imb äftljetifc^en, 
fonbern aud^ üon einer (ogifc^en ^^antafie bie 9^ebe; bantit ift bic 
SBebeutung ber fubjectiüen ^()antafte fe()r beftimmt angebeutet. 5lnberer= 
feit^ f^ric^t er auc^ t)on einem ber 9?atur immanenten £ünft(er, ber 
unbewußt n^irfe n^ie ber ^ünftler mit SSemugtfein; bieö entfprid^t ber 
objectiüen ^()antafte mit i^rer 33ßir!famfeit. 2)amit ift lüeit !(arer 
unb beftimmter ba8 D^aturgefc^e^en er!(ärt, a(^ burc^ bie ^^^xt t>om 
-Önteüect (vou;) unb feinem 25er^ä(tnig ^ur SO^aterie, bie ^ttiar allent= 
^tben a(§ bie eigentlich 2lriftoteIif(^e gettenb gemacht njirb, aber öott 
Ün!larf)eit unb -Önconfequenjen bei näherer S3etrac^tung fid^ jeigt. 

4* ^ic ^V^ilo^op^ic hc& ^f)otna^ tfon ^qnino ftitifd^ dctttürbtgt 

^tipm, ^. 21. «ro(if)au8, 1889. @. XX, 537. ^reis 10 maxi 

®iefeö 2ßer! enthält junäd^ft eine einfache, !(are unb objectiüe 
Darftellung ber S^^omiftifc^en ^^itofop^ie; barauf ^in eine einge^enbe 
^iti! berfelben mit !ritifdf|er Serücfftd)tigung aud) ber Hriftotetifd^en 
*^^i(ofop^ie, ber 2^f)omaö im Söefentüc^en folgte, enbüc^ aber auc^ eine 
(^egenüberfteüung beö eigenen p^itofop^ifc^en Sljftemö in ben n^ic^tigern 
':Pun!ten, um an bie (Stetle beö fritifc^ 9^egirten aud^ ^J^ofitiüeö ju fe^cn 
unb bamit bcm eigenen Sijfteme nähere Scteuc^tung unb ^egrünbung 
ju getüä^ren. 



-3ebeö ber genannten Söerfe bitbet aud^ für fid) ein fetbftänbigeö 
(5^an5e§ unb !ann einjetn belogen tnerben burc^ aÜe Sud)^anbtungen.